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In Hugo Balls Werk 'Tenderenda der Phantast' taucht der Leser ein in eine surreale Welt voller skurriler Figuren und absurder Situationen. Der Roman zeichnet sich durch eine Mischung aus Lyrik, Prosa und Theater aus, die typisch für den Dadaismus ist, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine künstlerische Bewegung war. Die feinsinnige Sprache und die unkonventionelle Struktur des Buches machen es zu einem einzigartigen Leseerlebnis. Die Handlung folgt dem Protagonisten Tenderenda auf seiner Reise durch eine fantastische Welt voller Rätsel und Mysterien, die immer wieder die Grenzen der Realität überschreiten. Hugo Ball schafft es, den Leser mit seiner kreativen Sprache und seinem innovativen Schreibstil zu fesseln. Als einer der Mitbegründer des Dadaismus und einer Schlüsselfigur der avantgardistischen Bewegung seiner Zeit bringt Ball eine einzigartige Perspektive und künstlerische Sensibilität in sein Werk ein. Seine Erfahrungen als Schriftsteller, Dichter und Künstler prägen den surrealen Charakter von 'Tenderenda der Phantast' und machen es zu einem bedeutenden Beitrag zur literarischen Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Dieses Buch wird allen Lesern empfohlen, die sich für experimentelle Literatur, den Dadaismus und avantgardistische Strömungen interessieren. Es bietet eine faszinierende Reise in die Welt der Phantasie und regt zum Nachdenken über die Grenzen der Kunst an.
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Seitenzahl: 54
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Books
O vous, messeigneurs et mes dames, Qui contemplez ceste painture, Plaise vous prier pour les âmes De ceulx qui sont en sepulture.
Man findet sich in die Aufregungen einer imaginären Stadt versetzt. Ein neuer Gott wird erwartet. Donnerkopf (der im Roman nicht weiter hervortritt) hat seinen Wohnsitz auf einen Turm verlegt und gibt von dort buntscheckige Bulletins aus, die über den Fortgang der Angelegenheit unterrichten sollen. Ein lauer Abend bricht an. Auftreten eines Scharlatans, der auf dem Marktplatz eine Himmelfahrt in Aussicht stellt. Er hat sich dazu eine eigene Theorie ausgedacht, die er weitläufig vorträgt. Scheitert jedoch an der Skepsis des Publikums. Was das für Folgen hat.
An diesem Tage war Donnerkopf verhindert, dem Festakte beizuwohnen. Siehe, er saß vor Atlanten und Zirkeln und kündete Weisheit der oberen Sphären. Lange Papyrusrollen ließ er, mit Zeichen und Tieren bemalt, vom Turme herab und warnte damit das Volk, das unter den Nestern stand, vor den kreischenden Scharen der Engel, die wütend den Turm umflogen. Jemand aber trug an diesem Tage an langer Stange ein Schild durch die Stadt, darauf stand:
Talita kumi, Mägdlein steh auf Du bist es, du wirst es sein. Gossentochter, Jubelmutter, Die Erhangenen und die Verbannten Die Gefangenen und die Verbrannten Rufen nach dir. Befreie, o benedeie Du Unbekannte Tritt herfür!
Mit Fasten und Purgativ bereitete sich die Stadt auf eines neuen Gottes Erscheinen vor, und tauchten schon aus der Menge etliche auf, die im Gedränge Ihm wollten begegnet sein. Eine Warnung ward ausgegeben, besagend, daß, wer die Glockenräder und Lumpentürme besichtige oder betrete und ohne Ermächtigung abgefaßt würde, bei lebendem Leibe solle des Todes sein. Frisch aufgeblasen ward der Kausalnexus und sichtbar vor aller Blicke den heiligen Spinnen zum Fraß ausgesetzt. Mit Klappern und Dudelsäcken bewegten sich händeringend die Bitt- und Kaffeeprozessionen der Künstlerschaft und der Gelehrten. Aus allen Lüften und Luken aber hingen die Wasserzeichen und ragten die gläsernen Spritzen.
Da, über den Marktplatz, wie auf Verabredung, schritt violetten Gesichtes der Seher, gebot den lachenden Häusern, den Sternen, dem Mond und der Menge und sprach:
»Zitronengelb stehen die Himmel. Zitronengelb stehen die Felder der Seele. Den Kopf haben wir schief zur Erde geneigt und die Ohren weit aufgetan. Die Schürzen und Kutten haben wir ausgespannt und der Rücken aus Knallporzellan blinkt im Gefüge.
Wahrlich ich sage euch: meine Demut gehet nicht euch an, sondern Gott. Jeder suchet ein Glück, für das er nicht ausreicht. Keiner hat Feinde, soviele er haben kann. Eine Schimäre ist der Mensch, ein Wunder, ein göttliches Ungefähr, voll Tücke und Zwielist.
Eines Tages kannt ich mich selbst nicht mehr aus Neugier und Argwohn. Siehe, da kehrte ich um und hielt Einkehr. Siehe, da brannte die Kerze und tropfte auf meinen eigenen Schädel. Meine erste Erkenntnis aber war: klein und groß, das ist Aberwitz. Groß und klein, das ist Relativismus. Siehe, da schnellte mein Finger hervor und verbrannte sich an der Sonne. Siehe, da ritzte der Zeiger der Turmuhr den Boden der Straße auf. Ihr aber glaubet zu fühlen und werdet gefühlt.«
Er machte eine Pause, um sich das Ohr zu scheuern, und warf einen Blick in das fünfte Stockwerk des vierten Gebäudes. Dort ragte Lünettes rosaseidenes Bein aus dem Fenster. Darauf saßen zwei geflügelte Wesen, die saugten Blut.
Und der Seher fuhr fort:
»Wahrlich, kein Ding ist so, wie es aussieht. Sondern es ist besessen von einem Lebgeist und Kobold, der steht still, alslang man ihn anschaut. So man ihn aber entlarvet, verändert er sich und wird ungeheuer. Jahrelang trug ich die Last der Dinge, die ihre Befreiung wollten. Bis ich erkannte und sah ihre Dimension. Da hob mich die Inbrunst. Entsetzliches Leben! Da breitete ich die Arme, zur Abwehr, und flog, flog pfeilgrad über die Dächer.«
Hier konnte man sehen, daß der Seher, vom Brausen der eigenen Worte betört, nicht hatte unhaltbare Versprechungen ausgelassen. Mit beiden Händen laut flatternd, erhob er sich, flog wie zum Versuch ein gutes Stück Wegs in den Abend, neigte dann aber die Kurve und kam, unter einigem Hüpfen, leichthin wieder zu Stand.
Der Pöbel, der bis zu den Hüften allseits des Markts aus den Fenstern hing, war erschrocken, schüttelte aber, da ihn das Schauspiel befremdete, ungläubigen Mißbehagens den Kopf, schwenkte aus Leibeskräften die Salztrompeten und mitgebrachten Papierlaternen und schrie: »Das Vergrößerungsglas! Das Vergrößerungsglas!«
Es war nämlich bekannt geworden, daß der Seher bei seinen Gängen des öfteren sich eines solchen Glases bediente, und so glaubte man denn nichts anders, als daß das Ganze nur ein Schwindel des Sehers sei, der mit solchem Instrument seine Schliche bemäntle. Auch gab es ein Intermezzo, indem eine neugierige Frau, die heftig an einer Fahnenstange geflattert hatte, abriß und vom Abendwind über die Dächer nach Osten getrieben wurde. Item: es flog ein Hahn mit zerfederter Sichel hoch über die Fächer der Damen, das galt als Zeichen anschlägiger Eitelkeit.
In der Tat zog der Seher, bestürzt und entmutigt, den Vergrößerungsspiegel aus der Tasche. Einen Spiegel beiläufig vom Umfange einer russischen Schaukel, wie sie auf Jahrmärkten zu sehen sind. Außerordentlich fein geschliffen das Glas, silbern gefaßt und an langem Holzstiele zierlich befestigt. Er hielt diesen Spiegel in tragischer Pose hoch über sich, stob plötzlich empor, zersprengte den Spiegel, die Trümmer klirrten, und er entschwand in die gelben Meere des Abends.
Man schreibt Sommer 1914. Eine phantastische Dichtergemeinde wittert Unrat und faßt den Entschluß, ihr symbolisches Steckenpferd Johann rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Wie Johann sich erst sträubt und dann einwilligt. Irrfahrten und Hindernisse unter Führung eines gewissen Benjamin. In fernen Ländern begegnet man dem Häuptling Feuerschein, der sich als Polizeispitzel entpuppt. Daran geknüpft historiologische Bemerkung über die Niederkunft einer Polizeihündin in Berlin.