Teresa Jung und der schöne Tod - Band 4 - Lena Sand - E-Book
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Teresa Jung und der schöne Tod - Band 4 E-Book

Lena Sand

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Beschreibung

Was ist schon Urlaub ohne eine Prise Mord? Der turbulente Kriminalroman »Teresa Jung und der schöne Tod« von Lena Sand jetzt als eBook bei dotbooks. Endlich Urlaub! Auf dem Weg zu ihrer Tante will Hobby-Detektivin Teresa Jung nur einen kurzen Abstecher in das spanische Fischerdörfchen Son machen – und fällt aus allen Wolken, als sie dort ihrer Jugendliebe wiederbegegnet. Doch der charmante Gary lebt nun unter anderem Namen und scheint ein Geheimnis zu hüten … das sich schnell als tödlich erweist. Teresa wittert sofort, dass in dem Dorf etwas gewaltig faul ist. Bei ihren Ermittlungen erhält sie Unterstützung von dem smarten Detektiv Robert Montviller, mit dem sie allerdings mehr verbindet, als ihr lieb ist … Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Teresa Jung und der schöne Tod« – Band 4 der heiteren Krimireihe von Lena Sand. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 247

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Über dieses Buch:

Endlich Urlaub! Auf dem Weg zu ihrer Tante will Hobby-Detektivin Teresa Jung nur einen kurzen Abstecher in das spanische Fischerdörfchen Son machen – und fällt aus allen Wolken, als sie dort ihrer Jugendliebe wiederbegegnet. Doch der charmante Gary lebt nun unter anderem Namen und scheint ein Geheimnis zu hüten … das sich schnell als tödlich erweist. Teresa wittert sofort, dass in dem Dorf etwas gewaltig faul ist. Bei ihren Ermittlungen erhält sie Unterstützung von dem smarten Detektiv Robert Montviller, mit dem sie allerdings mehr verbindet, als ihr lieb ist …

Über die Autorin:

Lena Sand ist das Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Christa Jekoff. Sie wuchs in Frankfurt am Main auf und studierte dort Germanistik an der Goethe-Universität. Heute schreibt sie erfolgreich in verschiedensten Genres und arbeitet als Dozentin für den Fachbereich Deutsch.

Lena Sand veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre heiteren Romane »Ein Mann macht noch keinen Sommer« und »Seewind und Champagnerküsse«.

Die Kriminalromanreihe von Lena Sand bei dotbooks umfasst:»Teresa Jung und der tote Nachbar«»Teresa Jung und der Tote im Pool«»Teresa Jung und die Tote am Küchentisch«»Teresa Jung und der schöne Tod«

***

eBook-Neuausgabe März 2019

Dieses Buch erschien bereits 1998 unter dem Titel »Mach's noch einmal, Kätzchen« bei Econ

Copyright © der Originalausgabe 1998 by Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und München

Copyright © der Neuausgabe 2019 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/vulcano und makspogonii

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-324-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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***

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Lena Sand

Teresa Jung und der schöne Tod

Kriminalroman

dotbooks.

Das wahre Geheimnis der Weltist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare. Oscar Wilde

Kapitel 1

»Son ist ein Kaff«, sagte Jenny viel zu bitter für ihr Alter und kein bißchen cool.

Jenny saß im Flieger neben mir. Lange braune Beine, Mini an der Schamgrenze und ein zu weites T-Shirt. Eine Strähne ihres blonden Haares, das ansonsten im Nacken von einem bunten Tuch zusammengehalten wurde, kitzelte sie im Winkel ihres kindlichen Schmollmundes. Energisch blies sie die Strähne zur Seite.

»Warum fährst du dann hin?« fragte ich, meine Belustigung verbergend, und nahm mir eine Zigarette, um den Geschmack des Bordkaffees zu neutralisieren.

Anstatt meine Frage zu beantworten, stieß Jenny einen tiefen Seufzer aus. Ihre dunkelbraunen Augen waren begehrlich auf mein Päckchen Camel gerichtet. Ich hielt es ihr hin.

»Wie alt bist du eigentlich?«

»Sechzehn«, log sie tapfer, ohne mich anzusehen.

Sie war höchstens fünfzehn.

»Darf ich?« Der Bauch mit Glatze zu meiner anderen Seite ließ sein Feuerzeug so prompt aufblitzen, als hätte er auf diese Gelegenheit gewartet. Dabei nahm er den Blick von Jennys Beinen und versenkte ihn in meinem Ausschnitt. Wahrscheinlich träumte er von Lolita mit zwanzig Jahren Erfahrung im Bett.

Ohne den Typen überhaupt wahrzunehmen, zog Jenny den Rauch ein. Vielleicht setzte sich deshalb bei mir die irrige Annahme fest, daß sie in puncto Männer völlig harmlos sei. Ihre erste Zigarette war es jedenfalls nicht.

Ich war nicht gerade versessen darauf gewesen, allein Ferien zu machen, aber selbst meine beste Freundin hatte mich im Stich gelassen.

»Ganz unmöglich«, hatte Jill erklärt, als ich vorschlug, etwas gemeinsam zu unternehmen. Dann schwieg sie vielsagend, dieses Idiotenlächeln auf den Lippen, das allen Frischverliebten eigen ist. Neuer Lover also. Jill konnte ich abhaken. Dabei sprühte ich vor Unternehmungslust. Mein gerade beendeter Roman war auf dem Weg zu Sager, meinem Lektor, meine Protagonistin endlich im richtigen Bett. Frankfurter Sommersmog, 35 Grad im Schatten und kein Strand in Sicht.

»Frag doch Robby«, gab Jill mir gönnerhaft mit auf den Weg. Gnädigerweise verkniff sie sich den Spruch, daß ich meine besten Jahre an einen Kerl vergeude, der nie da ist. »Ganz unmöglich, Chérie«, hatte Robby in der Tat meinen Anrufbeantworter wissen lassen. »Fahr doch schon mal allein. Wenn ich kann, komme ich nach.«

Was bilden Männer sich eigentlich ein? Daß man seine Ferien damit verbringt, auf sie zu warten?

Ich rief Tante Arabella an.

»Ganz unmöglich, Liebes«, mußte ich mir zum dritten Mal anhören, aber aus ihrer Stimme klang wenigstens echtes Bedauern. »Justus will ein paar Wochen auf der Jacht verbringen.«

Meine Tante haßt das Leben auf See, liebt aber Justus.

»Harry bleibt bei den Katzen«, sagte meine Tante noch unglücklicher, denn es ist ihr ein Greuel, ihre Lieblinge allein zu lassen. »Er sagt, er wird seekrank.«

Harry ist Justus' Butler, und wie es sich für einen richtigen Butler gehört, unempfindlich gegen Hitze, Kälte, Schmerz und natürlich auch gegen Seekrankheit.

Vermutlich zog er lediglich die Gesellschaft der Katzen der Gesellschaft meiner Tante vor. Denn erstens ist er eifersüchtig auf die Beziehung zwischen ihr und seinem Herrn, und zweitens liebt er Frauen noch weniger als Katzen.

»Aber ich habe eine Idee, Teresa«, jubelte Tante Arabella plötzlich, und ich sah sie vor mir, wie ihre roten Löckchen vor Aufregung tanzten, »wir können uns in Vigo treffen! Dort will Justus an Land gehen.«

Ich zeichnete mit dem Finger die Strecke von Santiago de Compostela bis Vigo nach, dachte an Tapas, Atlantikwellen und heißblütige Spanier und bekam Geschmack an einer Fahrt entlang der zerklüfteten Küste, die wild und exotisch aussah. Anhalten, wo es mir gefiel, weiterfahren, wenn ich Lust hatte!

Daß ich in Son hängenblieb, war Jennys Schuld.

Son liegt gegenüber von Muros in der Ria de Muros y de Noya, einer der vielen Buchten westlich von Santiago de Compostela.

»Was haben Sie jetzt vor?« erkundigte sich Jenny nach der Landung betont beiläufig.

Wir hatten eben unser Gepäck in Empfang genommen, und ich wollte geradewegs zur Autovermietung.

»Ich meine«, druckste Jenny, »haben Sie es sehr eilig? Ich meine ...« Sie nagte an ihrer Unterlippe und fixierte ihre Tennisschuhe. »Könnten Sie hier noch einen Moment mit mir warten?« Jetzt war es heraus. Mit kleinlautem Stimmchen. Jenny sah mich bittend an, und wenn mich nicht alles täuschte, zuckten ihre vollen Lippen. Tatsächlich, die dunklen Augen füllten sich mit Tränen. Mir fiel auf, wie hübsch sie war. Wovor hatte sie bloß solche Angst?

»So viel Zeit habe ich schon noch«, tröstete ich sie.

Sie verwischte ihre Wimperntusche und schenkte mir ein etwas mißglücktes, aber dankbares Lächeln.

Ich ergriff entschlossen meine Reisetasche. Die von Jenny war so vollgestopft, daß sie fast aus den Nähten platzte.

»Was hast du denn da drin?« fragte ich, um ein Gespräch in Gang zu bringen.

»Bücher«, antwortete sie so düster, daß ich meine Bemühungen schleunigst einstellte.

Mitten in der Flughafenhalle ließ sie ihre Tasche fallen, setzte sich auf das Monstrum und stützte ihr Kinn sorgenvoll in beide Hände. Schmale Hände mit ziemlich abgekauten Nägeln.

»Darf man erfahren, worauf wir eigentlich warten?« Wenn ich schon den Babysitter spielte ...

Die Frage hätte ich mir sparen können, denn im selben Moment schoß so etwas wie ein Harlekin oder eine Art Kaffeewärmer mit Beinen auf uns zu.

»Kindchen, du bist es!« jubelte die bemerkenswerte Erscheinung und hielt ein Polaroidfoto weit von sich. »Wie ich mich freue!«

Zwei dralle braungebrannte Arme umschlangen die verdutzte Jenny und drückten sie an einen wogenden geblümten Busen.

»Omi?« piepste Jenny mit vor Entsetzen geweiteten Augen.

Es war zum Lachen. Vor dieser kleinen dicken Frau mit buntem Blümchenkleid und orangegefärbter Mobfrisur hatte Jenny also gezittert.

»Und Sie sind ...?«

Der Kopf mit den unmöglichen Haaren war nachdenklich zur Seite geneigt. Erstaunlich junge graue Augen, umgeben von tausend Fältchen, betrachteten mich aufmerksam.

»Sie ist doch ...« Die Augen richteten sich fragend auf Jenny.

Die blickte ratlos von einer zur anderen.

»Ja, wie heißen Sie eigentlich?« fragte sie mich dann.

»Teresa Jung«, sagte ich und gab der alten Dame die Hand.

»Dachte ich es mir doch! Jennylein, du glaubst gar nicht, was für ein Geschenk du mir machst. Teresa Jung! Das ist wirklich eine doppelte Freude. Da wird Josefine aber Augen machen. Hoffentlich ist der Kaffee fertig, bis wir kommen. Ich bin Jennys Großmutter. Sie war fünf, als ich mit Josefine hierher zog. Sagen sie einfach Luise zu mir!«

Luise hielt noch immer meine Hand fest.

Jenny verstand überhaupt nichts und hatte den Erwachsene-sind-hoffnungslos-Ausdruck im Gesicht.

»Kommt, Kinder«, drängte Luise jetzt, »sonst verpassen wir den Bus!«

Ich machte gerade den Mund auf, um die Verhältnisse klarzustellen, als Jenny mich schüchtern am Ärmel meines Seidensakkos zupfte.

»Bitte«, flüsterte sie in heller Panik, »könnten Sie nicht mitkommen?«

Fragen Sie mich nicht, warum ich mich breitschlagen ließ. Vielleicht, um mir meine Unabhängigkeit zu beweisen.

Jenny hatte recht. Son ist ein Kaff. Ein uriges Fischernest. Ich glaube, ich war bereits verzaubert, als der Bus am Ortsschild vorbeiratterte.

»El son bedeutet Klang«, erklärte Luise und machte uns auf die kleine Kirche weiter draußen über der Bucht aufmerksam. »Das Läuten der Glocken breitet sich über die ganze Bucht aus. Daher der Name.«

Jenny verdrehte die Augen. Sie schien nicht aufgelegt für eine Spanischlektion. Als der Bus ächzend am Hafen hielt, dachte ich, jetzt heult sie los. Die Realität übertraf ihre schlimmsten Erwartungen. Nicht der leiseste Hauch von Schickimicki-Summer-Holiday! Alles wie ausgestorben.

Ein paar Pinten mit Vorhängen aus bunten Plastikbändern im Eingang, davor ein paar wacklig aussehende Tische und Stühle, die Sonnenschirme zusammengeklappt. Einige Läden mit heruntergelassenen Jalousien, eine Halle, in der jeden Tag der Fischfang versteigert wird, und jede Menge glitzernde Weite des Atlantiks, grüne Berge, saftige Felder. Im Hafen dümpelten bunte Holzboote, über denen Möwen kreisten, in der Hoffnung auf ein paar Fischreste. Am Rand des Hafenbeckens waren Fangnetze ausgebreitet. Außer der Brandung und den Möwen war nichts zu hören.

»Siesta«, erläuterte Luise, und dann folgten wir ihr in ein Labyrinth schmalbrüstiger weißer Häuschen und holpriger Gäßchen, durch deren schattige Enge selbst im Hochsommer meistens der kühle Nordwind der Biscaya bläst. Jenny ging so dicht neben mir, daß wir uns fast berührten. Ihre Arme waren von Gänsehaut überzogen. Entweder weil sie fror oder weil ihr die Stimmung in den leeren Gassen so unheimlich war wie mir. In meiner Phantasie tauchten Bilder einer Kasba auf, jenes berüchtigten Viertels arabischer Städte, in dem Menschen für immer spurlos verschwinden.

Unsere kleine Prozession hielt vor einem verwitterten Holztor. Luise zwinkerte uns zu und kramte einen schweren eisernen Schlüssel aus ihrer Einkaufstasche.

Wir betraten einen kleinen, sonnigen Innenhof.

Dutzende von Kakteen in Töpfen und Schalen, flirrende Fäden von Spinnweben zwischen den fleischigen Blättern und das Plätschern eines dünnen Wasserstrahls, den ein bronzener Löwenkopf in ein Steinbecken spie, erzeugten eine Aura verwunschener Unwirklichkeit, die unserer Gastgeberin und dem Geist von Son würdig war.

»Setzt euch!« Luise zeigte auf eine uralte schmiedeeiserne Sitzgruppe mit bunten Kissen. Auf einem schlief ein dicker grauer Kater.

»Josefine, Besuch!« rief Luise durch den leise klirrenden Perlenvorhang im Eingang. »Sie wird noch immer beleidigt sein«, kicherte sie, als keine Reaktion erfolgte.

Statt dessen ertönte eine Ladenglocke aus dem Innern des Häuschens.

»Buenas tardes«, sagte eine angenehme männliche Stimme und fuhr zu meiner Verwunderung in akzentfreiem Deutsch fort: »Darf ich mich umsehen?«

»Hier lebt ja tatsächlich wer«, bemerkte Jenny erleichtert.

»Das ist er«, flüsterte Luise geheimnisvoll und steckte den Kopf zwischen die Perlenschnüre, um nichts zu verpassen.

Jenny tippte sich an ihre hübsche Stirn.

Wir kannten eben die Interna nicht.

Kapitel 2

Der Deutsche war die Sensation im Ort.

Er hatte sogar den Brief von Jennys Vater aus der Diskussion verdrängt, dessen Inhalt zu heftigen Reibereien zwischen den beiden Alten geführt hatte.

»Du bist unglaublich rücksichtslos«, hatte Josefine der Lebensgefährtin mit dünner Stimme vorgeworfen, während besagtes Schreiben in ihrer knochigen Hand leicht zitterte. Sie ließ es kraftlos auf den Eßtisch sinken.

»Hab dich nicht so«, sagte Luise und häufte seelenruhig noch einen Löffel Marmelade auf ihr Frühstücksbrot, »ich habe ihn schließlich nicht geschrieben.«

»Aber du billigst ihn.« Und als sei die Freundin von nun an Luft, fixierte Josefine die geschnitzte Figur am Kreuz über der polierten Kommode, auf die Luise immer eine Schale mit Obst stellte. Etwas Frisches als Ausgleich, wie sie meinte.

»Jenny braucht meine Hilfe«, hatte Luise bloß gelassen entgegnet und weiter gekaut.

Diesmal würde die Schweigenummer nicht ziehen. Das spürte Josefine. Sie konnte tagelang durchhalten, um die gesellige Luise zur Kapitulation zu bewegen. In letzter Zeit allerdings war Luise merkwürdig selbstbewußt und eigensinnig.

»Du hast ja keine Ahnung, was eine Fünfzehnjährige im Haus bedeutet«, brauste Josefine also auf. Ihr schlichter silbergrauer Knoten bebte vor Erregung.

»Ich schon!« Luise lächelte triumphierend, und Josefine bekam vor Wut schmale Augen. Sie haßte es, wenn Luise auf gewisse Defizite in ihrem Leben anspielte.

»Du wirst dich noch wundern«, prophezeite sie eingeschnappt, »wer nicht mit mir ist, der ist wider mich. Lukas elf, dreiundzwanzig. Mit meiner Unterstützung rechne jedenfalls nicht. Ich will meine Ruhe haben! Deshalb sind wir schließlich hergekommen. Ich dachte, es bedeutet dir etwas.« Jetzt schnüffelte sie bedenklich.

»Selig sind die Barmherzigen, meine Liebe, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Matthäus sieben.«

»Falsch, fünf, sieben. Sieben ist, bittet, so wird euch gegeben, und zwar Matthäus sieben, sieben!«

»Na also, da hast du es.«

Josefine putzte sich verärgert die spitze Nase.

Luise schlug einen versöhnlichen Ton an. »Jenny bleibt doch nicht für immer. Das Kind muß sich auf die Nachprüfung in Latein vorbereiten. Ohne Ablenkung. Dabei sollten wir sie unterstützen. Du könntest Ricardo fragen, ob er mit ihr arbeitet.«

»Pater Lopez«, korrigierte Josefine streng.

Darum würde man sie bitten müssen.

Solche Unterhaltungen fanden kurz vor den Sommerferien statt. Und dann trat, wie gesagt, der Deutsche in den Mittelpunkt des Interesses.

»Nein, so was«, vernahm ich wieder seine Stimme, »das gibt es doch nicht! Vollständig?«

»Aber selbstverständlich«, sagte Josefine hoheitsvoll.

»Eine vollständige Ausgabe des Heiligen! Hier, am Ende der Welt! Die nehme ich«, rief der Deutsche und lachte. Ein nettes, jungenhaftes Lachen.

»Nein«, wimmerte Luise zwischen den Perlenschnüren, »sie verkauft ihm den Saint. Das macht sie aus Bosheit.«

Ich verstand nur Bahnhof, denn daß zu den Absurditäten von Son auch eine deutsche Buchhandlung gehörte, darauf kam ich nicht.

»Davon haben wir viele Jahre lang geträumt«, erklärte Luise später vergnügt und ohne eine Spur des Bedauerns.

Ökonomisch gesehen war das Unternehmen natürlich ein Flop, aber schon der Gedanke, eine florierende Buchhandlung zu besitzen, versetzte sie in Angst und Schrecken: »Dann müßte ich mich ja von meinen Büchern trennen!«

Hundert Punkte also für Josefine, die soeben auf der Bildfläche erschien. In jeder Beziehung das Gegenteil von Luise.

»Verkaufen wir nun Bücher oder nicht?« Groß und hager, im schwarzen Wollkostüm, das so aussah, als röche es nach Mottenkugeln, sah sie die Ärmste streng an. »Und noch etwas: Schrei bitte nicht so durchs Haus, wenn Kunden im Laden sind. Und jetzt entschuldige mich. Du weißt, ich habe einen Termin. Der Kaffee ist durchgelaufen.«

Dazu fuchtelte sie mit einem Neuen Testament durch die Luft, bevor sie es wieder an ihren mageren Busen drückte. Uns bedachte sie mit einem kurzen Nicken, als wären wir Staubsaugervertreter. Jenny hatte sich tief in ihren Stuhl gedrückt. Der Kater war über die Mauer gesprungen.

»Sie meint es nicht so«, entschuldigte sich Luise, schon wieder lächelnd. »Wahrscheinlich trifft sie sich mit Hochwürden«, kicherte sie. »Bei ihm kannst du Lateinstunden nehmen, Jennylein.«

Ich glaube, Jenny wurde übel.

Von Luises selbstgebackenem Schokoladenkuchen bekam sie dann wieder Farbe.

Aber erst einmal zeigte uns die alte Dame den heiligen Gral.

Und schon wieder glaubte ich zu träumen. Ein ziemlich düsterer, kühler Raum im Erdgeschoß. Regale vom Boden bis zur Decke, vollgestopft mit Raritäten, auch Gegenwartsliteratur, eine eigenwillige Auswahl. Ein großer gekachelter Kamin, in dem man Flammen lodern sieht, auch wenn er kalt ist. Daneben war Holz gestapelt. Es roch nach Harz. Im Halbkreis vor dem Kamin standen alte spanische Stühle, auf einem Tischchen eine Espressomaschine und Tassen.

Wahrlich ein Mekka für Bibliophile.

»Ihre Bücher stehen hinter Flora Leander.« Luise kicherte wieder und ahmte Josefines peniblen Tonfall nach: »Falls Hochwürden den Laden betritt.« Und dann schüttete sie sich fast aus vor Lachen. »Die Romane von Flora Leander findet Josefine nämlich seriös.«

»Was schreiben Sie denn?« Jenny, die etwas verloren im Raum stand, sah mich mit unverhohlener Neugier an.

Die Türglocke enthob mich einer Antwort. Eine hochschwangere, zigeunerhaft aussehende Frau mit erdigen Händen und einer Kittelschürze kam herein. Dabei warf sie einen verstohlenen Blick über die Schulter zurück in die Gasse, von der aus man den Laden betrat, so als fühle sie sich verfolgt. Luise sprach fließend Spanisch mit ihr. Das einzige, was ich verstand, war mañana – morgen. Die Frau nickte und trat eilig den Rückzug an. Zwischen Tür und Angel fiel ihr noch etwas ein. Diesmal ging es um den geheimnisvollen alemán.

»Das ist Amanda«, klärte uns Luise auf. »Sie hat die Nase voll vom Kinderkriegen und will ein Buch über Empfängnisverhütung ausleihen.«

Sie bückte sich flink und nahm einige Bücher aus den untersten Regalreihen. Dahinter tauchten spanische Titel auf. »Ratgeber, Esoterik, alles, was der Papst verboten hat. Josefine darf nichts davon wissen. Sie denkt, die Frauen kommen zum Kaffeeklatsch.«

Luise fing an, mir zu imponieren.

»Und was ist mit dem alemán?« hörte ich mich zu meiner eigenen Verwunderung fragen. Das Interesse an dem Deutschen war offenbar ansteckend.

Luise runzelte ärgerlich die Stirn. »Er will nicht, daß Amanda bei ihm saubermacht. Dabei arbeitet sie auch in den Sommervillen der reichen Südspanier. Ich habe sie zu ihm geschickt. Man hätte so einiges über ihn herausbekommen können!« Es klang enttäuscht.

Aus unerfindlichen Gründen senkte Luise die Stimme. »Letzten Sommer war ein deutscher Reporter hier. Er wollte einen Reisebericht über die Gegend schreiben. Er hatte auch das Haus auf den Klippen gemietet. Genau wie dieser neue Deutsche. Und plötzlich war er verschwunden. Es heißt, er sei ertrunken. Aber das glaube ich nicht. Das wird nur so gesagt, weil es eine schlechte Werbung für den Ort ist, wenn sich Touristen in Luft auflösen.«

»Was glaubst du denn, Oma?«

»Großer Gott, Jennylein, du hast sicher Hunger; und deine alte Großmutter quatscht und quatscht.« Damit führte sie uns ohne weitere Erklärung zurück in den Hof.

Mit dem Klappern des Kaffeegeschirrs fand sich auch der Kater wieder ein. Nachdem er sich von Josefines Abwesenheit überzeugt hatte, streckte er sich auf den warmen Steinfliesen aus. Jenny goß ihm etwas Milch in ihre Untertasse. Mir fiel auf, daß er nur ein Auge hatte und einen Riß im Ohr.

»Er heißt Carlos«, stellte Luise ihn vor.

»Gehört er dir?« wollte Jenny wissen.

»Er gehört ..., er gehört niemandem«, antwortete Luise.

»Du lügst. Du weißt genau, daß er Leon Rodriguez gehört!« Wie das Jüngste Gericht stand plötzlich Josefine schwarz und hoch aufgerichtet am Hoftor. Nicht einmal Carlos hatte sie gehört. Er brachte sich auf der Mauer in Sicherheit und kratzte sich hinter dem unbeschädigten Ohr.

»Papperlapapp«, schnappte Luise, »schleich nicht so!«

»Ich schleiche nicht. Siehst du, er hat Flöhe.«

»Unsinn, jeder kratzt sich mal.«

Eine Schar Kinder drängte lärmend hinter Josefine in den Hof.

»Kommt, Kinder«, rief Luise erfreut und verteilte den Kuchen. Mit Indianergeheul rannten sie davon. Nur ein kleiner Junge blieb still am Tor zurück.

»Manuel, nimm auch ein Stück!« Luise hielt ihm den Teller hin.

Ohne ein Wort nahm der Junge den Kuchen und lief mit gesenktem Kopf hinter den anderen her.

»Manuel spricht nicht«, sagte Luise traurig. »Sein Vater ist Deutscher. Manuel wurde in Deutschland geboren und lernte Deutsch. Mit vier kam er hierher zu seiner Großmutter, weil seine Eltern sich trennten, und lernte Spanisch. Mit sechs nahm ihn seine Mutter wieder zu sich. Er mußte wieder Deutsch sprechen. Vor einem Jahr hat seine Mutter ihren Job verloren und kam mit ihm zurück. Er hat einfach aufgehört zu reden. Er hat keine Muttersprache, der arme Kerl.«

»Mußt du ständig sämtliche Kinder und Katzen füttern? Wie soll man denn hier seinen Frieden finden?« lamentierte Josefine und verschwand im Haus.

»Klopfet an, so wird euch aufgetan«, rief Luise ihr nach, »hab vergessen, wo es steht.«

»Matthäus sieben, sieben natürlich«, kam es prompt.

Trotz Manuels trauriger Geschichte mußten wir lachen, und ich hatte das Gefühl, Jenny guten Gewissens in Son ihrem Schicksal überlassen zu können.

Mit Rücksicht auf Josefines Seelenheil brachte mich Luise bei Emilio unter, dem dicken Hafenwirt, der eilig ein Gästezimmer herrichtete. Jenny und eine Autorin erotischer Romane im Haus, das war einfach zuviel.

Josefine hatte deutlich befremdet darauf reagiert, daß ihre Lebensgefährtin mich überhaupt erkannt hatte. (Ich war auch verwundert, aber viel zu geschmeichelt, um der Sache auf den Grund zu gehen.) Damals wußte ich noch nicht, daß Josefine grundsätzlich wegen gewisser Veränderungen an ihrer Freundin alarmiert war.

Luise, die unsichere, unbedarfte Hausfrau, der sie vor rund einem Vierteljahrhundert in einem Literaturkurs der heimatlichen Volkshochschule begegnet war, überraschte sie seit einiger Zeit mit immer neuen Marotten. Äußeres Merkmal einer erschreckenden Veränderung ihrer Persönlichkeit war diese fürchterliche neue Haarfarbe. Früher hatte Luise der gebildeteren, klügeren Freundin jede Menge Respekt entgegengebracht und in jeder Lebenslage ihren Rat eingeholt. Woher nahm sie überhaupt neuerdings das Geld für kostspielige Frisörbesuche in der Stadt? Sie sollte endlich einmal mit Pater Lopez über Luise sprechen.

Kaum daß ich mein spartanisches Quartier betreten hatte, ließ ich mich erschöpft auf das mit grobem weißem Leinen bezogene Bett fallen. Ich atmete den scharfen Geruch von Salz, Tang und Fisch, der durch das weit geöffnete Fenster hereinströmte, und das eintönige Geräusch des Meeres wiegte mich in einen flachen Schlaf, in den sich meine neuen Bekannten drängten. Wie Springteufel aus der Dose kamen sie mir entgegen. Alle hatten mir etwas Wichtiges zu sagen, doch sowie ich auf einen von ihnen zuging, verschwand er. Ich wollte, daß sie mir ihre Botschaften zuriefen, aber das Lachen des Deutschen schwoll so stark an, daß ich sie nicht verstand.

Das Lachen kam von unten aus der Kneipe. Benommen stand ich auf.

Eine Dusche gab es nicht, nur ein Waschbecken. Wenn Son für Touristen attraktiv werden wollte, mußte noch viel passieren. Ich wusch mir das Gesicht lange mit kaltem Wasser.

Der Traum hatte in mir eine vage Beunruhigung hinterlassen. Ich schob sie beiseite. Morgen würde ich abreisen. Es bestand nicht die geringste Gefahr, daß mich dieser Ort in seinen Bann zog.

Ich ging hinunter.

Ich war die einzige Frau in der Kneipe.

Die Männer, dem Teint nach alle Fischer, taxierten mich ohne Hemmungen. Ihr Stimmengewirr übertönte den Fernseher, der in spanischen Kneipen immer läuft. Nur einer, in der Ecke neben der Jukebox, nahm keine Notiz von mir. Er war über ein Buch gebeugt und schaute nicht einmal auf, als ich den Raum betrat.

Obwohl die Tür offenstand, war die Luft dick vom Tabakqualm und Bratendunst. Draußen tobten Wind und Brandung um die Wette. Manchmal drangen Fetzen aus der Jukebox zu mir durch. Ich erkannte die Melodie von The Great Pretender. Aber diese Ironie des Schicksals verstand ich noch nicht.

Zu gern hätte ich das Gesicht des Lesenden betrachtet, aber keine Chance. Er stützte seine Stirn mit einer Hand und verdeckte die mir zugewandte Gesichtshälfte. Eine bemerkenswert gepflegte Hand mit sorgfältig gefeilten Nägeln. Der Rest gefiel mir auch. Schlank, glatte braune, von der Sonne gebleichte Haare, die ihm beim Lesen in die Stirn fielen. Ein weißer Baumwollpullover, dessen Ärmel er bis zu den Ellbogen hochgeschoben hatte, brachte den satten Goldton von Laboratoires Garnier zur Geltung, von dem sich die dichten feinen Härchen wie ein heller Flaum abhoben. Am linken Handgelenk trug er eine elegante Uhr. Garantiert kein Einheimischer.

Teufel auch, er mußte meine Blicke doch spüren!

»So wie du aussiehst«, pflegt meine Freundin Jill zu sagen, wenn sie mir Vorträge über mein zeitweise dürftiges Liebesleben hält, »könntest du achtundneunzig Prozent aller Männer kriegen.«

Dieser hier gehörte wohl zu den restlichen zwei.

Ich suchte mein bestes Spanisch zusammen und machte dem jungen Kellner, der auf den Namen Pedro hörte, ein Zeichen.

»Cerveza y Cigarillos, por favor.«

»Americano?« Pedro sah mich mit verträumten blauen Augen fragend an. Ein hübscher Junge. Strohblond. Ungewöhnlich für einen Spanier. An den Schläfen waren seine Haare ein bißchen feucht. Er schien den Laden allein zu schmeißen.

»Sí«, sagte ich.

Er hatte gemerkt, wie ich ihn musterte, und wurde rot.

»No«, ließ sich dröhnend eine tiefe Stimme vernehmen. Sie gehörte Emilio. Er mußte Ohren haben wie ein Luchs. Die ganze Zeit hatte er hinter der Theke gestanden, eine dicke Zigarre geraucht und mit den Fingern seinen Vollbart gekämmt. Jetzt strich er mit seinen Pranken über die Gummischürze, unter der sich ein riesiger Bauch wölbte, und ließ einen für mich unverständlichen Wortschwall auf den armen Pedro los, der sich buchstäblich duckte und sich beeilte, mir ein Päckchen Fortuna zu bringen. In dem Lokal war es still geworden.

»No americano?« fragte ich enttäuscht.

Pedro schüttelte verlegen den Kopf. Unsere Hände berührten sich, als ich nach den Zigaretten griff. Seine Finger waren eiskalt.

»Nehmen Sie die«, sagte plötzlich jemand und legte eine angerissene Packung Camel auf den Tisch.

Ich fuhr zusammen. Wenn mich nicht alles täuschte, war das die Stimme aus der Buchhandlung. Sie gehörte dem lesenden Gast. Ich hatte nicht bemerkt, daß er aufgestanden und zu uns getreten war. Sein Buch hatte er unter den Arm geklemmt.

»Mein Name ist Voss, Julien Voss«, stellte er sich vor. »Sicher sehen wir uns noch. Der Ort ist klein. Buenas noches!«

Sprachlos sah ich ihm nach.

Kapitel 3

Das war also der geheimnisvolle alemán! Meine erste große, unerfüllte Liebe.

Ich war gelaufen, bis ich das Dorf hinter mir gelassen hatte und in der Dunkelheit nichts mehr erkennen konnte. Der Wind peitschte über den Atlantik und trieb eine dichte Wolkendecke vor sich her. Atemlos lehnte ich mich gegen einen Felsen.

Es war unfaßbar! Dieselben Augen, derselbe Mund. Noch immer ein bißchen wie Keith Richard, für mich seinerzeit der Inbegriff von Männlichkeit schlechthin. In der Zwischenzeit hatte er gelebt. Das sah man an den Falten, die sein Gesicht interessant machten. Ein aufregendes Leben vermutlich, wenn er seinen Namen geändert hatte. Früher hieß er Gary– Garett Schiller, erinnerte ich mich.

Daß er mich nicht erkannt hatte, wunderte mich nicht. Gary hatte mich damals kaum beachtet. Er war schon in der Oberstufe gewesen und ich noch in dem Alter, in dem man gerade erst entdeckt, daß der liebe Gott zwei Sorten Menschen geschaffen hat.

Ein Geräusch, das ich nicht einordnen konnte, riß mich aus meinen Gedanken.

Es klang wie das Knarren einer Tür. Nur, hier gab es keine Türen. Angespannt lauschte ich in die Nacht.

Da war es wieder! Jetzt hatte ich auch noch das Gefühl, daß sich in meiner Nähe etwas bewegte.

Meine Nerven waren am Ende dieses aufregenden Tages nicht mehr die besten. Ich mußte an Luises Geschichte von dem verschwundenen Deutschen denken. Las man nicht ständig von einsamen Touristinnen, die ausgeraubt, vergewaltigt und ermordet in Felsspalten vermoderten?

Voller Panik stieß ich mich von dem Felsen ab. Meine Beine berührten irgend etwas Lebendiges. Ich stolperte, und wieder ertönte das Knarren. Diesmal zu meinen Füßen. Ein einziges grünes Katzenauge sah mich an.

Ich war wirklich hysterisch.

»Carlos«, flüsterte ich erleichtert und wollte ihn streicheln.

Er sprang zur Seite und lief auf die Straße, die hier in Richtung Vigo dicht an den Klippen vorbeiführt. Dann gab er wieder sein heiseres Maunzen von sich. Vielleicht war er verletzt. Er ließ sich partout nicht anfassen und machte ein paar Sätze in Richtung Dorf. Dann wartete er wieder.

Soweit ich die Katzensprache verstand, sollte ich ihm folgen. Da es mir auf eine zusätzliche Verrücktheit heute nicht mehr ankam, tat ich ihm den Gefallen.

Carlos wußte, was er wollte. Beim ersten Haus machte er halt. Er schmiegte sich an die Eingangstür und fixierte sehnsüchtig den Türknauf.

Ich trat einen Schritt zurück. Ganz oben brannte ein schwaches Licht.

»Okay, Carlos, klopfet an, so wird euch aufgetan.« Ich klopfte dreimal.

Als sich nichts rührte, versuchte ich mit Hilfe meines Feuerzeuges festzustellen, ob es eine Klingel gab. Es gab nur ein kleines Messingschild. Leon Rodriguez las ich. Dann siegte der Wind über die Flamme. Carlos strich bettelnd um meine Beine. Ich überwand meine Zurückhaltung und drehte vorsichtig an dem Knauf. Die Tür ließ sich tatsächlich öffnen, und Carlos schlüpfte lautlos ins Haus. Offenbar gehörte der Kater wirklich Leon Rodriguez. Warum hatte Luise bloß ein solches Geheimnis daraus gemacht?

Ich blickte noch einmal hinauf zu dem Fenster. Mir war dort hinter der Glasscheibe etwas aufgefallen. Richtig, dort stand ein Teleskop. Vielleicht war dieser Leon Rodriguez ein Astronom oder ein Ornithologe. Allerdings schien mir das Fernrohr auf ein Haus gerichtet zu sein, das von den anderen Häusern ein ganzes Stück entfernt dicht am Meer erbaut worden war.

Hatte nicht Luise von einem Haus auf den Klippen gesprochen, gemietet von einem verschwundenen Deutschen und von meiner einstigen Flamme Gary, alias Julien Voss?

Schriftstellerinnen sind neugierig, und Son schien viele Rätsel zu bergen. Demzufolge hatte ich natürlich Blut geleckt, aber ich hielt trotzdem an meinem Entschluß fest, am nächsten Tag abzufahren.

Im wahrsten Sinne des Wortes erschien mir am Morgen alles in einem neuen Licht. Ich war sogar bereit zu glauben, zwischen Julien und Gary bestünde nur eine verblüffende Ähnlichkeit. Und warum sollte dieser andere Deutsche nicht wirklich ertrunken sein? In derart entlegenen Winkeln erfinden die Leute halt Geschichten, ranken Legenden um Kinder und Katzen und beobachten die Gestirne. So würde sich für alles eine harmlose Erklärung finden lassen.