Tausendjährige Ukraine - Antonia Kostretska - E-Book

Tausendjährige Ukraine E-Book

Antonia Kostretska

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Beschreibung

Der russische Präsident hat der Ukraine wiederholt das Existenzrecht abgesprochen. Die Ukraine sei eigentlich Teil der "russischen Welt". Seit Ende Februar 2022 sind Millionen Menschen vor dem russischen Angriff auf die Ukraine geflohen. Die meisten davon waren Frauen und Kinder. Bis Ende März 2022 sind mehr als vier Millionen Ukrainer ins Ausland geflohen, um den Kämpfen und den russischen Bombardierungen ziviler Ziele zu entgehen. Mit Stand vom 20. April 2022 ist ihre Zahl auf 5 Millionen gestiegen. Davon floh der Großteil (2,8 Millionen) zunächst nach Polen. Darüber hinaus waren mehr als 7,7 Millionen Binnenvertriebende innerhalb der Ukraine auf der Flucht. Die meisten Menschen flohen aus der Ostukraine in andere Teile des Landes, insbesondere in die Westukraine. Russland hält ukrainische Zivilisten in Gefängnissen fest, foltert sie und zwingt zu harter Sklavenarbeit. Das Internationale Zentrum zur Verfolgung von Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine bereitet Staatsanwälte zusammenbringen und die Analyse der Beweismittel für die Strafverfolgung vor. Dies ist das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, dass es zu einem militärischen Konflikt dieser Größenordnung kommt. Wissenschaftler verfügen derzeit über kein Modell, um die Schäden zu vergleichen.

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Tausendjährige Ukraine

Wer? Was? Wo? Wann?

Die hier vorgelegte Publikation ist eine dringende Notwendigkeit, da sich die Ukraine heute unter harten Bedingungen befindet. Dazu ist die feindliche politische Propaganda gegen die Ukraine, ihre Geschichte und Kultur genauso massiv wie auch trügerisch.

Antonia Kostretska

2023

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitungswort 6 2. Ukrainische Vorgeschichte 10

3. Kyjiwsʹka Rusʹ (8.-13. Jh.)164. Zersplitterung der Kiewer Rus’ und Mongolische Invasion 24

5. Fürstentum Galizien-Wolhynien im 13. und 14. Jh.256. Litauisch-polnisch-russische Ära für die Ukraine (14.-16. Jh.)267. Ukrainischer Kosaken Staat (Hetmanat, 16.-18. Jh.) 29

7.1. Frauen im Saporischschja Sitsch378. Ukrainische Nationalrevolution (1648–1676) und Vertrag von Perejaslaw439. Bürgerkrieg und Zerfall des Kosaken Staates in zwei Hetmanaten (1657-1663)4710. Krise und Niederlage der Nationalrevolution (1668-1676)4911. Rujina (1657-1687)5212. Wie ukrainische Rujina der kulturellen Entwicklung Russlands diente 53 13. Regierung Masepas (1687–1708) und Ende des Hetmanats (1764)5914. Ende des Hetmanats (1764) und seine Folgen6015. Ukraine in der Entwicklung 65

15.1. Russische Kolonisierung des Schwarz-Meer-Gebiets 67

15.2 Maritimer Ruhm der Ukraine von Kiewer Rus bis zur neusten Geschichte 69

15.3. Gestohlene Geschichte der Ukraine und russische Despotie 71

15.4. Aussagen berühmter russischer Persönlichkeiten über Russland und seine

Menschen72

15.5. Einige historischen Zahlen und Fakten 74

16. Ukraine im 19. und 20. Jahrhunderts 78

16.1. Wirtschaftliche Entwicklung der ukrainischen Länder innerhalb

des Russischen Reichs zu Beginn des 20. Jahrhunderts 78

16.2. Gesellschaftspolitische und nationale Situation in den Ländernder Westukraine

zu Beginn des 20. Jahrhunderts 80

16.3. Gesellschaftspolitische Situation der Bevölkerung am Vorabenddes Ersten

Weltkriegs (1910-1914) 85

16.4. Ukrainische Nationalbewegung im 19. und 20.

Jahrhunderts 89

17. Erster Weltkrieg (1914-1918)9018. Ukrainische Volksrepublik (1917-1920) 96

18.1. Cholodnojarska Republik (1919-1922) 99

18.2. Huljajpole-Republik (1917-1920) 105

18.3. Westukrainische Volksrepublik (1918-1919). Huzulen-Republik (1918-1919) 114

18.4. Unabhängige Kuban-Volksrepublik (1917-1918) 117

19. Ukrainische Sowjetische Sozialistische Republik (USSR, 1922-1991) 118 20. Dekulakisierung, Repressionen und Deportationen 119

21. Massenhunger in der Ukraine (1921–1923) als Folge 120

22. Holodomor (1932-1933) 122

23. Karpato-Ukraine (Autonome Republik Pidkarpattja Rus, 1938-1939) 125

24. Zweiter Weltkrieg (1939-1945) 131

24.1. Repressionen in der Ukraine in den 1930er und 1950er Jahren 136

24.2. Fünf größten Verbrechen der Sowjetmacht in der Ukraine während des

Zweiten Weltkrieges (1941-1945) 138

25. Babyn Jar (1942) 141

26. Tschernobyl (1986) 144

26.1. Tschernobyl während des ukrainisch-russischen Kriegs (2022) 145

27. Weitere Kampf um die Unabhängigkeit der Ukraine 146

27.1. Studentenrevolution auf Granit (1990) 147

27.2. Orange Revolution (2004) 147

27.3. Euromajdan (2014), „Himmlische Hundert“, Folgen 150

27.8.7. Helden der Ukraine 213

28. Ukraine in Zahlen 232

35. Ukrainische Literatur 304

35.1. Alte ukrainische Literatur (9.- Ende 18. Jahrhundert) 304

35.2. Neue ukrainische Literatur (Ende 18. - 19. Jahrhundert) 311

35.2.1. Ukrainischer Einfluss auf die russische Literatur und

Kultur des 19. Jahrhunderts 314

35.3. Neueste ukrainische Literatur (20. - frühes 21. Jahrhundert) 32136. Berühmte ukrainische Schriftsteller und Dichter 326

55.8.3. Charytonenkos 568

55.8.4. Doroschenkos 570

55.8.5. Iwan Iwanowytsch Funduklej 576

55.8.6. Kistjakiwskis 577

55.8.7.Symyrenkos 579

55.8.8. Tarnowskis582

55.8.9. Einzelne Mäzene 584

55.8.10. Moderne Mäzene 587

58. Die Zukunft der Ukraine612

59. Kurz über die Verfasserin614

„Leise weint die Ukraine blutig-heiße Tränen,

Henker baut seinen "morgen" auf dem Menschenleiden.

Bitter weint die Ukraine mit dem schweren Stöhnen,

Wäscht mit Tränen ihre Kinder, gefallene Söhne.

Weint die Wiege-Ukraine sowie jede Mutter,

Die ihr Sohn gelassen hatte, der Freiheit zu Gute…“

Taras Hryhorowytsch Schewtschenko1,

übersetzt von Antonia Kostretska.

Das Epigraph zeigt, dass die politische Situation in der Ukraine die gleiche, wie sie vor mehr als 200 Jahre war, ist. Das Land mit ihren Schätzen besaß immer eine hohe Begehrlichkeit für verschiedene Eindringlinge.

Die Verfasserin erinnert sich an ein Phänomen der vergangenen Jahre: Nur wenige deutschen Bürger wussten, was die Ukraine ist und wo sie sich befindet. Heutzutage ist es allgemein bekannt.

Aber, die Geschichte, Kultur, die Besonderheit der Sprache, Sitten des ukrainischen Volks, wichtige Ziffern und Fakten sowie die bedeutenden Persönlichkeiten des Landes sind nach wie vor dem deutschen Bürger unbekannt. Alle Seiten der Ukraine und der Ukrainer, positive sowie negative, zu zeigen, ist die Intention und das Ziel des Buches.

Das Buch wurde wie eine enzyklopädische Sammlung des notwendigen Wissens über den unabhängigen Staat Ukraine strukturiert, verfasst und reich illustriert.

Die allgemein bekannten Fakten und Daten aus den enzyklopädischen Quellen (verschiedene Enzyklopädien wie deutsche Wikipedia, englische The free encyclopedia, ukrainische Вiкiпедiя, französische Wikipédia/l'encyclopédie libre, polnische Wolna encyklopedia und russische Википедия), die in der Arbeit angeführt wurden, wurden meistens entweder bearbeitet, ergänzt, verkürzt oder übersetzt. Deswegen sind diese meistens nicht als Zitate, sondern als allgemeiner Text präsentiert. Übersetzungen dieser Daten sowie anderer nicht deutschsprachiger Quellen wurden von der Verfasserin dem Originaltext treu formuliert. Zu Illustrationen wurden einige Bilder aus öffentlichen Quellen verwendet.

Im Buch sind nicht alle wichtigen Geschehens, Daten und Persönlichkeiten

präsentiert oder genannt. Dafür gibt es verschiedene Gründe: der Mangel an Informationen, Zeit und Volumen2.

Die Verfasserin ist weder Nationalistin noch Feindin aller anderen Völker. Es ist nur eine dringende Notwendigkeit, die historisch dokumentierte Wahrheit zu präsentieren, da die Ukraine sich heute unter harten Bedingungen befindet. Dazu ist die politisch feindliche russische (manchmal auch westliche) Propaganda gegen Ukraine, ihre Geschichte und Kultur genauso massiv wie auch trügerisch ist.

„Der russische Propaganda-Apparat zielt seit einiger Zeit verstärkt auf Deutschland. Das Ziel der Desinformation ist, die Gesellschaft zu verunsichern. Dagegen kann man sich wehren. Ein Gastbeitrag. Wladimir Putins Medienstrategie beruht darauf, den Unterschied zwischen Gerücht und Wahrheit zum Verschwinden zu bringen. […] Die Methoden dieser gezielten Desinformation und Manipulation der öffentlichen Meinung wurden in Russland zunächst eingesetzt, um die Macht des Präsidenten Wladimir Putin zu sichern. Im Konflikt um die Ukraine erreichte die russische Propaganda ein neues Niveau: Durch Verzerrungen, Halbwahrheiten und komplette Lügengeschichten werden „die Ukrainer“ durchgehend als „Faschisten“ verunglimpft. […] Konzepte für die Manipulation der öffentlichen Meinung oder psychologische Kriegsführung gibt es seit Jahrzehnten. Doch haben sich russische Analysten aus Militär und Geheimdiensten in den neunziger Jahren mit dem „Informationskrieg“ intensiv beschäftigt. Im Kern geht es um den gezielten Einsatz von Information, um die Wahrnehmung der Realität zu verzerren und beim Empfänger der Desinformation eine gewünschte Reaktion zu erzeugen: In russischen Fachbüchern werden diese Techniken als „reflexive Kontrolle“ bezeichnet. […] Außerhalb Russlands zielt die Propaganda darauf, Ängste zu verstärken und Gesellschaften zu destabilisieren. Ein erstes Mittel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung ist die maximale Erhöhung von Nachrichten, so dass die Empfänger angesichts einer Vielzahl von meist ungesicherten, beängstigenden und sich durchaus widersprechenden Informationen überfordert werden: Verlust der Orientierung und Klarheit sind die Folge dieses „Informationslärms“. […] Neben den offiziellen Medien (…) nutzt der russische Propaganda-Apparat dafür sehr geschickt das Internet. Eine relativ unbekannte Informationswebsite oder ein Blog publizieren eine Nachricht, die dann von weiteren zweifelhaften Websites wiederholt wird. Dann steigt ein größeres bekannteres russisches Medium ein und bringt mit Verweis auf vermeintliche „Quellen“ im Netz die Nachricht, die nun so salonfähig im Medienraum zirkuliert. Die Frage nach der Wahrheit, empirisch überprüfbaren Fakten, spielt keine Rolle. […] Auch die Falschmeldung eines angeblich von Migranten entführten und vergewaltigten Mädchens in Berlin im Januar stammte von einer dubiosen Website im Netz. Das russische Staatsfernsehen griff die Geschichte dann auf. Dies sahen auch Russlanddeutsche, die durch konzertierte Aufrufe in Facebook und über SMS zu Demonstrationen angestachelt wurden. Zudem verbreiteten die deutschsprachigen Ableger der russischen Auslandsmedien die Falschmeldung in Deutschland, wo sie auf rechtspopulistischen Websites und in den sozialen Medien Resonanz erzeugte. Unverkennbar arbeiten russische Auslandsmedien sowie deutsche rechtspopulistische oder rechtsradikale Informationsangebote publizistisch Hand in Hand. Durch gezieltes Zitieren nutzen sie sich gegenseitig als vermeintlich plausible Quelle.“3

Aus den unbekannten Gründenwardie Gegenpropaganda ukrainischer Seit bis zum Anfang des russischen Krieges gegen Ukraine am 24. Februar 2022 sehr zurückhaltend. Als Beispiel können wir die Ergebnisse des Referendums in den Niederlanden anführen: Die russische Armee vernichtete das Malaysia-Airlines-Flug 17mit 298 Insassen (darunter 80 Kinder und 182 niederländische Angehörige)4, Die russische Regierung machte dafür die sogenannten ukrainischen Faschisten verantwortlich, und die Niederländer stimmten folgsam gegen die Ukraine in der EU5. Das ist nur ein von mehreren

Beispielen.

„Das Ukraine-Bild der russischen Propaganda ist völlig verzerrt. Der Machtwechsel in Kiew war nicht ein Putsch von Faschisten. «Zum Sturz führte eine Volkserhebung. Faschisten, Nationalisten und Banditen haben im Februar in Kiew die Macht übernommen. Es ist die Pflicht Russlands, die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine vor finsteren Kräften zu schützen und ihre Rechte zu verteidigen. Auf dem Kiewer Maidan haben Faschisten auf die Demonstranten geschossen. Die Besetzung der Krim ist eine humanitäre Mission. Es ist in der Ukraine verboten, Russisch zu sprechen, Russen werden drangsaliert. Überall sind faschistische Banden unterwegs.» Das Land, das in den russischen Medien Tag für Tag mit solchen und ähnlichen Worten beschrieben wird, existiert höchstens in den Köpfen der Propagandisten. Die kalten Krieger haben wieder Hochkonjunktur. Sie produzieren nach sowjetischem Muster am Laufmeter Halbwahrheiten und Lügen im Dienste der Staatsmacht und zur Rechtfertigung der Krim-Politik von Präsident Putin. Sie haben mit der Wirklichkeit in der Ukraine nicht viel zu tun.“6

Die Verfasserin hofft, dass die Sammlung der interessanten Informationen über die Ukraine einen guten Dienst für diejenigen leistet, die über das Land, wo sich das geografische Zentrum Europas7befindet, mehr wissen und erleben möchten.

Geschichte der Ukraine ist die Geschichte der Kampf um die Unabhängigkeit.

Da die Ukraine, als eigenständiger Staat mit mehr als tausendjähriger Geschichte, vom Westen bis zum 21. Jahrhundert nie akzeptiert wurde, ist es hier notwendig, die chronologische Entstehungsgeschichte einiger Staaten zu vergleichen:

Frankreich. Karl der Große(748-814) wurde 800 zum Kaiser gekrönt, 843 wurde das Frankenreich mit dem Vertrag von Verdun unter seinen Enkeln aufgeteilt; dessen westlicher Teil entsprach in etwa dem heutigen Frankreich.

Kiewer Rus (heutige Ukraine). Die Kiewer Rus war ein mittelalterliches altslawisches Großreich, das als Vorläuferstaat der heutigen Staaten Russland, Ukraine und Belarus angesehen wird. Stadt Kyjiw8war ein Großfürstensitz sowie das politische und kulturelle Zentrum der Rurikiden-Dynastie. Schon im Jahre 882 verlegte Ruriks Feldherr Olegdorthin seine Hauptstadt. Das bedeutet, dass Kiewer Russchon im Jahr 882 ein „erwachsener“ mittelalterlicher europäischer Staat war (mehr zum Thema siehe im Kapitel 4 und Illustrationen 10-13). Die Rus9 kontrollierten damals den gesamten Handelsweg zwischen der Ostsee und dem Schwarzen Meer. Der Staat Kiewer Rus umfasste bald alle ostslawischen Gebiete. Außerhalb ihres großen zusammenhängenden Gebiets kontrollierten die Rurikidenauch mehrere südliche Exklaven. Die Rus stellten zunächst den Großteil der Adels-, Händler- und Kriegerschicht des Staates. Die dominierende Kultur und Sprache war slawisch (später Altukrainisch, mehr zum Thema siehe im Kapitel 31).

Deutschland. 962 wurde Otto I.zum Kaiser gekrönt und vereinte damit die römisch-deutsche Königswürde mit dem Anspruch auf das westliche „römische“ Kaisertum (Reichsidee). Mitte des 13. Jahrhunderts setzte sich im Heiligen Römischen Reich – die Bezeichnung Sacrum Imperium (Heiliges Reich) wurde bereits 1157 gebraucht, Sacrum Imperium Romanum (Heiliges Römisches Reich) ist erstmals urkundlich gesichert 1184 belegt.

Großbritannien. Im Frühmittelalter entstand im 10. Jahrhundert das Königreich Schottland. In der Mitte des 12. Jahrhunderts begannen anglonormannische Adlige aus England und Wales mit der Eroberung Irlands. Nach der Eroberung von Wales stand seit 1283 ein Großteil der Insel Großbritannien unter einer Herrschaft.

Russland. Das Großfürstentum Moskau war ein russisches Teilfürstentum, das durch die im 14. Jahrhundert erlangte Vormachtstellung in der nordöstlichen Rus und durch stetigen politischen und geographischen Machtzuwachs zur Keimzelle des Russischen Reiches wurde. Das Fürstentum Moskau existierte ab 1263, von 1340 bis 1547 hielt es die Großfürstenwürde. Nachfolgestaat wurde das von Iwan IV. (Schrecklichen)im Jahr 1547 proklamierte Russische Zarenreich. Der zunehmende Zerfall der Goldenen Horde und die gleichzeitige innere und äußere Konsolidierung der nordöstlichen Rus rund um das Großfürstentum Moskau begünstigte die zunehmende russische Kolonisation, die die russische Geschichte seitdem entscheidend geprägt hat.

USA wurde 1787-1789 (Verfassung) gegründet.

Empfehlungswert zum Thema sind auch die folgenden Bücher:

Jurij Andruchowytsch10. Moscoviada. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012;

Andreas Kappeler11. Kleine Geschichte der Ukraine. Verlag C.H. Beck, München 2014;

Boris Reitschuster12. Putins Demokratur. Ein Machtmensch und sein System. Econ, Berlin 2014.

Um die Ukraine, ihre Menschen und ihre Kultur zu verstehen, muss man ihre Geschichte kennen. Daher ist es notwendig, sich mit einigen historischen Tatsachen vertraut zu machen, die in der Geschichte der Ukraine eine wichtige Rolle spielen.

2. Ukrainische Vorgeschichte

Die Ukrainer sehen ihren Ursprung bei den Skythen13, ein abtrünniges Reitervolk, das

bereits vor dem Jahr Null unserer Zeitrechnung die heutige Region der Ukraine besetzte.

“Trypillja, ein Dorf in der ukrainischen Oblast Kiew14, liegt etwa 40 Kilometer südlich von Kiew am rechten Ufer des Dnepr15 und ist vor allem dadurch bekannt, dass am Ende des 19. Jahrhunderts in ihrer Umgebung der Archäologe Wikentij Chwoika16 die Reste einer großen Siedlung der Cucuteni-Tripolje-Kultur17entdeckte und ausgrub. Die Siedlung existierte um 4800–4500 v. Chr., zählte etwa 10.000 bis 20.000 Einwohner und war damit für damalige Verhältnisse eine Großstadt. Auf dem Territorium der Ortschaft liegen die Überreste der erstmals 1032 in den Annalen Jaroslaws des Weisen18 erwähnten, befestigten Siedlung der Kiewer RusTrepoli”- so die Wikipedia.

„Auf dem Territorium der heutigen Ukraine erscheint der Mensch laut Archäologen vor zirka einer Million Jahren. Im 1. Jahrtausend v. Chr. beginnt der schriftliche Zeitabschnitt der Geschichte der Ukraine, und ihre bis zu dieser Zeit namenlosen Stämme hinterlassen zum ersten Mal ihre eigenen Bezeichnungen in Texten antiker Dokumente und Werke. Diese waren Kimmerier, Skythen, Sarmaten und andere Stämme und Völker jener Zeit, welche die riesigen Weiten der eurasischen Steppen erobert hatten. Die wichtigste Beschäftigung dieser Völker war nomadische Viehzucht und Kriegswesen. Die Geschichte der Skythen hat Herodot19, der griechische Schriftsteller des 5. Jahrhunderts v. Chr., erzählt. Als wichtigstes Ereignis in der Geschichte des damaligen nördlichen Schwarzmeerraums galt die griechische Kolonisation. Der Stadtstaat Olbia20 am Unterlauf des Flusses Pivdennyj Bug wurde zu einem der markantesten griechischen Zentren des Schwarzmeerraums. Gleichzeitig wurden aber auch Traditionen eines hoch entwickelten Getreideanbaus, der noch aus den Zeiten der Trypillja-Kultur – in den mit Waldsteppe bedeckten Regionen der heutigen Ukraine unter anderem im Mittleren Dnepr-Gebiet –, stammte niemals unterbrochen. Die Bevölkerung der genannten Regionen stand in vielen Bereichen der Wirtschaft und Kultur in einer engen Wechselwirkung miteinander. Als Ergebnis einer manchmal durch Landstriche getrennten Besiedelung eines Territoriums durch Stämme, welche ihrer Herkunft und ihrem historischen Schicksal nach unterschiedlich waren, entstanden die aus Sicht der Ethnogenese komplizierten Prozesse, die zur Bildung neuer ethnokultureller Gruppen geführt haben. Eine der bevölkerungsreichsten darunter war die slawische Gruppe. An der Wende unseres Zeitalters kommen Slawen unter dem Namen Veneter zum ersten Mal in Werken antiker Schriftsteller vor. Die Geschichte der Ethnogenese der Slawen ist wohl eine der kompliziertesten in der Geschichtswissenschaft. Der Ansatz über die Autochtonie des Slawentums zwischen Dnepr und Oder ist die heute unter Wissenschaftlern am ehesten akzeptierte Theorie; gleichzeitig wird aber auch die Rolle der Migrationsprozesse nicht verleugnet. Aus der Analyse schriftlicher Quellen kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass Slawen an der Wende unseres Zeitalters das Territorium der heutigen ukrainischen Regionen Polesien, Wolhynien und des Mittleren Dnepr-Gebiets besiedelten. Die zweite Hälfte des 1. Jahrtausends n. Chr. wurde zu einer Zeit der Herausbildung der ostslawischen Stämme zu einer eigenen ethnographischen Gruppe in Osteuropa. Das Territorium der Ukraine war jene Region, wo ab dem Ende des 4.Jahrhunderts zahlreiche slawische Gemeinschaften Kräfte sammelten, die am Anfang des 6. Jahrhunderts in südwestliche und westliche Richtung aufgebrochen sind und einen wesentlichen Teil des europäischen Kontinents in Besitz genommen haben. Damals erscheinen in Werken byzantischer Geschichtsschreiber, Geographen und Politiker zahlreiche Berichte über Slawen, die als Sklawinen und Anten bezeichnet wurden. Vom 4. Jahrhundert bis zum 7. Jahrhundert existierte auf dem Gebiet der heutigen Ukraine ein Bündnis der Stämme der Anten; seine ungemeine politische Aktivität führte zur Slawisierung eines wesentlichen Teils der Balkanhalbinsel.Auf dem Gebiet des Bündnisses der Anten entstand Ende des 5. Jahrhundert die Stadt Kiew, welcher eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Ostslawen zufiel. Nach dem Zerfall des Staates der Anten wurde Kiew zum Zentrum des Poljanischen (frühere Rus) Fürstentums und später zum Zentrum des ganzen Rus Gebiet. Laut einer Erzählung aus einer Chronik waren die Fürsten des Poljanischen Fürstentums Kyj, Schtschek und Choryw sowie deren Schwester Lybid die Gründer von Kiew.“21

Die Frage nach der Qualifikation des StaatesRus22geht weit über die Grenzen historischer oder rechtswissenschaftlicher Debatten hinaus. Was war diese Formation im 9.-12. Jahrhundert? Vereinte sie nicht nur die Ostslawen, sondern auch viele andere Völker, die auf dem Territorium von den Karpaten bis zur Wolga und vom Ladogasee bis zum Schwarzen Meer lebten? - dies ist nicht nur ein Problem der Vergangenheit, sondern auch ein Kollisionspunkt heutiger Staatsinteressen der Ukraine und Russlands.

Zur Herkunft derRus existieren unterschiedliche Theorien:

Eine der häufigsten ist die normannische Theorie, wonach die Rus, auch Waräger genannt, aus dem schwedischen Gebiet stammten. Bis zum 9. Jahrhundert breiteten sie sich nach Südosten23 bis an die Grenzen des Byzantinischen Reiches und des Kalifates24 aus. In der Nestorchronik25(Illustration 14) spielen die Rus und Waräger eine herausragende Rolle. Der Stamm Rus’wurde jedoch schon im 6. Jahrhundert bekannt, lange vor der Ankunft der Waräger.

Die ostslawische Theorie: Rus` heiße ein Stamm der Ostslawen, der südlich vom heutigen Kiew entlang des Flusses Ros`ansässig war. Der Name des Stammes kann auch vom slawischen Wort rusyj(dunkelblond) oder vom Namen des Flusses Ros`stammen. Rus’ verbreitete sich weit und breit.

Die alanische (iranische) Theorie:DieAlanen26und Hunnen27siedelten damals im Süden der Rus`.

Die westslawische Theorie. Der Name wird vom westslawischen Stamm der Ranen28

hergeleitet, die am Ostseehandel sowie an den Expeditionen der Waräger intensiv teilgenommen haben. Der Name des Kiewer Dynastiegründers Rurik wird aus dem westslawischen Rarog29 abgeleitet.

„Im 9. Jahrhundert wurde das Mittlere Dnepr-Gebiet zum historischen Kern eines großen Staates der Ostslawen. In einheimischen schriftlichen Quellen tritt dieser Staat unter dem Namen „Rus Territoriums“ oder „Rus“ und in den ausländischen Quellen als „Rus“ auf. In der geschichtlichen Literatur trifft man öfters den Namen „Kiewer Rus“, da Kiew im Laufe mehrerer Jahrhunderte das Zentrum dieses ostslawischen Staates in zentraler europäischer Lage war.“30

Es kann nur behauptet werden, dass der Kiewer Staat (Kiewer Rus) auf seiner eigenen Grundlage als Ergebnis eines langen Prozesses der Bildung einer Klassengesellschaft entstanden ist. Hypothesen über die Staatsgründung durch Waräger, Chasaren oder andere türkische Völker sind nicht überzeugend. Die Schaffung eines Staates erfordert viel mehr als Räuberbanden, die aus kalten nördlichen oder warmen südöstlichen Ländern rekrutiert werden. Dies erfordert eine spezifische sozioökonomische und politische Basis, die nicht importiert werden kann.

Laut den vielen Historikern entstand die Kiewer Rus als Staat vor dem Ende des Prozesses der ethnischen Konsolidierung der mehreren Völker. Einige Wissenschaftler (insbesondere O. Pritsak31)sprechen auch von einer vierten ostslawischen Nation - Nordrus, die sich um Nowgorod und Pskow gebildet hat, aber vom Moskauer Staat einem Völkermord ausgesetzt war und unter Herrschaft Iwans IV. des Schrecklichen 32teilweise ausgerottet oder in großrussische Gebiete umgesiedelt wurde.33

Die Mehrheit der Wissenschaftler, nach M. S. Hruschewskyj34, betrachtet Kiewer Rusals einen rein ukrainischen Staat und führt die Zeit der Ethnogenese der Ukrainer auf ältere Zeiten zurück - auf die Zeiten der Existenz von Anten35 und Poljanen36,

während andere davon überzeugt sind, dass die Trypilllja37-Stämme waren bereits Ukrainer.

Wer sind die Rus38und wer sind die Slawen39? - es ist nicht ein und dasselbe. Die Rus sind ein früher Zweig in der Entwicklung der Menschheit. Die Slawen entstanden aus drei Stämmen, als die Rus bereits existierten. Die Frage, wo die Rus als Rus und wo die Slawen als Slawen zuerst auftauchten, bleibt jedoch immer noch ohne Antwort. Schließlich tauchen Historiker nur in die nächsten paar tausend Jahre ein, nicht in frühere Zeiten. Zum Beispielwurde das älteste Bild des Dreizacks – das heutige Wappen der Ukraine – nicht in Kiew, sondern im Norden Europas gefunden. Der Dreizack von Neptun40wardas Amulett der Trypillia-Kultur, der Kindern des Wassers, die aus fernen Ländern kamen.

Könnte die Rus als Nachfolger der Etruskern betrachtet werden?Die etruskische Kultur existierte auf dem Territorium der heutigen Italien zwischen 800 v. Chr. und der zweiten Hälfte des

1. Jahrhunderts v. Chr. Nach der Eroberung durch die Römer (300 bis 90 v. Chr.) gingen die Etrusker weitgehend in der Kultur des Römischen Reichs auf. Die Epochen der etruskischen Kultur entwickelten sich parallel zu denen Griechenlands und zeugen von intensiven Kontakten im Mittelmeerraum (vgl. Wikipedia).

Manche Historiker41erwähnen ab dem 1. Jahrhundert in unterschiedlichen Schreibweisen

ein Volk der „Veneter“ (Venedi/Venethi/Venadi oder Ouenedai), das östlich der Weichsel beziehungsweise an der Danziger Bucht siedelte. Somit wird es – schon geografisch – auch eindeutig von den Venetern des Alpenraumes unterschieden. Die ethnische Nachfolge der Venediwird in der zeitgenössischen Forschung weitgehend in Frage gestellt. Die Vorbehalte beruhen auf dem späten Aufkommen von Keramik, das zweifellos den Slawen zugeschrieben werden kann.

Zur Zeit des KaisersJustinian(527–565) gerieten Slawen und Anten42dann erstmals in das Blickfeld oströmischer Geschichtsschreiber. Sie berichten von zahlreichen Slawen und Anten, „die aus den Karpaten, der unteren Donau und vom Schwarzen Meer kommend seit der Mitte des 6. Jahrhunderts plündernd in die Donauprovinzen des Oströmischen Reiches eingefallen seien“. Sie schrieben, dass die Anten und Slawen seiner Zeit in fast allen Dingen gleich seien, gleiche Bräuche gehabt und dieselbe Sprache gesprochen hätten.

Das historische Hauptwerk des römisch-gotischen Gelehrten und Geschichtsschreibers Jordanes(† nach 552) „Getica“ aus dem 6. Jahrhundert beschreibt die Geschichte der Goten: „Sclaveni (Slawen), Anten und Venethi seien verschiedene Bezeichnungen für dieselbe Gruppe.Ihm zufolge siedelten die Sclaveni zwischen Weichsel und Donau und die Anten zwischen Knister und Don.“

Die Slawen drangen auch in die Gebiete vor, die von den germanischen Gruppen während der sogenannten Völkerwanderung befreit wurden.

Unter den arabischen Autoren des Mittelalters ist Ibrāhīm ibn Yaʿqūb43 von besonderer Bedeutung, der im 10. JahrhundertMecklenburg, den Sitz der Stammeskönige des westslawischen Stammesverbandes der Abodriten44, besuchte. Ende des 7. Jahrhunderts wanderten Slawen in das Gebiet zwischen Elbe und Oder ein, aus denen sich im Nordwesten der abodritische Stammesverband bildete.

Empfohlene Literatur:

Chasaren. Die Geschichte des Chasarischen Khaganats.

Übersetzung von Auszügen aus Masudi45, die im Buch „Legenden muslimischer Schriftsteller über Slawen und Russen (1870)“ von A. J. Garkawi46 enthalten sind.

Auszug aus einem Brief eines unbekannten chasarischen Juden aus dem 10. Jahrhundert.

Norman Golb47, Omeljan Pritsak48: Khazarian Hebrew Documents of the Tenth Century. Ithaca-London, Cornell University Press, 1982.

3.Kyjiwsʹka Rusʹ

Kyjiwsʹka Rusʹ (auch Kyjiwer Rusʹ, Kiewer Rus', Kiever Rus' oder Kievan Rus') – vom Namen der Stadt Kyjiw (auch Kiew und Kiev).

Rus`(auchRus, Rusia, Ruthenia oder Reußen) ist eine historische Bezeichnung für ein Gebiet in Osteuropa. Der Name leitet sich vom Volk der Rusab49, welches in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends nach Christus die Flüsse dieser Region befuhr. Der erste Staat auf diesem Gebiet war die Kiewer Rus, die im 11. Jahrhundert ihre Blütezeit erlebte und wurde in verschiedene Chroniken erwähnt (siehe Kapitel 31-35).

Der moderne StaatUkraine ist der Nachfolger der Kiewer Rus und verwendet daher deren Symbole:

Ein Relikt aus der Rus-Ukraine-Zeit - das Siegel des Großfürsten Swjatoslaw I.50 (Regierungszeit 945–972) mit dem Bild eines Zweizacks;

Münzen aus der Zeit des Großfürsten von Kyjiwsʹka Rusʹ Wolodymyr I.51(960/963 –1015) mit dem Dreizack.

Die beiden sind Prototypen des Staatswappens der heutigen Ukraine - des Dreizacks(Illustrationen12).

„Das Territorium der Ukraine war jene Region, wo ab dem Ende des 4. Jahrhunderts zahlreiche slawische Gemeinschaften Kräfte sammelten, die am Anfang des 6. Jahrhunderts in südwestliche und westliche Richtung aufgebrochen sind und einen wesentlichen Teil des europäischen Kontinents in Besitz genommen haben. Damals erscheinen in Werken byzantinischer Geschichtsschreiber, Geographen und Politiker zahlreiche Berichte über Slawen, die als Slawen und Anten52bezeichnet wurden. Vom 4. Jahrhundert bis zum 7. Jahrhundert existierte auf dem Gebiet der heutigen Ukraine ein Bündnis der Stämme der Anten; seine ungemeine politische Aktivität führte zur Slawisierung eines wesentlichen Teils der Balkanhalbinsel.Auf dem Gebiet des Bündnisses der Anten entstand Ende des 5. Jahrhundert die Stadt Kiew, welcher eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Ostslawen zufiel. Nach dem Zerfall des Staates der Anten wurde Kiew zum Zentrum des Poljanischen (frühere Rus) Fürstentums und später zum Zentrum des ganzen Rus-Gebiet. Laut Erzählungen aus Chroniken53waren die Fürsten des Poljanischen Fürstentums Kyj, Schtschek undChoryw sowie deren Schwester Lybid die Gründer von Kyjiw54.“55

Im 10. Jahrhundert entwickelte sich der um Kiew entstandene Staat Kiewer Rus zu einem großen und mächtigen politischen und rechtlichen Konglomerat mit breiten und entwickelten Außenhandelsbeziehungen.

Dokumente aus früheren 10. Jahrhundert sagen Folgendes:

„Der Kiewer Brief ist ein hebräischer Text, der wahrscheinlich aus dem 10. Jahrhundert stammt. Er ist einer der ältesten erhaltenen TextederKiewer Rus. Die jüdische Gemeinde in Kiewbittet Mitglieder anderer Gemeinden um eine bestimmte Geldsumme. Sie will ein Mitglied der Gemeinde freikaufen, das zum Tode verurteilt wurde wegen nicht bezahlter Schulden. Es ist der älteste Hinweis auf eine jüdische Gemeinde in Kiew und der Rus. Der Text enthält Informationen über Rechtspraktiken in der frühen Kiewer Rus. Die Pergamenthandschrift gehörte zu einer riesigen Sammlung von Dokumenten, die 1896 von Solomon Schechter56 in der Kairoer Geniza in der Ben-Esra-Synagoge zu Fustāt in der Altstadt von Kairo aufgefunden wurde. Sie wurde 1962 von Norman Golb57, Professor an der Chicago University entdeckt. Heute liegt sie in der Universitätsbibliothek Cambridge, Sigle T-S 12.122“ – so die Wikipedia.

Der arabischer Reisender Ahmad ibn Rustah58schilderte die Kiewer Rusals ein großer zivilisierter Staat sowieseine weit entwickelte Gesellschaft schon im 10. Jahrhundert.

Die Kyjiwsʹka Rusʹ wardas größte politische Gebilde des mittelalterlichen Europas. Es war ein Großreich, das als Vorläuferstaat der heutigen Staaten Ukraine, Weißrussland und Russland galt.

Das Kyjiwer Reich hatte eine eigene Konstitution bzw. ein gültigesGrundgesetz. Neben dieses funktionierten jedoch noch Volksversammlungen (ukrainisch „Witsche“), die Überbleibsel der früheren Gesellschaftsordnung waren.

Jaroslaw der Weise59 dehnte seine Besitztümer im Jahr 1029 auf den Kaukasus aus. Im Jahr 1030 besetzte er im Norden das Land zwischen dem Tsсhud-See und demOstseesowie gründete dort die Stadt Jurjiw (heute Tartu/Estland). Im Jahr 1031 gründete er eine Stadt namens Jaroslaw (heute Russland). Jaroslaw der Weise schuf die Bibliothek der Sophienkathedrale in Kiew.

1019 erließ Jaroslaw der Weisedie erste Gesetzessammlung, dieRus`ka Prawda (Wahrheitder Rus’). Es war von großer Bedeutung sowohl für die Weiterentwicklung der Gesellschaft, den Aufbau von Beziehungen innerhalb des Staates und für die Organisation des Lebens benachbarter Völker als auch für zukünftige Generationen, insbesondere für die Bildung und Entwicklung des ukrainischen Rechts. Rus’ka Prawdastellte eine Mischung byzantinischer Gesetze und slawischen Gewohnheitsrechts dar. Darüber hinaus versuchte Jaroslaw der Weiseauch, Erbstreitigkeiten nach seinem Tod durch eine umfangreiche Nachlassplanung zu verhindern, jedoch ohne Erfolg. Er begründete auch das Senioratsprinzip. Auf der Rus’ka Prawda und der Schaffung des Senioratsprinzips beruht sein Beiname “der Weise”. Weitere Verdienste errang Jaroslawdurch den Stadtausbau von Kiew und Nowgorod(heute befindet sich in Russland), vor allem mit den Sophienkathedralenin beiden Städten.

Bis heute sind mehr als 100 Listen der Rus’ka Prawda geblieben, die die meisten Wissenschaftler in drei Ausgaben unterteilen: kurze, allgemeine, gekürzte.

Die Listen der Kurzausgabe enthalten den Text von Jaroslawden Weisen(Prawda Jaroslawa) und Texteseiner Söhne (Izjaslaw, SwjatoslawundWsewolod) (Prawda Jaroslawytschiw), als Ergebnis ihres Triumvirats, sowie Artikel, über deren Herkunft keine genauen Daten gibt. Es ist allgemein anerkannt, dass die Kurzausgabe im 11. Jahrhundert erstellt wurde und diePrawda Jaroslawaschonaus dem Jahr 1016 stammt.

Kiewer Rus war sicherlich eine für Europa typische frühe feudale Monarchie, geführt vom Großfürst, der zunächst hauptsächlich militärische Funktionen ausübte und im Laufe der Zeit die politische Macht in seinen Händen konzentrierte. Eine wichtige Rolle in solchen Staaten spielten lokale Stammesführer (Fürsten) sowie Mitglieder des fürstlichen Heers (ukrainisch „Druschyna“). Jaroslaw der Weise dehnte seine Besitztümer im Jahr 1029 auf den Kaukasus aus. Im Jahr 1030 besetzte Jaroslaw im Norden das Land zwischen dem Tsсhud-See und dem Ostsee und gründete dort die Stadt Jurjiw (heute Tartu/Estland). Im Jahr 1031 gründete er eine Stadt namens Jaroslawl(heute Russland). Er schuf die Bibliothek der Sophienkathedrale in Kiew.

Im Laufe der Zeit wird der große Einheitsstaat von Wolodymyr dem Großen60 und Jaroslaw dem Weisen während der Herrschaft von Jaroslaws Söhnen und später, ab dem 13. Jahrhundert, zunächst zu einer amorphen Union konföderalen Typs – eine zersplitterte und zerrissene in getrennte Fürstentümer und Parzellen Rus(Folgen der tatarisch-mongolischen Invasion und der aggressiven Politik Moskaus).

Zeittafel der Kiewer Rus`:

Anfang des 6. Jahrhunderts: Entstehung der Stadt Kyjiw61

854–856: Wahrscheinliche Ankunft von FürstRjurik63 aus Norden.

882: Oleh/Helgi68wird Fürst von Kiew. Vereinigung der Waräger-herrschaften im Norden (um Nowgorod) mit denen im Süden (um Kiew) und

Noch ein paar Zahlen und Daten.

1036-1054:Kyjiwer Rusʹunter der Herrschaft vom GroßfürstJaroslaw den Weisen92. Drei seiner Töchter wurden zu Königinnen: Elisabeth von Kiew/ Norwegen93, Anastasia von Ungarn94und Anna von Kiew/Frankreich95. 1019 heiratetesein Sohn Illja Jaroslawytsch(vor 1020-vor 1034), Fürst von Nowgorod, die schwedische Prinzessin Ingegerd (1001-1050), Tochter des schwedischen KönigsOlof Skötkonung(980-1022). Somit haben alle europäischen Königsfamilien einen Anteil an ukrainischem Blut.

Die Fürstentöchter, die europäische Könige und Fürsten heirateten, setzen die ausländischen Höfe in Verwunderung mit ihrem Verstand, Horizont sowie mit ihrer Sprachkenntnissen und Argumentations-Fähigkeit. Es war nicht selten, dass Prinzen und Prinzessinnen des Kyjiwer Hofs 4-6 Sprachen beherrschten.

Ein Beispiel: Anna Jaroslawnameinte, dass sie von ihrem Vater anhand der Ehe mit dem französischen König zum Unglück verfluchtet wurde. Damals herrschten in Paris Unwissenheit, Analphabetentum und ein ungeheuer Schmutz. Anna, die sehr gut erzogen und ausgebildet war, die im Vaters Haus mit der wöchentlichen Banja96verwöhnt wurde, die Bürgersteig und Straßenkanalisation kannte, war vom Pariser Leben schockiert. Darüber zeugen ihre Briefe an Vater.97

In der Kiewer Rus gab es bereits Toiletten in den Höfen, Bürgersteiger und Abwasserkanäle unter dem Kopfsteinpflaster der Straßen, während in Paris dieser Zeit alle Fäkalien und Abfälle einfach aus den Fenstern geworfen wurden.

Kiewer RusnutzteBanjaals gesellschaftlich organisierte Möglichkeit, sich mit Hilfe verschiedener Kräuter und Birkenzweige in einem speziellen Holzhaus zu waschen und zu pflegen. Zum Vergleich: Bagni98, als in italienischen Orten organisierten Bäder/Thermen, gabt es auch im antiken Rom. Das bedeutet, dass Kiewer Rus damalsauf eine Stufe der Zivilisation mit dem Römischen Reich stand.Sogar die Namen (Banja und Bagni) sind etymologisch gleich, was die engen historischen Verbindungen der Kiewer Rus nicht nur mit Westeuropa und Byzanz, sondern auch mit dem Römischen Reich bestätigt.

Weitere historische Daten.

1148:Gründung Moskausund Anfang des feudalen Trennungsprozesses.

1237-1242: Eroberung der Kyjiwer Rus durch die Mongolen und Zerstörung von Kyjiw.

12. Jh.:Entstehung der neuen Fürstentümer (von 10 bis 15) als weiterer Spaltungsprozess.

12.-14. Jh.:Verstärkung des FürstentumsGalizien-Wolhynien innerhalb der Kyjiwer Rusʹ. Blütezeit im 13. Jh. unter Danylo Romanowytsch99(mehr zum Thema siehe im Kapitel 5).

1256Gründung der Stadt Lwiw (später Lemberg).

Mitte des 14. Jh.wird das FürstentumGalizien-Wolhynien zwischen Polen und Litauen aufgeteilt.

1480:Die Mongolen geben die Herrschaft über Europa auf. Die Eroberung der ausgebluteten Kyjiwer Rusʹ von Nachbarstaaten. Nach der Tataren-Mongolischen Invasion gelangten langsam Gebiete der Kyjiwer Rusʹ in den polnischen Herrschaftsbereich, Großfürstentum Moskau und Khanat Kasan.

Kommentare zur Karte der Kiewer Rus(nach J.C. Russel100):

Blütezeit der Kyjiwer Rusʹ (1054-1132): Fläche bis 1.300.000 km², Einwohnerzahl bis 12 Millionen101. In der Hauptstadt Kyjiw wohnten ca. 100.000 Bürger. Zu Beginn des 12. Jahrhundert gaben in Kyjiwer Rusʹ etwa 300 Städte.

Zum Vergleich (nach J.C. Russell, Jahr 1200):

Ganzes Europa, Einwohnerzahl ca. 60 Millionen;

Frankreich, Fläche bis 420.000 km², Einwohnerzahl ca. 7 Millionen, in Paris - ca. 25.000 Bürger;

Britische Inseln, Einwohnerzahl ca. 2.8 Millionen, in London – ca. 25.000 Bürger;

Italien, Einwohnerzahl unter 8 Millionen, in Florenz - ca. 40.000 Bürger;

Ungarn, Einwohnerzahl ca. 2 Millionen;

Germanisches Gebiet (dementsprechend Deutschland, Österreich und Schweiz), gemeinsame Einwohnerzahl ca. 7 Millionen, in der größten Stadt Köln - ca. 30.000 Bürger;

Byzantinisches Reich, Einwohnerzahl ca. 11 Millionen, in Konstantinopel - bis 200.000 Bürger.

4. Zersplitterung der Kiewer Rus’ und Mongolische Invasion

Mit tatarisch-mongolischer Invasion der Kiewer Rus wird die Unterwerfung ihrer Fürstentümerdurch die Truppen Batu Khans102in den Jahren 1237 bis 1240 gezeichnet.

Der auch als Mongolensturm bezeichnete Feldzug Dschingis Khans103 führte in den ersten beiden Jahren in die nordöstliche Rus, wo bedeutende Städte wie Susdal, Wladimir und Rjasan erobert wurden. In der zweiten Phase führte er in die südwestliche Rus,diedurch die Zerstörung von Tschernihiw, Perejaslaw und zuletzt Kiew gekennzeichnet war.

Nach der tatarisch-mongolischen Invasion befanden sich die Fürstentümer in starker Abhängigkeit von der Goldenen Horde. Die Fürsten der Kiewer Rusverwandelten sich von vollwertigen Eigentümern in Nebenflüsse des Khan.

All dies wurde zu einem Wendepunkt in der Geschichte der ukrainischen Länder, die tatsächlich ihre Unabhängigkeit verloren.

“Einerseits isolierte die Mongolenherrschaft die Rus für mehr als drei Jahrhunderte von den anderen Ländern Europas, andererseits begünstigten die Verhältnisse innerhalb des mongolischen Reiches die so genannte Pax Mongolica und es bildete sich eine kulturelle und ökonomische Achse quer durch Asien. Diese erlaubte erstmals effiziente Handelsbeziehungen zwischen so weit voneinander entfernten Regionen wie Baltikum, Italien, Nahem Osten, Indien und China. Besonders der Handel über die Krim nach Ägypten war ausgeprägt und kann nur noch mit den Handelsbeziehungen zu den Italienern, hier vor allem Genua und Venedig, verglichen werden. Die Genueser besaßen z. B. 14 Handelsstädte auf dem Gebiet der Goldenen Horde. Die Mongolen verkauften den Genuesern ihre Beute, darunter auch russische Sklaven. Des Weiteren existierte ein Handelsverkehr auf dem Landweg über Kiew und entlang der Flüsse nach Norden. Kaufleute aus Breslau, Groß-Nowgorod und Riga brachten Waren nach Mitteleuropa. Die mongolischen Einnahmen in diesem Zusammenhang stammten einerseits aus dem Handel selbst, aber auch aus Tributen für die Stützpunkte der Genueser und Venezier sowie aus Zöllen in Höhe 5 % (4 % für Genuesen und Venezier).

Das kulturelle Leben und die städtische Entwicklung in den von den Mongolen beherrschten Gebieten waren zunächst nahezu völlig zum Stillstand gekommen – so kam der Steinbau für einhundert Jahre zum Erliegen – und große Teile der einheimischen Bevölkerung flüchteten nach Nordosten, in Waldregionen mit teils ungünstigem Klima und armen Böden. Es lag jedoch nicht im Interesse der Mongolen, jegliches eigenständige politische und kulturelle Leben der russischen Bevölkerung auszuschalten. Vielmehr gestatteten sie den russischen Fürsten ihre Länder selbst zu verwalten, doch blieben diese den Mongolen Herrschern gegenüber in einer untergeordneten Rolle und tributpflichtig. Die Mongolen spielten die Fehden der einzelnen Fürsten geschickt gegeneinander aus und führten im Falle von Ungehorsam oder eines zu großen Machtgewinns eines Fürsten verwüstende Straffeldzüge durch” – so dieWikipedia.

5. Fürstentum Galizien-Wolhynien im 13. und 14. Jhd.

Das Fürstentum Galizien-Wolhynien war ein Nachfolgefürstentum der Kiewer Rus, das in seiner größten territorialen Ausdehnung die heutigen historischen Landschaften Galizien, Wolhynien, Podlachien, Polesien und Podolien umfasste. Es war das westlichste und eines der mächtigsten russischen Fürstentümer zwischen dem späten 12. Jahrhundert und dem frühen 14. Jahrhundert. Benannt wurde das Fürstentum nach seinen Hauptfesten, den heutigen Städten Halytsch (Galitsch) und dem Gebiet Wolhynien. Nach dem Aussterben der lokalen Rurikiden-Herrscher wurde das Fürstentum unter Polen und Litauen aufgeteilt.

Das Fürstentum Galizien trennte sich 1097 von Kiew und erreichte seine größte Macht während der Zeit vom galizischen Fürst Jaroslaw Osmomysl(1153-1187), der einen mächtigen Staat schuf, Städte baute und mit den Polovtsy kämpfte. Unter ihm erreichte das Fürstentum die Donau und das Schwarze Meer und führte auch erfolgreiche Kriege mit Ungarn und Polen. Die Fürstentümer Galizien und Wolhynien existierten getrennt, aber 1199 eroberte der Fürst von Wolhyn, Roman Mstyslawytsch104, Halych und schuf ein einziges Fürstentum Galizien-Wolhynien. Im Folgenden entwickelte es sich zu einem der mächtigsten Nachfolger der Kiewer Rus. Es erlitt jedoch durch den Mongoleneinfall 1240 starke Verwüstungen und war gezwungen das Supremat der Goldenen Horde 1245 anzuerkennen.

Der Sohn von Roman, Danylo Halyzkyj105,nahm am Krieg um den österreichischen Thron teil, führte Feldzüge in Tschechien, Polen und Litauen durch, ergab sich jedoch 1258 den mongolischen Behörden, erneuerte den Fürstentitel und zerstörte die Befestigungen seiner Städte. Nach Danylos Tod im Jahr 1264 bestieg sein Sohn Lew Danylowytsch106 (1264-1301) den Thron. Er verlegte die Hauptstadt in das neu aufgebaute Lwiw/Lemberg, kämpfte mit den Ungarn (befestigte Mukachevo) und den Polen (eroberte Lublin-Land). Nach Lews Tod bestieg sein Sohn Juri I. (1301-1308) den Thron, der das Land Lublin verlorunddie Hauptstadt nach Wolodymyr-Wolynskyj verlegtesowiesich "König von Rus` und Fürst von Wolodymyr" nannte.Er gründete 1303 die Orthodoxe Galizische Metropole.

Im Verlauf des 14. Jahrhunderts wurde das Fürstentum Galizien- Wolhynien zum Streitobjekt seiner Nachbarn inklusive Ungarns. Im Jahre 1323 starb die herrschende Rurikiden-Dynastie des Fürstentum Galizien-Wolhynien in männlicher Linie aus. 1325 wurde der polnische Prinz Jurij II.107Boleslaw, auf den Thron eingeladenund wurde Herrscher über das Fürstentum Galizien-Wolhynien. Während seiner Zeit (1301-1308) begann die aktive Polonisierung der ukrainischen Länder.

Als Juri-Bolesławallerdings im Jahre 1340 wegen angeblicher Bevorzugung der Katholiken von seinen Bojaren vergiftet wurde, brach ein Kampf zwischen den aufstrebenden osteuropäischen Großmächten Polen und Litauen um die Erbmasse des Fürstentums Galizien-Wolhynien aus. Somit hörte der vereinigte Staat Galizien-Wolhynien auf, zu existieren.

6. Litauisch-polnisch-russische Ära für die Ukraine (14.-16. Jh.)

Im 14. Jahrhundert entstand das Fürstentum Moldau108, das die nordöstlichen Grenzen seiner

Besitzungen im Dnister-Tal erweiterte und festigte, und 1359 wurde ukrainische Bukowyna109 ein Teil davon.

Genau zu dieser Zeit nutzten erfolgreich die polnischen Adel und die litauischen Fürsten den Beginn des Niedergangs der Goldenen Horde, um die Westukrainische Länder zu sammeln und neu zu verteilen. Ab dem 13. Jahrhundert entstand der litauische Staat im Kampf mit dem Deutschen Orden und den Fürstentum Galizien-Wolhynien.

Das Großherzogtum Litauen, Ruthenien und Schemaitien110 umfasste lange Zeit belarussische und ukrainische Länder. 1340 eroberte der polnische KönigKasimir111 Lemberg. Im selben Jahr besetzte der litauische Fürst Lyubart Gedyminovich112Wolhynien. Später wurden die Länder von Kyjiw, Tschernihiwund Podil vom litauischen Großfürst Olgierd113, der 1321 die Fürsten von Rus` am Fluss Irpin und 1362 die Tataren am Syni Wody besiegte, zu seinem Besitz hinzugefügt. Die litauischen Fürsten ersetzten die Rurikiden im Prozess der Vereinigung der Kiewer Fürstentümer und aktiv heiratete Rus Adlige. Sie übernahmen aktiv die Kultur der Kiewer Rus`: Recht (Ruska prawda114), Sprache und Orthodoxie.

1372 wurde das ukrainische Land Galizien an die polnische Krone übertragen. 1399 fügte KhanEdigü 115, der Gründer der Nogai-Horde, der polnischen Krone in der Schlacht von Worsklaeine vernichtende Niederlage zu, und 1408 errichtete er entlang des Flusses Ugrieine Grenze zum Moskauer Fürstentum. 1410 führteVytautas116 ein gemeinsames polnisch-litauisch-rusen Heer und besiegte den Deutschen Orden in der Schlacht bei Grünwald. 1413 schloss er mit Władysław II. Jagiełło117 die Union von Horodło, die die Unabhängigkeit des Großherzogtums Litauen bestätigte. Mit der Union wurden die Privilegien des katholischen Adels festgeschrieben und die ruthenischen Bojaren (ukrainische Fürsten) des griechisch-orthodoxen Bekenntnisses von der Macht ferngehalten. 1415 wurde Grigory Tsamblak118 gegen den Willen des Patriarchen von Konstantinopel zum Metropoliten von Kiew und Litauen geweiht. Die Streitkräfte der Nomaden blieben an der Südostgrenze seines Staates noch stark, 1416 brannte Edigü Kiew nieder, schaffte es jedoch nicht, seinen Festung-Schloss zu erobern.

Nach dem Tod von Vytautasim Jahr 1430 begann der Kampf um den Thron des Großherzogs. Während dieser Turbulenzen bestand drei Jahre lang das Großherzogtum Rus`. Die Länder der Westukraine (Rus) und Podolien wurden Teil Polens, die Bojaren (Fürsten) erhielten die gleichen Rechte wie der polnische Adel und die Städte erhielten lokale Selbstverwaltung - das Magdeburger Recht.

Im 16.-17. Jahrhundert dauert der moskowitisch-litauische Konflikt um die Fürstentümer der Kiewer Rus`an. 1452 wurde das Fürstentum Wolynien endgültig liquidiert und 1471 - das Kiewer Fürstentum. 1514 besiegten die Truppen von Konstjantyn Ostrozkyj119die Armee von Wassili III.120bei der Schlacht von Orscha und stoppten vorübergehend die Beschlagnahme Länder der Kiewer Rus`durch Moskau.

Der Livländische Krieg des Moskauer Zaren Iwan der Schreckliche121 um das Erbe der Kiewer Rus`drängte das Großherzogtum Litauen erneut zu einem Bündnis mit dem Königreich Polen, das 1569 durch die Union von Lublin122formalisiert wurde. Der neu gegründete Staat, die Adelsrepublik Commonwealth der Nationen, gleichte die Rechte des polnischen, litauischen und Rus Adels aus, die gemeinsam ihren König wählten.

Ein gemeinsamer Senat wurde gebildet, eine einheitliche Währung eingeführt, Binnengrenzen und Zölle abgeschafft. Die Rezeption des römischen Privatrechts fand statt. Während des 16. Jahrhunderts wurden drei litauische Gesetze verabschiedet, die auf der Grundlage der Rechtsnormen Kiewer Rus` geschaffen wurden. In den ukrainischen Ländern, die unter die polnische Krone fielen, wurden 6 administrativ-territoriale Einheiten gebildet: die Woiwodschaften Belz, Brazlaw, Wolhynien, Kiew, Podillljaund Rus`. Die litauische Autonomie blieb in Angelegenheiten des Gerichts, der Armee, des Haushalts und der Verwaltung in den Ländern des modernen Litauens und Weißrusslands.

Fazit:

Weitere feudale Zersplitterung-Prozesse drängten einzelne Teile der Kiewer Rus in unterschiedliche Bahnen der europäischen und eurasischen (Goldene Horde) Welt. Die westlichen Länder der Rus wurden zuerst vom Großherzogtum Litauen gesammelt, das auf der Suche nach Verbündeten im Kampf gegen das Moskauer Reich und die Deutschbalten eng mit dem Königreich Polen verbunden war. Ein mächtiger osteuropäischer Staat der frühen Neuzeit – das Polnisch-Litauische Commonwealth – entsteht.

Nach längeren Kriegen mit wechselseitigen Gewinnen und Verlusten fiel der größere Teil des ukrainischen westlichen Fürstentums Galizien-Wolhynien an das Königreich Polen, während das östliche Wolhynien, Podolien, Podlachien und Polesien langfristig dem Großfürstentum Litauen einverleibt wurden. Ungarns Ansprüche, die durch sein Eingreifen ab dem frühen 13. Jahrhundert geltend gemacht wurden, wurden im lokalen Königstitel Galizien und Lodomerien fortgesetzt, den das Haus Habsburg-Lothringen viel später als Könige Ungarns verwendete, um seine polnische Teilung des Gebiets zu bezeichnen,sinddavon abgeleitet.

Durch die Union von Lublin(1569)123wurde das gesamte Gebiet des ehemaligen

Fürstentums Galizien-Wolhynien mit der Krone Polens verbunden, es war jedoch in den ursprünglichen Grenzen als politische Einheit nicht mehr existent. Das Gebiet wurde dabei verwaltungstechnisch in fünf Wojewodschaften eingeteilt, die bis zu den Teilungen Polens in den Jahren 1772 bis 1795 zu Polen-Litauen gehörten. Also, ab 1772/1795 folgte auf die polnische Herrschaft diejenige des österreichischen und russischen Kaiserreichs.

Dank der kulturellen Aufklärung der Migrantenwellen aus dem Gebiet des Flusses Dnipro (Ukraine), die in Moskau einen Ort fanden, an dem sie ihre eigenen Talente einsetzen konnten, wurde Russland allmählich teilweise europäisiert und verwandelte sich in eine mächtige europäisch-asiatische Macht – das Russische Reich. Mehrere Jahrhunderte lang absorbierte diese Kraft fast alle ukrainischen ethnischen Länder und versuchte, ihre Bevölkerung in ihrer eigenen Zivilisation zu assimilieren.

Das Russische Reich unterdrückt alle Versuche der Ukrainer, ihre eigene Nation aufzubauen, und versucht zu verhindern, dass andere Staaten die Ukrainer in ihre Bahnen ziehen. Das Reich kombiniert Verrat und Gewalt gegen ein unbesiegtes Volk, das am Ende des 20. Jahrhunderts wählte, der Herr eigenes Landes zu sein, der Besitzer seines Willens und seines Schicksals. Das ukrainische Volk kämpft weiter für seinen eigenen Platz in dieser Welt.

7. Ukrainischer Kosaken-Staat (Hetmanat,16.-18. Jh.)

Die Geschichte der heutigen demokratischen Ukraine beginnt mit der Geschichte der Kosaken.

Die Kosaken sind eine überwiegend ostslawische (aber ursprünglich türkische ) Volksgruppe, die ihren Ursprung in den Steppen der Ukraine hat. Sie waren ein halbnomadisches und halbmilitarisiertes Volk, dem im Austausch für den Militärdienst ein hohes Maß an Selbstverwaltung zugestanden wurde. Die Kosaken waren besonders dafür bekannt, demokratische Traditionen zu pflegen.

Kozak, ein Lehnwort von Cuman124, in dem cosac „freier Mann“wieauch „Abenteurer“ bedeutete.

“Es wird allgemein berichtet, dass frühe "Proto-Kosaken" - Gruppen im 13. Jahrhundert in der heutigen Ukraine entstanden sind, als der Einfluss der Cumans schwächer wurde, obwohl einige ihre Ursprünge bereits auf die Mitte des 8. Jahrhunderts zurückführen. [...] Einige Turkologen argumentieren jedoch, dass die Kosaken Nachkommen der einheimischen Kumanen125sind, die lange vor der mongolischen Invasion dort gelebt hatten.”126

Aber die in den skythischen Hügelgräbern (1. Jahrtausend v. Chr.) gefundene Tonfigur erinnert stark an einen Sapporo Kosaken.

„Gelegentlich werden die Kosaken als direkte Nachkommen der nicht slawischen Völkerschaften (u.a. Chasaren) betrachtet...“127

Es stellte sich die Frage nach der Herkunft der Kosaken von denChasaren128.

Der erste militärische Kosaken Feldzug fand 948 statt. Über diesen Feldzug schrieb auch Konstantin VII.129 in seinem Werk „Über die Verwaltung des Reiches“130. Der Text ist in drei Manuskripten aufbewahrt, von denen sich zwei in Paris und das dritte in der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek befinden.

Aus derForschungswerk131über Kosaken von Dmytrо Talort132 wurde Pylyp Orlyk133breit bekannt. Orlyks Verfassungbegann mit den

Chasaren134, um zu bestätigen, dass die Kosaken im 10. Jahrhundert ihre eigene Staatlichkeit hatten. Diese wurde mit Kiewer Rus verschmolzen, nachdem Kiews GroßfürstSwjatoslaw135 die Chasaren in seinen Staat aufgenommen hatte.

„Das alte tapfere Kosakenvolk, früher Kozaren genannt,“ – heißt es in der Präambel der Verfassung von Pylyp Orlyk.So verfolgten die ukrainischen Kosaken ihre Abstammung vom alten Volk – den Chasaren.

„Die Verfassung Pylyp Orlyks oder Rechtsbündnisse und Statuten der Gesetze und Freiheiten des Saporoger Kosakenheeres ist ein 1710 von Pylyp Orlyk anlässlich seiner Wahlkapitulation gleichzeitig auf ruthenisch und lateinisch angefertigter und erklärter Verfassungsentwurf. In ihm sind die Staatsgewalten von Legislative, Exekutive und Judikative getrennt und damit noch vor Montesquieus136„Werk Vom Geist der Gesetze“ moderne demokratische bzw. rechtsstaatliche Standards der Gewaltenteilung geschaffen. Die exekutive Gewalt des Hetmans, der von der demokratisch gewählten Generalversammlung der Kosaken gewählt wurde, wurde eingeschränkt. Damit gehört dieser Entwurf zu den ersten europäischen Verfassungen von beispielhafter Bedeutung. Auf ihn beziehen sich Ukrainer in ihren Begründungen und Ausformungen eigener demokratischer Staatlichkeit im 20. Jahrhundert“ – so die Wikipedia.

Gesellschaftspolitische Prozesse, einschließlich des dringenden Schutzbedarfs vor Nomaden im Süden, führen zum Aufkommen von Kosaken. Die werden bald zur führenden Kraft in den Prozessen ihrer Zerstörung, der Bildung einer neuen ukrainischen Nation, der Entwicklung eines unabhängigen Staates - das Hetmanat137. Die ukrainische Nation, eingezwängt zwischen drei Welten (dem muslimischen Süden, dem katholischen Westen und dem neuen orthodoxen Zentrum im Osten), versucht, seinen eigenen Weg zu gehen, der zu einem bestimmten Zeitpunkt eher zu letzterem hingezogen war.

Die ukrainischen Kosaken lebten in den Flusswäldern am unteren Dnipro/Dnepr und dem unteren Don, die Schutz vor Einfällen der Nomaden boten. In der Ukraine errichteten Kosaken ihre befestigten Lager (Sitsch) in den Uferwäldern und auf Inseln des Dnepr Hortyzja. Da diese zum Teil hinter den Dnepr-Stromschnellen (ukrainisch Porohy) lagen, wurden die Kosaken als ZaporoherKosaken (auch Saporischschja oder Zaporožer) bezeichnet, was so viel wie „Kosaken hinter den Stromschnellen“ bedeutet. Das tägliche Leben der Kosaken bestand auch aus Landwirtschaft, Fischerei, Viehzucht und Jagd, von Zeit zu Zeit begleiteten sie östliche Karawanen oder kämpften gegen den Osmanen. Die erste schriftliche Erwähnung der Kosaken stammt aus dem Jahr 1492.

Die Zahl der Dnipro-Kosaken, somit auch der Kosaken allgemein wie auch das Heer, nahm zu: Infolge der Ausbreitung der Leibeigenschaft und des wachsenden Druckes von Seiten des polnischen Adels flohen immer mehr Bauern an die Steppengrenze. Sie integrierten sich in die dortige Gesellschaft und nahmen Lebensformen der Kosaken an. Auch aus dem Kreis der flüchtenden Bauern wurden Offiziere rekrutiert, so dass auch sie im Heer ein politisches Gewicht erhielten. Im Laufe des 16. Jahrhunderts schließen sich Kosaken an der Steppengrenze der Ukraine zu größeren Verbänden zusammen.

1556 gründete der in polnischen Diensten stehende MagnatDmytro BajdaWyschnewezkyj138dieKosaken-Sitsch(Sitsch von Saporischschja), einen hölzernen befestigten Außenposten, jenseits der Stromschnellen des Dnipro auf der Insel Mala Chortyzja, um gegen Nomaden zu kämpfen. Diese Festung gilt heute vielen trotz anderslautender Forschungsbefunde als erste Sitsch. Oberstes Entscheidungsgremium war die Versammlung aller Kosaken, der Ring (Kolo), der die Offiziere und den obersten Anführer des Kosakenheeres, den Hetman, wählte sowie Gericht hielt.

Der gewählte Hetman erhielt weitgehende Kompetenzen, sogar Recht über Leben und Tod. Alle Kosaken schuldeten ihm absoluten Gehorsam, doch konnte er durch den „Ring“ wieder abgewählt werden. Die politische Organisation der Dnipro-Kosaken zeigte also eine Mischung aus zentralistischer militärischer Disziplin und rudimentären Elementen demokratischer Verfassung.

1559 kämpfte Wyschnewezkyj im Dienst des Moskauer Zaren Iwan des Schrecklichen gegen Asow am unteren Don, und 1570 gründeten die SaporogerKosakenhier die Stadt Tscherkassy, die erste Hauptstadt der Don-Kosaken.Wyschnewezkyj reiste auch nach Moldawien, wurde von den Osmanen gefangen genommen und 1562 durch Erhängen an einem Haken hingerichtet. Für seine Taten wurde er zu einem beliebten Helden der mündlichen Volkskunst.

Im Laufe der Zeit, als Folge der allmählichen Schichtung des Eigentums, übernahm der Ring (Kolo) zunehmend die Machthebel, es gab eine Schichtung und Distanzierung vom armen Teil.

Um die Kosaken zu zähmen, wählte Fürst Wasyl-Kostjantyn Ostrozkyj139einen anderen

Weg und stellte sie als Grenzwächter ein. Seit Ende des 15. Jahrhunderts hatten Kosaken in den Diensten staatlicher Vertreter (wie der Starosten) gestanden. Seit dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts wurden Kosaken deutlich verstärkt in der polnisch-litauischen Grenzverteidigung eingesetzt. Gleichzeitig versuchte man, die bewaffnete Kraft der Kosaken, die sich vielfach als Söldner verdingten und einen beständigen Unruheherd darstellten, zu kontrollieren.

Im Jahr 1572 rekrutierte der polnische König Sigismund II. August (1520-1572) Kosaken in den Staatsdienst. 1590 wurde das Registerkosakentum als eine dem polnischen König unterstellte Einheit gebildet. Die Registerkosaken, und nur diese, erhielten vom König für ihre Dienste Privilegien zugewiesen. Dies führte dazu, dass immer mehr Menschen sich um die Aufnahme in das Register bemühten und später der Mythos aufkam, die Privilegien seien „natürliche“ Privilegien aller Kosaken. In den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts standen auf diese Weise etwa 5000 bis 6000 Kosaken in polnischen Diensten.

Das Verhältnis der Dnipro-Kosaken zum Adel von Polen-Litauen und dessen König war jedoch sehr zwiespältig. Auch in der Kosakengesellschaft bildete sich eine soziale Stratifizierung heraus, was zu mehrschichtigen Interessenkonflikten unter den Kosaken selbst und zwischen kosakischen und polnischen Adligen führte. Bei Letzteren spielte unter anderem Konkurrenz in der Steppenbeuterei – einem wichtigen Einkommenszweig der Kosaken – eine Rolle.

Zaporoger-Dnipro-Kosakenbefanden sich damit in einer illegalen Situation. Seefeldzüge der Kosaken auf ihren besonderen Booten (Möwen) erschwerten die Beziehungen des Polnisch-Litauischen Commonwealth zum Osmanischen Reich erheblich. Diese Kosakenkampagnen führten dazu, dass die Osmanen 1589 einen der größten Überfälle auf die Ukraine unternahmen.

Sultan Murad III.(1546-1595) drohte, 200.000 seiner Reiter zu bringen, wenn die Polen den Kosaken nicht ein Ende bereiten würden. Der polnische Frühlingssejm von 1590 verabschiedete einen Beschluss, der als Garantie für die Erfüllung der Verpflichtungen gegenüber dem Sultan dienen sollte.

Die Ausdehnung des eigenen Landes durch die polnische Magnaten führte zu bewaffneten Auseinandersetzungen und Aufständen der Ukrainer. So wütete in den Jahren 1591-1593 unter der Führung von HetmanKosynskyj140der Aufstand in der Region Kyjiw. Seweryn Nalywajko141stellte zwischen 1594 und 1596 Jahren 10.000 Kosaken auf, um gegen den Adel zu kämpfen, da die Regierung nicht in der Lage war, die militärische Teilnahme der Kosaken am Österreichisch-Türkischen-Krieg in Moldawien und Ungarn zu bezahlen. Nur reguläre polnische Truppen schafften es, die Kosakenarmee zu zähmen.

Der polnische Landtag (Sejm) erklärte die Kosaken zu Verbrechern und Staatsfeinden, musste aber bald um die Hilfe dieser fähigen und billigen Armee in den Kriegen gegen Schweden, das Moskauer Reich und die Türken bitten. Große Abteilungen der Soldaten von SamijloKischka142 kämpften erfolgreich während des polnisch-schwedischen Krieges in Livland in den Jahren 1601-1602, und bald wurden die Ländereien der Moskauer Region während der Unruhen zu einem breiten Betätigungsfeld von Soldaten, Basis- und Donkosaken.

Der Teilnehmer der Moskauer Feldzüge, der Kosakenhäuptling Petro Konaschewitsch-Sahaidatschnyj143, machte sich einen Namen bei den Seefeldzügen der Kosakengeschwader auf den "Möwen"-Booten, um die ukrainische Gefangene zu befreien. Sieunternehmen 1616 einen Feldzugnach Istanbul. Im selben Jahr haben Kosaken eine große Anzahl von Sklaven in Kaffa befreit. 1618 halfen Sahajdatschnyjs Truppen, die Oblast Tschernihiw und die Oblast Siwer von Moskau zurückzuerobern. Diese Aktivität der Kosaken auf See verursachte den Chotyn-Krieg(1620-1621) zwischen den Türken und den Polen. Sahajdatschnyjs Kosaken halfen erneut, die 300.000 starke Armee der Türken in der Schlacht von Chotyn zu besiegen.

Die Kosaken machten immer mehr die Verteidigung der Orthodoxie zu ihrer eigenen Sache. Seit Ende des 16. Jahrhunderts erhoben sich die Kosaken und die zu ihnen gehörenden ukrainischen Bauern immer wieder gegen Magnaten und Verwaltungsleute.

Die Kontrolle der polnischen katholischen Adelsrepublik über die Ukraine verstärkte sich im 17. Jahrhundert. Die realisierte sich nicht nur durch die verstärkte Kooperation mit den Kosaken, sondern auch durch die Anlage von zahlreichen befestigten Stützpunkten. Gleichzeitig griffen die polnischen Magnate mit Hilfe ihrer Verwalter immer mehr in das Grenzland ein und brachten die dort lebenden ukrainischen Bauern in ihre Abhängigkeit.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts erreichte der Landbesitz des polnischen Adels die Kosakengrenzen in der Steppe, was zu einer direkten bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Großgrundbesitzern und freien Kosaken führte, deren Reihen durch den registrierten Kosaken aufgefüllt wurden. Die Unzufriedenheit mit unberücksichtigten Petitionen an den polnischen König wuchs in der Region Kiew zu einer Massendemonstration und Rebellion unter der Leitung von MarkoSchmajlo144 im Jahr 1625. Nachdem die Rebellion der registrierten Kosaken unter ihrem Hetman Schmajlo gegen die Polen scheiterte, wurde Mychajlo Doroschenko145 1623 zum Hetman der Registerkosaken. Am 24. Dezember 1624 wurde Saporischschja-Krim-Vertrag146unterschrieben. Am 5. November 1625 unterzeichnet MychajloDoroschenko den Kurukiw-Vertrag147. Infolgedessen wurden 6 Kosakenregimenter von Registranten genehmigt und gegen die Saporoscher-Kosaken aufgestellt. 1626 führte M. Doroschenko die Registerkosaken gegen die Saporoger Kosaken, da diese gegen den abgeschlossenen Vertrag waren.

1630 fand der Aufstand von Taras Fedorowytsch148 statt.

Um den Einzug der Bauern in Sitsch zu verhindern, wurde 1635 die Festung Kodakvon Registerkosakenerrichtet, die innerhalb weniger Wochen von den aufständischen Saporoscher-Kosakenunter der Leitung von Iwan Sulyma149 eingenommen und zerstört wurde.

In den Jahren 1637-1638 fanden Aufstände von PawloBut150,

Dmytro Gunja151und JakiwOstrjanyn152 statt.

Nach der Niederschlagung der Aufstände genehmigte der polnische Landtag (Sejm) die "Verordnung der Saporischschja Armee", die alle Rechte und Privilegien der Registranten aufhob, die Kosaken Festung wiederherstellte und für die nächsten 10 Jahre einen "goldenen Frieden" verursachte.

„Im Jahre 1569 wurde laut Bedingungen der Lubliner Union153 ein einheitlicher polnisch-litauischer Staat, Polen-Litauen, gebildet. Von nun an stehen ukrainische Gebiete unter polnischer Verwaltung. Politische und religiöse Beschränkungen sowie der wirtschaftliche Druck, welchem die ukrainische Bevölkerung seitens des polnischen Kleinadels und der Magnaten ausgesetzt war, hatten eine ausgeprägte Proteststimmung zur Folge. Daraus verkräftigt sichdas ukrainische Kosakentum, welches eine Schlüsselrolle in der Geschichte der Ukraine spielte. Im Laufe einiger Jahrhunderte waren die Kosaken nicht nur eine militärische und eine politische Macht, sondern sind auch zum Symbol der ukrainischen Geschichte schlechthin geworden.[...]Ab Mitte des 17. Jahrhunderts begannen die Kosaken das ukrainische Ethnos „vor der Welt“ zu repräsentieren, wodurch die Ukrainer haben den Namen „Kosakenvolk“ erhielten. Die Saporischschja Sitsch stellte einen mächtigen Impuls für die Konsolidierung der ukrainischen Kosaken, für die Herausbildung ihres Selbstbewusstseins und für die Errichtung ihrer Organisationsstruktur dar.[…] In den meisten Fällen hielt sich die Sitsch in Welykyj Luh auf, einem Gelände, welches von Wäldern und Rieden bedeckt war und eine unendliche Zahl von Durchflüssen, Seen und Sümpfen hatte. Die grundlegende militärische Organisationseinheit der Sitsch war der Kurin (Verband); er vereinte Kosaken, die aus einer bestimmten Gegend stammten. Das höchste Machtorgan der Sitsch war der Kosakenrat; alle Kosaken, ohne Ausnahme, hatten das Recht, an diesem Rat teilzunehmen. Die exekutive Macht hatte der Kosh-Ataman (Hautpmann), welcher jährlich auf einer Versammlung des Kosakenrats im Januar gewählt wurde. Auf dieser Versammlung wurden auch die Sitsch-Ältesten gewählt. Die Saporischschja Sitsch war eine Art Militärstützpunkt, wo sich die Flotte, Artillerie und das Zeughaus befanden, und wo sich auch einige hunderte bis einige tausende Kosaken ständig aufhielten. […] Jedes Mal, wenn die Kosaken ihren Nutzen für den Staat unter Beweis stellten (in den Kriegen mit Moskowien und der Türkei), verlangten die ukrainischen Kosaken neue Privilegien und Vergünstigungen von der Regierung. In ideologischer Hinsicht nahmen die Kosaken die Idee des Schutzes der Interessen der orthodoxen Bevölkerung auf. Die orthodoxe Kirche stand ebenfalls in Opposition zur Regierung. Nach der Kirchenunion von Brest (1596), als eine unierte (griechisch-katholische) Kirche geschaffen wurde und sich die orthodoxe Kirche in Polen-Litauen außer Recht und Gesetz wiederfand, wurden die heimischen Randgebiete der Kosaken zum Zufluchtsort für orthodoxe Geistliche, die aus den westlichen Regionen der Ukraine verdrängt wurden. Die tatkräftige Unterstützung der Kosaken bewahrte die orthodoxen Geistlichen in Dnipro-Gebieten vor drohenden Repressionen seitens der Regierung. Petro Sahajdatschnyjhat den Eintritt des Saporoscher Kosaken in die Kiewer Orthodoxe Bruderschaft, die durch den heimischen Kleinadel und das Kleinbürgertum gegen Ende des Jahres 1615 gegründet wurde, eingeleitet. Die orthodoxe Seite hat die Unterstützung der Kosaken für die Legitimierung einer neuen orthodoxen Hierarchie benutzt: Zuerst wurde diese de facto wiederhergestellt (1620 wurde Iow Borezkyj zum Metropoliten geweiht), und danach war die Staatsmacht von Polen-Litauen gezwungen, diese Kirche wieder offiziell anzuerkennen (1632 wurde der Metropolit Petro Mohyla gewählt). Die Saporischschja Sitsch hat einen entscheidenden Einfluss auf die Bildung einer neuen gesellschaftlichen und politischen Ordnung in der Region um Dnipro ausgeübt. Die Kosaken Revolution, die 1648 unter der Leitung des Hetmans Bohdan Chmelnyzkyj begann, führte zur Wiederherstellung der ukrainischen (ruhenischen/rusynischen ) Staatlichkeit auf dem größten Teil des ethnischen Rus-Raums. Der neue Kosaken-Staat mit der Hauptstadt in Tschyhyryn hat vom Staat Saporischschja Sitsch nicht nur die Form der Staatsordnung und die militärische Organisation, sondern auch den Namen selbst, Heer der Saporischschja Kosaken (Saporoger Kosaken), übernommen. Allerdings war das Übergewicht des militärischen Elements im Hetmanat gegenüber anderen gesellschaftlichen Schichten nicht derart allumfassend wie es in der Saporischschja Sitsch der Fall war. Das Territorium des Hetmanats war während der ganzen Zeit des Bestehens dieses staatlichen Gebildes, von 1648 bis 1782, in Regimenter eingeteilt. Diese waren Einheiten, die eine verwaltungstechnische, gerichtliche und militärische Bedeutung hatten. Obwohl es in der Struktur des Heeres der Saporoger Kosaken eine Reihe von staatlichen Institutionen mit Beratungs-, Gesetzgebungs- und Vollstreckungsfunktionen (Generalmilitärrat, Rat der Ältesten und Rat der Häuptern) gab, hatte der Hetman die höchste Macht im Staat inne. Der Hetman konzentrierte in seinen Händen weitgehende Vollmachten im Militär-, Verwaltungs- und Gerichtsbereich des gesamten Kosaken Staates. […] Der Versuch des Hetmans Iwan Masepa am Anfang des 18. Jahrhundert, die getrennten Teile des ehemaligen Kosaken Staates wieder zu vereinigen, blieb erfolglos. Masepa hatte Pläne, in der Ukraine einen Ständestaat nach westeuropäischem Muster zu errichten und dabei die traditionelle kosakische Ordnung zu erhalten. Er versuchte, seinen Einfluss auf den russischen Zaren Peter I. und seine Beziehungen mit Moskauer Machtherren zu nutzen, um Rechte und Freiheiten des Hetmanats zu erhalten. Im Jahre 1708 schloss der Hetman ein Abkommen mit dem schwedischen König Karl XII., welches eine Wiederherstellung des Kosaken Staates in Koalition mit Schweden vorsah. Diese Pläne wurden durch die Schlacht bei Poltawa 1709 vereitelt, und das vereinigte schwedische und Kosaken Heer wurde von den Russen auf dem Feld geschlagen. Im 18. Jahrhundert hat die russische imperiale Macht die Autonomie des Hetmanats gezielt beschränkt sowie dieses zunehmend unter ihrer vollständigen Kontrolle brachte.“154

Fazit:

Vor 1648 und der Gründung des Kosaken-Hetmanats gab es zahlreiche regionale Hetmanen in den Dnipro-Banken, die normalerweise Starostas oder Woiwoden waren.

Der erste weithin anerkannte Hetman von Saporischschja war Dmytro Wyschnewezkyj.

Später wurden jedoch mehrere polnische Starostas in das Hetman-Register aufgenommen, die auch ihre eigenen Kosaken-Formationen führten. Diese wurden aber von ihren Zeitgenossen nicht wirklich als Hetmanen angesehen.

Nach der Spaltung der ukrainischen Territorium entlang des Flusses Dnipro von der polnisch-russischen Vertrag von Andrusovo (1667) gab es zwei verschiedene Kosaken-Hetmanats: Saporischschja Kosaken und Registerkosaken.

Schließlich wurden die offiziellen Staatsmächte derKosakenregimenten im 18. Jahrhundert allmählich abgebaut und 1764 von russischer Zarin Katharina II.endgültig abgeschafft.

7.1. Frauen im Saporischschja-Sitsch

Der Historiker Oleksandr Krywoschyj155versucht in seiner Forschungsarbeit156, die „Spuren“ des militärischen Alltagslebens von

Frauen157 im Kosaken-Saporischschja-Staat158 kritisch zu verarbeiten und sorgfältig zu analysieren.

Das Heldentum der Kosakenzeit war und ist eine der hellsten Seiten der ukrainischen Geschichte. Über den Kosakenruhm der Ukraine wurden Hunderte wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher, Lehrbücher, Studienführer und Enzyklopädien geschrieben sowie Sammlungen von Archivdokumenten veröffentlicht.

Wenn der neugierige Leser jedoch durch die Seiten dieser Bücher blättert und sich mit der Geschichte und Kultur der Kosaken-Ukraine vertraut macht, wird er vor dem Hintergrund völliger männlicher Dominanz nur wenige weibliche Namen finden. Als ob Frauen nicht am Ufer des Flusses Dnipro, eingehüllten in kosakischen Ruhm, leben würden.