Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg - Luisa Pauge - E-Book

Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg E-Book

Luisa Pauge

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Beschreibung

Das Taschenbuch vermittelt das notwendige Basiswissen und ermöglicht einen umfassenden und gründlichen Einblick in die Grundregeln und den Ablauf der Gemeinderatssitzungen. Es enthält zudem Tipps für neugewählte Mandatsträger mit konkreten Ratschlägen und Empfehlungen für die optimale Vorbereitung auf die Ratssitzungen. Die ausführlichen Erläuterungen beziehen sich u.a. auf die Themen: Mitwirkungsverbot bei Befangenheit; Beteiligungsrechte der Einwohner; Bürgerbegehren und Bürgerentscheid; Aufgaben und Zuständigkeiten der Ausschüsse, Beiräte und Fraktionen; Gemeindefinanzen; Bauleitplanung; zwischengemeindliche Zusammenarbeit. Besonders wertvoll sind die vielen anschaulichen Beispiele aus der kommunalen Praxis mit Hinweisen für die aktive Mitwirkung im Gemeinderat. Diese konsequente Praxisnähe macht das Taschenbuch zur optimalen Arbeitshilfe für Kommunalpolitiker.

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Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Baden-Württemberg

Grundwissen für kommunale Mandatsträger

von

Senator E. h. Dr. Herbert O. Zinell

Ministerialdirektor a. D., Oberbürgermeister a. D., ehemals Amtschef des Innenministeriums Baden-Württemberg

und

Luisa Pauge

Dezernentin beim Gemeindetag Baden-Württemberg

17., aktualisierte Auflage, 2024

9., aktualisierte Auflage, 2024

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

17. Auflage, 2024

Print-ISBN 978-3-415-07552-8

EPUB-ISBN 978-3-415-07554-2

© 1971 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Reema – stock.adobe.com

E-Book-Umsetzung: abavo GmbH, Nebelhornstraße 8, 86807 Buchloe

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart

Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden

www.boorberg.de

DAS GESETZ UND IHRE WAHL SIND IHRE VOLLMACHT,

IHRE ÜBERZEUGUNG UND IHRE ANSICHT

VOM GEMEINEN BESTEN DER STADT IHRE INSTRUKTION,

IHR GEWISSEN ABER DIE BEHÖRDE, DER SIE RECHENSCHAFT ZU GEBEN HABEN.

Freiherr vom Stein

der Begründer der modernen deutschen Selbstverwaltung in der Städteordnung von 1808 über die Stadtverordneten

Vorwort

Die Gemeinden sind Grundlage und Glied des Staates. Im Aufbau unserer Demokratie und innerhalb unseres öffentlichen Lebens kommt ihnen eine besondere Bedeutung zu. Gemeinden haben im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung für das Wohl ihrer Einwohner zu sorgen. Die Umsetzung dieser Aufgabe ist Inhalt der Kommunalpolitik.

Dem Gemeinderat und seinen Mitgliedern kommt dabei die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Kommunalpolitik der Gemeinde zu bestimmen und zu tragen. Den in 1101 Städten und Gemeinden tätigen Gemeinderäten[1] – über 20.000 – kommt damit eine große Verantwortung zu. Ihrem Auftrag, das Wohl der Einwohner zu fördern, können sie nur gerecht werden, wenn sie die Aufgaben der Gemeinde, die Zuständigkeit des Gemeinderats sowie ihre gesetzlichen Rechte und Pflichten kennen. Mitglieder müssen mit der Form der Arbeit vertraut sein und die Regeln der Meinungsbildung innerhalb des Gemeinderats beherrschen.

Ziel des Taschenbuches ist es, den Gemeinderäten das dafür notwendige Rüstzeug an die Hand zu geben. Dabei beschränkt es sich nicht nur auf die gesetzlichen Regelungen und ihre Hintergründe. Es enthält auch wertvolle Hinweise und Anregungen aus den Erfahrungen der Praxis. Insbesondere werden die Regularien einer Gemeinderatssitzung intensiv besprochen.

Das Format als Taschenbuch ist so gewählt, dass es auch in den Sitzungen als Nachschlagewerk genutzt werden kann.

Das Taschenbuch gibt den aktuellen Stand (1.2.2024) der für die Gemeinden geltenden gesetzlichen Vorschriften wieder.

im April 2024

Villingen-Schwenningen und Karlsruhe,

Dr. Herbert O. Zinell

Luisa Pauge

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

A. Wesen der Gemeinde

I. Aufgaben der Gemeinde

1. Selbstverwaltungsaufgaben

2. Weisungsaufgaben

II. Struktur der Gemeindeorgane

1. Gemeinderat

2. Bürgermeister

III. Aufsicht

B. Gemeinderäte

I. Rechtsstellung

1. Amtszeit

2. Ausscheiden aus dem Gemeinderat

3. Entschädigung

4. Verantwortung und Haftung

II. Rechte der Gemeinderäte

1. Einzelmitgliedschaftsrechte

2. Minderheitenrechte

III. Pflichten der Gemeinderäte

1. Mitwirkungspflicht

2. Gebot der freien Entscheidung

3. Vertretungsverbot

4. Verschwiegenheitspflicht

IV. Mitwirkungsverbot bei Befangenheit

1. Befangenheitsgründe

2. Ausnahmen

3. Verfahren

4. Rechtsfolgen

V. Fit für den Start – Tipps für neugewählte Mandatsträgerinnen und -träger

C. Zusammensetzung des Gemeinderats

I. Größe des Gemeinderats

II. Hinderungsgründe für den Eintritt in den Gemeinderat

III. Nachrücken von Ersatzpersonen und Ergänzungswahl

D. Verfahren im Gemeinderat

I. Geschäftsordnung

II. Gemeinderatssitzung

1. Einberufung

2. Öffentlichkeit der Verhandlungen

3. Sitzungsleitung

4. Beschlussfähigkeit

5. Beratung

6. Beschlussfassung

7. Beendigung der Sitzung

8. Niederschrift

III. Teilnahme sonstiger Personen

1. Teilnahme- und Rederecht

2. Teilnahmerecht ohne eigenständiges Rederecht

IV. Vollzug von Beschlüssen

V. Unterrichtung des Gemeinderats

1. Unterrichtungspflicht des Bürgermeisters

2. Fragerecht der Gemeinderäte

3. Informationsrecht des Gemeinderats als Organ

4. Recht auf Akteneinsicht

E. Ausschüsse, sonstige Gremien und Zusammenschlüsse

I. Ausschüsse

1. Beschließende Ausschüsse

2. Beratende Ausschüsse

3. Betriebsausschuss

II. Bezirksbeirat

III. Ortschaftsrat

IV. Sonstige Gremien

1. Beirat für geheim zu haltende Angelegenheiten

2. Ältestenrat

V. Fraktionen

VI. Jugendgemeinderat

F. Einwohner/Bürger und Gemeinde

I. Ehrenamtliche Tätigkeit

II. Bürgerschaftliche Mitwirkung

1. Bürgerentscheid

2. Bürgerbegehren

III. Beteiligung der Einwohner

1. Unterrichtung der Einwohner

2. Einwohnerversammlungen

3. Einwohnerantrag

G. Grundlagen der kommunalen Finanzwirtschaft

I. Einzahlungen/Erträge der Gemeinde

1. Zusammensetzung der Einzahlungen der Gemeinde

2. Rangfolge bei der Erzielung von Erträgen/Einzahlungen

II. Kommunale Doppik

III. Haushaltswirtschaft

1. Haushaltsplanung

2. Bewirtschaftung

3. Haushaltsüberwachung

4. Jahresabschluss

IV. Haushaltssatzung und Haushaltsplan

1. Haushaltssatzung

2. Haushaltsplan

V. Aufstellungsverfahren der Haushaltssatzung

VI. Gemeindevermögen

VII. Unternehmerische Betätigung

H. Planen und Bauen

I. Bauleitplanung

1. Flächennutzungsplan

2. Bebauungspläne

3. Aufstellungsverfahren für Bebauungspläne

II. Vergabe von Bauleistungen

I. Zwischengemeindliche Zusammenarbeit

I. Zweckverbände

II. Gemeinsame selbstständige Kommunalanstalt

III. Öffentlich-rechtliche Vereinbarung

IV. Verwaltungsgemeinschaften

Sachregister

A.Wesen der Gemeinde

I.Aufgaben der Gemeinde

Die Gemeinden haben zur Aufgabe, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern. Diese Selbstverwaltungsaufgabe nimmt der Gemeinderat in eigener Verantwortung wahr. Daneben sind den Gemeinden auch „staatliche“ Aufgaben übertragen, die ausschließlich vom Bürgermeister verantwortet werden.

1.Selbstverwaltungsaufgaben

Die Gemeinden haben den verfassungsrechtlichen Auftrag, das Wohl ihrer Einwohner zu fördern.[2] Dieser Auftrag ist sehr allgemein gehalten und wird in zahlreichen gesetzlichen Regelungen präzisiert. Dabei ist bewusst davon abgesehen worden, das Aufgabenspektrum der Gemeinden abschließend zu beschreiben. Neuen Entwicklungen und veränderten Bedürfnissen könnte damit nicht angemessen Rechnung getragen werden. Die Kernanforderungen an das Verwaltungshandeln der Kommunen ergeben sich hauptsächlich aus sozialstaatlichen, ökonomischen, kulturellen, technischen und ökologischen Vorgaben. Das Aufgabenprofil der Kommunen lässt sich daher nicht nach einheitlichen Gesichtspunkten bestimmen. Jede Gemeinde hat für sich weitgehend eigenverantwortlich zu entscheiden, wie sie diese Kernanforderungen für ihre Einwohner umsetzen will.

Zu den wichtigsten Tätigkeitsfeldern zählen folgende Bereiche:

a)■Kommunale Infrastruktur

Die Gemeinden haben die für das wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben erforderlichen öffentlichen Einrichtungen zu schaffen.[3] Diese kommunale Infrastruktur dient der Grundversorgung der Einwohner und leistet auch für die Daseinsvorsorge einen fundamentalen Beitrag. Als Beispiele sind aufzuführen:

Schaffung, Betrieb und Unterhaltung von

Versorgungs-, Entsorgungs- und Verkehrseinrichtungen

Sport, Erholungs- und Freizeiteinrichtungen

Gesundheits- und sozialen Einrichtungen

Erziehungs- und Bildungseinrichtungen

b)■Kommunale Planung[4]

Das Recht zur gemeindlichen Planung wird durch verschiedene Planungsarten und -verfahren konkretisiert. Durch den Erlass von Bauleitplänen kann die Gemeinde selbst bestimmen, ob und auf welche Weise Grund und Boden der Gemeinde für Wohnung, Gewerbe, Verkehr und sonstige Zwecke genutzt werden kann. Die geordnete städtebauliche Entwicklung soll danach durch den Flächennutzungsplan als vorbereitenden Bauleitplan und den Bebauungsplan als verbindlichen Bauleitplan geschaffen werden. Die Finanzierung der vielfältigen Aufgaben wird durch den Haushaltsplan[5] gesichert. Daneben sind Fachplanungen, wie z. B. Verkehrsplanungen, Schulentwicklungsplanungen, zu erstellen.

c)■Kommunale Förderung

Die Gemeinden können sich nicht nur darauf beschränken, im Rahmen der Infrastruktur Einrichtungen zu schaffen und die kommunale Aufgabenerfüllung planerisch zu bewältigen. Sie haben daneben einen vielfältigen Förderungsauftrag, der vor allem jene Bereiche erfasst, bei denen es um die Aktivierung der örtlichen Bevölkerung in der Freizeit und im Wirtschaftssektor geht. Ein großer Komplex ist die Kulturförderung. Die Entwicklung des kulturellen Lebens hat einen dreifachen Auftrag. Sie soll die Kommunikation der Bevölkerung fördern, Entfaltungsspielraum nutzen und die Einwohner zur Reflexion herausfordern. Neben der Sportförderung besitzt auch die Pflege von Städtepartnerschaften eine große Bedeutung. Auch ist anerkannt, dass die lokale Wirtschaftsförderung eine zentrale Gemeindeaufgabe ist.

d)■Kommunaler Umweltschutz

Mehr denn je sorgen sich die Kommunen um den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Dabei stehen die Zukunftsvorsorge und die Verantwortung für die künftigen Generationen im Vordergrund. Durch umweltfreundliche Bauleitplanung, Aufstellung von Abfall- und Abwasserkonzepten, Energiewirtschaftskonzepten, der kommunalen Wärmeplanung,[6] Umweltberichten etc. können die Gemeinden zu einem verbesserten Umweltschutz beitragen. Die den Stadtkreisen übertragenen Aufgaben, z. B. im Bereich Wasserschutz oder Straßenbauverwaltung, fallen als Weisungsaufgaben in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich des Bürgermeisters.

e)■Kommunale Sozialaufgaben

Im Sozialstaat sind auch die Gemeinden dazu aufgerufen, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit zu verwirklichen. Gemeinden haben daher im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die erforderlichen Einrichtungen und Dienste zur Verfügung zu stellen und entsprechende Aufklärung und Beratungskapazitäten bereitzuhalten. Wichtigste Aufgabe ist sicherlich die Sozialhilfe, die von den Stadt- und Landkreisen übernommen wird.

Im Hinblick auf die Einflussnahme des Landes werden diese Selbstverwaltungsaufgaben unterteilt in:

Freiwillige Aufgaben

Die Gemeinde bestimmt selbst, ob und wie sie diese Aufgaben übernehmen und erfüllen will. Dabei unterliegt sie nur einer auf die Rechtmäßigkeit beschränkten staatlichen Aufsicht. Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich beim Gemeinderat.

Jede Gemeinde kann selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang kulturelle und sportliche Aktivitäten unterstützt, Freizeit-, Erholungs- und Verkehrseinrichtungen geschaffen werden.

Weisungsfreie Pflichtaufgaben

Den Gemeinden wird durch Gesetz (Bund/Land) die Pflicht auferlegt, bestimmte Aufgaben wahrzunehmen. Sie können dabei nicht mehr selbst entscheiden, ob sie diese Aufgaben erfüllen, sondern lediglich, in welcher Weise dies geschehen soll. Auch auf diesem Gebiet besteht nur eine Rechtsaufsicht des Staates. Die Zuständigkeit liegt grundsätzlich beim Gemeinderat.

Jede Gemeinde muss ihren Bürgern Einrichtungen wie z. B. Friedhöfe, Abwasserbeseitigungsanlagen, Schulen, Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung stellen oder Bauleitpläne erlassen. Allerdings ist es ihr allein überlassen, wie sie dies umsetzt. Die Rechtsaufsicht kann nur überprüfen, ob eine Einrichtung vorgehalten wird.

2.Weisungsaufgaben

Neben dem Auftrag zur Förderung des Wohls der Einwohner haben die Gemeinden weitere Aufgaben zu erledigen, die ihnen von Bund oder Land zugewiesen worden sind. Die Gemeinden haben danach z. B. Personalausweise auszustellen, Standesamts- und Polizeiaufgaben wahrzunehmen. Insoweit sind sie als Träger der Hoheitsgewalt und nicht als Selbstverwaltungsträger tätig.

Bei diesen Weisungsaufgaben (Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung) ist den Gemeinden sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Aufgabenerfüllung von Bund und Land vorgeschrieben. Die staatliche Aufsicht geht über eine Rechtsaufsicht hinaus. Die Aufsichtsbehörden können den Gemeinden allgemein oder im Einzelfall auch Weisungen zur Zweckmäßigkeit der Aufgabenerledigung erteilen. Zuständig für deren Erledigung ist der Bürgermeister.

Die Gemeinden haben Aufgaben im Polizeibereich, Standesamt, Meldewesen, Gewerberecht, Baurecht, Natur- und Umweltschutzrecht zu erbringen. Die Gemeinde übernimmt hierbei „staatliche“ Aufgaben. Zuständig ist der Bürgermeister.[7]

II.Struktur der Gemeindeorgane

Gemeinden handeln durch ihre beiden Organe – Gemeinderat und Bürgermeister. Hauptorgan ist der Gemeinderat, es gilt für ihn der Grundsatz der Allzuständigkeit. Der Bürgermeister zeichnet sich für all jene Bereiche zuständig, die ihm ausdrücklich durch Gesetz oder Gemeinderatsbeschluss übertragen wurden.

Gemeinden sind juristische Personen, die nur durch ihre beiden Organe – Gemeinderat und Bürgermeister – handeln können. Die Kommunalverfassung in Baden-Württemberg ist durch die Unabhängigkeit und gesonderte Volkswahl ihrer beiden Organe geprägt.

Der Gemeinderat ist kein Parlament wie Bundestag und Landtag, sondern ein Organ der Verwaltung der Gemeinde. Die für Parlamente geltenden Gesichtspunkte hinsichtlich Regierung und Opposition sind deshalb nicht auf die Gemeinden übertragbar. Die Verwaltung der Gemeinde und die Kommunalpolitik sind wesentlich auf das Zusammenwirken der beiden Organe Gemeinderat und Bürgermeister angewiesen.

Beide Organe sind selbstständig und haben ihren eigenverantwortlichen, grundsätzlich voneinander unabhängigen Funktionsbereich. Es besteht zwischen ihnen kein Über- oder Unterordnungsverhältnis. Die Zuständigkeiten greifen ineinander über. Dadurch entsteht eine enge Verzahnung mit Wechselwirkungen in beiden Richtungen. Diese bergen nicht nur fruchtbare Impulse in sich, sondern sind auch geeignet, Spannungen und Konfliktsituationen hervorzurufen, die es in gemeinsamer Verantwortung und gegenseitigem Vertrauen zu bewältigen gilt. Kommunalpolitik zeichnet sich durch eine Zusammenarbeit ihrer Träger auf der Grundlage der Toleranz und der Fairness aus. Dies prägt auch ihren eigenen politischen Stil, ihr Niveau und die Arbeitsatmosphäre.

1.Gemeinderat

Der Gemeinderat ist das Hauptorgan der Gemeinde und die Vertretung der Bürger.[8] Er besteht aus dem Bürgermeister als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Mitgliedern.

Der Funktionsbereich des Gemeinderats umfasst dabei:

die

politische Vertretung der Bürgerschaft.

die

Grundsatzkompetenz,

d. h. dem Gemeinderat steht die kommunalpolitische Führung in der Gemeinde zu. Er bestimmt die Richtlinien für die Verwaltung der Gemeinde, an die der Bürgermeister und die Gemeindeverwaltung gebunden sind.

alle

Entscheidungen,

soweit nicht nach gesetzlichen Vorschriften oder der Hauptsatzung der Bürgermeister zuständig ist. Ist es im Einzelfall zweifelhaft, wer zuständig ist, besteht eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten des Gemeinderats.

die

Kontrolle der Gemeindeverwaltung

,

d. h. der Gemeinderat hat den Vollzug seiner Beschlüsse zu überwachen. Wenn Missstände in der Verwaltung der Gemeinde auftreten, hat der Gemeinderat dafür zu sorgen, dass sie beseitigt werden.

Zu den wichtigsten Aufgabengebieten des Gemeinderats zählen folgende Bereiche:

das Satzungsrecht

Die Gemeinde kann für ihren Wirkungsbereich Satzungen erlassen;

[9]

diese stellen Ortsrecht dar und sind materielle Gesetze wie Bundes- und Landesgesetze und -verordnungen. Sie haben lediglich einen örtlich beschränkten Geltungsbereich. Sie werden vom Gemeinderat beschlossen und sind öffentlich bekannt zu machen. Teils sind die Gemeinden zum Erlass von Satzungen verpflichtet, z. B. Satzung über öffentliche Bekanntmachungen

[10]

und Haushaltssatzung

[11]

; im Übrigen steht ihr Erlass und deren Inhalt im Ermessen der Gemeinde. Die wichtigsten Bereiche, in denen Satzungen erlassen werden, sind die Gemeindeverfassung (Hauptsatzung, Bekanntmachungssatzung), öffentliche Einrichtungen (Wasser-, Abwassersatzung usw., Anschluss- und Benutzungszwang), Bauplanung (Bebauungspläne) und Abgaben (Beiträge, Benutzungsgebühren, Verwaltungsgebühren).

das Etatrecht

Der Haushaltsplan wird als Teil der Haushaltssatzung vom Gemeinderat beschlossen. Die Befugnis zur Verfügung über die Haushaltsmittel (Bewirtschaftungsbefugnis) steht dem Gemeinderat zu, soweit sie nicht auf den Bürgermeister übertragen ist oder es sich um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt.

die Planungshoheit

Darunter fallen sowohl die Grundsatzplanungen, z. B. Gemeindeentwicklungsplanung, Flächennutzungsplanung, als auch die Fachplanung, z. B. Bebauungsplanung, Finanzplanung, Landschaftsplanung, und die Ausführungsplanungen.

die Personalhoheit

Die Gemeinde hat die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen und geeigneten Bediensteten einzustellen. Der Gemeinderat ist die für die Einstellung, Beförderung und Entlassung zuständige Stelle, soweit er diese Zuständigkeit nicht auf Ausschüsse oder den Bürgermeister übertragen hat oder es sich nicht um Geschäfte der laufenden Verwaltung handelt. Die Personalwirtschaft richtet sich nach dem Stellenplan, der Teil des Haushaltsplans ist.

2.Bürgermeister

Der Bürgermeister ist Mitglied und Vorsitzender des Gemeinderats, Leiter der Gemeindeverwaltung und gesetzlicher Vertreter der Gemeinde.[12]

Seine Stellung im Gemeinderat umfasst folgende Funktionsbereiche:

Vorsitz

im Gemeinderat und seinen Ausschüssen

Der Bürgermeister ist vollberechtigtes, jedoch nicht bevorrechtigtes Mitglied des Gemeinderats. Zu seinem Aufgabenbereich gehören die Vorbereitung der Sitzungen, die Einberufung, die Leitung, der Sachvortrag und die Handhabung der Ordnung.

Widerspruchsbefugnis

gegen Beschlüsse des Gemeinderats und seiner Ausschüsse

[13]

Gesetzwidrigen Beschlüssen muss, nachteiligen Beschlüssen kann der Bürgermeister widersprechen. Der Widerspruch muss binnen einer Woche dem Gemeinderat bzw. dem Ausschuss gegenüber erklärt werden. Beim Widerspruch gegen einen Ausschussbeschluss geht die Entscheidung auf den Gemeinderat über. Gleichzeitig ist eine neue Sitzung einzuberufen, die spätestens drei Wochen nach der ersten Sitzung stattfinden muss. Verbleibt bei gesetzwidrigen Beschlüssen der Gemeinderat bei seiner Auffassung, so hat der Bürgermeister eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde herbeizuführen. Nachteilige Beschlüsse muss der Bürgermeister jedoch vollziehen, wenn sie vom Gemeinderat in der zweiten Sitzung bestätigt werden.

Eilentscheidungsrecht

[14]

Sind Entscheidungen dringlich, sodass sie nicht bis zu einer Sitzung des Gemeinderats aufgeschoben werden können, steht dem Bürgermeister das Eilentscheidungsrecht zu. Die Eilentscheidung ist dem Gemeinderat bzw. dem Ausschuss unverzüglich bekannt zu geben.

Ersatzbeschlussrecht

Ist der Gemeinderat wegen Befangenheit oder mangelnder Teilnahme der Gemeinderäte auch in einer erforderlichen zweiten Sitzung beschlussunfähig, kann der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats die Entscheidung selbst treffen. Vor seiner Entscheidung hat der Bürgermeister die nicht befangenen Gemeinderäte anzuhören.

Als Leiter der Gemeindeverwaltung hat der Bürgermeister folgende Zuständigkeiten:[15]

Erledigung der

Geschäfte der laufenden Verwaltung

,

d. h. solche Geschäfte, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren und weder von der grundsätzlichen noch von der finanziellen Seite her für die Gemeinde erheblich sind, z. B. Beschaffung von Büromaterial, Heizöl.

Erledigung der

Weisungsaufgaben

, soweit nicht ausdrücklich durch Gesetz der Gemeinderat für zuständig erklärt ist.

Organisationsrecht

für den inneren Aufbau der Verwaltung und die Gestaltung der Arbeitsabläufe durch allgemeine Dienstanweisungen, Einzelweisungen, Regelung des Dienstverkehrs usw. im Rahmen des Haushaltsplans und des Stellenplans.

Vollzug der Beschlüsse

des Gemeinderats und seiner Ausschüsse; dabei wird der Bürgermeister von den Beigeordneten in ihrem Geschäftskreis und von den Ortsvorstehern hinsichtlich der Beschlüsse des Ortschaftsrats ständig vertreten.

Befugnisse des Vorgesetzten,

des

Dienstvorgesetzten

und der

obersten Dienstbehörde

gegenüber den Gemeindebediensteten.

Mitwirkung bei Personalentscheidungen

Personalrechtliche Entscheidungen fallen grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats.

[16]

Gefasste Beschlüsse werden erst wirksam, wenn ergänzend der Bürgermeister sein Einvernehmen erteilt hat.

Erledigungskompetenz

für die ihm vom Gemeinderat durch die Hauptsatzung oder durch Gemeinderatsbeschluss

übertragenen Zuständigkeiten.

Um diese Fülle von Aufgaben erledigen zu können, sind dem Bürgermeister die erforderlichen Verwaltungseinrichtungen und das notwendige Personal zur Verfügung zu stellen. Die Organisation der Gemeindeverwaltung ist Sache des Bürgermeisters als Leiter der Gemeindeverwaltung unter Bindung an die vom Gemeinderat beschlossenen Grundsätze (Haushaltsplan, Stellenplan usw.).

Die Mitarbeiter der Gemeinden können als Beamte oder als Arbeitnehmer beschäftigt sein. Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Beamten zu übertragen (Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz). Der Kreis der davon betroffenen Aufgaben ist jedoch eng zu ziehen. In der Gemeindeverwaltung kann mit Ausnahme des Bürgermeisters, der Beigeordneten und des Ratschreibers jede Stelle auch wahlweise durch Arbeitnehmer ausgeübt werden. Insofern besteht für die Gemeinde ein Wahlrecht.

Zu den Unterschieden:

Das Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis kommt durch „einseitigen staatlichen Hoheitsakt“ zustande. Beamte unterliegen einem Streikverbot. Das Direktionsrecht gegenüber

Beamten

ist insbesondere durch die besondere Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn geprägt. Die Besoldung richtet sich nach der Besoldungsgruppe der jeweiligen Laufbahngruppe (Grundgehalt). Die Höhe des Grundgehalts wird nach Stufen bemessen. Das Aufsteigen bestimmt sich nach Zeiten dienstlicher Erfahrung (Erfahrungszeiten). Die Zulassung zu einer bestimmten Laufbahn und Laufbahngruppe setzt eine bestimmte Berufsausbildung und die entsprechende Laufbahnbefähigung voraus, die in der Regel durch einen Vorbereitungsdienst und das Bestehen der Laufbahnprüfung erworben wird.

Arbeitnehmer

befinden sich in einem vertraglichen Beschäftigungsverhältnis und unterliegen dem Tarifrecht. Die Vergütung der Arbeitnehmer richtet sich nach der Eingruppierung. Sie werden nach der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit vergütet (Tarifautomatik). Es steht ihnen das Streikrecht zu.

Es gibt viele Untersuchungen zu der Frage, ob Beamte oder Angestellte für ihren Arbeitgeber Gemeinde „günstiger“ sind. Allerdings gibt es widersprüchliche Ergebnisse. Ein eindeutiger Vorteil für Beamte oder für Arbeitnehmer lässt sich somit nicht belegen.

Zahl, Art und Bewertung der Beamtenstellen und der nicht nur vorübergehend beschäftigten Bediensteten sind im Stellenplan zu bestimmen. Der Stellenplan ist Teil des Haushaltsplans.

Beigeordnete[17]