Systemisch leiten im Seniorenheim - Borghild Wicke-Schuldt - E-Book

Systemisch leiten im Seniorenheim E-Book

Borghild Wicke-Schuldt

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Beschreibung

Ein gutes Betriebsklima schaffen durch die Gestaltung guter Beziehungen, Transparenz und Mitbestimmung organisieren und eine offene Kommuniktation pflegen. In diesem Buch werden Erkenntnisse aus der neurobiologischen Hirnforschung und systemische Fragestellungen in Theorie und Praxis dargestellt. Die Autorin ist Diplompädagogin, systemische Therapeutin und langjährige Leiterin einer Senioreneinrichtung. Sie beleuchtet Mitarbeiterführung unter drei Aspekten: Der erste Teil "Herzlichkeit" bezieht sich auf die positive innere Haltung der Leitungsperson. Sie lebt die Werte, die in der Einrichtung gelten und motiviert die Mitarbeiter durch die Pflege vertrauensvoller Beziehungen. Dazu werden Erkenntnissen aus der Hirnforschung angeführt. Im zweiten Teil "Führungsfäden" werden praxiserprobte Instrumente für Führung und Organisationsentwicklung vorgestellt. Ziele und Werte, Anerkennung und Wissensvermittlung geben Mitarbeitern Orientierung für selbstbestimmtes Handeln. Im dritten Teil "Vernetzung" wird anhand von Herausforderungen in der Praxis gezeigt, wie systemisch leiten funktioniert. Eingestreute Geschichten und Erfahrungen regen zum Nachdenken an und inspirieren zu neuen Ideen. Die Aufgaben einer Führungskraft werden allgemein beschrieben. Sie gelten überall, wo ein guter Umgang mit Mitarbeitern als Grundlage für den Erfolg des Unternehmens gesehen wird. Methoden und Fragestellungen aus der systemischen Therapie und Beratung sind dabei nützliche Tools. Das Buch enthält 30 Geschichten und Beispiele und 16 Abbildungen auf 216 Seiten.

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Seitenzahl: 240

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Das Studium von Beziehungsfähigkeit sollte in allen Ausbildungsgängen für Führungskräfte eine zentrale Aufgabe sein.

Solange Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht aus innerer Überzeugung wahr-, ernst-, und annehmen sind sie keine.

Im Pflegebereich brauchen wir Führungskräfte, die dazu bereit sind.

Borghild Wicke-Schuldt

Systemisch leiten im Seniorenheim

Wie führe ich meine Mitarbeiter zum gemeinsamen Erfolg?

© 2023 Borghild Wicke-Schuldt

ISBN Softcover: 978-3-347-82815-5

ISBN Hardcover: 978-3-347-82818-6

ISBN E-Book: 978-3-347-82819-3

ISBN Großschrift: 978-3-347-82826-1

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Inhalt

Vorwort

Erster Teil: Herzlichkeit

1 Die innere Entwicklung

1.1 Warum Liebe?

1.1 Beziehungsfähigkeit

2 Das Geheimnis guter Beziehungen

2.1 Menschen suchen Kooperation

2.2 Motivation durch Beziehung

2.3 Voraussetzungen für Beziehung

2.4 Jede Beziehung hat zwei Richtungen

3 Umgang mit Bewohnern

3.1 Bewohner als Spiegel

3.2 Kontakte mit Bewohnern

3.3 Entscheidungen zur Probe

3.4 Miteinander reden

4. Schalter und Schachteln im Gehirn

4.1 Offenheit und Neugier

4.2 Kreative Prozesse

4.3 Wie neue Ideen entstehen

4.4 Aufgaben und Projekte

5. Ein anregendes Umfeld

5.1. Unsere Wahrnehmungen

5.2. Gestaltung der Räume

5.3. Lebendigkeit und Wachstum

6. Wer definiert die Wirklichkeit?

6.1. Positiv denken

6.2 Neue Sichtweisen .

6.3 Humor und Lachen

7. Beratungsgespräche

7.1 Methoden systemischer Beratung

7.2 Beratung von Mitarbeitern

7.3 Teamberatung

Zweiter Teil: Führungsfäden

8 Führen mit Ziel

8.1 Führungsaufgaben

8.2 Was ist das Ziel?

8.3 Fragestellungen zum Leitbild

8.4. Wie ist unsere Organisationskultur?

8.5 Wie Worte wirken

9 Was bedeutet Macht?

9.1 Herrschaft

9.2 Verantwortung

9.3 Wie kann man führen?

9.4 Vor-Urteile, Fehler und Vertrauen

10 Führungsgedanken

10.1 Vertrauen oder Kontrolle?

10.2. Dreiecksverhältnisse

10.3 Pferd und Reiter

10.4 Chefin werden – Chefin sein

10.5 Neue Führungsmodelle

11 Drei Führungsinstrumente

11.1 Organisationsentwicklung

11.2 Teamsitzung mit allen Bereichen

11.3 Protokoll als „Chefsache“

11.4 Die Mitarbeiterversammlung

12 Der Fluss der Veränderungen

12.1 Energien

12.2 Führen durch Herumlaufen

12.3 Fragen stellen

12.4 Nicht verwalten, sondern führen!

13 Furcht vor Konflikten?

13.1 Konflikte sind Chancen

13.2 Konfliktmanagement als Alltagsroutine

13.3 Handlungsstrategien

14 Wissen für alle

14.1 Lebendiges Lernen

14.2 Die Experten

14.3 Den Horizont erweitern

Dritter Teil: Vernetzung

15 Vernetzt denken und handeln

15.1 Das Spinnennetz

15.2 Ein systemisches Konzept für Teamarbeit

15.3 Was ist Mitarbeitern wichtig

16 Der gute Geist

16.1 Was ist der gute Geist?

16.2 Der Geist und die Hirnforschung

16.3 Der gute Geist kann sterben

17 Mobbing

17.1 Was bedeutet Mobbing?

17.2 Mobbing erkennen

17.3 Strategien gegen Mobbing

18 Mitarbeiter mit Behinderung

19 Multi-Kulti

19.1 Die multikulturelle Arbeitswelt

19.2 Kulturkonflikte

19.3 Pflegestation Multi-Kulti

19.4 Was können wir lernen?

20 Werte vernetzen

20.1 Der Sprung in der Schüsse

20.2 Werte in der Gesellschaft

20.3 Werte als innerer Kompass

21 Zum Schluss

21.1 Kurzfassung systemisch leiten

21.2 Elf Punkte zur Empfehlung

Literaturverzeichnis

Verzeichnis der Geschichten und Beispiele

Weihnachtsstress

Achterbahn der Gefühle

Der Verdacht

Ein Gefühl der Niederlage

Der Kleiderschrank

Polizeiruf

Duftorgel Waschhandschuh

Das Kaufhaus

Wo sind die Strohblumen?

Neue Bewohner im Käfig

Vierbeinige Therapeuten

Trauer

Wo bleibt die Anonymität?

Der misshandelte Mitarbeiter

Das Wasserschloss

Danke für die Abmahnung

Ein strenger Vater

Hilferufe

Die sieben Frauen

Alt werden kann so schön sein

Nackt im Rollstuhl?

Stimmt das Ergebnis?

Chefin werden und sein

Die Konzertmanagerin

Streit

Der Fensterputzer

Geist-Wirkung

Dünner Kaffee dickes Putzmittel

Eine Momentaufnahme

Der Sprung in der Schüssel

Für dieses Buch habe ich mein Werk: „Systemisch leiten im Sozial- und Gesundheitswesen (2019) neu konzipiert.

Für flüssiges Lesen schreibe ich die weiblichen und männlichen Sprachformen von Personen abwechselnd.

Vorwort

Warum „systemisch“ leiten?

In allen Organisationen, wo Menschen miteinander in Beziehung treten, bilden die Individuen ein System, in dem jeder durch sein Verhalten Einfluss auf die anderen Mitglieder ausübt. Das bekannte Modell ist eine Familie. Ein Seniorenheim wird von vielen Menschen gestaltet und lebendig gehalten und auch immer wieder verändert. Ob Bewohner oder Mitarbeiter – jeder trägt seinen Teil zu diesem System bei und nimmt darauf Einfluss. Den wichtigsten Einfluss hat die Leitung.

Als Diplompädagogin und Familientherapeutin wurde ich Leiterin eines Altenheims bei einem öffentlichen Träger. Ich habe Methoden aus der systemischen Familientherapie mit meinen Mitarbeitern anwenden können und die Einrichtung mit ihnen gemeinsam weiter entwickelt. Daneben habe ich mich in der Organisationsentwicklung ausgebildet und mich mit der aktuellen Hirnforschung beschäftigt.

Ich blicke auf mein 25 Jahre langes Wirken zurück. Aus dem dicken Knäuel von Erinnerungen an Gedanken, Strategien, Handlungen und Aktivitäten ziehe ich die Fäden heraus, an denen ich die Grundlagen systemischen Leitens deutlich machen kann. Zur Begründung werden Erkenntnisse aus der Hirnforschung dargestellt.

Wie führe ich meine Mitarbeiter zum gemeinsamen Erfolg?

In dieser Frage stecken die Themen, die hier behandelt werden:

-Die Frage der Führungsaufgaben und der Führungsstile: Wie führe

-Die Frage zur Persönlichkeit der Leitungskraft: Ich

-Die Frage der Beziehung der Leitung zu den Mitarbeitern: meine Mitarbeiter

-Die Frage der Zielsetzung: zum Erfolg

-und des gemeinsamen Weges von Leitung und Mitarbeitern

Systemisch leiten wird auf drei Ebenen erklärt:

o Herzlichkeit: bezieht sich auf die innere Haltung und die Entwicklung der Leitungsperson selbst. Sie muss wissen, wie Beziehungen funktionieren und wie man sie pflegt. Dies wird mit Erkenntnissen aus der Hirnforschung erklärt. Das Symbol ist das Herz.

o Führungsfäden: zeigen auf, wie die Leitungskraft die Mitarbeiter zielgerichtet führt. Ziele und Werte geben den Mitarbeitern Orientierung für ihr selbstbestimmtes Handeln. Das Symbol sind die gespannten Fäden, die von der Leitungskraft ausgehen.

o Vernetzung veranschaulicht „systemisch leiten“ durch Dokumente und Kapitel zu den Herausforderungen im Seniorenheim. Ein praxisbewährtes Konzept für die Zusammenarbeit zeigt, wie Vernetzung organisiert wird. Auch wird nach der Vernetzung mit der Gesellschaft gefragt. Das Symbol ist das kunstvolle Netz der Spinne.

Alle Ebenen sind miteinander verzahnt und wirken gegenseitig auf sich ein. Systemisches Denken ist nicht linear, und es führt nicht von einer Ursache zur Wirkung. Systemisches Denken bedeutet, Zusammenhänge zu beachten und in Vernetzungen zu denken.

Geschichten und Dokumente aus dem Seniorenheim beleuchten die theoretischen Aspekte aus der Hirnforschung und der systemischen Betrachtung. Es sind Beispiele für lösungsorientiere Kommunikation und für einen kooperativen Führungsstil. Ich beschreibe meine bewährten Instrumente zur Mitarbeiterführung. Sie stellen Transparenz zwischen allen Beteiligten im System her. So entsteht eine hohe Motivation der Mitarbeitenden in einem anregenden Betriebsklima. Mit den Beispielen werden die eigenen Erfahrungen der Lesenden im Gehirn aktiviert, sie können mit den neuen Informationen verglichen werden.

Dieses Buch kann Menschen mit Leitungsverantwortung inspirieren und bestätigen. Studierende können sich auf künftige Führungsaufgaben im sozialen Bereich und auf die damit verbundenen persönlichen Herausforderungen vorbereiten.

Die Aufgaben einer Führungskraft werden allgemein beschrieben. Sie gelten für alle Einrichtungen, bei denen ein guter Umgang mit Mitarbeitern als Grundlage für den Erfolg des Unternehmens gesehen wird.

Erster Teil: Herzlichkeit

Man sieht nur mit dem Herzen gut, das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar (Saint-Exupery, der kleine Prinz)

1 Die innere Entwicklung

1.1 Warum Liebe?

Mitarbeiter zu führen ist eine Kunst. Ob das gelingt, hängt mit der inneren Haltung und mit der Entwicklung der eigenen Person zusammen. Sie ist nie abgeschlossen, es ist ein ständiger Prozess des Lernens und des In-Frage-Stellens eigener Positionen.

Man muss mit sich selbst klarkommen, um mit anderen Menschen gut auskommen zu können.

Eine Führungskraft muss grundsätzlich freundlich sein und lächeln können. Durch Freundlichkeit drückt sich Aufmerksamkeit und echtes Interesse am Anderen aus. Aber nur, wer auch zu sich selbst freundlich ist und sich ernst nimmt, kann Freundlichkeit ausstrahlen. Eine Grundlage ist die Liebe als das positive, gute wohlwollende Gefühl für sich und andere.

Man muss die Mitarbeiter lieben, um sie zu führen.

Lieben meint: Den Menschen mit Achtung und Respekt begegnen und dabei warmherzig, mitfühlend, verständnisvoll sein. Es gut mit ihnen meinen, ihr Bestes wollen. Es heißt Vertrauen schenken. Dabei ist das Herz entscheidend, die Fähigkeit, sich in den anderen Menschen hinein zu versetzen und grundsätzlich die eigenen Vor-Urteile zu hinterfragen. Mit Lieben ist hier gemeint: Etwas mit ganzem Herzen tun. Das bedeutet, die Bedürfnisse und Motive der Menschen zu erspüren und seine guten Eigenschaften und Fähigkeiten zu erkennen.

„Liebe ist, was Liebe tut. Liebe ist Handeln, ist Aktivität. Liebe ist kein Gefühl, was uns überwältigt, sondern eine Entscheidung, die uns verpflichtet… Lieben fordert all das, was Voraussetzung für jedes befriedigende menschliche Tun ist: Disziplin, Geduld und Ausdauer… Es geht… um bewusst eingesetzte, gewollte Energie.“(Sprenger 1999, S.73)

Die positive Sichtweise der Leitungskraft wirkt sich auf Mitarbeiter, Bewohner, Besucher und auch auf die Ausstattung der Räumlichkeiten aus. Die Hirnforschung weist nach, dass eine Führungskraft durch ihr Denken und ihr Verhalten direkt in die Köpfe und das Verhalten der Mitarbeiter einwirkt. Sie hat Einfluss auf ein förderliches Betriebsklima und das Wohlbefinden der Menschen im weiteren Umfeld.

1.1 Beziehungsfähigkeit

Menschen, die als Führungspersonal Verantwortung für andere tragen, sollten die Kunst entwickeln, Beziehungen zu gestalten. Prof. Joachim Bauer, Neurowissenschaftler und Psychotherapeut empfiehlt das Studium von Beziehungsfähigkeit als zentrale Aufgabe für die Ausbildung aller Führungskräfte. (Bauer 2008, S. 198f).

Worum geht es dabei? Es geht um die Selbsterkenntnis um die Selbstachtung. Ein authentisches Verhalten wird sichtbar im Umgang mit anderen. Die Führungskraft muss die eigene Einstellung hinterfragen und die Bereitschaft entwickeln, den Menschen in seiner Ganzheit wahrzunehmen.

„Nur wenn Sie authentisch zu Ihren Gefühlen, Interessen und Sichtweisen stehen, nur wenn Sie sich selbst achten, nur dann können Sie auch den anderen achten. Wenn Sie Ihre Selbstachtung zerstören, z. B. wenn Sie schweigen, wo zu sprechen wäre, sind Sie auch zu keiner Fremdachtung, zu keinem konstruktiven Umgang mit anderen mehr fähig. Es ist niemandem gedient, wenn Sie so tun, als sei für Sie alles in Ordnung.“ (Sprenger 1999a, S. 209) .

„Die Mitarbeiter spüren, ob sie von den Führungskräften so akzeptiert werden, wie sie sind, oder ob sie nur in einer vorausbestimmten Weise funktionieren sollen. Solange aber Führungskräfte ihre Mitarbeiter nicht aus innerer Überzeugung als Persönlichkeiten wahr-, ernst-, und annehmen, sind sie keine. Dann haben sie kein Recht zu führen.“

(Sprenger 1999b, S. 258/260)

Wie kann man an der inneren Haltung arbeiten?

Nach Ausgeglichenheit streben.

Wir regen uns manchmal auf und lassen uns reizen. Persönliche Auslöser (Trigger) führen zu Wut und Angst in uns. Aber wenn wir erkennen, wann ein solcher Trigger in uns wirkt, können wir ihn anschauen und benennen. So können wir aufhören, andere zu beschuldigen oder schlecht über sie zu urteilen und stattdessen aus Liebe und Weisheit handeln.

Auf die innere Stimme hören.

Wenn wir frei von diesen persönlichen Auslösern sind, können wir uns in andere hineinversetzen. Wir können auch unsere innere Stimme hören und unsere Gefühle, Gedanken und Intuition wahrnehmen und danach handeln.

Herzlich und stark sein.

Wir brauchen Herzlichkeit und Durchsetzungsvermögen, um genau das zu erreichen, was uns wichtig ist. Freundlichkeit ohne Stärke verpufft, man wird nicht ernst genommen (dazu Kap. 10.4 Chefin werden). Aber Stärke ohne Herzlichkeit kann zur Grausamkeit werden.

2 Das Geheimnis guter Beziehungen

2.1 Menschen suchen Kooperation

Menschen handeln, weil sie Zuwendung und Wertschätzung erhalten wollen. Das ist eine biologisch begründete Motivation für das menschliche Handeln. Das Gehirn belohnt gelungene Kooperation mit Botenstoffen, die Wohlbefinden und Gesundheit erzeugen Die Meinung der Mensch sei zuerst auf Egoismus und Konkurrenz eingestellt, wurde wissenschaftliche widerlegt. (vgl. Bauer)

Kinder haben als eine biologische Grundtendenz den Wunsch nach Zuwendung und Anerkennung. Kinder suchen nach Kooperation und haben die Fähigkeit zur Empathie. Bereits im Alter von 18 Monaten leisten Kleinkinder von sich aus, ihren Möglichkeiten entsprechend, Hilfe, wenn sie erkennen, dass eine erwachsene Person bei einer Tätigkeit alleine nicht zurechtkommt (vgl. Kirschner 2013). Der Leiter des Max Planck Instituts für anthropologische Forschung in Leipzig weist in seinen Studien mit Säuglingen und Kleinkindern nach, dass Säuglinge bereitwillig teilen und sich hilfsbereit verhalten:

„Offenbar besitzt der Mensch eine angeborene Neigung zur Kooperation. Die heute bei Kleinkindern sichtbaren Formen von Zusammenarbeit sind vermutlich ein Abbild der frühesten kollektiven Aktivitäten der Menschheitsgeschichte: Vor über 500 000 Jahren sicherte eine effektive Zusammenarbeit bei der Nahrungssuche das Überleben und gab den entscheidenden Anstoß zur Entwicklung der einzigartigen geistigen Fähigkeiten und des inneren Antriebs des Menschen. Ab dem vierten Lebensjahr entwickeln Kinder ein Gefühl für die soziale Gruppe und übernehmen schrittweise die moralischen Werte ihrer Kultur. Der moderne Mensch entwickelte wahrscheinlich soziale Normen, um die Herausforderungen immer komplexerer Gesellschaftsstrukturen zu meistern.“ (Thomasello,2014)

Menschen arbeiten lieber zusammen als alleine. Probleme lassen sich durch gemeinschaftliches Vorgehen besser lösen als durch individuelle Strategien. In einem wissenschaftlichen Experiment identifizierte man durch Tests die begabtesten Mitglieder innerhalb einer Gruppe. Diese ließ man dann einzeln eine Aufgabe lösen. Verglichen mit den Ergebnissen, die sich durch eine gemeinsame Arbeit innerhalb der Gruppe zusammen mit den begabten Einzelpersonen ergaben konnte man feststellen: In jedem einzelnen Fall war es nicht die begabte Einzelperson, sondern die Gruppe, die die besseren Ergebnisse erzielte!

Gemeinsam sind wir besser als der Beste von uns!

….Das beweist die Produktivität kooperativer Arbeit und die große Bedeutung der Arbeit im Team. So führt der im Menschen verankerte Wunsch, vertrauensvoll zu agieren und gute Beziehungen zu gestalten, im Endeffekt zu besseren Arbeitsergebnissen durch Kooperation (vgl. Bauer 2008, S.191).

Obwohl die Beatles Paul Mc Cartney und John Lennon. jeder für sich ein sehr guter Musiker ist, so haben die beiden ihre besten Songs immer gemeinsam geschrieben. Mag jemand allein gut sein, als Paar, Team, Gruppe oder als Netzwerk sind alle Beteiligten unschlagbar, wenn sie die verschiedenen Blickwinkel, Regeln und Werkzeuge für das Entstehen eines Kreativen Projektes ausprobieren und anwenden. Jeder ist kreativ, aber effektiv sind wir nur gemeinsam und so gelingt es uns, die Schwächen der Einzelnen zu neutralisieren durch die Stärke gemeinsamer kreativer Arbeit. (Burow 2000)

2.2 Motivation durch Beziehung

Gelingende Beziehungen sind das unbewusste Ziel allen menschlichen Bemühens. Denn dies geht einher mit der Ausschüttung der Glücksbotenstoffe Dopamin, Oxytocin und Opioide. Ohne Beziehung gibt es keine dauerhafte Motivation. Die von den zellbiologischen Motivationssystemen ausgeschütteten Botenstoffe belohnen uns nicht nur mit subjektivem Wohlergehen, sondern auch mit körperlicher und mentaler Gesundheit. Dopamin sorgt für Konzentration und geistige Energie, die wir zum Handeln benötigen. Für die Gesundheit wichtig ist auch Oxytocin und die endogenen Opioide:

Diese Botenstoffe reduzieren Stress und Angst, indem sie das Angstzentrum der Mandelkerne und das obere Emotionszentrum im Hirn beruhigen (vgl. Bauer 2008, S.63f). Die Mandelkerne sind Teil des limbischen Systems, welches oberhalb des Hirnstammes sitzt.

In der Evolution entstand das Limbische System in der Phase der Entwicklung der Säugetiere. Es ist allen Säugetieren gemein und hat die Fähigkeit, Reize aus der Außenwelt zu verarbeiten. Es bewertet, ob die Reize angenehm oder bedrohlich sind und kann die von den Emotionen gesteuerten Prozesse koordinieren und in Handlungen umsetzen. Es reguliert die für die soziale Natur der Säugetiere typischen Empfindungen, wie Sorge um den Nachwuchs, Furcht, Angst, Liebe, Lust, Spieltrieb und das Lernen durch Nachahmen.

Wenn man Angst hat, springt man zurück, die Haare stehen zu Berge, das Herz rast, Schweiß bricht aus. Die Reaktionen werden von diesem System gesteuert. Ebenso werden auch die angenehmen Reaktionen durch die Botenstoffe im limbischen System hervorgerufen.

Belastende Beziehungen verursachen ein schlechtes Arbeitsklima und können einen „Absturz“ der Motivationssysteme zur Folge haben. Bei einem Mangel an Motivation erleben wir als Arbeitshaltung „Dienst nach Vorschrift.“, „Bloß nicht zu viel arbeiten.“ oder „Das geht mich nichts an“. Unter den Mitarbeitern herrscht nicht Kooperation, sondern Streit und Missgunst.

Der Ausfall der beruhigenden Wirkungen auf die Emotionszentren kann dann zu einer Hochschaltung von Stressgenen und zur Ausschüttung von Alarmbotenstoffen im Hirn kommen. Es kommt zu körperlichen und seelischen Störungen: Menschen reagieren auf Beziehungsstörungen mit Angst, Panik oder Aggression, langfristig auch mit depressiven Störungen (vgl. Bauer 2008, S. 65). Seine Forschungen bestätigen die Erfahrung (2008, S. 76):

Vertrauen schafft Vertrauen,

Misstrauen und Ablehnung begünstigen Aggression.

2.3 Voraussetzungen für Beziehung

Wahrnehmung, Lob und Anerkennung

Menschen wollen als Person gesehen, wahrgenommen und anerkannt werden. Wenn sie dies spüren, erzeugt alleine das schon Motivation.

Nichtbeachtung ist ein Beziehungs- und Motivationskiller und erzeugt Aggressionen oder Depression. Jemanden wie eine unter vielen zu behandeln und nicht als Individuum erzeugt jedoch keine Beziehung und keine Motivation. Beispielsweise reicht ein allgemeines Rundschreiben an die „Sehr geehrten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ als Beziehungsstifter nicht aus.

Unauffällige Mitarbeiter, die nicht gesehen werden wollen, verdienen besondere Aufmerksamkeit. Ihre Motivation wird gefördert, wenn man ihnen zeigt, dass die Vorgesetzte sie im positiven Sinne wahrnimmt. Wer gesehen wird, bekommt Bestätigung und kann Selbstvertrauen entwickeln und kann dann auch andere besser wahrnehmen. So wird auch die Bereitschaft zur Kooperation und Teamarbeit gefördert.

Eine gute Kommunikation im Betrieb hat seinen Grund in einer positiven Haltung zu den Mitarbeitern. Die Grundannahme ist:

Vermute das Gute, und du wirst das Gute vom Menschen präsentiert bekommen.

Der Mitarbeiter wird sich bemühen, seine guten Eigenschaften zu zeigen und sich so zu verhalten, dass er von der Vorgesetzten geschätzt wird.

„Solange ich nichts sage, ist alles in Ordnung“ oder „Nicht geschimpft ist schon gelobt!“ Wie viele Leitungskräfte denken so? Als sei Leistung und Engagement eine Selbstverständlichkeit, die sich alleine daraus ergibt, dass jemand einen Arbeitsvertrag mit einem Arbeitgeber geschlossen hat und dafür Gehalt oder Lohn bekommt. Als sei der Mitarbeiter austauschbar und kein Individuum, das seine besonderen Fähigkeiten im Arbeitsleben einsetzt. Diese Haltung von Vorgesetzten ist destruktiv. Nicht-Beachtung und Nicht-Anerkennung lässt die Mitarbeiter seelisch verhungern.

Eine Reaktion des Vorgesetzten auf die Tätigkeiten der Mitarbeiter ist wichtig, weil jedes gewünschte Verhalten von den erwarteten Konsequenzen beeinflusst wird. Jedes Feedback zeigt dem Mitarbeiter, dass der Vorgesetzte Bescheid weiß. Motivation muss immer wieder neu erzeugt werden. Für die Routinearbeiten, deren Sinn manchmal verlorengeht, ebenso wie die Motivation für besondere Projekte und Arbeiten, die besonders viel persönliches Engagement fordern.

Und der Anreiz ist Anerkennung und Lob! Diese Art von Motivation ist durchaus wirtschaftlich, denn sie kostet lediglich ein Lächeln, ein paar Worte, etwas Zuwendung und eine positive Haltung den Mitarbeitern gegenüber. Anerkennung und Lob muss zur täglichen Arbeit der Leitungskraft gehören.

Nichts ist wichtiger, als die Anstrengungen der Mitarbeiter wahrzunehmen und anzuerkennen.

Weihnachts-Stress

Weihnachtszeit ist im Altenheim die stressigste Zeit des Jahres. Es finden besonders viele Veranstaltungen statt. Es gibt vieles zu organisieren, Abläufe werden wegen der Feiertage umorganisiert. Hinzu kommen die Weihnachtsbesuche und die Dankesgaben von Angehörigen, Bewohnern, Betrieben, die an die Bewohner und an die Mitarbeiter verteilt werden. In diesem Vorweihnachtstrubel sahen Besucher in meinem Büro nur Berge von Tüten, Taschen oder Paketen aufgehäuft auf dem Boden stehen.

In jedem Jahr bekamen meine Mitarbeiter ein kleines Weihnachtsgeschenk. Das Geld dafür kam aus der Kasse mit den Weihnachtsgaben der Bewohner für das Personal. Nach Rücksprache mit einzelnen Mitarbeitern wurde es ausgesucht, besorgt und nett verpackt. Das war ein Symbol für die Anerkennung und Wertschätzung.

Kurz vor Weihnachten setzte ich mich an meinen Schreibtisch und überlegte kurz und streiflichtartig, was in diesem Jahr Besonderes gewesen ist. Welche besonderen Arbeiten haben die Mitarbeiter gemacht? Welche Belastungen sind für die verschiedenen Arbeitsbereiche damit verbunden gewesen? Aus diesen Gedanken entstanden ein kurzer Jahresrückblick und ein großes Dankeschön

für die konkrete Arbeit all meiner Mitarbeiter, verbunden mit den Weihnachtswünschen und -Dekoration. Die Anrede und die Unterschrift setzte ich handschriftlich. Mit dem Geschenk bekam jeder Mitarbeiter seinen Weihnachtsbrief, auch jede Aushilfe, jede Honorarkraft.

Der Weihnachtsbrief sah in jedem Jahr anders aus und hatte einen anderen Inhalt. Das kam aus der Situation meines kurzen Blitzlichtes, die immer von meinem Zeitdruck geprägt war. Dabei ließ ich mich von meinem Bauchgefühl leiten. Denn wenn es auch der gleiche Fluss ist, so ist das Wasser doch immer wieder neu. Kein Jahr war wie das vorhergehende.

Diese Vorbereitungen kosten Zeit, die eine Leiterin in diesem Weihnachtstrubel im Grunde nicht hat. Aber genau das ist wichtig: Jeder sah sich durch den Weihnachtsbrief von der „Chefin“ wahrgenommen und geschätzt. Jeder wurde persönlich angesprochen und bekam ihn, wenn irgend möglich, persönlich von mir überreicht.

Jeder spürte, das Schreiben kommt von Herzen. Es ist eine persönliche Wertschätzung, die man in der Hand halten und seinen Angehörigen zeigen kann. Manche Mitarbeiter sammelten diese Briefe über Jahre. Der persönliche Brief motiviert, und das Wahrnehmen ihrer Anstrengungen führte dazu, dass die Mitarbeiter gerne engagiert und kreativ arbeiteten.

Der Brief enthielt außerdem die Einladung zu einer Versammlung der Belegschaft im Januar. Dazu bereitete ich einen differenzierten Jahresrückblick vor. (siehe Kap. 12.4.).

Anteilnahme

Eine Verbindung zwischen Menschen wird hergestellt, wenn man die Aufmerksamkeit teilt und sich dem zuwendet, wofür sich eine andere Person interessiert.

Anteilnahme an den persönlichen Ereignissen, die Mitarbeiter erzählen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn das Auto kaputt ist, der Zug zu spät kam, wenn das Kind krank ist, wenn ein Angehöriger verstorben ist – es gibt viele kleine und große Ereignisse im Leben der Menschen, die durch die Anteilnahme anderer besser zu ertragen sind.

Die kleinen menschlichen Begegnungen im Berufsalltag, die Offenheit für die Befindlichkeit anderer machen ein menschliches und familiäres Betriebsklima aus. Die Anteilnahme der Leitungskraft bedeutet zugleich die Aufforderung an die Mitarbeiter, einander zuzuhören und Rücksicht zu nehmen.

Die Zeit für Menschlichkeit muss sich eine Leitungskraft nehmen,

Vorgesetzte sollten aufmerksam hinhören, wenn Mitarbeiter ihre Ideen zur Gestaltung des Arbeitsumfeldes, zur Arbeitsorganisation oder zu Inhalten vorbringen. Auch wenn diese unrealistisch und unsinnig sein sollten, so sollte die Leitungskraft doch anerkennen, dass der Mitarbeiter sich konstruktive Gedanken gemacht hat. Die Anteilnahme könnte zum Beispiel in der Form ausgedrückt werden: „Die Idee ist gut, aber zurzeit können wir in dieser Richtung nichts unternehmen.“

Geht der Vorgesetzte nicht auf Ideen, Wünsche und Vorschläge von Mitarbeitern ein, wird das Verhalten als Geringschätzung erlebt. Vorgesetzte, die nicht aufmerksam zuhören, verlieren deren Unterstützung und Wertschätzung.

Emotionale Resonanz

Das ist die Fähigkeit, sich auf die Stimmung anderer einzuschwingen oder andere mit der eigenen Stimmung anzustecken Emotionale Resonanz ist ein verbindendes und motivierendes Element. Als Hausleitung, muss man sich immer wieder neu auf die Stimmungen der verschiedenen Gesprächspartner einstellen. Einerseits hört das Leben nicht auf, lustig zu sein, weil ein Mensch stirbt, und andererseits bleibt das Leben ernst, auch wenn Menschen lachen und fröhlich sind. Alle Emotionen existieren nebeneinander.

Mitgefühl beruht darauf, dass unsere eigenen neuronalen Systeme in den Emotionszentren des Gehirns spontan und unwillkürlich die gleichen Gefühle in uns rekonstruieren, die wir bei einem Mitmenschen wahrnehmen. Ohne diese Fähigkeit kann man keine guten Beziehungen aufbauen, und Mitarbeiter nicht motivieren. Als Leitung muss man innere Achtsamkeit erlernen.

Achterbahn der Gefühle

Ich bin gerade dabei, mit einigen Mitarbeitern einen Sketch für eine Faschingsveranstaltung einzuüben. Die Stimmung ist entspannt, lustig und kreativ. Da kommt die Meldung: Frau Schwarz ist gestorben, die Angehörigen der Bewohnerin wollen die Heimleiterin sprechen.

Um den Angehörigen angemessen zu begegnen, muss ich mich selbst schnell „umstimmen“. Ich muss mir vorstellen, in welcher Situation diese sich jetzt gerade befinden. Ich versetzte mich in die entsprechende Gefühlslage, wenn gerade ein geliebter Mensch gestorben ist. In meinem Kopf steigen Bilder und Gefühle auf.

Mit einer ernsten und sachlichen Haltung begegne ich diesen Menschen und bringe ihnen mein echtes Mitgefühl entgegen. Danach werden die Festvorbereitungen weiter betrieben. Die fröhliche Stimmung, ist nun getrübt durch die Traurigkeit. Dennoch gehen die Aufgaben im Betrieb weiter.

Wenn die Resonanz fehlt:

– Eine Mitarbeiterin erzählt, dass ihre Wohnung gekündigt wurde, und der Vorgesetzte erklärt trocken, das sei nun mal so, dass Eigenbedarf angemeldet werden kann. Die Mitarbeiterin hatte durch ihre persönliche Mitteilung Anteilnahme erwartet, was eine gute Beziehung ausgezeichnet hätte.

– Eine Gruppe von Mitarbeiterinnen informiert ihren Vorgesetzten über ein zwischenmenschliches Problem mit einer Kollegin und bittet ihn, ein Gespräch mit der Mitarbeiterin zu führen. Der Vorgesetzte zeigt keinerlei Reaktion und es kommt keine Rückmeldung. Die Mitarbeiter sind von ihm enttäuscht.

Unter emotionaler Resonanz soll nicht verstanden werden, dass sich die Leitungskraft bei ihren Mitarbeitern aufdrängt und zu kumpelhaft wird. Respekt zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten ist eine unausgesprochene Barriere, die von keiner Seite übertreten werden darf.

Eine Führungskraft, die nicht in der Lage ist, sich auf die Stimmungen anderer Menschen einzustellen, wird auch von diesen keine Resonanz erfahren und nicht geschätzt werden. Schnell wird so ein Vorgesetzter von seinen Mitarbeitern als unfähig bewertet, als jemand, der ihre Probleme nicht versteht und das Vertrauen der Mitarbeiter nicht verdient.

Intuition und Empathie

Die Motive und Absichten anderer zu verstehen erfordert immer wieder neues Hinterfragen und Nachdenken. Dazu braucht man Intuition und Empathie, eine gute Beobachtungsgabe und das unvoreingenommene Gespräch über die jeweiligen Motive und die tatsächlichen Absichten.

Unser Gehirn erspart sich aber diese Anstrengung und unterstellt stattdessen den anderen Menschen die Motive und Absichten nach einem Schema, das sich auf die eigenen früheren typischen Erfahrungen bezieht. Das Gehirn ist ein soziales Gebilde und es hat sich geformt durch die die Beziehungen mit anderen Menschen und den damit verbundenen Erfahrungen. Alles, was nicht neu gedacht und hinterfragt wird, ist in unserem Gehirn bereits festgelegt. Im eigenen Gehirn existieren unzählige Vor-Urteile, die auf unseren bisherigen Erfahrungen beruhen.

Oft werden die Möglichkeiten und Fähigkeiten von Mitarbeitern nicht ausgeschöpft, weil man diese Menschen anders eingeschätzt hat, ohne sie zu verstehen. Deshalb muss man als Vorgesetzte eine innere Haltung von Offenheit und Neugier entwickeln. Erst dann kann man unvoreingenommen Fragen stellen und die Perspektiven wechseln. Eine entscheidende Voraussetzung um bei anderen ihre Fähigkeiten zu entfalten, ist, ihre Motive, Absichten, Vorlieben oder Abneigungen richtig zu erkennen und anzusprechen. (vgl. Bauer, S.193–195).

2.4 Jede Beziehung hat zwei Richtungen

Jede Beziehung beruht auf Wechselseitigkeit. Führung und Leitung ist ein Interaktionsgeschehen und die Beziehung von Vorgesetzten und Mitarbeitern darf nicht einspurig sein. Die Führungskraft muss ihren Mitarbeitern Vertrauen schenken, nur dann bekommt sie auch Vertrauen von den Mitarbeitern zurück. Ohne Vertrauen kann keine Beziehung entstehen.

Eine Führungsperson wird von Mitarbeitern geschätzt, wenn sie auch menschlich offen ist und sich mitteilt. Die Führungskraft muss erklären, welche Vorstellungen und Absichten sie hat. Sie muss den Mitarbeitern sagen, was sie von ihnen erwartet. Deshalb muss die Leitungskraft sich so verhalten, dass sie von den Mitarbeitern gesehen und als Person wahrgenommen wird. Auch eine Führungskraft wünscht sich Interesse und Anteilnahme und möchte das Gefühl haben, dass sich andere darum bemühen, sie zu verstehen.

Die wechselseitige Beziehung bedeutet auf der Seite des Mitarbeiters, dass der Vorgesetzte versucht, ihn zu verstehen, und umgekehrt muss der Vorgesetzte seine Absichten deutlich machen und zu seinen Ideen und Überzeugungen stehen.

Erfolglose Strategien und Verhaltensweisen :

• Es gibt Vorgesetze, die vor lauter „Verstehen wollen“ nicht in der Lage sind, ihre eigenen Absichten zu erklären. Sie können sich nicht durchsetzen.

• Es gibt Vorgesetzte, die nur von sich ausgehen. Sie sind von sich selbst so begeistert, dass sie meinen, alle anderen müssten genauso denken wie sie. Sie sind blind für die Absichten, Haltungen und Meinungen von Gesprächspartnern. Sie können die anderen Gesprächspartner nicht verstehen, weil sie keine Gegenargumente und keine Kritik zulassen.

• Andere Führungskräfte haben Angst vor Gefühlen und können sich deshalb nicht auf andere Menschen einlassen. Sie ziehen sich an ihren Schreibtisch und an den Computer zurück und vermeiden den Kontakt.

Alle einspurigen Beziehungen von Führungskräften und Mitarbeitern werden im Endeffekt scheitern oder sie lassen einen der beteiligten Partner krank werden (Bauer 2008, S.196).

Die eigenen Fehler erkennen

Jede Handlung als Chef hat nicht nur direkte Konsequenzen in Bezug auf den angestrebten Führungserfolg. Wenn der Mitarbeiter sich persönlich betroffen fühlt, können sachlich zutreffende und inhaltlich richtige Entscheidungen auf der Beziehungsebene zu Missverständnissen führen. Für den Mitarbeiter kann das eine ganz andere Bedeutung haben. Der Vorgesetzte sollte immer überlegen, was er möglicherweise beim Mitarbeiter „anrichten“ kann.

Der Verdacht

Mitarbeiterinnen aus der Reinigung hatten eine Kollegin verdächtigt, Putzmittel aus dem Depot entwendet zu haben. Ich wollte diesen Verdacht noch vor Weihnachten aus der Welt schaffen, deshalb lud ich die beschuldigte Mitarbeiterin am 23. Dezember zum Gespräch ein. Die betroffene Frau konnte den Verdacht schnell ausräumen, und für mich war diese Sache im guten Einvernehmen erledigt.

Nach vielen Jahren bekam ich von der ehemaligen Mitarbeiterin eine Rückmeldung, die mich erschütterte: Für sie war dieses Gespräch eine Katastrophe. Denn sie war zutiefst betroffen über die Vorwürfe ihrer Kolleginnen. Noch schlimmer empfand sie es, dass die Vorgesetzte sie ausgerechnet zu Heiligabend damit belastet hatte. Sie sagte mir, für sie sei es das schlimmste Weihnachten in ihrem Leben gewesen.

Gemeinsames Handeln

Etwas gemeinsam miteinander zu machen, ist ein in hohem Maße Beziehung stiftender Aspekt. Bei einer Aktion als Führungskraft selbst anzupacken, zusammen mit seinen Mitarbeitern, das schafft nachhaltig gute Beziehungen zu den Mitarbeitern.

Das Wir muss von Vorgesetzten und Mitarbeitern gemeinsam gelebt und in Handlungen umgesetzt werden. Dabei wirkt das persönliche Engagement der Leitungskraft als Vorbild und als Motor (siehe Kap.3„Kaufhaus“ und das Konzept von Teamarbeit in Kap 15.2).

Aber gemeinsames Handeln und gemeinsame Aktionen können ebenso von Mitarbeitern angeregt werden. Sie können ihre Vorgesetzte durch ihre Vorschläge zum Handeln veranlassen. So wird auch die Leitungskraft wird durch das Engagement ihrer Mitarbeiter motiviert. Es ist wie bei allen Beziehungen ein Geben und Nehmen auf Augenhöhe.

Du oder Sie?

Eine gewisse soziale Distanz ist nützlich zur Wahrung der Autorität und zur Neutralität gegenüber allen Mitarbeitern. Das Sie ist in unserer deutschen Sprache ein Zeichen von Respekt im beruflichen Umfeld. Es erleichtert den Umgang von Vorgesetzten zu Mitarbeitern, aber auch von Mitarbeitern zu Vorgesetzten. Das Sie ist für die Mitarbeiter ein Schutz vor Herabwürdigung durch den Vorgesetzten. Sie bedeutet Sicherheit und Respekt auf beiden Seiten.