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Eine Kreuzfahrt zum Verlieben: Die turbulente Komödie »Seewind und Champagnerküsse« von Lena Sand jetzt als eBook bei dotbooks. Liebeskummer lohnt sich nicht: Dieses Motto ist für Paula das Sprungbrett ins Abenteuer, als sie eine Kreuzfahrt nach New York bucht, um dem Liebesfrust einfach davon zu schippern. Und was wäre zur Ablenkung besser geeignet, als sich einen neuen Traumprinzen zu angeln? Doch unter den geeigneten Kandidaten ist ausgerechnet der Mann, der ihr schon einmal das Herz gebrochen hat. Kann es eine zweite Chance für die große Liebe geben? Zum Glück ist da noch Paulas charmanter Mitreisender Matthias, der ihr im Gefühlschaos mit Rat und Tat zur Seite steht – aber er scheint seine ganz eigenen Pläne für ihr Herz zu haben! Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die heitere Liebeskomödie »Seewind und Champagnerküsse« von Lena Sand. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 186
Über dieses Buch:
Liebeskummer lohnt sich nicht: Dieses Motto ist für Paula das Sprungbrett ins Abenteuer, als sie eine Kreuzfahrt nach New York bucht, um dem Liebesfrust einfach davon zu schippern. Und was wäre zur Ablenkung besser geeignet, als sich einen neuen Traumprinzen zu angeln? Doch unter den geeigneten Kandidaten ist ausgerechnet der Mann, der ihr schon einmal das Herz gebrochen hat. Kann es eine zweite Chance für die große Liebe geben? Zum Glück ist da noch Paulas charmanter Mitreisender Matthias, der ihr im Gefühlschaos mit Rat und Tat zur Seite steht – aber er scheint seine ganz eigenen Pläne für ihr Herz zu haben!
Über die Autorin:
Lena Sand ist das Pseudonym der deutschen Schriftstellerin Christa Jekoff. Sie wuchs in Frankfurt am Main auf und studierte dort Germanistik an der Goethe-Universität. Heute schreibt sie erfolgreich in verschiedensten Genres und arbeitet als Dozentin für den Fachbereich Deutsch.
Lena Sand veröffentlichte bei dotbooks bereits ihren heiteren Roman »Ein Mann macht noch keinen Sommer«.
Ihre Kriminalromanreihe bei dotbooks umfasst:»Teresa Jung und der tote Nachbar«»Teresa Jung und der Tote im Pool«»Teresa Jung und die Tote am Küchentisch«»Teresa Jung und der schöne Tod«
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eBook-Neuausgabe Oktober 2018
Dieses Buch erschien bereits 2000 unter dem Titel »Ein richtiger Mann« bei Econ & List
Copyright © der Originalausgabe 2000 by Verlagshaus Goethestraße GmbH & Co. KG, München
Copyright © der Neuausgabe 2018 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock.com/Aleksandr Simonov, Pcsfive, Lucie Lang und muratart
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-96148-330-3
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Lena Sand
Seewind und Champagnerküsse
Roman
dotbooks.
Für Birgid zur Hochzeit
Somit kann man den ganzen Kreis der Reisenden unter folgende wenige Rubriken bringen:
Müßige Reisende,Neugierige Reisende,Lügenhafte Reisende,Aufgeblasene Reisende,Eitle Reisende,Milzsüchtige Reisende.
Dann folgenDie Reisenden aus Notwendigkeit,Der kriminelle und verbrecherische Reisende,Der unglückliche und unschuldige Reisende,Der simple Reisende,
Und ganz zuletzt (wenn Sie gestatten) der empfindsame Reisende, womit ich mich selbst meine, der ich – und ich sitze nun da, um davon Rechenschaft abzulegen – ebensogut aus Notwendigkeit und besoin de voyager gereist bin wie irgendeiner aus der Gruppe.
Eine empfindsame Reise durch Frankreich und Italien (Originaltitel: A Sentimental Journey Through France and Italy. By Mr. Yorick)
Laurence Sterne
Als die Victoria Anfang Mai zu ihrer Jungfernfahrt auslief, befanden sich ungefähr 800 Passagiere an Bord. Einer von ihnen war Matthias Blomeier, Kreativ-Direktor der Werbeagentur Klein & Partner. Er drängte sich nicht mit den übrigen Reisenden auf einem der Decks, um das Ablegen des Schiffes zu verfolgen, sondern lag auf dem Bett in seiner Luxuskabine und sah an die Decke.
Daß er diese Reise überhaupt angetreten hatte, war Pinkys Schuld, denn von Pinky stammte die Idee zu einer überaus erfolgreichen Kampagne für Ocean-Tours – eine Hommage an die Individualität des Reisens –, und zum Dank hatte man ihn zu dieser Schiffsreise eingeladen!
Pinky war Blomeiers Assistent und hieß eigentlich Sebastian Kummer. Den Spitznamen verdankte er seinem sonnigen Gemüt, das in krassem Mißverhältnis zu seinem richtigen Namen stand, und seiner rosigen Gesichtsfarbe, die bisweilen ins Dunkelrosa überging. So erst kürzlich, als ihm seine heißgeliebte Chefin vor der gesamten Belegschaft zu seinem Erfolg gratuliert hatte. Wie alle männlichen Angestellten der Agentur war er in Anna Klein verliebt. Doch Anna hatte keinen von ihnen erwählt, und bei allen war eine leise Wehmut darüber zurückgeblieben, daß sie mit einem anderen glücklich geworden war.
Blomeier hatte es am schlimmsten erwischt. Mit der geschwundenen Hoffnung auf Annas Zuneigung schien er jegliches Interesse an der Liebe überhaupt verloren zu haben. Zumindest war nichts darüber bekannt, daß er auch nur den Versuch unternommen hätte, eine andere Frau näher kennenzulernen. Auch besuchte er keine Flirtkurse mehr und keine Selbsterfahrungsgruppen. Morgens war er der erste in der Agentur und abends der letzte. Sogar am Wochenende war er schon im Büro gesichtet worden. Kurz: Er kultivierte seinen Schmerz und lebte wie ein Mönch.
Dabei waren seine Chancen bei Frauen noch nie so gut gewesen. Das Leid hatte ihn anziehender gemacht. Er war dünner geworden, seine Wangen wirkten hohler, die Augen größer. Seit er niemanden mehr mit Dreitagebärten beeindrucken wollte und sich auch nicht länger der Mühe unterzog, seine Geheimratsecken zu verbergen, wirkte er entschieden männlicher. Er avancierte zum romantischen Helden der Firma, und es gab kaum ein weibliches Wesen bei Klein & Partner, das nicht alles Erdenkliche dafür getan hätte, ihn glücklich zu sehen.
Allen voran Gerda. Die korpulente Chefsekretärin mit der allzeit perfekten Dauerwelle hatte bereits unter Annas Onkel, dem alten Heinrich Klein, gedient. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert im unermüdlichen Einsatz für Klein & Partner war die Agentur für sie zu einer Art Ersatzfamilie geworden. Deshalb hielt sie es für ihre Pflicht, sich höchstpersönlich um Blomeiers Liebesleben zu kümmern, nachdem ihr zu Ohren gekommen war, daß er seinen Urlaub in einem Kloster in der Toskana verbringen wollte.
Unverzüglich zitierte sie Pinky ins Vorzimmer.
Pinky, der bereits an Gerdas Tonfall merkte, daß etwas im Busch war, überdachte seine Sünden und nahm Haltung an. Das ging jedem so, den Gerda über den Rand ihrer Brille hinweg ansah.
»Handelt es sich nicht um eine Einladung für zwei Personen?« fragte Gerda streng.
Pinky nickte vorsichtig. Noch ahnte er nicht, worauf dieses Verhör hinauslief.
»Und? Haben Sie schon entschieden, wer Sie begleiten soll?«
In Gerdas Stimme schwang ein drohender Unterton mit.
»Nun ...« Pinky zögerte.
In seinen Träumen machte er die Reise mit Anna, und in der Realität könnte er vielleicht eine der beiden Schiffspassagen meistbietend im Internet verkaufen. Unterwegs würde er sicherlich ein nettes Mädel kennenlernen ... Aber das war nichts für Gerdas Ohren.
»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht«, antwortete er ausweichend, und sein rundes Gesicht begann zu glühen.
»Gut, dann wird Blomeier Sie begleiten.«
Pinky fehlten selten die Worte, aber diesmal war er sprachlos.
Die Chefsekretärin nutzte Pinkys Verblüffung.
»Es ist nicht gut, wenn ein Mann in seinem Alter noch immer allein ist« sagte sie vertraulich und nahm die Brille ab. »Mindestens die Hälfte aller Passagiere sind Frauen. Man läuft sich ständig über den Weg, eine ganze Woche lang. Sie verstehen?«
Pinky seufzte. Genauso hatte er sich das vorgestellt.
»Ein solches Schiff ist der ideale Ort, um sich zu verlieben«, fuhr Gerda fort. »Denken Sie an die Titanic ...«
Gerda lächelte. Sie hatte den Film dreimal gesehen.
»Die Titanic ist gesunken«, gab Pinky, der sich wieder gefangen hatte, zu bedenken.
»Was reden Sie denn da!?« Gerda setzte indigniert ihre Brille auf. »Es wäre mir jedenfalls eine Beruhigung zu wissen, daß Sie ein Auge auf Blomeier haben. Wenn ich mich in dieser Angelegenheit auf Sie verlassen kann, werde ich ein gutes Wort für Sie einlegen. Ich habe gehört, daß ein zweiter Kreativ-Direktor im Gespräch ist ... Lassen Sie sich also etwas einfallen.«
Pinky formte die Lippen, als wolle er pfeifen, aber derartiges verbot sich in Gerdas Gegenwart.
»Okay«, sagte er fügsam.
Pinky war in der Lage, eine Chance zu erkennen. Er hatte als Trainee bei Klein & Partner angefangen und wußte, was Gerdas Fürsprache vermochte.
»Aber es kommt nur etwas Kultiviertes in Frage«, warnte sie ihn, »sie muß Klasse haben!«
Wie verabredet schauten sie beide gleichzeitig zu Annas Tür, und Pinky seufzte noch einmal, bevor er das Vorzimmer verließ.
Pinky nahm seinen Auftrag ernst.
Alles ist verkäuflich, hatte sein alter Professor auf der Werbefachschule immer gesagt, und als künftiger zweiter Kreativ-Direktor mußte er schließlich jedes Produkt an den Mann bringen können. In diesem Fall an die Frau.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß die Victoria dabei war, den Hafen ordnungsgemäß zu verlassen, spazierte er aufmerksam unter den Schaulustigen umher, um sich einen Überblick über die weiblichen Passagiere zu verschaffen.
Es war nicht leicht gewesen, Blomeier zu überreden. Schließlich versprach er sich vom Klosterleben große Fortschritte in der Entwicklung seiner Persönlichkeit. Er wollte nicht nur meditieren, enthaltsam leben und vegetarisch essen, sondern vor allen Dingen lernen, all dies in heiterer Gelassenheit zu tun, um von den Profanitäten des irdischen Jammertals frei zu werden.
Pinky begann schon zu fürchten, der Herausforderung seiner Aufgabe nicht gewachsen zu sein, als ihm ein Glücksfall zu Hilfe kam, und zwar in Gestalt menschlicher Unzulänglichkeit, wie sein Chef sie im Kloster ablegen wollte. Blomeier wurde nämlich von Neid gepeinigt: Wo nahm sein Assistent bloß diese Einfälle her? Er ließ sich seine Eifersucht nicht anmerken, doch die Frage quälte ihn heftig, und eines Nachts wurde er auf Pinkys Schreibtisch fündig. Unter Videospielen und Comicheften entdeckte er ein gebundenes Büchlein, das nicht zudem übrigen Sammelsurium paßte. Laurence Sterne, las Blomeier, Eine empfindsame Reise ... Aha, dachte er und fing an zu blättern. Er traute seinen Augen kaum. Dort stand es schwarz auf weiß: Der müßige Reisende, der neugierige Reisende, der Reisende aus Notwendigkeit, der empfindsame Reisende ... Dieser Nichtsnutz hatte die Idee der Typisierung Reisender, das Herzstück –der Kampagne, doch tatsächlich von diesem Schriftsteller geklaut. Und dazu besaß er noch die Unverschämtheit, ihn zu fragen, ob er ihn nicht begleiten wolle!
Blomeier blätterte weiter, erst entrüstet, dann interessiert, und unmerklich nahm ihn die Lektüre gefangen. Ja, er fühlte eine spontane Seelenverwandtschaft mit Sternes Held Yorick. War er, Blomeier, nicht der geborene empfindsame Reisende, dem es wie dem sensiblen Yorick nicht um äußere Eindrücke ging, sondern um Empfindungen der Liebe und der Zärtlichkeit? Und außerdem, so überlegte er weiter, hätte sein Assistent diese Idee ohne ihn überhaupt nicht realisieren können. Also gebührte ihm ohnehin ein Teil der Anerkennung.
Er würde in seiner Kabine meditieren und sie nur zu den Mahlzeiten verlassen. Und man würde sich bald fragen, wer dieser geheimnisvolle Reisende wohl sei, der kein Fleisch aß und keine Frau ansah. Und da Blomeier noch lange kein Heiliger war, stellte er sich unwillkürlich vor, daß vorwiegend die schönsten Frauen an Bord sich darüber den Kopf zerbrechen würden. Tiefbefriedigt ließ er das Buch in die Tasche seines Sakkos gleiten.
Pinky machte sich im Geist Notizen: zu jung, zu alt, in Begleitung ...
Plötzlich fiel sein Blick auf eine Frau in einem weißen Kostüm, deren Anblick sein Herz schneller schlagen ließ. Der Rock wurde vom Wind gegen ihre langen, schlanken Schenkel gedrückt. Ihre eleganten Hände mit den leuchtend rot lackierten Nägeln hielten einen weißen Strohhut mit flatternden Bändern auf dem weich herunterfallenden schwarzen Haar fest. Sie trug ein Halstuch in dem gleichen Rot ihrer Nägel, dessen Enden mit den Hutbändern um die Wette flatterten. Eine Strähne ihres Haares war über ihr Gesicht geweht worden und bildete einen aufregenden Kontrast zu ihren rot geschminkten Lippen. Sie hatte ebenso hohe Wangenknochen wie Anna und die gleichen etwas schräggestellten Augen. Sie ist noch schöner als Anna, dachte Pinky ungläubig, und bat die Götter für diesen Verrat um Vergebung.
Ohne den Blick von ihr zu lassen, ging er weiter wie ein Automat, bis er unsanft mit jemandem zusammenstieß. Dieser Jemand war ein blendend aussehender junger Mann, der ebenfalls gebannt zu dieser Frau hinübersah. Bei dem Zusammenstoß war ihm etwas aus der Hand gefallen. Pinky bückte sich. Es war ein Foto. Pinky warf zerstreut einen Blick darauf und gab es dem Mann zurück.
Sein Interesse galt der Frau im weißen Kostüm. Sie hatte ihren Blick vom schwindenden Festland abgewandt und begab sich zu der Treppe, die ins Innere des Schiffs führte.
Er mußte unbedingt herausfinden, wer sie war.
Blomeier war nicht der einzige an Bord, der Liebeskummer hatte.
Seine Leidensgenossin hieß Paula Simon. Im Unterschied zu ihm litt sie nicht an unerfüllter Liebe; ihre Liebe war zu Ende. Obwohl derartige Vorkommnisse für sie zur alltäglichen Routine gehörten – Paula war Eheberaterin –, wollte sie es einfach nicht wahrhaben, wie der Arzt die Symptome am eigenen Leib.
Da Ehen zwar im Himmel geschlossen, aber bekanntlich von Therapeuten zusammengehalten werden, lief Paulas Praxis blendend. Eine gewisse Grundausbildung hatte sie schon als dickes Kind geschiedener Eltern und ewiges Mauerblümchen erhalten. Da sie selbst nichts beizutragen hatte, als ihre Freundinnen den ersten Liebeskummer zelebrierten, lernte sie früh zuzuhören, und da sie an den langen Wochenenden, an denen niemand mit ihr ausging, viel Zeit zum Lesen hatte, kannte sie bald alle Liebesprobleme der Weltliteratur und wurde zur begehrten Beraterin in Sachen Weltschmerz.
Daß sie Psychologie studierte – wie die meisten Vertreter dieser Disziplin, um ihre eigenen Probleme zu lösen –, war so gesehen vorprogrammiert. Daß sie mit ein paar gleichermaßen vorbelasteten Kommilitonen ins Bett ging und dies nicht die Erfüllung war, ebenfalls. So gewann sie ein wissenschaftlich distanziertes Verhältnis zur Liebe.
Der Beruf gab ihr Selbstvertrauen. Sie lernte, ihre Vorzüge ins rechte Licht zu rücken, sich vorteilhaft zu kleiden, ihre blonden Locken kurz zu tragen und das Strahlen ihrer himmelblauen Augen zu betonen. Sie leistete sich einen Sportwagen, ein paar nette, aber verheiratete Liebhaber, die mit den Verhaltensmustern in Paulas Lehrbüchern übereinstimmten und sie in ihrer professionell abgeklärten Einstellung zur Liebe bestätigten. Diese änderte sich schlagartig, als sie John Simon traf, den Mann, um den sie trauerte, als die Victoria in See stach.
Sie war ihm in einer Berliner Künstlerkneipe im Anschluß an eine Psychologentagung begegnet; er war ein unbeschwerter Amerikaner, Maler und verbummelter Kunststudent, ein paar Jahre jünger als sie und so charmant und zärtlich, daß sie ihn ohne Umschweife mit in ihr Hotel nahm. Kurz darauf heiratete sie ihn und richtete ihm ein Atelier unter dem Dach ihres ererbten Reihenhauses ein. Der Gedanke, daß er vor allem ein warmes Nest brauchte, um sein Künstlerleben fortsetzen zu können, das der Herr Papa, ein New Yorker Anwalt, nicht länger finanzieren wollte, war ihr nie gekommen.
John war jedenfalls rundherum zufrieden, und Paula war dermaßen glücklich, daß ihr Glück geradezu zum Aushängeschild für ihre Praxis wurde, bis .
Ja, wann hätte sie eigentlich merken müssen, daß etwas nicht stimmte? Als John nach seiner ersten Ausstellung ein größeres Atelier mietete und immer öfter dort schlief? Als sie mehr Klienten annahm, als sie eigentlich verkraftete? Als sie, anstatt mit ihm zu reden, anfing zu grübeln, und um schlafen zu können, zuviel trank und zehn Pfund zunahm? Überhaupt machte sie alle Fehler, vor denen sie ihre Klientinnen warnte. Sie sah schlecht aus, ließ sich zu Szenen hinreißen, und zu guter Letzt warf sie ihn hinaus. Als er dann tatsächlich achselzuckend ging, bettelte sie um eine letzte Aussprache, von der sie sich erhoffte, daß noch alles gut würde.
Er konsultierte kühl seinen Terminkalender.
»Dann komm nach New York, wenn du willst«, sagte er gleichgültig, »ich bereite dort gerade eine Ausstellung vor.«
»New York«, wiederholte sie verdattert, doch da er nichts weiter hinzufügte, beeilte sie sich, zuzustimmen.
Um ihn zurückzugewinnen, hätte sie die Welt umrundet.
Sie beschloß, eine Schiffsreise zu buchen. Sie wollte Zeit zum Nachdenken haben und sich in Ruhe auf das Treffen vorbereiten. Da kam ihr die Jungfernfahrt der Victoria von Hamburg über Rio nach New York gerade recht.
»Sie wird die ganze Zeit über allein in ihrer Kabine sitzen und heulen«, prophezeite Marlene düster.
»Sie wird völlig am Ende sein, wenn sie in New York ankommt, und keinen Funken Selbstachtung mehr haben«, rief Betty erschrocken aus.
»Er wird sie nur noch mehr demütigen«, ergänzte Lilo.
Marlene, Betty und Lilo hielten Kriegsrat. Alle drei waren ehemalige Klientinnen von Paula und inzwischen ihre besten Freundinnen.
»Wir müssen ihr helfen«, sagte Marlene, die resoluteste der Frauen, »schließlich haben wir ihr einiges zu verdanken.«
Während sie das sagte, schaute sie andächtig von der Terrasse ihrer Villa in den parkähnlichen Garten. Dank Paula hatte sie gelernt, mit den notorischen Seitensprüngen ihres Mannes zu leben und alles übrige zu genießen.
»Wir verdanken ihr alles«, versetzte Betty und strich selig lächelnd über die beachtliche Wölbung ihres Bauches. Sie erwartete ihr drittes Kind, und ohne Paulas Hilfe hätte sie sich vor ein paar Jahren von dem Vater ihrer süßen Sprößlinge getrennt.
»Genau«, stimmte Lilo zu.
Der dunkelblaue Jaguar, mit dem sie hierhergefahren war, war ein Geschenk des Generaldirektors der Firma, in der sie einst als Sekretärin gearbeitet hatte. Nachdem sie lange Jahre seine Geliebte gewesen war, hatte er sie schließlich geheiratet. Lilo war überzeugt davon, daß ihr dieses Glück ohne Paulas gute Ratschläge nicht zuteil geworden wäre.
»Paula muß strahlend, schön und selbstbewußt sein, wenn sie ihm gegenübertritt.« Lilo erinnerte sich noch gut an das Einmaleins der Verführung.
»Und wie wird man strahlend, schön und selbstbewußt?« Marlene sah die Freundinnen herausfordernd an.
»Durch die Liebe«, sagte Betty aus vollem Herzen.
»Richtig. Und deshalb dürfen wir keine Zeit verlieren. Ich schlage vor, wir legen zusammen.«
Betty und Lilo stutzten. Lilo war schneller von Begriff.
»Du meinst ...?«
»Wir dürfen kein Risiko eingehen. Er muß hervorragend aussehen, intelligent sein und dazu ein Spitzenliebhaber. Paula muß so in Form kommen, daß John alles bereut, was er ihr jemals angetan hat.«
»Er muß vor ihr auf die Knie fallen«, fügte Lilo begeistert hinzu.
Jetzt fiel auch bei Betty der Groschen.
»Ihr wollt ...?« fragte sie völlig perplex. Doch gleich darauf lachte sie. »Warum eigentlich nicht? Schließlich heiligt der Zweck die Mittel.«
»Dann wäre das also geklärt«, sagte Marlene und griff zum Telefon.
Damit sich die Einzelwesen unter den Passagieren nicht so überflüssig vorkamen und leichter Anschluß fänden, hatte der Veranstalter in allen Speisesälen Singletische eingerichtet. So ergab es sich, daß Pinky, Blomeier und Paula am selben Tisch saßen.
Pinky kam Paulas Gesicht irgendwie bekannt vor, aber er konnte sich nicht erinnern, wo er ihr begegnet sein könnte. Schließlich glaubte er, sich getäuscht zu haben.
Der vierte im Bunde war ein Amerikaner, ein rustikal wirkender älterer Herr mit vollem weißen Haar und buschigen Brauen, der sich mit dröhnender Stimme als Jasper Hollister vorstellte. Nummer fünf war der Bursche, mit dem Pinky an Deck zusammengestoßen war. Er war mit Abstand der bestaussehende Mann im Saal, wenn nicht gar auf dem Schiff, was Pinky ärgerte, denn er konnte keine Konkurrenz in Sachen Blomeier gebrauchen. Nummer sechs fehlte. Laut Tischkarte sollte auf diesem Platz jemand namens Andersen sitzen.
Es ging festlich zu am ersten Abend auf der Victoria. Man trank Champagner, und auf den Tischen standen Kandelaber. Blomeier, der eigentlich allen stimulierenden Genüssen abgeschworen hatte, nippte nur. Auf Anraten Pinkys hatte er sich für sein neues weinrotes Dinnerjacket entschieden. Das weiße trug er besser erst, wenn er ein bißchen Farbe bekommen hatte. Er war ganz gerührt über die ungewohnte Fürsorge seines Assistenten, und es tat ihm direkt leid, ihn so falsch eingeschätzt zu haben. Zudem fühlte er sich seinem Vorbild Yorick noch näher, der ja in seinem Diener La Fleur einen ähnlichen Begleiter hatte.
Paula Simon war bereits beim dritten Glas Champagner und stillte ihren Kummer mit Hummerschwänzen. Ihr dunkelblaues schulterfreies Seidenkleid spannte in der Taille. Von morgen an würde sie Diät halten und das Fitneßangebot an Bord ausgiebig nutzen. Vorerst bestellte sie noch eine Extraportion Chilimayonnaise.
»Sehr wohl, der Herr«, säuselte der Kellner zerstreut, bemerkte seinen Fauxpas jedoch sofort und entschuldigte sich. »Da muß ein Fehler bei der Reservierung passiert sein«, stotterte er, »ich führe einen Herrn Simon auf meiner Liste.«
Schon die Erwähnung des Namens schnürte Paula die Kehle zu, und Tränen schossen ihr in die Augen. Solche Anfälle hatte sie ständig. Vorhin zum Beispiel, als sie zusah, wie die Sonne im Meer versank und ein Pärchen neben ihr sich innig küßte ... Paula merkte, daß alle am Tisch sie ansahen.
»Der Pfeffer«, flüsterte sie mit erstickter Stimme und tastete nach ihrer Handtasche.
Verschwommen sah sie ein kariertes und ein blütenweißes Taschentuch in ihrem Blickfeld auftauchen. Der Besitzer des weißen Taschentuchs war schneller. Es war der gutaussehende junge Mann, und ehe Paula wußte, wie ihr geschah, trocknete er ihr die Tränen. Er schien Übung in solcherlei Betätigung zu haben, denn Paulas Make-up nahm keinen Schaden.
Der Amerikaner betrachtete ihn mißbilligend und steckte sein kariertes Tuch wieder ein.
»Es geht schon wieder«, stieß Paula endlich hervor, »vielen Dank, Herr ...«
Das Taschentuch des jungen Mannes verströmte einen schweren Moschusduft, der ihr den Atem nahm, und außerdem war ihr die Sache peinlich.
»Nennen Sie mich einfach Raymond.« Der junge Mann hatte eine dunkle, weiche Stimme.
Nennen Sie mich einfach Raymond, äffte Pinky ihn im stillen nach.
Routinemäßig ließ er den Blick schweifen, doch die aufregende Schöne vom Deck war nirgends zu sehen. Er hatte den Steward bestochen, damit der sich für ihn umhörte. Gerda würde ihm ein Spesenkonto einräumen müssen. Pinky seufzte und legte dem entsetzten Blomeier ein halbes Dutzend Austern auf den Teller. Er würde seine ganze Manneskraft brauchen.
Um das Kennenlernen zu erleichtern, lud Jasper Hollister seine Tischgenossen in die Bar mit dem vielversprechenden Namen Heaven's Gate ein.
Der sensible Blomeier bat, sich zurückziehen zu dürfen. Ihm war diese Gesellschaft zu vulgär – simple Reisende eben.
In der Bar sorgten Sam & Sally für Stimmung, ein Duo, bestehend aus einer schwarzen Sängerin und einem Pianospieler, der ebenso schwarz und sexy war wie seine Partnerin. Beim Anblick der Sängerin geriet Pinkys Herz zum zweiten Mal an diesem Tag aus dem Takt. Doch er ahnte schon, daß sie mit dem Pianospieler verhandelt war. Alle Frauen, die ihm gefielen, waren stets für andere bestimmt.
Aber er war ja ohnehin nicht zu seinem Vergnügen unterwegs ...
Zunächst einmal wollte er sich diesen Raymond vorknöpfen, der ein ausgesprochener Schürzenjäger zu sein schien und Paula nicht mehr von der Seite wich.
»Ich möchte Sie etwas fragen«, begann Pinky und beugte sich vertraulich zu ihm hinüber, »die Dame vorhin auf dem Deck, die in dem weißen Kostüm, wissen Sie, wer das ist?«