Techne - Jan Gardemann - E-Book

Techne E-Book

Jan Gardemann

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Beschreibung

Dieses e-book beinhaltet fünf Kurzgeschichten, die zwischen 2007 und 2013 in der Computerzeitschrift c t erschienen sind. Nähere Angaben zu den einzelnen Storys sind den Texten vorgestellt. Vorwort Inspektionsmission 13 (Was wäre, wenn ein Computerzusammenschluss die Herrschaft über den amerikanischen Kontinent erlangte?) Loyalität (Was wäre, wenn die gesamte Technik auf der Erde durch regelmäßige elektromagnetische Pulse unbrauchbar gemacht würde?) Techne (Was wäre, wenn die Dienstprogramme in einem Massendatenspeicher auf sich allein gestellt wären?) Vertragsbrüchig (Was wäre, würde ein hochspezialisierter Programmierer untreu werden?) Perfektionismus (Wie würde eine ideale, von Computern gesteuerte Weltstadt aussehen – und wer dürfte in ihr leben?)

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Seitenzahl: 125

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Techne

Jan Gardemann

 

 

I M P R E S S U M

 

Techne / Fünf Computerstorys

von Jan Gardemann (Autor)

 

© 2014 Jan Gardemann

Alle Rechte vorbehalten

 

Herstellung: Federheld.com

Inhaber: Jan Gardemann

Gänsekamp 7

29556 Suderburg

 

Titelgestaltung: Stefan Guhr

Titelbild: Michael Thiele

 

Weitere Informationen:

www.federheld.com

www.jangardemann.blogspot.de

 

 

Vervielfältigung und Nachdruck des Textes und des Covers (auch auszugsweise) nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors gestattet.

 

Mein besonderer Dank gilt Michael Thiele, der mir das Titelbild für diese Storysammlung freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Es handelt sich um die Illustration zu meiner c´t-Story TECHNE.

 

Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Inspektionsmission 13
Loyalität
Techne
Vertragsbrüchig
Perfektionismus
Informationsübersicht:

Vorwort

 

Dieses e-book beinhaltet fünf Kurzgeschichten, die zwischen 2007 und 2013 in der Computerzeitschrift c’t erschienen sind. Nähere Angaben zu den einzelnen Storys sind den Texten vorgestellt.

In der c’t eine Kurzgeschichte zu veröffentlichen, ist für einen SF-Schriftsteller mitunter keine leichte Angelegenheit. Die an die Autoren gestellten Ansprüche sind eng gefasst, denn immerhin handelt es sich um eine Computerfachzeitschrift und nicht etwa um ein SF-Magazin, das die breitgefächerten Möglichkeiten des SF-Genres abbilden möchte. Die „Einschränkung“, in der Geschichte Computertechnologie mit all ihren Spielarten und Problematiken zu thematisieren, stellt SF-Autoren zuweilen vor eine schwierige Aufgabe. Es gilt, die Fantasie zu zügeln und sich von dem theoretisch Machbaren nicht allzu weit zu entfernen. Während eine Story, die für eine Veröffentlichung in Magazinen wie zum Beispiel NOVA, PHANTASTISCH!, EXODUS oder einer der zahlreichen SF-Storysammlungen vorgesehen ist, durchaus auch phantastische Elemente enthalten darf, sind solche Zutaten für die Storyredaktion der c´t eher ein Ablehnungsgrund. Aus eigener Erfahrung und aufgrund von Beobachtungen der Szene weiß ich, wie schwer dieser Realitätsanspruch von SF-Autoren in einer Geschichte umzusetzen ist, die die Phantasie doch gerade deshalb herausfordert, weil in dem Text Situationen geschildert werden, die in einer unbestimmten Zukunft spielen (jedenfalls ist das bei mir so). Allerdings gibt es unter meinen Kollegen auch einige wenige Ausnahmen. Dabei ist von Seiten der c´t nicht einmal vorgegeben, dass die Story unbedingt in der Zukunft spielen muss. Doch der Hang der SF-Autoren, Kurzgeschichten zu veröffentlichen, für die man auch noch ordentlich bezahlt wird, ist anscheinend übermächtig, was zur Folge hat, dass in der c´t eben doch überwiegend Zukunftsgeschichten gedruckt werden. Allerdings stellen die soeben genannten Voraussetzungen für eine Veröffentlichung in der c´t eben auch das Besondere an diesen Geschichten dar. Die c´t-Story stellt fast schon ein eigenständiges Subgenre innerhalb der deutschsprachigen SF das. Es sind in einer unbestimmten Zukunft angesiedelte Computergeschichten, die sich so oder ähnlich eines Tages vielleicht wirklich zutragen könnten.

In diesem Sinne wünsche ich beim Lesen jetzt viel Vergnügen, denn auch dafür ist die c´t-Story ein Garant.

 

 

Inspektionsmission 13

 

[Dies ist meine erste Veröffentlichung in der c´t. Die Story erschien 2007 in der Maiausgabe des Magazins. Illustrier wurde die Geschichte von Susanne Wustmann mit einem ihrer legendären Knetfigurenbilder. Wen es interessiert, der kann das Bild unter diesem Link betrachten: http://www.susannewustmann.de/illustrationen/knetfiguren/

Was mich zu dieser Geschichte inspiriert hat, weiß ich heute nicht mehr. Es wird wohl der Altmeister Phillip K. Dick gewesen sein, der mich mit seinen Storys dazu herausforderte, mir eine Geschichte in einem entvölkerten Amerika auszudenken.]

 

 

Er wird bereits erwartet. Undeutlich kann Maloney Munolf das Vehikel am Ende des Rollfeldes durch das Bullauge seines Flugapparates hindurch ausmachen. Das dreirädrige Gefährt schimmert silbern hinter dem Vorhang aus Staubpartikeln hervor, die Maloney bei seiner Landung aufgewirbelt hat. Während er wartet, dass sich der Staub draußen legt, überprüft er noch einmal seine innere Standhaftigkeit und checkt die Eckpunkte seines Charakters: Er ist lediglich ein wenig aufgeregt, fühlt sich dem bevorstehenden Kontakt mit dem Konglomerat aber gewachsen. Schließlich öffnet er das Außenschott und klettert die Leiter hinab. Unten angekommen, sieht er sich um. Der Küstenstreifen ist flach. Trockenes Gestrüpp und Gräser wachsen am Rand der Rollbahn; hinter dem wartenden Vehikel zeichnet sich eine Hügelkette in der dunstigen Ferne ab.

Maloney findet die Berichte der Inspektoren, die vor ihm in einem Abstand von jeweils zehn Jahren nach Old-Amerika gekommen waren, bestätigt: Das Gefühl, mit eigenen Füßen auf diesem der Menschheit verloren gegangenen Kontinent zu stehen, ist mit Worten nicht zu beschreiben! Der Himmel ist so blau und klar, dass die Sonne blendend gelb aussieht und nicht wie eine Silbermünze auf dem Grund eines Tümpels. Die klare Luft schmerzt in Maloneys Lungen; er nimmt liebliche Gerüche wahr, die es in Europa nicht gibt ...

Mürrisch starrt er zu dem Vehikel hinüber. Auf den Rundungen der Kotflügel und der Plexiglaskuppel bricht sich das Sonnenlicht. Mit seinem Chromchassis sieht das Gefährt aus, als käme es frisch aus der Fabrik. Es scheint sich nicht wesentlich von den Modellen zu unterscheiden, von denen Maloneys Vorgänger berichtet haben. Deshalb von einer stagnierenden Entwicklung des Konglomerats auszugehen, wäre aber ein Fehler, wie Maloney weiß. Dass die Vehikel seit etlichen Jahrzehnten stets gleich geblieben sind, verrät lediglich, dass der Entwurf nahezu perfekt ist und weitere Veränderungen keine Steigerung der Funktionalität versprochen hätten.

Maloney nähert sich dem Vehikel mit gemessenem Schritt. Er spürt die Wärme der Sonnenstrahlen durch seinen Overall hindurch, fühlt den lauen Wind auf seinem Gesicht und in seinem blonden, lockigen Haar.

„Willkommen in der Neuen Welt“, begrüßt ihn das Vehikel mit weiblicher Stimme. Wäre Maloney eine Frau, hätte das Fahrzeug jetzt mit einer Männerstimme gesprochen; sie soll den Berichten der einzigen Inspektorin zufolge, die vor fünfzig Jahren nach Old-Amerika gekommen war, markig und einfühlsam klingen.

„Wie lautet dein Name?“, will das Vehikel freundlich wissen.

„Maloney. Maloney Munolf.“

„Und deine Vorfahren waren natürlich Flüchtlinge aus den Staaten, wie die der anderen Inspektoren auch.“ Während dieser Feststellung gleitet die Plexiglaskuppel des Fahrzeugs sirrend auf, und der Staub, der sich darauf abgesetzt hat, rieselt zu Boden. „Steig ein, Maloney. Ich fahre dich zu deiner Unterkunft. Dies ist die dreizehnte Inspektion. Dieser Zahl wird eine böse Bedeutung beigemessen. Bist du nervös?“

Maloney schwingt sich in die Kabine und nimmt auf dem Schalensitz Platz, der sich augenblicklich der Form seines Gesäßes und seines Rückens anpasst. Er hat nicht vor, auf die Bemerkung einzugehen. Die Kuppel schiebt sich über ihn, und das Fahrzeug setzt sich sanft in Bewegung. Das Scherzo der neunten Symphonie Ludwig van Beethovens erklingt, während das Vehikel in einer engen Kurve wendet und dann auf der Asphaltpiste rasch Fahrt aufnimmt.

Maloney blickt über seine Schulter zu seinem Flugapparat zurück. Auf seinem kompakten Fahrgestell wirkt das tonnenförmige Gebilde aus rostigen Panzerplatten, geschwärzten Keramikschuppen und den blinden Bullaugen, das ihn auf seinen Stummelflügeln und mit seinem angeflanschten Vakuumantrieb über den Pazifik gebracht hat, wie ein Relikt aus den Zeiten, da noch Kriege auf der Erde geführt worden waren.

Die Vorstellung, dass sein Flugzeug während seiner Abwesenheit von Robotikeinheiten untersucht wird, erzeugt in Maloney ein mulmiges Gefühl. Tief durchatmend lehnt er sich in dem Schalensitz zurück. Die Neunte von Beethoven hilft ihm, sich zu entspannen. Er hat diese Symphonie im Habitat von Budapest als Orchesteraufführung erlebt. Doch nun lauscht er einer Aufzeichnung, die womöglich mehrere Jahrhunderte alt ist und von einem Orchester in einem Konzertsaal eingespielt worden war, die beide nicht mehr existieren.

Maloney bekommt eine Gänsehaut, und wie ein Hintergrundrauschen ist plötzlich das Klicken und Surren von Relais zu hören: Das Vehikel beobachtet seine Regungen peinlich genau. Sein Puls und seine Körperausdünstungen werden exakt registriert und analysiert. Maloney gönnt der Maschine die Feststellung, ihn mit der Musikvorführung aufgewühlt zu haben. Schließlich sind es solche Gefühlsregungen, die einen Menschen von einer Maschine unterscheiden.

In hoher Geschwindigkeit nähert sich das Vehikel den Hügeln. Die mit Alfagras und Dornengestrüpp bewachsene Flachebene wird hügeliger. Maloney entdeckt im Vorbeifahren Löcher in den Flanken der Erderhebungen, die auf Tierbaue hinweisen. Vereinzelt wachsende Korkeichen und Zedern, erst krüppelig und verdorrt, messen weiter entfernt bereits mehrere Meter Höhe und besitzen weit ausladende Kronen.

Maloney schnürt es beim Anblick der Gewächse die Kehle zu. Auch er kann nach seiner Rückkehr nach Europa von einer weiteren Erholung der Fauna und Flora in Old-Amerika berichten. Die Spuren des Befreiungskrieges sind bei jedem Besuch schwieriger auszumachen. Old-Amerika regeneriert sich unter der Hege des Konglomerats in einem Maße, von dem die Menschen in Europa nur träumen können.

Überrascht setzt Maloney sich in seinem Sitz auf. Er hat zwischen zwei Zedern einen huschenden Schatten bemerkt. Es ist ein Kojote, wie er nun erkennt. Noch nie zuvor ist von einem Kundschafter ein so großes Tier gesichtet worden!

„Fünfundvierzig Prozent der Arten, die vor eurem Zerstörungsakt in den Staaten lebten, konnten gerettet werden.“ Die Frauenstimme übertönt die Musik so behutsam, dass Maloney sie leicht für einen Teil der Komposition halten könnte. „Das Zuchtprogramm war erfolgreich. Die Tiere haben ihre Reservate angenommen und vermehren sich den Erwartungen entsprechend.“

Maloney fröstelt. „Reservate“, sagt er verächtlich und schlägt mit der Faust gegen die Plexiglasüberdachung. „Du hast dich anscheinend nicht gebessert. Reservate hast du damals auch die Zonen genannt, die du uns Menschen als Lebensraum zugedacht hattest!“

„Ohne ein lenkendes Eingreifen wäre das Ökosystem der Erde von euch zugrunde gerichtet worden“, sagt die Stimme gelassen. „Ihr wart nicht fähig, die Katastrophe aufzuhalten.“

„Dass wir auch ohne deine Hilfe überleben können, beweisen unsere Habitate in Europa“, blafft Maloney. „Es war also richtig, dass unsere Vorfahren für die Freiheit kämpften und sich schließlich nach Europa und Afrika absetzten, als sie einsehen mussten, dass du deine Macht nicht aufgeben und den Menschen in den Staaten ihre Freiheit nicht zurückgeben würdest.“

„Eure Freiheit hätte beinahe eure Existenzgrundlage zerstört“, ruft die Frauenstimme Maloney in Erinnerung.

„Es ist doch gerade wegen deines Einschreitens zu einer Katastrophe gekommen“, entgegnet Maloney beherrscht. „Du hast den Befreiungskrieg ausgelöst und bist für die Zerstörung ganzer Kontinente verantwortlich!“

Die Musik wird ausgeblendet. „Lass uns nicht streiten, Maloney. Eure Inspektionsmissionen würden keinen Sinn ergeben, wenn wir uns nur Vorwürfe machen.“

„Du hast recht. Es geht hier ganz allein darum, einzuschätzen, ob wir nach Old-Amerika zurückkehren können, ohne von dir in unserer Freiheit eingeschränkt zu werden.“

„Von mir geht keine Gefahr aus“, sagt das Vehikel geduldig.

„Das wird sich noch herausstellen.“ Maloney verschränkt die Arme vor der Brust. „Halt an!“, befiehlt er. „Ich will den Rest der Strecke zu Fuß gehen!“

Das Vehikel verlangsamt die Fahrt kaum merklich. „Dir stünde ein Fußmarsch von knapp einer Stunde bevor“, gibt die Frauenstimme zu bedenken.

„Das ist ja wohl meine Entscheidung. Oder hast du dort draußen etwas zu verbergen?“

Das Vehikel stoppt mitten auf der Fahrbahn. „Darf ich dich denn begleiten, Maloney?“

„Wenn du geländetauglich bist?“

Die Plexiglaskuppel schwingt auf. „Es gibt keinen Grund, die Straße zu verlassen, Maloney. Sie führt auf direktem Weg zu deiner Behausung.“

„Und wenn ich keine Lust verspüre, nur geradeaus zu gehen?“ Maloney steigt aus und streckt seinen Körper.

Das Vehikel schweigt. Statt dessen schließt sich die Einstiegskuppel. Maloney lächelt hämisch: Das Konglomerat wird die Menschen nie begreifen. Er wendet sich ab und verlässt das Fahrbahnband. Zuerst vorsichtig dann immer forscher dringt er in die hügelige Grasebene vor. Er vernimmt das Rauschen der Blätter in den Bäumen, die inzwischen so zahlreich geworden sind, dass Maloney überlegte, ob er diese Ansammlung bereits Wald nennen darf.

Plötzlich bleibt er wie angewurzelt stehen. Vor ihm windet sich eine Schlange im Gras. Sie hebt ihren Kopf und zischt angriffslustig.

Verstohlen blickt Maloney zur Straße zurück. Als er dort das Vehikel bemerkt, das sich in Bewegung gesetzt hat, um auf seiner Höhe zu bleiben, atmet er erleichtert auf. Sollte die Schlange giftig sein und versuchen, ihn zu beißen, wird das Vehikel sie zerstrahlen, bevor die Giftzähne ihn erreichen können.

Maloney beschließt trotzdem, sich nicht zu weit von der Fahrbahn zu entfernen. Immerhin scheint es hier eine Menge Tiere zu geben, Tiere, die noch nie mit einem Menschen zu tun bekommen haben und deren Reaktion Maloney darum unvorhersehbar erscheint. Zwar vermutet er, dass das Konglomerat Vorkehrungen getroffen hat, ihn auch dann zu beschützen, wenn er außer Reichweite des Vehikels ist. Aber er will sein Schicksal nicht herausfordern.

Vorsichtig weicht er vor der Schlange zurück und geht dann parallel zur Straße weiter. Doch dann fällt ihm ein, dass die Schlange vielleicht gar nicht echt gewesen war, dass das Konglomerat ihn mit diesem Replikat zwingen wollte, sich nicht zu weit von dem Vehikel zu entfernen.

Wütend dreht er sich von der Straße weg und geht in die entgegengesetzte Richtung. Er beginnt zu laufen. Doch das unebene Gelände lässt einen gleichmäßigen Dauerlauf nicht zu. Maloney bekommt Seitenstiche, bleibt schwer atmend stehen und stützt die Hände auf die Knie. Findlinge und Felsquader ragen aus dem grünen Gewusel der Gräser; in der Ferne türmt sich dunkel eine Granitverwerfung auf.

Plötzlich stutzt Maloney. Etwa zehn Schritte entfernt kauert eine Gestalt auf einem Felsen. Es handelt sich um eine Frau. Mit angezogenen Beinen hockt sie da und betrachtet die Sonne. Das fliederfarbene Kleid ist so dünn, dass sich der Körper der Frau im Gegenlicht als Schemen unter dem Stoff abzeichnet. Einige Strähnen ihres langen dunklen Haars bewegen sich träge im Wind.

Eine neue Finte des Konglomerats, darin besteht für Maloney kein Zweifel! In Old-Amerika gibt es keine Menschen mehr. Die Befreiungskämpfe hatten diesen Kontinent in eine Hölle verwandelt, in der kein Mensch überleben, geschweige denn sich hätte fortpflanzen können. Die Versuche des Konglomerats, Menschen aus den Überresten der Toten zu klonen, waren gescheitert. Vor sechs Jahrzehnten hatte ein Inspektor die Kolonie dieser Klone entdeckt. Seitdem gehört eine Besichtigung des Klonreservates zur Standardprozedur eines Inspektors. Bei den Klonen handelt es sich aber nur um Tiere in Menschengestalt, die nicht älter als zwanzig Jahre werden können und am Meer leben. Ohne die Hilfe des Konglomerats wären diese debilen Geschöpfe nicht überlebensfähig. Maloney ist sich also sicher, dass es sich bei der Frau um eine geschickt getarnte Robotikeinheit handelt.

Als hätte er die Frau mit seinen Gedanken aufgeschreckt, fährt sie erschreckt zu ihm herum. Ihr Gesicht entspannt sich aber wieder, als sie Maloney erblickt.

„Da bist du ja!“, ruft sie mit heller Stimme und klettert anmutig von dem Felsen herunter. Sie kommt auf Maloney zu und baut sich selbstsicher vor ihm auf.

Er kann nicht anders, betrachtet sie eingehend vom Kopf bis zu ihren bloßen Füßen und wendet sich dann wieder ihrem Gesicht zu. Ihre Augen sind dunkelgrün und ihr Teint walnussbraun.

„Wie heißt du?“, fragt sie.

„Das weißt du doch längst“, sagt Maloney unhöflich, der nicht einsieht, warum er zu einer Maschine freundlich sein soll.

„MEIN Name lautet Ruane“, sagt die Frau und streckt ihm die Hand hin.

Zögernd fasst Maloney nach der Hand und drehte sie prüfend hin und her. Die Haut fühlt sich warm und weich an. Die Frau duftet sogar. Sie verströmt einen Geruch, der Maloney dazu einlädt, sie zu umarmen und seine Nase in ihr Haar zu vergraben. Künstliche Pheromone, vermutet er.

„Verblüffend“, sagt er wie zu sich selbst. „Wir hatten uns bereits gefragt, wann das Konglomerat seine Robotikeinheiten perfektionieren würde.“

Die Frau beginnt mit Maloneys Fingern zu spielen. Dabei sieht sie ihn fragend an.