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Wie wir leben und arbeiten wollen Die kapitalistischen Arbeits und Besitzverhältnisse bieten vielen Menschen keine soziale Sicherheit, selbst in Europa nimmt die Armut zu. Auch aus diesem Grund wird die Alternative das bedingungslose Grundeinkommen immer ernsthafter diskutiert. In der Schweiz findet dazu sogar eine Volksabstimmung statt. Doch was sind die Vorteile eines bedingungslosen Grundeinkommens? Und was die Nachteile? Es sei nicht finanzierbar, lautet ein oft gehörtes Argument. Aber ist das tatsächlich so? Es könnte immerhin die Wirtschaft stabilisieren. Und es erlaubt, richtig umgesetzt, eine Weiterentwicklung unserer Gesellschaft über den reinen Umverteilungsaspekt hinaus: Weg vom Wachstumswahn, hin zu einer auch der Umwelt verpflichteten, demokratischen Ökonomie. Wie soll das gehen? Welche Übergangsstrategien sind denkbar? Worin bestehen die Chancen? Und wo greifen die Kritiker des bedingungslosen Grundeinkommens, wie der Ökonom Heiner Flassbeck, zu kurz? Mit Beiträgen u.a. von Margit Appel, Matthias Blöcher, Herbert Jauch, Albert Jörimann, Volker Koehnen, Ingmar Kumpmann, Dagmar Paternoga, Antje Schrupp, Franz Segbers, Mag Wompel
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Seitenzahl: 216
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Ronald Blaschke, Werner Rätz (Hrsg.)
Teil der Lösung
Ronald BlaschkeWerner Rätz (Hrsg.)
Plädoyer für einbedingungsloses Grundeinkommen
© 2013 Rotpunktverlag, Zürichwww.rotpunktverlag.ch
ISBN 978-3-85869-575-8
1. Auflage
Vorwort der Herausgeber
Soziale Sicherheit ist ein Menschenrecht von Franz Segbers
Irrweg Marktmensch von Ronald Blaschke
Einkommensverteilung und Wohlfahrt von Ingmar Kumpmann
Das Grundeinkommen vors Volk! von Albert Jörimann
Das Potenzial eines Grundeinkommens am Beispiel Namibia von Herbert Jauch
Erkennen, was notwendig ist von Antje Schrupp
Primär mehr – geschlechtergerecht und ressourcenschonend von Margit Appel, Luise Gubitzer, Lieselotte Wohlgenannt
Ohne Angst in eine ökologisch gerechte Gesellschaft von Dagmar Paternoga
Mit Grundeinkommen zur Tätigkeitsgesellschaft von Matthias Blöcher und Ralf Welter
Das Grundeinkommen im Prozess der Vergesellschaftung von Werner Rätz
Bedingungsloser Kapitalismus von Mag Wompel
Arbeit als Weltaneignung von Volker Koehnen
Literaturverzeichnis
Autorinnen und Autoren
Netzwerke
Die Frage nach der Sicherheit eines Einkommens ist so alt wie die ökonomische Entwicklung, die ein Einkommen notwendig macht. Solange die Menschen (in Europa) in wirtschaftlicher Beziehung im Wesentlichen Selbstversorger waren, spielte (Geld-)Einkommen nur eine untergeordnete Rolle. Mit der beginnenden Industrialisierung und zunehmender Arbeitsteilung aber wurde das Einkommen zum wichtigsten Überlebensmittel. Nur für eine sehr kurze Zeit, nur in wenigen Ländern Mitteleuropas und Nordamerikas und nur für die männliche Bevölkerung konnte es so scheinen, als sei die Frage nach der Sicherheit eines Einkommens durch die Beteiligung an kapitalistischer Erwerbsarbeit gelöst.
Die Debatte um das Grundeinkommen ist den ökonomischen Konjunkturen, die eben diese Debatte notwendig gemacht hätten, zwar nicht immer gefolgt, hat in den letzten Jahrzehnten aber genau dann an Schwung gewonnen, wenn ökonomische Krisenerscheinungen sichtbar waren. Nach einem Höhepunkt in den 80er- und einem Tief in den 90er- Jahren hat sie inzwischen einen stabilen Platz in den Diskussionen um die Frage eingenommen, wie wir leben und produzieren wollen. Diese Diskussion setzt schon als solche, ohne dass irgendetwas in praktischer Politik eingelöst wäre, Fantasie und Kreativität frei: Was würden wir alles tun können und wollen, wenn für unser Einkommen gesorgt wäre!
Aber auch die umgekehrte Assoziation wird ausgelöst: Was könnten wir alles unterlassen, wenn für unser Einkommen gesorgt wäre? In der Regel wird diese Frage allerdings in leicht veränderter Form angstbesetzt gestellt: Was würden die anderen alles unterlassen, wenn für jedermanns Einkommen gesorgt wäre? Die Auseinandersetzung mit solchen Befürchtungen ist ein wichtiges Motiv, aus dem das vorliegende Buch entstanden ist.
Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker, Volker Meinhardt und Dieter Vesper legten kürzlich mit Irrweg Grundeinkommen eine Arbeit vor, die sich bemüht, Argumente gegen ein Grundeinkommen aus wirtschaftspolitischer Sicht darzulegen. Das ökonomische Hauptargument des Buches lautet, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen die Menschen tendenziell autarker werden ließe. Sie würden dann stärker Elemente der Selbstversorgung übernehmen und damit die gesellschaftliche Arbeitsteilung reduzieren, was unseren Lebensstandard gefährde. Befragungen oder sonstige Untersuchungen, die diese These bestätigen könnten, zitieren die Autorin und die Autoren nicht, und auch uns sind keine bekannt. Es gibt zwar sehr deutliche Aussagen vieler, dass sie ihre Arbeitszeit reduzieren würden oder auch ganz andere Aufgaben übernehmen möchten als diejenigen, für die sie aktuell bezahlt werden. Aber daraus kann nicht geschlossen werden, dass die Mehrheit der Menschen nebenbei lieber einen kleinen Bauernhof bewirtschaften würde, als weiterhin die arbeitsteilig hergestellten Produkte zu konsumieren. Die reale ökonomische Entwicklung geht ja vielmehr dahin, dass Menschen gerade deshalb weite Teile ihrer Tätigkeit selbst bestimmen könnten, weil die gesellschaftliche Produktivität weiterhin wächst.
Ganz im Gegensatz zu allen Unkenrufen der Protagonistinnen und Protagonisten der Arbeitsgesellschaft drehen sich die Überlegungen des Publikums auf Grundeinkommensveranstaltungen niemals darum, wovor man sich alles drücken könnte, sondern immer kreisen die Gespräche um die Frage, was man besonders gut kann und besonders gerne tun mag. So zeigt schon die bloße Diskussion, was alles möglich wäre in einer Gesellschaft, die alle Fähigkeiten und alle Formen der Produktivität wertschätzt. Allerdings ist es der Grundeinkommensbewegung bisher nicht gelungen, nennenswerten Einfluss auf die tagespolitische Gestaltung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Verhältnisse zu gewinnen. Die aktuell laufende Europäische Bürgerinitiative Grundeinkommen ebenso wie die schweizerische Volksinitiative »Für ein bedingungsloses Grundeinkommen« sind wichtige Versuche, dieses Defizit zu beheben. Dabei ist der vielleicht wichtigste Aspekt dieser Initiative nicht einmal ein kurzfristiger tagespolitischer Einfluss – da wird man bei der EU-Kommission dicke Bretter bohren müssen. Aber dass sich Gruppen aus über zwanzig Ländern auf eine gemeinsame Definition geeinigt haben, was aus ihrer Sicht ein Grundeinkommen ausmacht, ist ein großer Fortschritt. Eine Grundeinkommenszahlung muss demnach
–individuell garantiert,
–ohne Zwang zur Arbeit oder zu einer Gegenleistung,
–ohne Nachweis einer Bedürftigkeit,
–in existenz- und teilhabesichernder Höhe erfolgen.
In dieser Definition drückt sich ein umfassendes Verständnis von Gesellschaftlichkeit angesichts völlig veränderter Arbeitsverhältnisse aus. Deren Kern sind nicht mehr die – eventuell lebenslange – Bindung an einen Arbeitsplatz und Arbeitgeber, wie es im Fordismus der ersten Nachkriegsjahrzehnte der Fall war. Heute arbeiten und leben die Menschen sehr viel individueller, die gefragten und angebotenen Fähigkeiten sind sehr viel spezifischer, die Einkommen unregelmäßiger beziehungsweise unsicherer geworden. In solchen Verhältnissen kann Sozialstaatlichkeit nicht mehr über die Arbeitsplätze hergestellt werden, sie muss als wirtschaftsbürgerliches Recht konzipiert sein.
Während also die Kritik bei der Verteidigung der immer prekärer und unlebbarer gewordenen kapitalistischen Erwerbsarbeit stehen geblieben ist, hat sich die Diskussion um das Grundeinkommen nicht nur stabilisiert, sie ist auch vielfältiger und qualifizierter geworden. Wir nehmen in diesem Buch alle drei Stränge auf: das Defizit in der realpolitischen Umsetzung, die nach wie vor virulente Kritik und einige Aspekte der neueren, tiefer gehenden Überlegungen. So diskutieren beispielsweise Ronald Blaschke und Dagmar Paternoga Produktivität grundsätzlich, Ingmar Kumpmann Produktion ökonomisch, Volker Köhnen Arbeit philosophisch, Antje Schrupp Arbeitsmotivation und Geschlechterverhältnisse historisch, Matthias Blöcher und Ralf Welter Vergesellschaftung im Kapitalismus grundsätzlich und Albert Jörimann Umsetzungsfragen praktisch.
Die zukünftige Gestaltung unserer Gesellschaften wird nur als umfassende soziale, ökologische, selbstbestimmte Tätigkeit und in solidarischer Anerkennung der Freiheit und materiellen Absicherung eines jeden Menschen gelingen können. In allen Beiträgen wird deutlich, dass das Grundeinkommen dabei Teil einer Lösung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Fragen ist.
Die Herausgabe dieses Buch wird gemeinsam von den drei Grundeinkommensnetzwerken in Deutschland, Österreich und der Schweiz unterstützt (siehe dazu S. 202 ff). Alle Autorinnen und Autoren sind in der einen oder anderen Weise in diesen Netzwerken aktiv.
von Franz Segbers
Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (Art. 25) wird vielfach ein vergessenes Menschenrecht genannt, und es scheint auch kaum noch von praktischer Bedeutung zu sein. Dabei wäre es dringender denn je, da weltweit Armut, Hunger, Prekarität und soziale Unsicherheit zunehmen. Der nach langwierigen Verhandlungen und gegen den Widerspruch der USA 1966 verabschiedete Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte formuliert aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte normative soziale Rechte wie das Recht auf Nahrung, Arbeit, Gesundheit, Wohnung, einen angemessenen Lebensstandard. Zuständig für die Überwachung dieses Sozialpaktes ist der UN-Sozialausschuss. Er hat 2007 in seiner Allgemeinen Bemerkung1 die Normen des Rechts bekräftigt und gefordert, »unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu ergreifen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln, vor allem durch gesetzgeberische Maßnahmen, die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen« (Ziff. 40).2
Jede Zeit hat ihre Leitwissenschaft. Die Leitwissenschaft unserer Zeit ist die Ökonomie, sodass manche gar von einem »Zeitalter der Ökonomen«3 sprechen. Der nobelpreisgeehrte Ökonom Paul Samuelson hatte in seinem Standardwerk die »Volkswirtschaftslehre als die Königin der Sozialwissenschaften«4 bezeichnet. Doch angesichts der Krise mahnte Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, die Ökonomen zur Bescheidenheit: »Die Krise bedeutet auch das Ende des ökonomischen Imperialismus, dieses Glaubens, dass wir über den anderen Wissenschaften stehen.« Straubhaar forderte ein neues Denken, gleichsam eine Perestroika, für die Ökonomie. Es geht aber nicht allein um einen fachwissenschaftlichen Streit zwischen verschiedenen ökonomischen Denkschulen. Die Krise reicht tiefer. Es ist der »ökonomische Imperialismus«, der in einem solchen Maß ungebrochen herrscht, dass Joseph Vogl in seinem Essay über von einer modernen sprechen kann. So wie der biblische Hiob an Gottes Allmacht zu zweifeln droht, so auch der moderne Mensch, wenn er der Allmacht des Marktes, näherhin der Ökonomie, ausgeliefert ist. Der Grund liegt in der allen ökonomischen Denkansätzen unhinterfragt zugrunde liegenden Figur des .
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