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Trump ist zurück: Die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalistin der New York Times enthüllt, was den gefährlichsten Präsidenten in der Geschichte der USA antreibt
»Trumps ›Lieblingsfeindin‹.«
Süddeutsche Zeitung
»Sie kennt Trump wie kaum eine andere Journalistin.« Stern
»Das Buch, das Trump mehr fürchtet als jedes andere.« Axios News
Sie ist Donald Trumps erklärte Lieblingsfeindin unter den Journalisten, niemand hat die Berichterstattung über den Präsidenten stärker geprägt als sie: Maggie Haberman erhielt für ihre Reportagen den Pulitzer-Preis und hat das Phänomen Trump ergründet wie kein anderer. Er selbst nennt sie »meine Psychiaterin«. Immer wieder ist sie es, die als erste über Trumps Machenschaften berichtet. Als Boulevardreporterin der New York Post und spätere Korrespondentin der New York Times hat sie bereits seit über zwanzig Jahren den Weg des vermeintlichen Selfmade-Millionärs von New York ins Weiße Haus aus der Nähe verfolgt. In diesem Buch erzählt sie die ganze Geschichte – vom langen Aufstieg eines Mannes, der als genialer Manipulator und politischer Hochstapler das höchste Amt der USA ergriff und nun trotz Anklage erfolgreich an seinem Comeback arbeitet. Was genau treibt ihn an? Wer sind die Menschen, die ihm den Weg zur Macht ebneten? Und was kann ihn noch stoppen, abermals Präsident zu werden? Ein brillant recherchierter und hochaktueller Report aus dem Innern der Machtmaschine Trump – und zugleich das Porträt eines Landes, das er für immer verändert hat.
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Seitenzahl: 1102
»Das Buch, das Trump mehr fürchtet als jedes andere.« Axios News
Die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Journalistin der New York Times enthüllt, warum Donald Trump ein Comeback gelingen kann
Sie ist Donald Trumps erklärte Lieblingsfeindin unter den Journalisten, niemand hat die Berichterstattung über den Präsidenten stärker geprägt als sie: Maggie Haberman erhielt für ihre Reportagen den Pulitzer-Preis und hat das Phänomen Trump ergründet wie kein anderer. Er selbst nennt sie »meine Psychiaterin«. Als Boulevardreporterin der New York Post und spätere Korrespondentin der New York Times hat sie über mehr als zwanzig Jahre den Weg des Selfmade-Millionärs von New York ins Weiße Haus aus der Nähe verfolgt. In diesem Buch erzählt sie die ganze Geschichte – vom langen Aufstieg eines Mannes, der als genialer Manipulator und politischer Hochstapler das höchste Amt der USA ergriff und nach seiner Abwahl nun erfolgreich an seinem Comeback arbeitet. Was genau treibt ihn an? Wer sind die Menschen, die ihm den Weg zur Macht ebneten? Und was kann ihn noch stoppen, abermals Präsident zu werden? Ein brillant recherchierter Report aus dem Innern der Machtmaschine Trump – und zugleich das Porträt eines Landes, das er für immer verändert hat.
Maggie Haberman, geboren 1973, gehört zu den investigativen Top-Journalisten in den USA. Sie schrieb seit 1996 als Reporterin für die »New York Post« und die »New York Daily News« sowie das Magazin »Politico«. Seit 2014 ist sie politische Analystin für CNN, 2015 wurde sie Korrespondentin der »New York Times« für das Weiße Haus. Ihr umfangreiches Wissen über Donald Trumps Werdegang, seine Methoden und seine Organisation brachte ihr zugleich den Ruf als eine seiner entschiedensten Kritikerinnen und das Vertrauen des ehemaligen Präsidenten ein, der sie »meine Psychiaterin« nennt. Für ihre Berichterstattung über Russlands Manipulation der US-Wahl 2016 erhielten sie und ihr Team 2018 den Pulitzer-Preis.
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MAGGIE HABERMAN
Der Aufstieg Donald Trumps
und der Untergang Amerikas
Aus dem amerikanischen Englisch von
Christiane Bernhardt, Sylvia Bieker, Pieke Biermann,
Gisela Fichtl, Katharina Martl, Karsten Singelmann,
Ulrike Strerath-Bolz, Anke Wagner-Wolff und
Henriette Zeltner-Shane
Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel
Confidence Man: The Making of Donald Trump and the Breaking of America bei Penguin Press.
Der Begriff »Schwarz« wird in diesem Buch großgeschrieben, sofern er sich auf Personen bezieht. Er bezeichnet keine Eigenschaft, die sich auf eine Hautfarbe bezieht, sondern wird bewusst von Menschen als Selbstbezeichnung gewählt, die aufgrund ihrer Hautfarbe Erfahrungen mit Rassismus machen.
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Copyright © der Originalausgabe 2022 by Maggie Haberman
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe.
2022 by Siedler Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
This translation published by arrangement with Javelin Group LLC
Redaktion/Lektorat: Heike Gronemeier
Covergestaltung: Büro Jorge Schmidt, München,
nach einem Entwurf von Christopher Brian King
Coverfoto: © Bill Truran/Alamy Stock Photo
Satz: KCFG–Medienagentur, Neuss
Reproduktion: Lorenz+Zeller GmbH, Inning a. Ammersee
ISBN 978-3-641-29736-7V002
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Gewidmet meiner Familie
Prolog
Kapitel 1: Die Macht des negativen Denkens
Kapitel 2: Willkommen in Fear City
Kapitel 3: Weg mit dem Fries auf der Fifth Avenue
Kapitel 4: Blind für das wunderschöne Mosaik
Kapitel 5: Auf dem Weg nach oben
Kapitel 6: Auf dem Weg nach unten
Kapitel 7: Schön kompliziert
Kapitel 8: The America We Deserve
Kapitel 9: Asphalt-Überlebender
Kapitel 10: 140 Zeichen
Kapitel 11: Aufstieg mit Lügen
Kapitel 12: Auf Biegen und Brechen
Kapitel 13: Viele Leute sagen …
Kapitel 14: Stoppt den Diebstahl!
Kapitel 15: Der Science-Fiction-Wahlkampf
Kapitel 16: Niemand ist klüger
Kapitel 17: Einem Präsidenten angemessen
Kapitel 18: Raus wie Flynn
Kapitel 19: Tatsachen schaffen
Kapitel 20: Im »Tank«
Kapitel 21: Greatest Showman
Kapitel 22: Durchs Feuer gehen
Kapitel 23: Extreme Maßnahmen
Kapitel 24: Der Parteimensch
Kapitel 25: Tougher als die anderen
Kapitel 26: Ein Schlag, und du bist raus
Kapitel 27: Freigesprochen
Kapitel 28: Werde gesund, Amerika
Kapitel 29: Teile und herrsche
Kapitel 30: Tulsa
Kapitel 31: Keiner von den Sterbern
Kapitel 32: Gerichtlicher Zweikampf
Epilog
Dank
Bildteil
Anmerkungen
Was wollen Sie hören?«
Es war der 5. Mai 2016, zwei Tage nach den Vorwahlen der Republikaner in Indiana. Ich saß mit dem Computer auf dem Schoß und dem Handy am Ohr auf dem Rücksitz eines gelben New Yorker Taxis und fuhr die Fifth Avenue entlang.
Am Apparat war der mutmaßliche Präsidentschaftskandidat der Republikaner. Ich hatte seine Mitarbeiter um einen Kommentar zu einer erneuten Unterstützungsinitiative von David Duke gebeten, ein früherer Großer Hexenmeister des Ku-Klux-Klans und ehemaliger Politiker in Louisiana, der gerade behauptet hatte, der Widerstand gegen Trumps Wahlkampf ginge von »jüdischen Extremisten« und »jüdischen Rassisten« aus. Die Anti-Diffamierungsliga (ADL) rief den Kandidaten dazu auf, wie sie das während dieses Wahlkampfs noch häufiger tat, »unmissverständlich klarzumachen«, dass er Dukes Äußerungen missbillige.
Donald Trump grüßte mich und kam dann gleich zur Sache.
»Ich bin mit meinen beiden jüdischen Anwälten hier«, sagte er. Offenbar waren David Friedman und Jason Greenblatt gemeint, die beide in der Trump Organization für ihn tätig waren.
»Ich will eine Erklärung abgeben. Sind Sie bereit?«, fragte er. Ich wartete, meine Hände schwebten über der Tastatur. »Antisemitismus hat keinen Platz in unserer Gesellschaft, die geeint und nicht gespalten sein sollte«, sagte er, und ich schrieb mit. Es folgte eine Pause. Eine Pause, die sich ein paar Augenblicke zu lang hinzog.
»Das war’s?«, fragte ich.
Wieder Pause. Dann fragte Trump: »Was wollen Sie hören?«
Trump war notorisch auf der Suche nach Hinweisen, wie er seinem Publikum gefallen konnte, doch in diesem Zusammenhang hat mich seine Unsicherheit befremdet. Es sollte nicht schwer sein, die richtigen Worte zu finden, um zu beweisen, dass man sich vom berühmtesten Rassisten des Landes distanzierte. Ich wiederholte, was ich seinen Mitarbeitern gesagt hatte: dass ich eine Antwort oder eine Reaktion auf Dukes antisemitische Bemerkungen über »jüdische Extremisten« haben wollte. Trump schien langsam zu begreifen, warum seine Erklärung unzureichend war, und er fügte hinzu, dass er »total ablehnt«, was Duke gesagt hatte. Sekunden später legte er auf.
Was wollen Sie hören?
In gewisser Weise war dies die Frage, die Trumps gesamtes unternehmerisches Handeln bestimmte, dessen Erfolg ihn zu einer regelmäßig in den New Yorker Boulevardzeitungen auftauchenden Figur gemacht hatte. Der junge Donald Trump war als Teenager sportlich gewesen und später hatte er von einer Karriere in Hollywood geträumt. Letztlich folgte er dem Wunsch seines Vaters und wurde dessen Nachfolger im Familiengeschäft: Immobilien. Doch was der Sohn tatsächlich immer wollte, war, ein Star zu sein.
Diese Frage half ihm dabei, sich so zu präsentieren, wie er am liebsten gesehen werden wollte – als entscheidungsfreudiger Milliardär auf einem ledergepolsterten Sessel in der Fernseh-Realityshow The Apprentice. In der Regel war er ein Verkäufer, der sagte, was er sagen musste, um die jeweils nächsten zehn Minuten zu überleben. Auch sein Glaube an die Macht der Wiederholung half ihm; immer und immer wieder legte er seinen Mitarbeitern und Freunden eine Version derselben Idee nahe: Wenn man etwas nur oft genug wiederholt, dann wird es wahr. Mit diesen Instinkten gelang es ihm über beinahe fünfzig Jahre hinweg, öffentliche wie private Gefahren zu umschiffen. Seine Instinkte wurden zur Grundlage seines politischen Handelns, zunächst als Kandidat, dann als Präsident und schließlich als Ex-Präsident.
Auch wenn einige seiner Anhänger die Hoffnung hegten, das Gewicht des Amtes als Präsident würde Trump verändern, besonders wahrscheinlich war das nie. Im Lauf der Jahre erzählten seine engsten Mitarbeiter, sofern sie denn bei ihm geblieben waren, es wäre eine Version des »Guten Trump« gewesen, der sie in seinen Bann gezogen hätte. Der Gute Trump konnte großzügig und liebenswürdig sein, er schmiss Geburtstagspartys für Freunde, meldete sich regelmäßig, wenn sie krank waren, oder rief überraschend aus dem Weißen Haus die Tochter eines politischen Verbündeten an, die an Brustkrebs erkrankt war. Der Gute Trump konnte witzig und unterhaltsam sein, fürsorglich und aufmerksam, und es gelang ihm, zumindest den Anschein von Interesse für die Menschen in seinem Unternehmen zu vermitteln. Der Gute Trump konnte Ratschläge von Mitarbeitern beherzigen, die hofften, seine selbstzerstörerischen Impulse eindämmen zu können, und verwundbar wirken. Diese Version von Trump gewann über die Jahrzehnte die Loyalität vieler Menschen. Trump nahezustehen war wie »mit einem Hurrikan befreundet« zu sein, so beschrieb es mir ein langjähriger Freund von ihm. »Es war sehr aufregend, aber irgendwie wusste man nie so recht, woher der Wind wehte.«
Wer Trump im Weißen Haus zum ersten Mal begegnete, fühlte sich oft entwaffnet, schien er doch wenig mit der wutschnaubenden Stimme seiner Twitter-Beiträge oder dem ungehaltenen Chef, als der er in zahllosen Presseberichten dargestellt wurde, zu tun zu haben. In gewisser Hinsicht profitierte er von dieser Berichterstattung und seiner Rolle in den sozialen Medien; bei ersten persönlichen Begegnungen war er meist gelassener, sodass man geneigt war, den Wahrheitsgehalt dessen, was man über ihn gelesen hatte, in Frage zu stellen. (Seine wütenden, in Großbuchstaben abgefassten Tweets setzte er manchmal ab, während er sich gleichzeitig über dasselbe Thema lustig machte.) Er ist charismatisch und kann charmant sein, und bei der ersten Begegnung stellt er den Leuten Fragen, ist ganz auf sie fokussiert und gibt ihnen das Gefühl, der einzige Mensch im Raum zu sein.
Aber selbst diejenigen, die es für richtig hielten, an seiner Seite zu bleiben, gaben zu, dass der »Böse Trump« jederzeit zum Vorschein kommen konnte. Der Mann, der rassistische Kommentare losließ und hinterher behauptete, man habe ihn missverstanden, was seinen Anhängern Gelegenheit gab, ihn zu verteidigen. Der sich ausschließlich für Geld, Dominanz, Macht, Tyrannei und sich selbst interessierte. Regeln und Vorschriften betrachtete er als überflüssige Hindernisse, nicht als Beschränkungen seines Verhaltens. Plötzlich und explosionsartig verlor er die Beherrschung und richtete seinen Zorn in einem Raum voller Mitarbeiter auf eine Person, mit einem Wutanfall, der allen Angst einflößte, sein nächstes Opfer zu werden. Gelegentlich merkte er, dass er zu weit gegangen war, doch anstatt sich zu entschuldigen, benahm er sich bei der nächsten Begegnung überschwänglich. Er bemühte sich um einen endlosen Strom an Lobeshymnen und veranlasste eine Reihe von Mitarbeitern, diese Preisungen in seiner Gegenwart oder im Fernsehen wiederzugeben. Er schuf ein permanent von Rivalitäten geprägtes Umfeld, in dem sein Mitarbeiterstab geradezu darauf getrimmt war, jeden niederzumachen, der dabei war, Trumps besondere Gunst zu gewinnen. Er missachtete die Ratschläge lang gedienter Regierungsmitarbeiter, Wirtschaftsexperten und seiner eigenen Anwälte. Er stiftete Leute an, in seinem Namen riskante Schritte zu unternehmen, und verlangte immer und immer wieder, dass sie sich ihm gegenüber bewiesen. Viele waren so erpicht auf seine Anerkennung, dass sie sich fügten. Seine Gier nach Ruhm schien nur größer zu werden, je mehr er davon kostete, und seine Wut über Kränkungen war omnipräsent. Meist ging sie mit überzogenen Reaktionen gegenüber der Person einher, die er für die Kränkung verantwortlich machte. Er schloss fast immer bis zur letzten Minute Alternativen aus und änderte sein Verhalten nur, wenn er musste. Meistens saß er den Widerstand von Menschen oder Institution so lange aus, bis er sie durch sein Beharren seinem Willen unterworfen hatte.
Diese Version von Trump dominierte in den acht Wochen nach seiner verlorenen Wiederwahl, die zu jenem gewalttätigen Nachspiel am 6. Januar 2021 führten. Nachdem er aus dem Amt geschieden war, äußerten einige seiner engsten Mitarbeiter und Unterstützer im privaten Rahmen, sie und seine politische Bewegung seien zu Geiseln seiner Weigerung geworden, von der Bühne abzutreten. Unabhängig voneinander sagten dieselben Leute, das Einzige, was die Situation ändern könnte, sei Trumps Tod.
Es war nicht Trump, der die erbitterte Polarisierung geschaffen hat, die das Land mindestens seit den 1990er-Jahren spaltete, als Präsident Bill Clinton und Newt Gingrich, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, sich in einem parteipolitischen Nullsummenspiel während eines zunehmend virulent werdenden Kulturkampfs gegenüberstanden. In der Folge kam es zu einer Reihe Traumata: ein Amtsenthebungsverfahren, der knappe, vom Supreme Court entschiedene Wahlausgang der Präsidentschaftswahlen zugunsten von George W. Bush, der katastrophale und die Welt verändernde Terroranschlag von 9/11, zwei endlos erscheinende, kostenintensive militärische Auslandseinsätze, ein verheerender Hurrikan, der die Ungleichheit der Bevölkerung aufgrund ihrer Hautfarbe offenlegte, und eine Finanzkrise, die Millionen Menschen in den finanziellen Ruin trieb, ohne dass jemand zur Verantwortung gezogen wurde.
Aber Trump schlug Kapital aus den Nachwehen dieser Ereignisse, indem er Brandbeschleuniger legte, um existierende Tendenzen zu verstärken, und indem er die kulturelle Kluft ausnutzte, die teils durch die Wut auf die Regierung und die Finanzeliten, teils durch die Verbitterung weißer Wähler aufgrund der demografischen Veränderungen geprägt war. In einem von Stars und Prominenten so faszinierten Land, in dem Politik über viele Jahre wie ein Ringkampf oder Spiel behandelt wurde, erkannte Trump seinen Moment: Er beschleunigte und nutzte den Zusammenbruch kultureller und politischer Identitäten, als das Land sich entlang der Frage spaltete, wen man hasste oder von wem man gehasst wurde.
Trump hatte jahrzehntelang eine berufliche Nahtoderfahrung nach der anderen überlebt, und nachdem er sich ein Leben lang durch Bluffen, Charmeoffensiven, Schmeicheleien und Einschüchterungsversuche seinen Weg durch schwierige Situationen gebahnt hatte, sah er keinerlei Bedarf, daran etwas zu ändern, als er 2016 das Weiße Haus eroberte. Ganz objektiv betrachtet hatte Trump damals bereits ein bemerkenswertes Leben hinter sich. Er war über Jahrzehnte hinweg eine berühmte Persönlichkeit, und sein unverhohlener Umgang mit Reichtum hatte dazu beigetragen, dass er sich in der Popkultur von Film und Fernsehen einnisten konnte. Seine Fähigkeit, sich neu zu erfinden, wenn er sich – oft genug aus eigenem Verschulden – am Rand einer persönlichen Katastrophe befand, war kaum zu toppen.
Am Ende seiner Präsidentschaft hatte er eine Bilanz von historischer Tragweite vorzuweisen: Er hat die politische Ausrichtung der Republikaner in Richtung eines Anti-Interventionismus, Nativismus und der Konfrontation mit China gedreht. Er hat eine ganze Liste an Hinterlassenschaften angesammelt, darunter die drastische Neuausrichtung des Supreme Court durch konservative Amtsträger, eine Änderung des Steuerrechts und der Friedensvereinbarungen im Nahen Osten und eine Wirtschaft, die sein Vorgänger wieder zum Laufen gebracht hatte und die Trump mit einer rekordverdächtig niedrigen Arbeitslosenzahl weiter angekurbelt hatte. Doch für ihn schien nichts so bedeutend wie der Preis, den er verloren hatte – die zweite Amtszeit.
Als ihn 81 Millionen Wähler zurückwiesen und ihm den Job entzogen, der ihm die größte kontinuierliche Aufmerksamkeit seines Lebens beschert hatte, attackierte Trump just die Abläufe, die ihm beim ersten Mal zur Macht verholfen hatten. Über Wochen hinweg behauptete er, die gegen ihn abgegebenen Stimmen seien gefälscht, ohne je einen Beweis dafür vorzulegen, während seine Anhänger fadenscheinige Klagen einreichten. Trump, der juristische Probleme notorisch mit solchen der Öffentlichkeitsarbeit vermischte, schien davon auszugehen, dass Strafverfolgungsbeamte und Richter reflexartig für ihn Partei ergreifen würden. Er wollte einen Anwalt, der Verschwörungstheorien vertritt, zum Chefberater im Weißen Haus ernennen und spielte mit dem Gedanken, den Justizminister zu drängen, einen Sonderermittler einzusetzen, der die Wahlbetrugsvorwürfe prüfen sollte. Gleichzeitig zog er in Erwägung, die Wahlmaschinen amtlich beschlagnahmen zu lassen.
All das diente dem Zweck, herauszufinden, wie weit er das treiben konnte, was er »the fight« nannte. Trump verfolgte seine Strategie der verbrannten Erde sogar dann noch, als er die bittere Realität seiner Situation durch sein privates Handeln nach der Wahl längst eingeräumt hatte. In der Öffentlichkeit wiederholte er jedoch den Kampfruf »Stop the Steal« (Stoppt den Diebstahl), den einer seiner ältesten Berater Jahre zuvor[1] entwickelt hatte. Hinter den Kulissen ließ Trump nämlich bereits seinen Wohnsitz in Florida für die Zeit nach seiner Präsidentschaft renovieren und tat zumindest so, als würde er darüber nachdenken, ob er an Joe Bidens Inauguration teilnehmen sollte. Und einige seiner Anhänger überlegten, welche Anwälte wohl bereit wären, einen umfassenden Vergleich auszuhandeln, um ihm die strafrechtlichen Konsequenzen zu ersparen, die ihm nach seinem Ausscheiden aus dem Amt drohten (die Idee wurde nicht weiterverfolgt).
Als ihm keine andere Möglichkeit mehr blieb, ermutigte Trump seine Unterstützer zu jenem Zweig der Bundesregierung zu marschieren, der sich seiner Kontrolle entzog. Er lehnte sich vor dem Fernseher zurück, während sie einen gewaltsamen Aufstand veranstalteten, das Kapitol erstürmten und den Bestätigungsprozess der Wahl, die er verloren hatte, unterbrachen.
»Trump besitzt eine einzigartige Unterstützerbasis unter jungen Leuten, Führungskräften, Büroangestellten der mittleren Ebene und Minderheiten«, heißt es in der Zusammenfassung jenes Berichts über die öffentliche Meinung in Amerika, die Donald Trump im Oktober 1988 vom Forschungsunternehmen Penn and Schoen Associates, Inc. übergeben wurde.
»Von den Themen, die seine Unterstützung beeinträchtigen«, so der Meinungsforscher Doug Schoen, der die Umfrage durchgeführt hatte, »hat nur eines nennenswerte Auswirkung auf eine große Anzahl an Wählern: Trump besitzt keinerlei Regierungserfahrung. Hier kann jedoch gegengesteuert werden; wie das geschehen kann, skizzieren wir weiter unten in diesem Bericht.«
Der 95-seitige Bericht wurde elf Monate nach der Veröffentlichung von Trumps Buch The Art of The Deal (dt. Die Kunst des Erfolges) erstellt, das zum Bestseller geworden war und den Immobilienentwickler, der außerhalb von New York weitgehend unbekannt war, zum amerikanischen Maßstab des Strebens nach Erfolg gemacht hatte. Das war der Moment in seinem Leben, in dem Trump eine erste Kostprobe des Ruhms erhielt, der Droge, die ihn bei Laune hielt und von der er im Lauf der Zeit immer höhere Dosen brauchte. Ein Vierteljahrhundert später erlebte er den ultimativen Höhepunkt: Im Weißen Haus erhielt er so viel Aufmerksamkeit, wie die Welt einem einzelnen Menschen nur bieten kann.
Bevor er sein Amt antrat, steckten die Biografen Wayne Barrett, Tim O’Brien, Gwenda Blair, Harry Hurt und Michael D’Antonio viel Arbeit in die Chronik seines Aufstiegs, seiner Familie, seiner geschäftlichen Verbindungen und seines Ruhms. Trump wurde während und unmittelbar nach seiner Präsidentschaft zum Gegenstand von mehr Büchern als mutmaßlich jeder andere Präsident mit nur einer Amtszeit, mit Ausnahme allenfalls von John F. Kennedy. Diese Bücher – einige von ihnen wurden von meinen Kollegen und Konkurrenten im Weißen Haus geschrieben – haben Trumps Launen beleuchtet, seinen dysfunktionalen Führungsstil und die Art, wie er in zentralen politischen Fragen seine Entscheidungen fällte. Die Kapitel sind voller Anekdoten aus erster Hand, Einblicke von enttäuschten Mitarbeitern und Exklusivberichte, bei denen ich mich oft ärgerte, dass nicht ich sie bekommen hatte. Doch fast immer beginnen sie irgendwann im Weißen Haus oder mit dem Auftakt seines Wahlkampfs, in dem Trump sich als naiver Politneuling präsentierte.
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Trump hat während eines Großteils seines Erwachsenenlebens Präsidentschaftswahlkämpfe geplant, bisweilen mit größerer Intensität, als er zugab. Teilweise ging es ihm darum, die eigene Marke zu stärken, doch die Vorstellung, eine von der Nation gefeierte Persönlichkeit zu sein, ausgestattet mit enormer Macht, hatte seine Fantasie schon in den späten 1980er-Jahren beflügelt. Selbst in den Jahrzehnten, in denen er sich nicht um das Amt bemühte, wurde er darauf vorbereitet. Er handelte zwar nicht so, als dass ihn das Gros der Politstrategen im Vorfeld als seriös eingestuft hätte, sein Interesse freilich war durchaus ernsthaft.
Doch die eigentliche Arbeit eines Präsidenten passt selten zu dem Nervenkitzel, der sich einstellt, wenn der Präsidentschaftskandidat im Zentrum eines begeisterten Parteitagspublikums steht und die Luftballons filmreif auf ihn herabsegeln. Wie andere Präsidenten vor ihm bemerkte auch Trump, dass die begrenzten Befugnisse des Amtes dem großen Titel nicht entsprachen. Hinzu kam, dass die meisten Befugnisse eines Präsidenten ihn nicht wirklich interessierten; er schwankte zwischen sporadischem Engagement in Detailfragen und dem Anschein, sich nur die Zeit zu vertreiben. Bei einer spätabendlichen Sitzung mit Mitarbeitern, bei der es um die Musik ging, die auf seinen Kundgebungen gespielt werden sollte, ließ Trump die Teilnehmer mehr als eine Stunde lang auf Spotify nach einem bestimmten Lied aus der Rockoper Tommy von The Who suchen. Er behauptete steif und fest, dass dieses Lied existierte. Aber die Mitarbeiter konnten es nicht finden.
Dieses Buch ist der Versuch, die Fäden zu finden, die diese beiden Welten miteinander verknüpfen. Es versteht sich nicht als umfassender Bericht der Jahre im Weißen Haus, auch nicht der Ermittlungen im Zusammenhang mit der Frage, ob es 2016 verschwörerische Absprachen zwischen den Russen und Trumps Wahlkampfteam gegeben hat, oder der letzten zehn Wochen von Trumps Amtszeit. Es ist eine Auseinandersetzung mit der Welt, die ihn geschaffen hat, mit seiner Persönlichkeit und seinem Charakter, und wie diese seine Präsidentschaft geprägt und bestimmt haben.
Nach dem 6. Januar 2021 wurde meine Aufgabe leichter. Der Mob im Kapitol war einigen Trump-Mitarbeitern, Verbündeten, Beratern und Partnern eine gewisse Zeit lang denn doch zu weit gegangen. Manche lehnten es ab, sich zu äußern, sei es, weil sie anhaltende Dankbarkeit Trump gegenüber empfanden, sei es aus persönlichen Gründen oder weil sie ihn immer noch fürchteten. Doch jetzt, da er nicht mehr im Amt war, fanden sich einige bereit, ein umfassenderes Porträt zu zeichnen als je zuvor. Ich sprach für dieses Buch mit mehr als 250 Personen. Die Gespräche, Informationen und Szenen, die in diesem Buch beschrieben werden, basieren auf detaillierten Notizen und Mitschnitten sowie auf Beobachtungen und Erinnerungen aus den zurückliegenden Jahren. (Trump selbst antwortete zwar auf meine lange Liste mit Fragen zu manchen Schilderungen, tat das meiste jedoch als »Fake news«, »gelogen« oder »Fantasterei« ab.) In all diesen Interviews wurde deutlich, dass der Großteil dessen, was während Trumps Präsidentschaft passierte, auf frühere Phasen seines Lebens zurückzuführen ist.
Das New York, aus dem Trump hervorging, war ein einziger Morast aus Korruption und Misswirtschaft, der sich von den Spitzen der Exekutive über die Medienvertreter bis hin zu der Branche erstreckte, in der seine Familie ihr Vermögen gemacht hatte. Ende des 20. Jahrhunderts war New York ein Ort, an dem eine rassistische Politik Teile des öffentlichen Lebens bestimmte: Schwarze Beamte wurden bis 1989 von kommunalen Regierungsämtern ausgeschlossen, die Berichterstattung über Kriminalität und öffentliche Einrichtungen war gelenkt, und es wurde diktiert, was wo gebaut wurde und wer es bezahlte. Die Welt der New Yorker Immobilienunternehmer war voller zwielichtiger Gestalten, und Verleumdungen und finanzielle Messerstechereien waren an der Tagesordnung; sich mit diesen Gestalten einzulassen, war oft der Preis für das Geschäft. Dennoch fiel Trump den Journalisten, die über ihn berichteten, als besonders dreist auf. Kein anderer Bauunternehmer hätte es gewagt, in einem Prozess über unterbezahlte, nicht angemeldete Arbeiter beim Bau des Trump Tower unter Eid so ungeniert zuzugeben, einen Decknamen verwendet zu haben.
Seine späteren Jahre waren geprägt von dem Ziel, herauszufinden, wie weit er einen Präsidentschaftswahlkampf führen konnte. Sooft er aber mit dem Gedanken einer Kandidatur gespielt hatte und bei all den Mühen, denen er sich unterwarf, um in den Schlüsselstaaten Beziehungen für die Vorwahlen zu knüpfen, so wenige Gedanken hatte er sich im Vorfeld darüber gemacht, was die Tätigkeit des Präsidenten eigentlich beinhaltete. Ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie die Regierungsgeschäfte abliefen, und mit wenig Interesse, es zu lernen, schuf er um sich herum wieder die Welt, die ihn geprägt hatte.
In den zwei Wahlkämpfen und den vier Jahren im Amt behandelte er das Land wie eine Version von New York Citys fünf Stadtbezirken. Trumps Mitarbeitern wurde 2017 rasch klar, dass er sich vorgestellt hatte, die Präsidentschaft funktioniere wie die einst so mächtigen Parteiapparate der Demokraten in diesen Stadtbezirken, wo ein Boss alles in seinem Königreich kontrollierte und wusste, dass einzig seine Unterstützung Wahlerfolge anderer ermöglichte, und wo ein »Wir« gegen »Die« die Stadt prägte, in der das rassistische Kräftespiel von Block zu Block anders aussah.
Als Trump in Washington ankam, griff er auf den Erfahrungsschatz jahrzehntelanger wirtschaftlicher Schwankungen in seiner Branche und seinem Privatleben zurück. In seinen frühen Tagen hatte er eine Handvoll wichtiger Berater und Mentoren. Norman Vincent Peale, der die »Macht des positiven Denkens« und ein Wohlstandsevangelium predigte, vermittelte Trump die Überzeugung, er könne Dinge kraft seines Willens ins Leben rufen; wenn sich eine Situation zu seinen Gunsten entwickelte, schrieb Trump dies häufig seinen mentalen Kräften zu. In George Steinbrenner, dem temperamentvollen Besitzer der New York Yankees, dessen theatralische Rauswürfe die Fans faszinierten und ihm ein ebenso großes Presseecho verschafften wie die Leistungen seiner Mannschaft auf dem Spielfeld, entdeckte er einen Ausdruck von Hypermaskulinität, die er in den labilen 1980er-Jahren, als das HI-Virus das Land in Angst versetzte, oft nachahmte. Von Ed Koch und Rudy Giuliani lernte er die Selbstinszenierung in einem per Wahl erreichten Amt. Und von Meade Esposito, dem mit eiserner Hand regierenden Chef der Demokraten in Brooklyn, lernte er, wie sich mächtige politische Verbündete seiner Auffassung nach zu verhalten haben. Der Provokateur und politische Flammenwerfer Roger Stone war der Schlüssel zu Trumps politischem Aufstieg. Über Jahre hinweg hatte er Trump für ein politisches Amt aufgebaut, beginnend mit jener Meinungsumfrage des Jahres 1988. Abgesehen von seinem Vater war es Roy Cohn, der den größten Einfluss auf den künftigen Präsidenten hatte und ihm beibrachte, wie man ein ganzes Leben rund um die Nähe zur Macht aufbaut, dabei Verantwortung meidet und mithilfe der Medien Illusionen erzeugt. Inwieweit Trumps brachiale Auftritte darauf zurückzuführen sind, dass er die Menschen davon abhalten will, den Betrug zu durchschauen, weiß vielleicht nicht einmal er selbst.
So wie er sich an alten Vorbildern orientierte, wurden alte Rivalitäten und lang gehegter Groll zu seinem Antrieb. Wer sich schon länger in seinem Umfeld bewegte, stellte fest, dass sich die Kränkungen in den vielen persönlichen Fehden, die seine Zeit im Amt bestimmten, bis in die Trump Organization zurückverfolgen ließen. Zwei seiner Lieblingszielpersonen, Senator John McCain und der New Yorker Abgeordnete Jerry Nadler, hatten sich in den 1990ern Trumps Vorstoß für ein Darlehensprogramm des Bundes zum Bau von Manhattans West Side widersetzt; und die Abgeordnete Debbie Dingell geriet in den Fokus, weil ihr inzwischen verstorbener Mann als Kongressmitglied dafür plädiert hatte, eine von Trumps Machenschaften rund um seine Spielcasinos zu untersuchen.
Für langjährige Kenner besteht die Ironie darin, dass Trump trotz all der Intrigen, die Teil des Mythos sind – die Schilderungen seiner Unberechenbarkeit oder die Beschreibung als »Mann des Chaos« –, sein gesamtes Erwachsenenleben mit wenigen Kunstgriffen bestritt: der Gegenangriff, die schnelle Lüge, die Schuldumkehr, die Ablenkung oder Irreführung, der Wutausbruch, der performative Zorn, die auf Schlagzeilen abzielende Aktion oder Behauptung, die durch kompensatorische Vorstöße kaschierte Unentschlossenheit und die Verleumdung des einen Beraters gegenüber einem anderen, um einen Keil zwischen sie zu treiben. Die Herausforderung besteht darin, zu jedem beliebigen Zeitpunkt zu wissen, welchen Kniff er gerade einsetzt.
Bei der Beurteilung anderer konzentriert Trump sich in der Regel vor allem darauf, ob etwas oder jemand »den richtigen Look« hat – das Leben als Show, die er castet. Trump ist besessen von den Geheimnissen anderer Leute, was ihn zum Experten darin werden ließ, deren Schwächen aufzudecken und genau an diesen Schwachstellen Druck auszuüben. Auf diese Weise kann er Leute auch dazu animieren, Risiken für ihn einzugehen, deren Konsequenzen er anschließend von sich weisen kann. Und obwohl er immer davon spricht, wie sehr er Loyalität schätzt, hat er diejenigen, die sie ihm bereitwillig gewährten, aufs Übelste ausgenutzt. Es macht ihm sichtlich Freude, jemanden angekrochen kommen zu sehen, der ihn zuvor kritisiert hat und nun um Vergebung oder Bestätigung bettelt.
Manche beschreiben Trump jedoch auch als einsam, als jemanden, der bei den Leuten ankommt, oder als Kämpfer, der auf direkte zwischenmenschliche Konflikte allergisch reagiert. Er ist unglaublich beeinflussbar, übernimmt die Ideen, Meinungen und Äußerungen anderer Leute und gibt sie als die eigenen aus; Wahlkampfhelfer bezeichneten ihn einmal als »hochentwickelten Papagei«. Er ist sowohl geneigt, alles für wahr zu halten als auch alles für wahr zu erklären. Er hat ein paar weltanschauliche Hauptimpulse, die er jedoch bereitwillig unterdrückt, wenn ihm dies für andere Zwecke nützlich erscheint. Er äußert sich so vage, dass die Leute in seine Aussagen projizieren können, was immer sie wollen, sodass zwei Parteien ein und desselben Streitthemas seine Unterstützung für sich beanspruchen können. Trump reagiert häufiger auf etwas, als aktiv einen Plan zu verfolgen, doch weil er die Leute so verwirrt, glauben sie, es müsse eine tiefere Strategie oder ein geheimer Plan dahinterstecken. Was immer er unternimmt, ist oft Teil eines Spiels, dessen Regeln und Ziele nur für ihn Sinn ergeben.
Sein Bedürfnis, in einem ewigen Hier und Jetzt zu leben,[2] macht jegliche Fähigkeit, langfristig zu denken, zunichte. Zugleich lebt Trump in einem ewigen Gestern und zieht ein mächtiges Floß mit alten Kränkungen oder mit den Erinnerungen an längst vergangene bessere Tage hinter sich her in die Gegenwart, wo er andere zu zwingen versucht, all das gemeinsam mit ihm von Neuem zu durchleben. Jahrzehntelang wählte er Vorgehensweisen, von denen er wusste, dass sie Kritik auf sich ziehen und ihm das Image des Knallharten verleihen würden.
Zu seinen beständigsten Charaktermerkmalen gehören der Wunsch, seine Gegner zu zermalmen, seine Weigerung, sich zu schämen oder freiwillig aufzugeben, seine Annahme, dass sich die Dinge immer irgendwie zu seinen Gunsten entwickeln, und seine Weigerung, die herkömmliche Art des Lebens in Wirtschaft und Politik zu akzeptieren. Diese Eigenschaften gereichten ihm ebenso zum Vorteil, wie sich ans Revers zu heften, was andere Menschen zu verbergen suchen.
Mit der Zeit wuchs seine Wut, vor allem als ihn Staatsanwälte und politische Gegner mit einer Untersuchung nach der anderen konfrontierten. Doch genau genommen war der Grund für seine Wut häufig ein Nebenaspekt. Ein zentraler Grundsatz in Trumps politischer Bewegung war, öffentlich akzeptable Ziele zu finden, die einer bereits vorhandenen Wut als Auffangbecken dienen konnten. Diese Wut kennzeichnete seine Unterstützer, die sich eher über gemeinsame Feinde – die Liberalen, die Medien, die Tech-Konzerne, die staatlichen Aufsichtsbehörden – an ihn gebunden fühlten, als über geteilte Werte. Angestellte und Berater, die sich mit ihm identifizierten, fühlten sich stärker mit Trump verbunden, wenn er angegriffen wurde. Seine glühendsten Anhänger erkannten Teile von sich in ihm oder sahen in ihm etwas, das sie gerne wären.
Seine gesamte Unternehmerkarriere im Vorfeld der Präsidentschaft war keine Schimäre. Trump hatte ein gigantisches Hochhaus an der Fifth Avenue errichtet und besaß drei Casinos in Atlantic City, und er hatte Banken und Behörden überzeugt, ihn dabei zu unterstützen. Er kaufte größere Immobilien auf und zwang Politiker, sich mit ihm an einen Tisch zu setzen. Er erwarb ein Portfolio an Beteiligungen. Doch ein Geschäftsmann in der Größenordnung der Titanen der Finanz- und Immobilienbranche New Yorks, mit denen er sich auf Augenhöhe bewegen wollte, war er nie. Führungskräfte in Trumps Heimatstadt spotteten, er würde nur vorgeben, ein größeres Bankkonto und ein dickeres Immobilien-Portfolio zu besitzen, und mokierten sich über seine Bereitschaft, seinen Namen für so gut wie jeden Lizenzvertrag herzugeben. Und die Frage, ob er den Wert seines Grundbesitzes aufgeblasen hat, um sich Darlehen zu erschleichen, war das Kernstück strafrechtlicher Ermittlungen gegen seinen Konzern, nachdem er aus dem Amt geschieden war. Doch außerhalb der Bubble von New York City galt er jahrzehntelang als Synonym für Reichtum, als derjenige, der mit goldenen Lettern beschriftete Hochhaustürme errichtete.
Um Trump, seine Präsidentschaft und seine politische Zukunft wirklich einschätzen zu können, muss man wissen, woher er kommt.
Ich bin in New York City im gleichen Monat geboren, in dem Donald Trump sich zum ersten Mal mit der Bundesregierung anlegte. Meine Eltern lernten sich bei der Arbeit in der New York Post kennen, einer der Boulevardzeitungen, mit denen Trump sich zu identifizieren begann. An meiner Grundschule in Manhattans Upper West Side wurden Ausflüge unternommen, um die Lobby des neuen Architekturwunders namens Trump Tower zu besichtigen. Als Erwachsene habe ich die meiste Zeit in direkter Nachbarschaft zu den Orten gewohnt, an denen Fred und Donald Trump lernten, wie politische Macht funktioniert. Und ich arbeitete stets bei Zeitungen, die Trump besonders interessierten.
Einen Großteil der vergangenen zehn Jahre, als Trump von einer vorwiegend lokalen zu einer landesweiten und schließlich internationalen Story wurde, war es mein Fulltime-Job als Korrespondentin der New York Times, über ihn zu berichten. Ich war auf der Empfängerseite jener zwei Arten von Verhaltensweisen gelandet, die Trump Reportern gegenüber zeigt – sein unermüdliches Verlangen, die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen, und seine Drohvermerke und wütenden Statements als Reaktion auf Berichterstattungen. Die Möglichkeiten, die sich aus seinem Aufstieg für eine Journalistin ergaben, waren vielfältig, sowohl was die nicht enden wollenden Geschichten betraf als auch das steigende Interesse an meiner Arbeit. Aber da waren auch die Schattenseiten, die sich daraus ergaben, dass ich nun zwangsweise eine der Figuren in dem Film war, den Trump aus seinem Leben machte.
In dieser Zeit war Trump beides: der mit dem dicksten Fell und der Dünnhäutigste von allen öffentlichen Personen, über die ich je berichtet habe. In der einen Situation ließ er eine Flut negativer Berichterstattung an sich abperlen, im nächsten Moment schoss er sich auf einen Fernsehmoderator ein, der eine gefühlt harmlose Beleidigung geäußert hatte. Von seinen Anfängen bis in die Gegenwart hatte Trump in seinem Orbit stets Abräumer, Informanten und Leute um sich versammelt, die bereit waren, einander auszuspionieren. Damit schaffte er eine Atmosphäre von Bedrohung und Angst vor Attacken und zwang die Betroffenen, sich zu seinen Bedingungen mit ihm und seinen Handlanger zu arrangieren. Viele waren bereit, sich seine Paranoia und sein schwaches Interesse an Details zunutze zu machen, um ihn für eigene Zwecke einzuspannen. Nicht selten unterstützte Trump sie noch in ihrer Taktik.
Während der Präsidentschaft von Obama vertiefte sich die Ablehnung der Republikaner gegenüber den Mainstream-Medien und deckte sich schließlich mit Trumps Wut, mit dem Unterschied, dass es bei ihm eher um Persönliches ging, was bei seinen Mitstreitern nicht der Fall war. Trump betrachtete sich selbst als Teil der Medien, seit er sich über Jahre als regelmäßiger Fernsehmoderator und Radiogast beliebt gemacht hatte, und jede Berichterstattung, die ihm zuwiderlief, kam einem Verrat gleich.
Eine der merkwürdigsten Eigenschaften Trumps war seine Fähigkeit – nicht immer direkt beabsichtigt und häufig unausgesprochen –, die Menschen in seinem Umfeld dazu zu bringen, sein Verhalten zu übernehmen. Viele von ihnen legten plötzlich ein Verhalten an den Tag, mit dem eigentlich nur Trump durchkam. Als Kopf eines letztlich privaten Familienunternehmens war die Zahl der Personen, die diesem Anpassungsdruck ausgesetzt waren, noch begrenzt gewesen. Durch seine Rolle als Präsidentschaftskandidat und später als Oberbefehlshaber erweiterte sich der Kreis gewaltig. Selbst einige seiner Republikanischen Kritiker begannen nun, sich zu verhalten wie er.
Gleiches galt für Kritiker aus anderen Bereichen, selbst wenn sie ihm gegenüber ablehnend blieben. Sie übernahmen seine Neigung zu persönlichen Beleidigungen, sie stellten Behauptungen auf, die über das hinausgingen, was die Fakten hergaben, sie verweigerten eine Entschuldigung für Fehler oder waren der Ansicht, der Zweck ihrer Attacken heilige die Mittel. Innerhalb von zwanzig Jahren sank das politische Niveau hinsichtlich der Frage, welches öffentliche Verhalten als akzeptabel galt, deutlich und zog alle mit hinunter. Durch solche Wasser zu navigieren, war für Trump ein Leichtes.
Obwohl mir so vieles aus Trumps Washingtoner Jahren vertraut war – die Persönlichkeiten, die Verhaltensweisen, die Einstellung zur Macht –, ließ mich das ständige Unter-die-Lupe-Nehmen seiner Welt oft noch an den unbedeutendsten Fakten zweifeln. So ging es vielen Leuten, die im Weißen Haus für ihn tätig waren.
Im Grunde sprach Trump, sowohl als Kandidat wie als Präsident, häufiger mit mir, als er zugab, aber bei Weitem nicht so oft, wie einige Demokraten und manche Mitarbeiter von Trump glaubten. Im Weißen Haus tweetete er immer wieder über mich und erwähnte in Besprechungen mit seinen Beratern spontan meinen Namen. In einem Interview mit dem TV-Sender PBS hatte ich einmal erwähnt, dass Trump täglich mehrere Stunden fernsah. Er beklagte sich anschließend über diese Bemerkung, völlig außer Acht lassend, dass er davon nur wusste, weil er ferngesehen hatte. Seinen Mitarbeitern gegenüber spottete er über mein Aussehen, zu einem meinte er: »Ist dir schon mal aufgefallen, dass ihre Brille immer verschmiert ist?«
Kurz nach seiner Wahl 2016 sagte jemand, der Trump seit Jahren kannte, schockiert über das Ergebnis: »Das Land hat Chauncey Gärtner zum Präsidenten gemacht, und niemandem ist das bewusst.« Eine Anspielung auf den Protagonisten aus Willkommen Mr Chance. Der Roman war mit Peter Sellers in der Rolle eines etwas beschränkten Mannes mit Namen Chance verfilmt worden, ein Gärtner, der nach einer Folge von Missverständnissen für ein aus der Oberschicht stammendes Genie namens Chauncey Gärtner gehalten wird. Doch das traf es nicht ganz. Trump war jenseits des Immobilien- und Baugeschäfts, jenseits von Sport, Film und Fernsehen nicht nennenswert beschlagen, aber er war gewieft und intelligenter, als seine Kritiker ihm zugestehen wollten. Und er war mit einem Überlebensinstinkt ausgestattet, der in der politischen Geschichte Amerikas seinesgleichen suchte. Vor allem war er nicht, wie Chauncey, der Gärtner, harmlos; denn Trumps Nullsummen-Mentalität sorgte dafür, dass häufig andere den Preis für seinen Erfolg zahlen mussten.
Ein einziges Detail aus einem Artikel, den ich mit drei Kollegen am Wochenende vor der Wahl über die Fehltritte in Trumps Wahlkampf verfasst hatte,[3] erregte den Zorn des Kandidaten: Wir hatten geschrieben, dass seine Berater die Twitter-App von seinem Handy gelöscht hätten. Stunden nach der Schließung der Wahllokale am 8. November 2016, nachdem gerade ein Schlüsselstaat offiziell an Trump gegangen war, rief Patrick Healy Trump auf dem Handy an.
»Mr Trump«, sagte Patrick mit der Bitte um einen Kommentar, »Sie stehen kurz davor, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden.«
»Danke, Danke – eine große Ehre. Und sagen Sie Maggie, dass mir niemand Twitter weggenommen hat«, entgegnete Trump.
Ein anderer Kollege, Adam Nagourney, ein altgedienter Journalist aus dem Washingtoner Büro der New York Times, schickte mir eine Nachricht, was Trumps Sieg für meine Karriere bedeutete. »Das ist großartig für dich«, meinte er angesichts der beruflichen Zukunft, die einen Wahlkampfreporter, der dem Siegerkandidaten ins Weiße Haus folgt, typischerweise erwartet. Außerdem, so schrieb er, würde ich schon länger über Trump berichten als viele andere Kollegen.
Ich hatte einen vernichtenden, oft holprigen und von Rache geleiteten Wahlkampf begleitet, geprägt von einer permanenten Kontrollsucht des Kandidaten – über die Berichterstattung, seine Unterstützer und seine Mitarbeiter –, seinem angeborenen Drang, die Grenzen respektlosen Verhaltens auszutesten, und einer gefährlichen Missachtung von Demokratie und Grundrechten. Von nun an würde eine gesamte Regierung in seinen Händen liegen, seine autokratischen Neigungen würden zum ersten Mal auf die weitreichende Macht über das Leben von Millionen von Menschen treffen.
Ich antwortete Adam Nagourney mit den Worten: »Du ahnst nicht, was da auf uns zukommt.«
Die Macht des negativen Denkens
Am Morgen des 21. November 1964[1] begleitete der 18-jährige Donald Trump seinen politisch gut vernetzten Vater zur feierlichen Eröffnung der Verrazzano-Narrows Bridge, die den Brooklyner Ortsteil Bay Ridge mit Staten Island verbindet. Vor der um 11 Uhr beginnenden Zeremonie schlängelten sich 52 Limousinen, die das ganze übliche Spektrum von Politikern und sonstigen einflussreichen Figuren transportierten,[2] durch die Straßen von Bay Ridge, um zum Brooklyner Ende der Brücke zu gelangen.
Ganz vorn in der Reihe der Würdenträger, die sich hinter dem durchzuschneidenden Band drängten, stand der Vorsitzende der verantwortlichen Triborough Bridge and Tunnel Authority, Robert Moses. Seine Art, mit eiserner Faust Machtpositionen zu sichern und Baupläne durchzusetzen, trug ihm die Bewunderung von Trump Junior und Senior gleichermaßen ein. Gerade dieses Projekt aber hatte sich selbst für Moses als eine wahre Herkulesaufgabe erwiesen; erst nach Jahrzehnten voller gescheiterter Versuche, die beiden Bezirke miteinander zu verbinden, konnte es verwirklicht werden. Fünf Männern wurde schließlich ein Satz goldener Scheren gereicht, darunter der New Yorker Bürgermeister, der Gouverneur des Bundesstaates, und Moses, der designierte Zeremonienmeister.
Auf ein Zeichen hin durchschnitten sie das Band, und dann fuhr der ganze Tross über die Brücke nach Staten Island hinüber,[3] wo das offizielle Programm abgehalten werden sollte. Dort angekommen, zog sich der Ingenieur Othmar Ammann, der das immer wieder aufgeschobene Hängebrückenprojekt entworfen hatte, auf die Zuschauertribüne zurück.[4]
Donald Trump sollte die 80-minütige Feier später als »trauriges Erlebnis«[5] bezeichnen, das ihm eine Lehre fürs Leben gewesen sei. In seiner Schilderung regnete es an jenem Tag in Strömen,[6] und Ammann habe ganz allein dagestanden, während andere über seine Schöpfung redeten und ihm praktisch keine Beachtung schenkten. »Stundenlang prasselte der Regen herunter, während all diese Blödmänner vorgestellt und gefeiert wurden«, erinnerte sich Trump 1980 im Gespräch mit dem New York Times-Reporter Howard Blum. »Ich dachte nur, jetzt kriegen all die Politiker, die gegen das Brückenprojekt waren, hier ihren Beifall. Aber da hinten in der Ecke, da mitten im Regen steht dieser Mann, dieser 85-jährige Ingenieur, der aus Schweden kam und diese Brücke entworfen hat, der sein ganzes Herzblut dafür gegeben hat, und dann erwähnt kein Mensch auch nur seinen Namen. Da, in diesem Moment, ist mir klargeworden, dass du immer der Dumme bist, wenn du alles mit dir machen lässt«, sagte Trump zu Bloom. »Damals ist mir etwas klargeworden, das ich nie wieder vergessen sollte: Ich werde mich von niemandem zum Trottel machen lassen.«
Mit seiner Wahrnehmung der Veranstaltung schien Trump allerdings ziemlich allein dazustehen. »Die Sonne schien, der Himmel war wolkenlos«, so lauteten am Folgetag in der Times die ersten Zeilen von Gay Taleses Bericht[7] über die Feier im Jahr 1964. Es gab keinen Regen. Ammann war Schweizer, kein Schwede, und er lebte zum Zeitpunkt der Brückeneröffnung seit Jahrzehnten in den Vereinigten Staaten, nachdem er 1904 aus der Schweiz eingewandert war.[8] Und tatsächlich gehörte Ammann zu den ersten Personen, die Moses während der Feier aufrief, damit ihm der verdiente Beifall zuteil wurde. »Ich möchte jetzt einen dieser bedeutenden großen Männer unserer Zeit bitten – bescheiden, zurückhaltend, allzu oft übersehen bei solch prachtvollen Anlässen –, ich bitte ihn, sich zu erheben und sich würdigen zu lassen. Denn angesichts all der versammelten Prominenz wissen Sie womöglich gar nicht, wer er ist«, sprach Moses ins Mikrofon. »Meine Freunde, ich bitte euch, nunmehr auf den größten lebenden Brückeningenieur[9] zu blicken, vielleicht den größten aller Zeiten. Ein Schweizer, der seit sechzig Jahren in diesem Land lebt, hier gelebt und auf großartige Weise gewirkt hat.«
Ammann erhob sich und nahm die stürmischen Ovationen des Publikums entgegen. Eins allerdings vergaß Moses tatsächlich – Ammanns Namen zu erwähnen, ganz offensichtlich ein Versehen. Vielleicht war das der Keim von Trumps Erzählung, die ansonsten weitgehend seiner Fantasie entsprungen war. Trumps Unterstellung, Ammann sei zum »Trottel« gemacht worden, verrät die grundsätzliche Überzeugung, dass andere Leute einem stets am Zeug flicken wollen und dass ein Verhalten, von dem man sich auf den Schlips getreten fühlt, niemals unabsichtlich sein kann.
Aus welchem Grund auch immer Trump dieses Ereignis aufgegriffen und zu einer Art Ursprungsmythos gemacht hat, er erwies sich damit von Anfang an als wenig verlässlicher Chronist seiner eigenen Lebensgeschichte. Seine Schilderung blieb über Jahre unüberprüft, aus nachvollziehbaren Gründen: Warum sollte irgendwer glauben, dass solche anschaulichen Details schlicht unwahr sein könnten?
Auch ohne fantasiereiche Ausschmückungen war an diesem Tag jede Menge Macht versammelt, die Trump in sich aufnehmen konnte. Die Leute, die etwas zu sagen hatten und zu denen sein Vater unbedingt gehören wollte, waren alle gekommen und rückten jetzt ihren eigenen Beitrag zur Vollendung des Projekts ins rechte Licht. Doch Trumps Hauptinteresse galt gar nicht mal der Art von Macht, Einfallsreichtum oder Einfluss, die einem Einladungen zur Einweihung von Bauprojekten einbringen, obwohl er schon damals sehr wohl durchblicken ließ, dass er vorhabe, dereinst erstklassige Immobilien in New York City zu besitzen. Nein, ihm ging es in erster Linie darum, ein Star zu werden.
In jenem November war Trump als Student im ersten Jahr[10] an der Fordham University in der Bronx eingeschrieben. Die Uni, die nicht gerade als akademische Eliteeinrichtung galt, war nicht seine erste Wahl gewesen. Später sollte Trump prahlen, er habe die Wharton Business School an der University of Pennsylvania besucht, doch eigentlich hatte er noch mehr damit geliebäugelt, an der University of California Film zu studieren.[11] Im privaten Kreis erzählte Trump immer wieder, sein Vater sei dagegen gewesen und habe gewünscht, dass er in das Familienunternehmen einsteige. Doch als ich ihn einmal darauf ansprach, stellte er die Sache anders dar: »Damit hatte er nicht viel zu tun, weil ich eigentlich gar nichts davon erzählt habe«, erklärte er. »Das Kino habe ich immer geliebt, aber ich bin trotzdem froh, dass ich’s nicht gemacht habe.«
Sein Leben lang sollte Trump eine Leidenschaft für das Kino pflegen, selbst noch, als er sich für eine Karriere in der weniger glamourösen, oft eher zwielichtigen Welt des New Yorker Immobiliengeschäfts entschieden hatte. Seine Vorstellung von lohnenden Grundstücken bewegte sich immer im denkbar größten Rahmen. »Ich wollte es aufregender machen, und wissen Sie, ich habe immer das Showgeschäft geliebt und auch andere Dinge, aber ich glaube, wir haben ein bisschen Showgeschäft ins Immobiliengeschäft gebracht«, erklärte Trump später. Er hatte irgendwann begriffen, dass er für Projekte, aus denen nie etwas wurde, genauso viel Presse kriegen konnte wie für solche, die er zum Abschluss brachte.
Zum Teil hatte Donald das von seinem Vater gelernt. Fred Trump besaß selbst ein Talent fürs Dramatische und dafür, die Aufmerksamkeit der Presse zu erhaschen, auch wenn er offenbar nicht ganz so gierig danach war wie sein Sohn. Hin und wieder benutzte Fred Trump ein Pseudonym, Harry Green, um von Auftragnehmern »ehrliche Preise« zu erlangen. Er glaubte, sie würden mehr Geld fordern, wenn sie seine wahre Identität kannten. Als Donald diese Praxis später übernahm[12] und sich hin und wieder John Barton oder John Miller nannte, geschah dies zum einen aus geschäftlichen Gründen, zum anderen aber auch, um als sein eigener Publizist zu fungieren, wenn er in eher trivialen Angelegenheiten mit Reportern zu tun hatte, etwa was seine Frauenkontakte betraf.
In erster Linie war Fred Trump ein geschickter Geschäftsmann, dem es gelang, in großem Maßstab Wohnungen für die Mittelschicht zu bauen. Er verstand es, schnell und kostengünstig zu arbeiten und sich nützliche politische Kontakte zu verschaffen. Für Dienste, die über Steuergelder finanziert wurden, und Bürgern mit beschränkten Mitteln zugute kamen, hatte Fred wenig Sinn und behandelte staatliche Stellen so, als wäre es ihr vornehmster Zweck, den Interessen der Geschäftsleute zu dienen – und nicht etwa ebendiese Geschäftsleute zu drangsalieren und zu behindern.
Viele der New Yorker Immobilienfirmen waren zu der Zeit Familienunternehmen, einige von Patriarchen geführt, die ihre Kinder dazu abrichteten, ihre Nachfolge zu übernehmen. Anders als manche seiner Kollegen auf dem New Yorker Immobiliensektor machte Fred seinen Sprössling aber nicht vor anderen Leuten lächerlich, sondern rühmte Donald in der Öffentlichkeit. Freds privates Verständnis von Vaterschaft dagegen – von Familienmitgliedern und Bekannten als wenig unterstützend beschrieben, da er seine Kinder gegeneinander ausspielte und seinen Ehrgeiz einzig darauf richtete, ein Herrschaftsgefüge finanzieller Mechanismen zu schaffen, das der Profitmaximierung diente – war eher geeignet, für das Wohl einer Firma zu sorgen als für das einer Familie. Diese Lebenseinstellung war etwas, das Fred Trump an seinen Sohn weitergab, wenn auch vielleicht abzüglich des strengeren Arbeitsethos’ des Amerikaners der ersten Generation, der bereits als Teenager alles hatte aufbieten müssen, um voranzukommen.
Fred Trumps Eltern hatten sich quasi aus Versehen in Amerika niedergelassen. Friedrich Trump, sein Vater, kam aus Deutschland, wo er als Herrenfriseur tätig gewesen war, doch nicht genug Arbeit gefunden hatte, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auf der Suche nach einer neuen Anstellung entzog er sich der Wehrpflicht in seinem Land und fand sich plötzlich in der Situation wieder, vor »drei Jahrhunderten barbarischer europäischer Geschichte«[13] flüchten zu müssen, so Biografin Gwenda Blair.
Friedrich ging 1885 im Hafen von New York von Bord der SSEider und zog bei einer Schwester ein, die ein Jahr zuvor denselben Weg genommen hatte. Nach sechs Jahren Arbeit als Barbier[14] und häufigen Wohnungswechseln beschloss er, dass das Leben ihm mehr zu bieten haben sollte, und zog westwärts, um von den Nachwehen des Klondiker Goldrausches zu profitieren. Anstatt aber selbst nach Gold zu schürfen, richtete er Geschäfte zur Versorgung derjenigen ein, die auf der Suche nach dem großen Schatz in den Grenzstädten am Yukon gelandet waren. Dass er in diesen Orten Bordelle betrieben hat, lässt sich nicht eindeutig nachweisen, doch Gwenda Blair fand Hinweise darauf, dass er Prostitution auf seinem Gelände tolerierte und möglicherweise sogar förderte.
1892 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Neun Jahre später ging er während eines Aufenthalts im heimatlichen Deutschland eine Liebesaffäre mit einer jungen Frau aus der Nachbarschaft seiner Familie ein. 1902 heiratete er Elisabeth Christ[15] und kehrte mit ihr nach New York zurück. Doch weil sie Heimweh hatte und nicht in den Vereinigten Staaten bleiben wollte, zogen die beiden 1904 wieder nach Deutschland, allerdings nicht für lange. Weil Friedrich sich dem Wehrdienst entzogen hatte, wurde er schließlich ausgewiesen. Das Paar übersiedelte am 30. Juni 1905 endgültig in die Vereinigten Staaten. Elisabeth war mit ihrem zweiten Kind schwanger, und die Familie bezog Quartier in der Bronx, wo noch im selben Jahr Frederick Christ Trump geboren wurde. Innerhalb der Familie sprach man Deutsch.[16]
Nachdem er sich mit den Seinen in New York niedergelassen hatte, starb Friedrich Trump einen frühen Tod mit 49 Jahren, ein Opfer der Grippepandemie von 1918. Eines Tages, während er mit seinem zwölfjährigen Sohn Fred in der Stadt unterwegs war, hatte er sich unwohl gefühlt, war nach Hause zurückgekehrt und hatte sich ins Bett gelegt. »Dann ist er gestorben«,[17] erzählte Fred Gwenda Blair. »Einfach so.«
Friedrich Trump hinterließ ein Vermögen, das einem heutigen Wert von über einer halben Million Dollar entspricht,[18] erworben mit seinen Betrieben in den Goldgräberstädten und einigen kleinen Grundstücken, die er in Queens gekauft hatte.* Friedrichs Witwe Elisabeth übernahm den Immobilienbestand und brachte ihn 1927 in die Firma E. Trump & Son ein. Mit ihrem jungen Sohn Fred, der noch nicht alt genug war, um Schecks zu unterschreiben, arbeitete sie daran, das Geschäft auszuweiten.
*Anm. d. Übers.: Hier, wie an allen anderen Stellen, an denen in diesem Buch von Dollar die Rede ist, sind immer US-Dollar gemeint.
Fred hatte einige Mühe, seine Bestimmung zu finden. Nach dem Highschool-Abschluss arbeitete er zunächst als Tischler,[19] aber als die große Wirtschaftskrise einsetzte, sah er sich gezwungen, in Queens einen Supermarkt zu betreiben, um sich über Wasser zu halten. 1927 wurde er anlässlich einer Demonstration des Ku-Klux-Klans verhaftet.[20] Der Klan protestierte gegen die »römisch-katholische Polizei dieser Stadt«, der er zahlreiche »Übergriffe« gegen »im Land geborene protestantische Amerikaner« vorwarf, die versuchten, »eine Flagge, nämlich die amerikanische, eine Schule, nämlich die staatliche, und eine Sprache, nämlich die englische, zu verteidigen«. So jedenfalls hieß es auf Flugblättern. Eine Menge von etwa tausend Personen beobachtete das Geschehen; Fred gehörte zu einer Gruppe von Zuschauern, der zur Last gelegt wurde, sich trotz Aufforderung durch die Polizei nicht aufgelöst zu haben.
Fred war darauf aus, politische Verbindungen zu knüpfen, die man benötigte, um im New Yorker Immobiliengeschäft wirklich erfolgreich zu sein. Das Kings County Democratic County Committee, so der offizielle Name der Demokratischen Partei in Brooklyn, hatte eine geradezu modellhafte Struktur eines Parteiapparats entwickelt, der Verwaltung und Politik gerade in den bevölkerungsreichsten der fünf Stadtbezirke unangefochten dominierte. Fred gelang es, sich bei Frank V. Kelly einzuschmeicheln[21] – seinerzeit einer der wichtigsten Unterstützer von Franklin D. Roosevelts Bewerbung um das Präsidentenamt –, und zwar just zu einem Zeitpunkt, als Kelly sich anschickte, Parteichef des Countys zu werden und damit die Macht zu erlangen, nach Gutdünken Jobs zu vergeben, Einfluss auf Richter im Bezirk zu nehmen und bei stadtplanerischen Entscheidungen mitzumischen.
Der Wert dieser aufkeimenden Verbindung mit Kelly wurde recht schnell deutlich. Jahrzehntelang war Julius Lehrenkrauss Brooklyns mächtigster Hypothekenhändler gewesen. Seine Firma, in New Yorker Kreisen als »House of Lehrenkrauss« bekannt, gab im Lauf eines halben Jahrhunderts ungefähr 26 Millionen Dollar in Hypotheken an 40 000 Haushalte in der Stadt aus. 1934 wurden der 66-Jährige und zwei andere Personen vom Generalstaatsanwalt des Kings County wegen fortgesetzten Hypothekendiebstahls unter Anklage gestellt.
Die Anklage erschütterte das politische Establishment Brooklyns und führte, auf Anweisung der Gerichte, zum Verkauf von Lehrenkrauss’ Hypothekenfirma. Für den 29-jährigen Fred Trump war der Erwerb des Hypothekendienstleisters eine willkommene Ergänzung zum kränkelnden Unternehmen seiner Mutter.[22] Die monatlichen Zahlungen anderer Leute würden verlässlich Gebühren abwerfen und außerdem könnte sich so ein Zugang zu Grundstücken eröffnen, die zur Zwangsversteigerung anstanden.
In dem Bewusstsein, dass er mit den Geboten seiner Mitbewerber vermutlich nicht würde mithalten können, tat Trump sich mit einem anderen Kaufinteressenten zusammen, um seine Ausgangsposition zu verbessern. Wenn man allerdings dem hartnäckigsten journalistischen Chronisten von Donald Trumps Aufstieg Glauben schenken kann, dann mag das für den Lehrenkrauss-Bankrott zuständige Gericht in Brooklyn Fred Trump und seinem Partner den Zuschlag aus Gründen gegeben haben, die nicht unbedingt mit der Qualität ihres Gebots zu tun hatten. Einflussreiche Personen aus Frank V. Kellys Umfeld hatten sich für die beiden starkgemacht. »Die energische Unterstützung, die Fred aus der Demokratischen Partei erhielt«, so Wayne Barrett, »deutet darauf hin, dass er zum Gewinner auserkoren war und dass mit diesem Manöver die Allianz zwischen ihm und dem Brooklyner Parteiapparat begründet wurde, die dann ein Leben lang halten sollte.«
Während der 1930er-Jahre baute Fred Trump mit beträchtlichem Tempo Häuser in ganz Brooklyn, darunter Hunderte von Bungalows auf einem Gelände in East Flatbush, das der Zirkus Barnum & Bailey kurz zuvor geräumt hatte. Gleichzeitig tat er sich in diversen einflussreichen politischen Vereinen um,[23] immer auf der Suche nach Gelegenheiten, sich Zugang zum Parteiapparat zu verschaffen. In Flatbush gelangte er in den Dunstkreis von Irwin Steingut, der mit großem Geschick die Interessen der verschiedenen ethnischen Minderheiten in Brooklyn ausbalancierte und zu einem gemeinsamen politischen Einflussfaktor bündelte. In Coney Island traf er auf Kenny Sutherland, der das Revier am Meeresstrand mit eiserner Faust regierte. Die dauerhaftesten und wertvollsten Verbindungen aber wurden im Madison Club im Zentrum von Brooklyn geknüpft, wo Trump dem Anwalt Abraham »Bunny« Lindenbaum begegnete. Über ihn lernte er den Buchhalter Abraham »Abe« Beame kennen, der im folgenden Jahrzehnt als stellvertretender Kämmerer von New York City in die Regierung der Stadt eintreten sollte. Ein weiterer Ehemaliger des Clubs war Hugh Carey, 51. Gouverneur von New York.
Mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten in den Zweiten Weltkrieg endete ein Bauförderungsprogramm des Bundes, das Trump als ökonomische Rettungsleine gedient hatte. Gezwungen, sich neu zu erfinden, zog er 1942 mit seiner Familie nach Virginia, nachdem er von der Bundesregierung beauftragt worden war, in der Nähe der Marinebasis in Norfolk Unterkünfte zu bauen. Die Vereinbarung sah vor, dass Trump die Eigentumsrechte an den von ihm errichteten Gebäuden behielt,[24] was ihn in die Lage versetzte, in sehr viel größerem Rahmen zu bauen als bisher. Als er 1944 schließlich nach New York City zurückging, konnte er seine politischen Kontakte in Brooklyn mit all der Erfahrung beeindrucken, die er inzwischen gesammelt hatte.
Der kleine Dennis Burnham spielte seit einer Weile in seinem Laufgitter im Garten hinter dem Haus, während seine Mutter Martha mit einer Nachbarin drinnen ein Schwätzchen hielt. Aufgeschreckt vom plötzlichen Geschrei des Kleinen, stürmte Martha nach draußen. Dennis saß noch immer in seinem Laufgitter – und wurde mit Steinen beworfen.[25] Der Übeltäter war ein fünfjähriger Nachbarsjunge, der am Zaun zwischen den beiden Grundstücken stand. Martha Burnham, so erzählte sie Jahre später ihrem Sohn, packte Donald Trump am Kragen, schleifte ihn zum Haus seiner Eltern und erzählte seiner Mutter, was passiert war.
Mary Anne MacLeod, eine schottische Einwanderin,[26] die nach ihrer Ankunft in New York als Hausangestellte arbeitete, hatte Fred Trump 1935 auf einer Party in Queens kennengelernt, und schon nach kurzem Liebeswerben heirateten die beiden in einer Kirche auf der Upper East Side. Ihre Hochzeitsreise führte sie entweder nach Atlantic City oder Niagara Falls,[27] je nachdem, wen man fragt. Im Jahr darauf brachte Mary die kleine Maryanne zur Welt, das erste von fünf Kindern.
Die junge Familie bezog ein Haus, das Fred am Midland Parkway in der Siedlung Jamaica Estates gebaut hatte. Donald Trump beschrieb die Gegend später als »Oase«, verglichen mit der eher »rauen« Umgebung in anderen Teilen von Queens.[28] Die Kinder wurden in einer Weise verwöhnt, wie es in der Nachbarschaft unüblich war. Hausbedienstete kümmerten sich um sie, und stets stand ein Chauffeur bereit. Nachbarn erinnerten sich, dass Donald bei schlechtem Wetter mit dem Auto kutschiert wurde, um seine Zeitungen auszutragen.[29] Zwei Autos standen in der Auffahrt, beide hatten Nummernschilder mit Fred Trumps Initialen.[30]
Auf einmalige Besucher machte die Familie Trump einen charmanten Eindruck. Ansonsten aber war der Trump’sche Haushalt einer, in dem, Nachbarn zufolge, wenig Wärme herrschte. Selbst im eigenen Heim war Fred Trump so formell wie der Geschäftsanzug, den er durchweg trug: kühl, steif und jedem Smalltalk abgeneigt, nicht willens, Fehler oder auch nur kleine Mängel durchgehen zu lassen, und meist das Negative zu Lasten des Positiven betonend. Mary Trump, so erinnerte man sich, gab sich gesellig, wenn sie an der Seite ihres Mannes auf Partys und anderen Veranstaltungen auftauchte; auch zeigte sie eine Leidenschaft für den Glamour, der die britische Krone umgab. Im Umkreis ihres von Fred dominierten Zuhauses erlebten die Nachbarn sie allerdings als emotional eher reserviert.
Nach der Geburt des jüngsten Sohnes im Jahr 1948 musste Mary sich in einer Notoperation die Gebärmutter entfernen lassen. Gegenüber der Familienbiografin Gwenda Blair erinnerte sich Maryanne, wie ihr Vater ihr mitteilte, dass die Mutter im Krankenhaus liege und den Eingriff vielleicht nicht überleben werde.[31] Dennoch, habe Fred ihr eingeschärft, solle sie weiterhin ganz normal zur Schule gehen, er werde Bescheid sagen, falls irgendetwas geschehe – eine Demonstration emotionaler Distanz, in der das Familienethos zum Ausdruck kommt, wonach es immer weiterzugehen hat, ohne Rücksicht auf Krankheit, schlechte Nachrichten und Gefahren.
Als Schuljunge war Donald für sein aggressives Temperament und eine Neigung bekannt, andere zu schikanieren. Dies richtete sich auch gegen seinen jüngeren Bruder Robert, der darunter oft zu leiden hatte. Jahre später erinnerte Donald sich stolz, wie er Roberts Bauklötze zusammengeklebt hatte,[32] um damit einen eigenen Turm zu bauen, während der kleine Bruder mit leeren Händen dastand.
Als Donald acht Jahre alt war, hatte sich sein Vater der ersten von zwei peinigenden Begegnungen mit Regierungsbeamten zu stellen. 1954 musste Fred Trump vor dem Kongress Rede und Antwort stehen, es ging um einen Kredit der Federal Housing Authority (Bundesamt für Wohnungswesen), der sich auf eine wesentlich größere Summe belaufen hatte, als das Projekt erforderte. Das Ergebnis war, dass Fred Trump auf eine schwarze Liste gesetzt wurde und zukünftig keine Gelder aus dem Förderprogramm beziehen durfte. Hinzu kam, dass seine Reputation infolge der negativen Schlagzeilen gelitten hatte. Die Familie Trump blieb mit der bitteren Erkenntnis zurück, dass derselbe Staat, der einerseits Quelle des eigenen Reichtums war, einem diesen Reichtum andererseits auch im Handumdrehen wieder wegnehmen konnte.
Trotz seiner Impulsivität und seiner Ausbrüche in der Schule behielten einige Freunde den jungen Donald Trump als einen freundlichen und unterhaltsamen Kameraden in Erinnerung. In der Kew-Forest School, einer privaten Grundschule,[33] entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Donald und einem Jungen namens Peter Brant. Beide waren große Baseballfans, und wenn die Spiele der World Series liefen, schmuggelten sie ein Transistorradio ins Klassenzimmer und lauschten während des Unterrichts der Reportage mit Hilfe eines kleinen Ohrhörers, dessen Kabel sie durch die Hemdsärmel führten. Eines Tages stellten sie sich an den Zaun des Schulhofs, um den Autokorso des damaligen Präsidenten Dwight Eisenhower, der für einen Besuch in die Stadt gekommen war, vorbeifahren zu sehen. Oft übernachtete Donald bei den Brants, und Peter erinnerte sich später, wie ehrlich begeistert der Freund sich über die Bettwäsche äußerte,[34] in der er schlafen durfte.
Als Jugendliche fuhren sie gemeinsam mit der U-Bahn nach Manhattan. Brant bezeichnete diese Ausflüge in der Rückschau als eine Einführung in die Welt außerhalb ihrer Enklaven in Queens, eine Art Reise in den »Dschungel«. Bis zum Times Square mit seinen Scherzartikelläden wagten sie sich vor, und nach Hause brachten sie spaßige Exotika wie Handvibratoren und Taschenmesser in allen Variationen. Bis zur siebten Klasse blieben sie eng befreundet, dann aber entdeckte Fred Trump die aus den gemeinsamen Shoppingtouren angelegte Messersammlung[35] seines Sohnes. Brant zufolge war dies der Zeitpunkt, an dem Donalds Vater beschloss, seinen Sohn auf die New York Military Academy in Cornwall zu schicken,[36] etwa hundert Kilometer weiter nördlich im Bundesstaat New York. So wurde der 13-Jährige aus der Obhut der Familie gerissen und fand sich, nachdem er jahrelang allen nur denkbaren Komfort genossen hatte, plötzlich ganz auf sich gestellt in der Fremde wieder, getrennt von einem der besten Freunde, die er je gehabt hatte.
Brant konnte sich den plötzlichen Weggang seines Freundes nicht erklären. Der wahre Grund dafür schien schwer fassbar. »Ich fragte mich immer: Gibt es irgendetwas in seiner Vergangenheit, von dem ich nichts weiß und das seinen Vater veranlasst hat, ihn auf die Militärakademie zu schicken?«, erzählte er 2016 der Washington Post. »Für das, was er getan hat, würde man heute nicht auf die Militärakademie geschickt werden.«
Einige der Akademiezöglinge wurden von Major Theodore Dobias betreut, einem Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg, der dafür bekannt war, die Jugendlichen zu züchtigen, wenn sie aus der Reihe tanzten; auch Donald musste sich Schläge und Ohrfeigen gefallen lassen. In seiner Zeit auf der Militärakademie blieb er durch und durch vom Einfluss seines Vaters geprägt, ungeachtet der Entfernung, die zwischen ihnen lag. »Das Einzige, wovon Trump je gesprochen hat«, erinnerte sich Klassenkamerad George White, »war das ewige ›Ich muss gewinnen‹. Das hatte Fred ihm in den Kopf gesetzt, dass er um jeden Preis immer gewinnen müsse, andere Leute spielten keine Rolle. Die anderen hat er behandelt wie den letzten Dreck.«
In seinem Abschlussjahr beförderte die Schulleitung Trump zum Chef der A-Kompanie.