Technologien für Geschäftsprozesse - Thomas Allweyer - E-Book

Technologien für Geschäftsprozesse E-Book

Thomas Allweyer

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Beschreibung

Die wichtigsten aktuellen Technologien zur Optimierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen werden verständlich und fundiert erläutert. Behandelt werden Prozessmodellierungswerkzeuge, Workflow- oder BPM-Systeme zur Ende-zu-Ende-Prozessautomatisierung, Decision-Management, Adaptive-Case-Management, Robotic-Process-Automation und Process-Mining. Auch die Rolle anderer, ursprünglich nicht prozessbezogener Systeme wird beleuchtet. So wird unter anderem beschrieben, was betriebswirtschaftliche Standardsoftware, Integrationsplattformen, Microservices, Blockchain und Low-Code-Entwicklung mit Prozessautomatisierung zu tun haben, und welche vielfältigen Einsatzmöglichkeiten es für Künstliche Intelligenz in diesem Bereich gibt. Die Leserinnen und Leser erlangen ein grundlegendes Verständnis der Wirkungsweisen und Einsatzmöglichkeiten prozessbezogener Technologien. Sie erfahren, worin sich die verschiedenen Systemtypen unterscheiden und wie sie sinnvoll miteinander kombiniert werden können.

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Inhalt

Vorwort

Aufgaben im Zusammenhang mit der Prozessautomatisierung

1.1 Prozessdokumentation

1.2 Prozessanalyse

1.3 Prozessentwurf

1.4 Prozessimplementierung

1.5 Prozessplanung

1.6 Prozesssteuerung

1.7 Ausführung der Arbeitsschritte

1.8 Prozesscontrolling

1.9 Process-Governance

1.10 Unterschiedliche Ausgestaltung der Aufgaben

Standards

2.1 BPMN

2.2 DMN

2.3 CMMN

2.4 Weitere Standards

Prozessbezogene Technologien

3.1 Prozessmodellierung und -analyse

3.1.1 Erstellung integrierter Modelle

3.1.2 Analysen und Prozesskostenrechnung

3.1.3 Simulation

3.1.4 Fachliche Modelle zur Spezifikation von Anforderungen an die IT-Unterstützung

3.1.5 Einsatzbereiche

3.2 Kollaboratives Prozessmanagement und Process-Governance

3.2.1 Gemeinsames Modellieren und Diskutieren

3.2.2 Prozessorientierte Dokumentationsstruktur

3.2.3 Integrierte Management-Systeme

3.2.4 Einsatzbereiche

3.3 Ende-zu-Ende-Prozessautomatisierung

3.3.1 Prinzip

3.3.2 Vorteile

3.3.3 Herausforderungen

3.3.4 Einsatzbereiche

3.4 Decision-Management

3.5 Adaptive-Case-Management

3.6 Robotic-Process-Automation

3.6.1 Automatisierung einzelner Arbeitsschritte mit Hilfe von Bots

3.6.2 Training der Bots

3.6.3 Attended und unattended RPA

3.6.4 Probleme durch die Nutzung grafischer Benutzungsoberflächen

3.6.5 Einsatzbereiche

3.6.6 Cognitive RPA

3.6.7 Management der Bots und Sicherheit

3.6.8 Vorteile des RPA-Ansatzes

3.6.9 Nachteile

3.6.10 Die Rolle von RPA als Teil einer durchgängigen Prozessautomatisierung

3.6.11 Einsatzbereiche

3.7 Process-Mining und Process-Analytics

3.7.1 Ereignisprotokolle und Rekonstruktion der Abläufe

3.7.2 Analyse der Prozessinstanzen mit ihren vielfältigen Varianten

3.7.3 Extraktion von Ereignisprotokollen aus Anwendungssystemen

3.7.4 Objektive Ermittlung der tatsächlichen Abläufe

3.7.5 Einsatz von Process-Mining im Bereich Compliance

3.7.6 Nachteile und Grenzen

3.7.7 Task-Mining

3.7.8 Process-Analytics

3.7.9 Analysen in Echtzeit und steuernde Eingriffe

3.7.10 Einsatzbereiche

Weitere Technologien und Systeme mit Bezug zu Geschäftsprozessen

4.1 Individualsoftware

4.2 Standardsoftware

4.2.1 Betriebswirtschaftliche Transaktionssysteme

4.2.2 Beispiel: Ticket-Systeme

4.2.3 Enterprise-Content-Management-Systeme

4.3 ESB und weitere Integrationsplattformen

4.4 Microservices und andere verteilte Architekturen

4.4.1 Aus Services zusammengesetzte Systeme

4.4.2 Choreographie und Orchestrierung von Services

4.4.3 Spezielle Herausforderungen bei Microservices

4.5 Blockchain

4.6 Low-Code-Entwicklung

4.7 Künstliche Intelligenz

4.7.1 Einsatz von KI-Verfahren bei der Prozessausführung

4.7.2 Einsatz von KI-Verfahren für die Analyse, Implementierung und Optimierung von Prozessen

Auswahl und Kombination von Technologien

5.1 Entwicklung und Architektur prozessgesteuerter Anwendungen

5.2 Business-to-Business-Integration

Nachwort

Literatur

Index

Vorwort

Fast jedes Unternehmen ist heute gezwungen, sich mit der Automatisierung seiner Geschäftsprozesse zu befassen. Neue, innovative Geschäftsmodelle erfordern durchgängig digitalisierte Abläufe. Und auch bestehende Prozesse können mit Hilfe einer verstärkten Automatisierung deutlich effizienter gestaltet werden.

Nicht von ungefähr ist das Interesse am Thema Prozessautomatisierung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. So setzen viele Organisationen auf den Einsatz aktueller Technologien wie Process-Mining oder Robotic-Process-Automation (RPA).

Insgesamt existiert eine große Vielfalt an Konzepten und Schlagworten in diesem Bereich, die leider recht unübersichtlich ist. Zum einen gibt es zahlreiche unterschiedliche technologische Entwicklungen, die direkt oder indirekt mit Geschäftsprozessen zu tun haben. Zum anderen sind Softwareunternehmen und Marktanalysten recht kreativ bei der Erfindung neuer Begriffe und Produktkategorien.

Um jedoch entscheiden zu können, welcher Technologiemix für ein bestimmtes Unternehmen der richtige ist, muss man verstehen, welche Arten von Systemen es gibt, wie sie grundsätzlich funktionieren, wie sie sich voneinander unterscheiden und wie sie gegebenenfalls zusammenwirken können.

Als Rahmen zur Einordnung der besprochenen Technologien wird im ersten Kapitel zunächst ein Überblick gegeben, welche Aufgaben es beim Aufbau, der Ausführung und dem Management automatisierter Prozesse zu erfüllen gilt.

Im zweiten Kapitel werden drei wichtige Modellierungsstandards vorgestellt und hinsichtlich ihrer Rolle bei der Prozessautomatisierung diskutiert. Dabei handelt es sich um BPMN für die Prozessmodellierung, DMN zur Definition von Entscheidungsregeln und CMMN für die Modellierung einer flexiblen Fallbearbeitung.

Kapitel drei widmet sich den wichtigsten Technologien, die sich explizit auf Geschäftsprozesse beziehen. Dies beginnt mit Tools und Plattformen für die Dokumentation von Prozessen, für die Kommunikation und Zusammenarbeit beim Prozessmanagement und für prozessorientierte Dokumentationsstrukturen.

Für die Automatisierung durchgehender Ende-zu-Ende-Prozesse werden Business-Process-Management-Systeme (BPMS) eingesetzt. Kernstück eines solchen Systems ist eine Process-Engine, die Prozessabläufe auf Grundlage von Prozessmodellen steuert.

Enthält ein Prozess komplexe Entscheidungslogik, so kann es hilfreich sein, ein Decision-Management-System einzubinden.

Bei manchen Prozessen, wie z. B. der Bearbeitung eines juristischen Falls, steht der Ablauf im Vorhinein noch nicht genau fest. Vielmehr entscheidet die Person, die den Fall bearbeitet, jeweils über den nächsten Schritt. Eine solche flexible Fallbearbeitung kann durch ein Adaptive-Case-Management-System unterstützt werden.

Wenn es darum geht, Routineaufgaben zu automatisieren, kommt „Robotic-Process-Automation“ (RPA) ins Spiel. Dabei ahmen Software-Bots menschliche Benutzerinnen und Benutzer nach, indem sie auf die grafischen Benutzungsoberflächen verschiedener IT-Systeme zugreifen und beispielsweise Daten von einer Webseite oder einem elektronischen Dokument in eine Anwendung übertragen.

Schließlich werden Systeme zum Process-Mining und zur Analyse des Prozessgeschehens besprochen. Diese Systeme extrahieren Daten aus den IT-Systemen, die bei der Durchführung von Prozessen genutzt werden. Aus diesen Daten rekonstruieren sie, wie die Prozesse im Detail abgelaufen sind. Diese gewonnenen Informationen können als Grundlage genutzt werden um die Prozesse zu analysieren und zu verbessern, aber auch – wenn die Daten in Echtzeit analysiert werden –während der Prozessdurchführung steuernd einzugreifen.

Das vierte Kapitel widmet sich Technologien und Systemen die zwar nicht speziell für Geschäftsprozesse entwickelt worden sind, aber dennoch oft eine Rolle im Zusammenhang mit den Prozessen spielen.

So kann sowohl Individualsoftware als auch Standardsoftware im Rahmen von Prozessen eingesetzt werden, beispielsweise zur Unterstützung der einzelnen Aktivitäten. Zum Teil steuern diese Systeme auch gewisse Abläufe, doch ist diese Ablauflogik oft hart einprogrammiert und kann somit nur mühsam geändert werden. Manche Standardsoftwaresysteme sind auch explizit auf die Steuerung bestimmter Arten von Prozessen ausgerichtet. Ein Beispiel hierfür sind Ticket-Systeme zur Abwicklung von Supportanfragen.

Da in Prozessen oftmals verschiedene IT-Systeme zusammenspielen, kann es auch nützlich sein, eine Integrationsplattform einzusetzen, wie z. B. einen Enterprise-Service-Bus (ESB). Eine solche Plattform unterstützt die Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen, wandelt Daten in andere Formate um, usw.

Bei verteilten Architekturen, wie z. B. der Microservice-Architektur, kann eine Process-Engine das Zusammenspiel der verschiedenen Software-Services innerhalb von Prozessen steuern. Als Alternative zu einer übergreifenden, zentralen Process-Engine können leichtgewichtige Process-Engines innerhalb einzelner Microservices installiert werden. Dadurch wird eine möglichst große Unabhängigkeit der Microservices gewährleistet.

Auch die im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin bekannte Technologie der Blockchain kann im Rahmen automatisierter Prozesse eingesetzt werden, etwa um bei unternehmensübergreifenden Geschäftsprozessen die durchgeführten Transaktionen unveränderbar zu protokollieren.

Im Gegensatz zur klassischen Programmierung werden Anwendungen beim Einsatz von Low-Code hauptsächlich mittels grafischer Modellierung und über Konfigurationsdialoge erstellt. Viele Low-Code-Plattformen bieten auch die Möglichkeit, Prozesse zu modellieren und mittels einer integrierten Process-Engine auszuführen. Der Übergang zwischen reinen Business-Process-Management-Systemen (BPMS) und Low-Code-Plattformen ist fließend.

Zum Abschluss des vierten Kapitels werden die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für Künstliche Intelligenz (KI) diskutiert. Diese kann an vielen Stellen im Prozessmanagement nützlich sein, sowohl bei der Prozessausführung, als auch bei der Analyse und Optimierung von Prozessen. Angesichts der rasanten Entwicklung ist zu erwarten, dass Künstliche Intelligenz künftig stark an Bedeutung für die Prozessautomatisierung gewinnen wird.

In Kapitel fünf geht es um die Auswahl und die geeignete Kombination der besprochenen Technologien. Als konkretes, praxiserprobtes Beispiel wird der von Volker Stiehl entwickelte Ansatz zur Entwicklung prozessgesteuerter Anwendungen vorgestellt. Als ein weiteres Beispiel wird der Einsatz von Prozesstechnologien im Zusammenhang mit unternehmensübergreifenden Prozessen diskutiert.

1 Aufgaben im Zusammenhang mit der Prozessautomatisierung

Als Grundlage für die Einordnung der verschiedenen Technologien wird die folgende Einteilung der wichtigsten Aufgaben verwendet, die im Zusammenhang mit der Prozessautomatisierung durchgeführt werden:

Prozessdokumentation

Prozessanalyse

Prozessentwurf

Prozessimplementierung

Prozessplanung

Prozesssteuerung

Ausführung der Arbeitsschritte

Prozesscontrolling

Process-Governance

Hierbei handelt es sich nicht um abgeschlossene Phasen, die nacheinander durchgeführt werden. Vielmehr sind die genannten Aufgaben in vielfältiger Weise miteinander verzahnt. So werden etwa bei agilen Vorgehensweisen Analyse, Entwurf und Implementierung eng integriert. Dabei wird die Lösung schrittweise erweitert. Ebenso können Planung, Steuerung und Ausführung überlappen. Gegebenenfalls können auch direkt aus der Ausführung heraus Optimierungen am Entwurf und der Implementierung von Prozessen angestoßen werden.

Da der Fokus dieses Buchs auf technologischen Aspekten liegt, wird hier nicht auf die sonstigen Aufgaben des Prozessmanagements eingegangen, wie z. B. strategische und organisatorische Fragestellungen. Es sei aber darauf hingewiesen, dass ein wirksames Prozessmanagement unabdingbare Voraussetzung dafür ist, die im Zusammenhang mit Prozessautomatisierung erhofften Erfolge zu erzielen! Automatisiert man einen schlechten Prozess, so wird er dadurch noch lange nicht zu einem guten Prozess.

Einen Überblick über das gesamte Themengebiet des Geschäftsprozessmanagements bieten etwa [DuRo21], [Ga23] und [ScSe20].

Im Folgenden werden die oben aufgezählten Aufgabenbereiche zunächst unabhängig von konkreten Technologien beschrieben.

1.1 Prozessdokumentation

Die Prozessdokumentation umfasst die Beschreibung und Modellierung von Ist- und Sollprozessen, also von existierenden und von geplanten Prozessen. Soll beispielsweise der Prozess zur Bearbeitung von Reklamationen neugestaltet und automatisiert werden, so kann zunächst der aktuelle Stand beschrieben werden: Welche Schritte werden ausgeführt, wenn eine Reklamation im Unternehmen eingeht? Die Beschreibung kann ein Text oder ein grafisches Prozessmodell sein. Wobei grafische Modelle häufig mit Texten angereichert werden, die zusätzliche Details enthalten.

Wenn man sich überlegt hat, wie der Prozess künftig ablaufen soll, so kann man diesen Sollprozess wiederum entsprechend dokumentieren. Oft wird auch komplett auf die Dokumentation des Istprozesses verzichtet und nur der Sollprozess ausgearbeitet. Dies ist dann sinnvoll, wenn ein Prozess von Grund auf neu gestaltet oder überhaupt erst neu eingeführt werden soll.

Prozessdokumentationen können unter anderem folgenden Zwecken dienen:

Grundlage für die Analyse von Abläufen

Grundlage für die Automatisierung der Prozesse

Nachweis für die Einhaltung von Compliance-Anforderungen

Arbeitsanweisungen

Schulungsmaterial für die am Prozess Beteiligten

1.2 Prozessanalyse

Bei der Prozessanalyse geht es darum, Probleme und ihre Ursachen zu aufzudecken und Verbesserungspotenzial zu identifizieren. Typische Beispiele für prozessbezogene Probleme sind:

Zu niedrige Wertschöpfung

Mangelhafte Ausrichtung auf die Unternehmensstrategie

Schlechtes Kundenerlebnis

Zu hohe Durchlaufzeiten

Zu hohe Kosten

Qualitätsprobleme

Geringe Transparenz

Mangelnde Einhaltung von Vorgaben und Regelwerken

Zu den typischen Ursachen zählen beispielsweise:

Zu geringe Standardisierung der Prozesse

Unklare Prozessverantwortung

Organisationsbrüche in den Prozessen

Medienbrüche in den Prozessen

Unzureichende Kommunikation

Mangelnde IT-Unterstützung und Automatisierung

Für die Analyse kann man sich einerseits mit der Prozessdefinition auseinandersetzen, d. h. der Beschreibung des prinzipiellen Ablaufs. Andererseits kann man Messungen und Untersuchungen der einzelnen Prozessdurchführungen oder Prozessinstanzen vornehmen.

So kann die Prozessdefinition des Reklamationsprozesses als grafisches Prozessmodell oder in Form eines beschreibenden Textes vorliegen. Jedes Mal, wenn eine Reklamation eingeht, wird der dokumentierte Prozess aufs Neue gestartet. Damit wird jeweils eine neue Prozessinstanz erstellt und durchgeführt (vgl. Abbildung 1).

Bei diesem Prozess könnte ein Problem darin bestehen, dass die Bearbeitung von Reklamationen zu lange dauert. Eine Analyse der Prozessdefinition könnte ergeben, dass zu viele unterschiedliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beteiligt sind oder dass es zu viele zeitaufwändige Schleifen im Prozessablauf gibt. Zusätzlich zur Prozessdefinition könnte man auch die einzelnen Prozessinstanzen untersuchen, um festzustellen, in welchen Fällen es besonders lange gedauert hat und woran dies jeweils gelegen hat.

Abbildung 1: Prozessdefinition und Prozessinstanzen

1.3 Prozessentwurf

Zum Prozessentwurf gehört es einerseits, Verbesserungen für vorhandene Prozesse auszuarbeiten. Andererseits werden auch ganz neue Prozesse entwickelt.

So könnte man die Zuständigkeiten im Reklamationsprozess ändern, so dass weniger unterschiedliche Beteiligte mit einer Reklamation befasst sind. Für Reklamationen geringwertiger Güter könnte man Prüfschritte entfallen lassen. Oder man automatisiert Prüfschritte, etwa mit Hilfe Künstlicher Intelligenz.

Insbesondere im Zusammenhang mit neuen, digitalen Geschäftsmodellen werden vielfach komplett neue, meist hochgradig automatisierte Prozesse entwickelt. Beispielsweise könnte ein Möbelhersteller seinen Kundinnen und Kunden ermöglichen, ihre Möbel selbst zu designen. Hierfür muss ein neuer Prozess entworfen werden, der unter anderem das Designen der Möbel, eine automatische Machbarkeitsprüfung, die Produktion und den Versand umfassen könnte.

1.4 Prozessimplementierung

Die Prozessimplementierung umfasst die Entwicklung, Einführung und Konfiguration von IT-Systemen. Dabei handelt es sich zum einen um Systeme, die für die Planung, die Steuerung und das Controlling der Prozesse eingesetzt werden. Zum anderen geht es auch um Software, die zur Ausführung einzelner Arbeitsschritte innerhalb von Prozessen verwendet wird. Die unterschiedlichen Arten von Systemen, die hierbei genutzt werden können, werden in den Kapiteln drei und vier ausführlich beschrieben.

Neben den IT-Systemen gehören zur erfolgreichen Umsetzung neuer oder geänderter Geschäftsprozesse noch zahlreiche andere Aspekte, wie z. B.

Anpassen der Aufbauorganisation

Veränderte Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten

Neue Arbeitsanweisungen

Schulungen der Beteiligten zu den neuen Abläufen

Eine erfolgreiche Prozessautomatisierung ist nur möglich, wenn passende organisatorischen Maßnahmen und Veränderungen erfolgen (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Prozesse, Aufbauorganisation und IT müssen aufeinander abgestimmt sein.

Oben wurde für das Beispiel des Reklamationsprozesses vorgeschlagen, Zuständigkeiten zu ändern und Prüfschritte entfallen zu lassen. Hierüber müssen die Beteiligten informiert werden. Eventuell sind auch Schulungen notwendig. Möglicherweise bekommen manche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter andere Aufgabengebiete, oder die Teams werden anders zusammengestellt, um den Reklamationsprozess und weitere Prozesse möglichst optimal durchführen zu können.

Weiterhin wurde vorgeschlagen, Prüfschritte zu automatisieren. Diese Automatisierung muss nun implementiert werden. Falls es hierfür geeignete Standardsoftwareprodukte gibt, kann eines davon ausgewählt, installiert und entsprechend konfiguriert werden. Ansonsten muss die entsprechende Funktionalität neu entwickelt werden.

Die mit der Automatisierung einhergehenden Änderungen der Abläufe und Arbeitsinhalte erfordern wiederum organisatorische Maßnahmen.

1.5 Prozessplanung

Für die Durchführung der implementierten Prozesse ist es in manchen Fällen erforderlich, eine Planung vorzunehmen und festzulegen, wer wann welche Arbeitsschritte durchführt und welche Maschinen oder anderen Hilfsmitteln dabei verwendet werden (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Zeitliche und organisatorische Einplanung der Aktivitäten einer Prozessinstanz

Ein einfacher Reklamationsprozess benötigt eventuell keine Planung. Es werden einfach alle eingegangenen Reklamationen nacheinander abgearbeitet. Anders sieht es etwa bei einem Maschinenbauunternehmen aus, bei dem reklamierte Maschinen vor Ort beim Kunden begutachtet werden müssen. Hierfür ist es erforderlich, Termine mit den entsprechenden Expertinnen und Experten abzustimmen.

1.6 Prozesssteuerung

Zur Prozesssteuerung gehört es, den jeweils nächsten Arbeitsschritt zu ermitteln und dessen Ausführung anzustoßen. Entweder wird die zuständige Mitarbeiterin bzw. der zuständige Mitarbeiter über die durchzuführende Aufgabe informiert, oder es wird eine entsprechende IT-Funktion aufgerufen. Grundlage für die Steuerung ist die im Rahmen des Entwurfs erstellte Prozessdefinition und ggf. die zeitliche Planung der Prozessinstanz.

Im Falle der Reklamationsbearbeitung kann die Steuerung beispielsweise darin bestehen, dass alle Beteiligten die Vorgänge jeweils an die nächsten Zuständigen weitergeben. Alternativ kann die Weiterleitung durch ein IT-System erfolgen.

1.7 Ausführung der Arbeitsschritte

Schließlich erfolgt die Ausführung der einzelnen Arbeitsschritte. Manche werden vollständig manuell durchgeführt. Andere werden von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern erledigt, die dabei IT-Systeme nutzen. Wieder andere Arbeitsschritte erfolgen vollständig automatisiert – entweder als reine IT-Funktionen oder durch computergesteuerte Maschinen, Roboter und Ähnliches (vgl. Abbildung 4).

Abbildung 4: Verschiedene Möglichkeiten zur Ausführung der Arbeitsschritte innerhalb eines Prozesses

So könnten neu eingehende Reklamationen von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter in einem Anwendungssystem erfasst werden. Die Überprüfung des reklamierten Produkts erfolgt möglicherweise komplett manuell. Ein Arbeitsschritt zur Information der Kundinnen und Kunden per E-Mail könnte hingegen komplett automatisiert ablaufen.

1.8 Prozesscontrolling

Zum Controlling der Geschäftsprozesse gehören die Erfassung und Auswertung des Prozessgeschehens. So können etwa die durchgeführten Prozessinstanzen mit ihrem genauen Verlauf und den verarbeiteten Daten ermittelt werden. Hieraus lassen sich verschiedene Kennzahlen berechnen (vgl. Abbildung 5).

Häufig beziehen sich derartige Auswertungen auf zeitliche Entwicklungen der Vergangenheit. Wertet man die aktuell laufenden Prozessinstanzen hingegen in Echtzeit aus, so kann man beispielsweise auftretende Probleme sehr frühzeitig erkennen und rasch darauf reagieren.

Die Ergebnisse des Prozesscontrollings bilden eine wichtige Grundlage für die oben beschriebene Analyse der Prozesse.

Im Beispiel des Reklamationsbearbeitungsprozesses sollten nicht nur die Reklamationen in einem Anwendungssystem erfasst, sondern auch die zugehörigen Zeitpunkte gespeichert werden. So kann man automatisch festhalten, wann eine Reklamation erfasst wurde, wann die Kundin bzw. der Kunde über das Ergebnis informiert wurde, usw. Daraus lassen sich dann beispielsweise die Durchlaufzeiten der Prozessinstanzen ermitteln.

Viele Systeme speichern sowieso die Zeitpunkte, an denen Datensätze angelegt oder verändert wurden. Man muss sie dann noch den entsprechenden Prozessinstanzen zuordnen. Aber auch andere Informationen können interessant sein, wie z. B. die Person, die eine Aktivität durchgeführt hat.

Abbildung 5: Aus den Daten der durchgeführten Prozessinstanzen werden Kennzahlen ermittelt.

Werden derartige Informationen nicht automatisch gespeichert, so sind entsprechende Auswertungen ziemlich schwierig. Man kann sich in dem Beispiel etwa damit behelfen, dass die Beteiligten eine Zeit lang zu den einzelnen Reklamationen die entsprechenden Zeitpunkte notieren. Auf diese Weise erhält man zumindest Stichproben.

Typische Prozesskennzahlen sind neben Durchlaufzeiten beispielsweise Termintreue, Kosten, Fehlerquoten, Störungen und bearbeitete Mengen.

1.9 Process-Governance

Die Process-Governance stellt einen Rahmen für den verantwortungsvollen Umgang mit den Prozessen bereit. Dieser beinhaltet insbesondere:

Einheitliche Vorgehensweisen

Dokumentationsrichtlinien

Verantwortlichkeiten

Management der Risiken

Compliance (Einhaltung von Gesetzen und sonstigen Vorgaben sicherstellen)

Überprüfung der Wirksamkeit und Ordnungsmäßigkeit

Insbesondere in stark regulierten Branchen, wie z. B. der Finanz- oder der Pharmaindustrie, ist das Thema Compliance sehr wichtig. Die Firmen müssen ihre Prozesse so gestalten, dass sämtliche gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Und dies müssen sie auch nachweisen können. Neben der Prozessdokumentation, die vorgibt, wie ein Prozess laufen soll, sind auch Aufzeichnungen darüber erforderlich, wie der Prozesse tatsächlich abgelaufen ist – inklusive sämtlicher wichtigen Daten, Messwerte, etc.

1.10 Unterschiedliche Ausgestaltung der Aufgaben

Die im vorangehenden Abschnitt beschriebenen Aufgaben können in der Praxis ganz unterschiedlich ausgestaltet sein. Auch werden einige dieser Aufgaben in manchen Unternehmen gar nicht wahrgenommen.

Vielerorts gibt es historisch gewachsene Prozesse, die nicht gezielt gestaltet wurden. Die am Prozess Beteiligten kennen ihre jeweiligen Aufgaben, da sie sie oftmals schon jahrelang durchführen. Sie wissen, an wen sie Informationen und Arbeitsergebnisse weitergeben müssen. Aber niemand hat einen genauen Überblick über den Gesamtprozess.

In einer solchen Situation werden Prozesse weder dokumentiert, noch analysiert oder systematisch entworfen, und es findet auch kein Prozesscontrolling statt. Meist gibt es Anwendungssysteme, die für einzelne Arbeitsschritte oder Teilprozesse genutzt werden. Allerdings achteten die Entwicklerinnen und Entwickler dieser Systeme nicht gezielt auf eine durchgängige Prozessunterstützung.

In einem solchen Fall müssen zunächst die Voraussetzungen geschaffen werden. Hierzu sind die vorhandenen Prozesse zu identifizieren, zu analysieren und zu verbessern. Erst dann kann man sie erfolgreich automatisieren. Oder aber es werden komplett neue, von Vornherein hochgradig automatisierte Prozesse entwickelt. Auch hierbei müssen die organisatorischen Rahmenbedingungen und das Zusammenspiel mit den bereits vorhandenen Prozessen untersucht werden.

Wie die oben genannten prozessbezogenen Aufgaben ausgestaltet werden, hängt auch stark von den Eigenschaften der Prozesse ab. So lassen sich manche Prozesse, wie etwa der Bestellprozess bei einer Online-Handelsplattform, gut strukturieren, standardisieren und sehr weitgehend automatisieren.

Andere Prozesse sind hingegen sehr individuell. Ein Prozess zur Entwicklung und Durchführung einer Werbekampagne lässt sich beispielsweise nicht in ein einfaches Standardprozessmodell pressen, das jeden Schritt detailliert vorschreibt. Derartige Prozesse laufen jedes Mal ein wenig anders ab. Die beteiligten Personen beurteilen die Situation und entscheiden mit Hilfe ihres Wissens und ihrer Erfahrung, wie sie genau vorgehen und welche Aktivitäten sie wie durchführen.

In solchen Fällen werden mehrere der prozessbezogenen Aufgaben integriert durchgeführt. Zwar werden im Vorfeld eine Reihe von Vorgaben zum prinzipiellen Ablauf gemacht, doch fallen viele Entscheidungen erst während der Prozessdurchführung, z. B. wie weiter vorgegangen wird, wer welche Aktivitäten übernimmt, usw. Insofern werden hier Aufgaben des Prozessentwurfs, der Prozessimplementierung und der Prozesssteuerung während der Prozessausführung wahrgenommen.

Schließlich kann auch bereits während der Prozessdurchführung auf Ergebnisse des Prozesscontrollings reagiert werden, wenn z. B. Kennzahlen von ihren Sollwerten abweichen. Beispiel: Es wird ein individuelles Angebot für eine komplexe Maschine erstellt. Währenddessen merkt man, dass die Gefahr besteht, eine für die Angebotsabgabe festgelegte Maximaldauer zu überschreiten. Dann kann man steuernd eingreifen, indem man beispielsweise Aktivitäten weniger stark ausgelasteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuweist. Oder man ändert den vorgesehenen Ablauf. So könnte man Prüfschritte, die normalerweise erst ganz zum Schluss erfolgen, bereits parallel zu anderen Aktivitäten durchführen.

Wie überall in der IT setzen sich auch im Bereich der Prozessautomatisierung immer stärker