Terra - Science Fiction 04: Raumschiff Neptun 01 - Der verzauberte Planet - Walter Ernsting - E-Book

Terra - Science Fiction 04: Raumschiff Neptun 01 - Der verzauberte Planet E-Book

Walter Ernsting

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Beschreibung

Raumschiff Neptun (1) Die Pionierzeit der interstellaren Raumfahrt hat begonnen. Der Multimillionär Eugen Tarrot bricht mit seiner Weltraumjacht NEPTUN in die Unendlichkeit des Weltalls auf. Er und seine Freunde verstehen sich als Prospektoren. Gezielt steuern sie einen erdähnlichen Planeten an, scheinbar eine Traumwelt. Doch kurz nach der Landung passiert Unglaubliches.

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In dieser Reihe bisher erschienen

3301 Dwight V. Swain Dunkles Schicksal

3302 Ronald M. Hahn Die Stadt am Ende der Welt

3303 Peter Dubina Die Wächter des Alls

3304 Walter Ernsting Der verzauberte Planet

3305 Walter Ernsting Begegnung im Weltraum

3306 Walter Ernsting Tempel der Götter

3307 Axel Kruse Tsinahpah

3308 Axel Kruse Mutter

3309 Axel Kruse Ein Junge, sein Hund und der Fluß

3310Ronald M. Hahn Die Herren der Zeit

3311 Peter Dubina Die letzte Fahrt der Krakatau

3312 Axel Kruse Knochen

3313 Ronald M. Hahn Projekt Replikant

DER VERZAUBERTE PLANET

RAUMSCHIFF NEPTUN NO.01

TERRA - SCIENCE FICTION

BUCH 4

WALTER ERNSTING

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2023 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Vignette: Ralph Kretschmann

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

3304 vom 11.08.2024

ISBN: 978-3-95719-694-1

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Walter Ernsting (1920-2005)

Literaturverzeichnis

EINS

Als im Jahr 2020 der Gravital-Antrieb erfunden wurde, begann die Pionierzeit der echten interstellaren Raumfahrt. Nun ging es nicht nur mehr darum, zu den ohnehin wenig ertragreichen Planeten des eigenen Sonnen-systems zu fliegen, sondern die Trabanten anderer Sterne zu entdecken und auf ihnen zu landen.

Eugen Tarrot war fünfundzwanzig Jahre alt, als das erste Versuchsschiff die gefürchtete Licht-barriere durchbrach und nach zwei Wochen heil zur Erde zurückkehrte. Die Kontrollinstrumente bewiesen einwandfrei, dass die beiden Astronauten in diesen vierzehn Tagen eine Strecke von nahezu einem Lichtjahr zurückgelegt hatten.

Sie hatten die Sonne als winzigen Stern unter vielen gesehen.

Eugen Tarrot konnte sich noch gut an jenen Tag erinnern, der nun fünfzehn Jahre zurücklag. Sein Vater, allmächtiger Boss und Besitzer der internationalen Atomic Energy Corporation, kurz AEC genannt, hatte ihn einige Wochen zuvor zum Repräsentanten der Firma für Südamerika ernannt. Seine Pläne für die Zukunft sahen zwar etwas anders aus, aber vorerst war der Wille und Wunsch seines Vaters maßgebend.

Die zurückkehrenden Astronauten hatten sich erst kurz vor der Landung über Funk melden können, da sie schneller als die Funkwellen flogen. Ihre unterwegs abgestrahlten Sendungen würden erst Wochen und Monate später eintreffen. Ihr Empfang ging über Video-TV um den ganzen Erdball, und da alle Nationen der Welt an dem Projekt mitgearbeitet hatten, waren Ehre und Erfolg gleichmäßig verteilt.

Gene, wie ihn seine Freunde nannten, war an diesem Tag nicht in sein Büro gefahren. Neben dem Swimmingpool saß er in dem bequemen Korb-sessel und verfolgte jede Phase der Landung auf dem dreidimensionalen Bildschirm. Sein Bungalow lag außerhalb von Brasilia, der Hauptstadt des Landes, in der er nun lebte.

Die beiden Astronauten, Martens und Kosselow, demonstrierten noch vor dem Aussteigen die Wirksamkeit des Antigravitationsfeldes, das Teil des neuen Antriebs war. Scheinbar schwerelos und ohne jedes Gewicht schwebte das Schiff etwa einen Meter über der Betonfläche der Landebahn, ehe es end-gültig niederging. Dann erst öffnete sich die Luke.

Die Begrüßungszeremonie interessierte Eugen weniger. Er stand auf, um sich aus der Bar etwas zum Trinken zu holen. Am späten Nachmittag erst sollten die technischen Daten des Fluges bekannt gegeben werden.

Soweit er zurückdenken konnte, hatte die Raumfahrt ihn begeistert. Sein Vater hatte ihm die alten Filme der ersten Pionierzeit gekauft – die Landung auf dem Mond, dann auf dem Mars. Als er geboren wurde, betrat zum ersten Mal ein Mensch den Boden des Saturn-mondes Titan. Die anderen folgten, auch die des Jupiter. Sonden brachten Proben von den äußersten Planeten. Leben wurde nur in Form von Sporen und Bakterien gefunden. Der Mensch war allein im Sonnensystem.

Selbst der Atomantrieb brachte keinen wesentlichen Fortschritt, aber die Gerüchte wollten nicht verstummen, dass die Weltraumbehörde einer umwälzenden Ent-deckung auf der Spur sei. Erste Tatsachen sickerten um die Jahrtausendwende durch, als Eugen gerade fünf Jahre alt war. Als er fünfzehn war, verließ die erste Sonde mit zehnfacher Licht-geschwindigkeit den Schwerebereich der Sonne.

Dann kam der Testflug von Martens und -Kosselow. Von nun an nahm die Entwicklung einen ungeahnt stürmischen Verlauf.

Bemannte Flüge zum nächsten Sonnensystem folgten, aber die beiden Planeten von Alpha -Centauri waren unbewohnt. Allerdings besaßen sie eine sich gerade bildende Atmosphäre mit beachtlichen Spuren von Sauerstoff.

Mit Messinstrumenten wurden reiche Lager an wertvollen Rohstoffen festgestellt. Allein die Proben, die von den Raumfahrern mitgebracht wurden, machten den Flug bezahlt.

Als um das Jahr 2000 die Erdölquellen nahezu versiegt waren, konnte die Menschheit froh sein, dass es genügend Atomkraftwerke gab. Vorausschauende Männer wie Tarrot senior waren dadurch zu Milliar-dären geworden, aber auch die Energiekrise gehörte der Vergangenheit an, wenn auch das Problem der sicheren Abladung des Atommülls noch immer nicht restlos gelöst worden war.

Die Idee, das Prinzip des Gravital-Antriebs zur Energie-erzeugung zu verwenden, kam erst im Jahr 2025 auf. Fünf Jahre später lieferten die ersten Werke dieser Art unzählige Megawatt in allen Teilen der Welt. Die Atomkraftwerke konnten auf den Schrott geworfen werden.

Das war ein Schlag, den Eugens Vater nicht verwinden konnte. Er starb kurze Zeit darauf und hinterließ seinem einzigen Sohn sein gesamtes Vermögen, das immerhin noch einige Hundert Millionen wert war.

Und damit begann das Abenteuer, von dem Eugen -Tarrot sein Leben lang geträumt hatte.

Der Tacho zeigte 250 Stundenkilometer an, als Eugen Tarrot auf der Schwebestraße von Frankfurt nach London fuhr. Er plante den kurzen Umweg über Paris und warf einen Blick auf das Lademessgerät der Speicherbatterie. Sie war noch halb voll. Das würde bis England reichen, dort konnte er sie umtauschen.

Durch den transparenten Beton hindurch sah er die Landschaft unter sich. Die Luft war klar und sauber; Dunstglocken über den Städten gab es schon lange nicht mehr. Ein Leuchtzeichen auf der sich abrollenden Karte zeigte, dass er sich Straßburg näherte.

Er fuhr auf der mittleren elektronischen Leitspur, rechts blieben langsamere Wagen zurück, links überholten ihn die schnelleren. Bei der nächsten Weiche würde er nach rechts wechseln. Er hatte Zeit.

Dann gondelte er mit 150 Sachen dahin, über Straßburg hinweg. Die Strahlengrenzkontrolle hatte ihn ohne anzuhalten passieren lassen. In Sekundenschnelle war seine Identität festgestellt und für in Ordnung befunden worden. Schmuggeln war längst überflüssig geworden.

Das Warnsystem im Armaturenbrett signalisierte plötzlich Gefahr, gleichzeitig löste sich die Halterung des Wagens aus der Gleitschiene. Geistesgegenwärtig packte Eugen das sonst überflüssige Lenkrad und steuerte auf den Parkstreifen. Langsam ließ er den Wagen ausrollen und kam fünfzig Meter hinter einem anderen Fahrzeug zum Stehen, das noch aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen schien, so alt sah es aus. Möglicherweise fuhr es noch mit einem kleinen Atomreaktor.

Die Batterie war leer. Ungläubig starrte Eugen auf den Zeiger, der auf Null stand. Und noch vor einer halben Stunde hatte er für mindestens sieben bis acht Stunden Ladung angezeigt.

Er schaltete alle Systeme ab und stieg aus. Mit den drei unterschiedlichen Festgeschwindigkeiten rasten die anderen Autos an ihm vorbei. Sie wurden nicht gestoppt, da er keinen Notruf ausgestrahlt hatte.

Unter sich sah er Wälder und Dörfer. Das musste schon Frankreich sein. Obwohl er die Panne mit der Speicherbatterie nicht begriff, machte er sich keine Sorgen. Ein Funksignal genügte, und man würde ihm eine neue bringen.

Aus dem Wagen vor ihm stieg ein Mann. Er hatte Mühe, sich durch die Tür zu zwängen, schaffte es aber schließlich doch. Er winkte Eugen zu und setzte sich dann in Bewegung. Seine Glatze schimmerte rosarot im Schein der Mittagssonne, und mehrmals wischte er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn.

„Schöner Tag heute“, sagte er, als er bei Eugen anlangte und dessen Wagen mit bewundernden Blicken streifte. „Feiner Schlitten, scheint aber etwas nicht in Ordnung zu sein.“

Eugen nahm die Hand, die sich ihm entgegenstreckte.

„Woher wissen Sie das?“

„Er sprang aus der Leitschiene, ohne die nächste Weiche abzuwarten.“

„Sie sind ein guter Beobachter. In der Tat, das Warn-system schaltete sich ein. Meine Speicherbatterie ist plötzlich leer geworden. Vor einer halben Stunde war sie noch halb voll.“

Der Fremde war ziemlich korpulent und wirkte etwas tollpatschig. Er ging zweimal um den Wagen herum, bückte sich und inspizierte ihn dann von unten, so gut es seine Beleibtheit zuließ. Als er sich wieder aufrichtete, schwitzte er noch mehr als vorher.

„Habe ich mir doch gedacht“, murmelte er zufrieden mit sich selbst. „Ein Blitzkurzer!“

„Was ist denn das?“, wunderte sich Eugen.

Der Dicke grinste breit.

„Sie haben wohl nicht viel Ahnung davon, was? Setzen sich einfach in die vollautomatische Mühle und -fahren los, stimmt’s? Na ja, dachte ich mir schon. Wenn Ihnen jetzt der Notdienst eine neue Batterie brächte und umtauschte, würde Ihnen das nicht viel nützen. Sie wäre in ein paar Minuten wieder leer. Es sei denn, die hätten einen Fachmann dabei.“

„Und Sie sind einer?“

Der Dicke lächelte geschmeichelt.

„Ja, man könnte mich so nennen. Übrigens – ich heiße Patrik O’Brian, bin aus Irland. Lebe aber schon lange hier in der Gegend.“

„Eugen Tarrot“, nannte auch Eugen seinen Namen.

O’Brian sah ihn aufmerksamer als bisher an.

„Etwa der Tarrot?“

„Ganz richtig!“

Der Ire setzte sich mit einer Hälfte seines massigen Hinterteils auf den Kotflügel des Wagens, der sichtlich in die Knie ging.

„Junge, Junge, der Atom-Tarrot! Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Wissen Sie, dass ich noch eines von Ihren Reaktordingern fahre?“

„Ich dachte es mir. Man wird sie bald verbieten.“

„Bis dahin fällt mein Karren auseinander. Ich bin ohnehin erstaunt, dass er mich so lange ausgehalten hat.“ Er stand wieder auf, was der Wagen mit einem erleichterten Aufseufzen registrierte.

„Ja, da wollen wir uns mal um Ihren Kurzschluss kümmern. Funktioniert die Notbatterie noch, damit wir den Wagenheber einschalten können?“

„Ich denke schon, aber geben Sie sich keine Mühe. Ich rufe den Notdienst.“

O’Brian wehrte entsetzt ab.

„Das dürfen Sie mir nicht antun – schließlich habe ich doch den Fehler entdeckt! Die Batterie ist nämlich noch immer halb voll, wird jedoch ständig entladen. Das haben wir gleich.“

Eugen schaltete den automatischen Wagenheber ein, und noch während die Räder abhoben, schnellte der Anzeiger des Ladegerätes wieder in die Mitte der Skala zurück.

O’Brian kroch schnaufend unter das Fahrgestell und verschwand.

Eugen konnte nicht sehen, was er da machte, aber sein Gefühl sagte ihm, dass er es mit einem ehrlichen und hilfsbereiten Menschen zu tun hatte, dem er vertrauen durfte. Ein bisschen eitel war er zwar, aber wer war schon ganz ohne Fehler?

Nach zwei Minuten erschien der Ire wieder, klopfte sich den Staub von seinem Anzug und grinste fröhlich.

„So, fertig! Bei der nächsten Inspektion lassen Sie die Isolierung der Leitschienenverbindung erneuern, das ist alles.“

Eugen betätigte den Wagenheber, bis das Auto wieder auf allen vier Rädern stand. Der Zeiger des Ladegerätes rührte sich nicht. Die Batterie war halb voll.

„O’Brian, ich habe zu danken. Sicher haben Sie Zeit verloren, trotzdem möchte ich Sie bitten, in der nächsten Raststätte mein Gast zu sein. Wir können ja auf der rechten Spur fahren, damit Sie nicht zurückbleiben.“

O’Brian grinste schon wieder, diesmal aber anders und – wie es schien – ein wenig schmerzlich.

„Ich habe Ihnen gern geholfen, und ich würde auch Ihre Einladung annehmen, aber leider geht das nicht.“

„Also doch keine Zeit?“, fragte Eugen enttäuscht, denn der Ire begann ihm zu gefallen.

„Das schon, aber ...“ Er deutete in Richtung seines Wagens. „... kein Auto. Was Sie da sehen, ist ein Wrack. Der Reaktor hat seinen Geist aufgegeben, und ich habe kein Funkgerät. Ich wollte es Ihnen nicht sofort sagen, und wahrscheinlich hätte ich auch den Mund gehalten, wenn Sie mich nicht eingeladen hätten. So aber kann ich Sie nur bitten, den Abschleppdienst zu informieren.“

Eugen musste unwillkürlich lachen.

„Lieber Freund, das ist doch selbstverständlich. Schließlich stammt der Reaktor aus meiner Firma, da bin ich Ihnen einiges schuldig. Holen Sie Ihre persönlichen Dinge aus dem Wagen, und dann fahren Sie mit mir. Ich will nach Paris und London. Und Sie?“

„London wäre fein“, sagte O’Brian erfreut. „Warten Sie, ich bin gleich zurück ...“

Er stapfte zurück zu seinem Wrack.

Eugen sah ihm nach.

Patrik O’Brian hatte sich nicht sonderlich davon beeindrucken lassen, plötzlich einem der reichsten Männer der Welt gegenüberzustehen, wenn ihm dieser Zufall auch sehr gelegen kam. Zumindest konnte er damit rechnen, umsonst mit nach London genommen zu werden.

Eugen stieg ein und fuhr langsam mit Handsteuerung vor. Unmittelbar hinter O’Brians Wagen hielt er an und wartete, bis der Ire mit einem kleinen Handkoffer erschien. Inzwischen hatte er den Notdienst informiert. Man würde das Museumsstück abholen und verschrotten.

Diesmal reihte sich Eugen auf der linken Spur ein. Mit 300 Stundenkilometern ging es Paris entgegen.

„Wir bleiben bis morgen in Paris“, sagte Eugen, „wenn Sie einverstanden sind. Die Raststätte können wir vergessen. Sie sind mein Gast.“

„Sie sind der Boss.“ O’Brian war sofort einverstanden. „Ich versäume nichts.“

„Was und wo arbeiten Sie?“

Der Ire seufzte, als fiele ihm die Antwort schwer. Schließlich sagte er: „Das ist eigentlich eine lange Geschichte, und ich möchte Sie nicht langweilen.“

„Wir sind erst in einer Stunde am Ziel“, erinnerte ihn Eugen.

„Na schön, wenn es Sie interessiert, kann ich ja anfangen. Eigentlich bin ich ein Pechvogel, müssen Sie wissen. Dass ich nicht besonders intelligent bin, haben mir meine Eltern schon immer vorgehalten, aber richtig betrachtet habe ich das ja ihnen zu verdanken, wenn man die Mendelschen Vererbungsgesetze berücksichtigt. Die Schule brachte ich gut hinter mich, obwohl ich die richtigen Antworten bei den Prüfungen mehr ahnte als wusste. Danach schlug ich mich als Mechaniker auf allen möglichen Gebieten durch. Ob Sie es nun glauben oder nicht, aber man hat mich immer wieder übers Ohr gehauen. Alle meine Erfindungen wurden von den Firmen geschluckt, mir gab man lediglich ein Taschengeld dafür. Und ich habe eine Menge Erfindungen gemacht. Kleinigkeiten, zugegeben, aber immerhin recht nützliche.“ Er deutete mit dem Daumen nach rückwärts. „Nun wissen Sie auch, warum ich eine schrottreife Mühle fuhr.“

„Sie hätten ein Mittel erfinden müssen, das Blech zusammenhält.“

O’Brian grinste schmerzlich.

„Sie haben gut lachen – als Milliardär.“

„Das ist vorbei. Ich bin gerade dabei, meine Geschäftsanteile und damit auch die Werke zu verkaufen. Unter dem Preis, versteht sich. Wer spricht heute noch von Atomenergie? Immerhin konnte ich noch ein paar Millionen flüssigmachen. Ich fürchte, ich muss mich nach einem Job umsehen.“

Der Ire schnappte nach Luft und wischte sich über die Glatze.

„Ein paar Millionen ...? Mann Gottes, wenn ich die hätte, könnte mir jeder Job gestohlen bleiben. Wissen Sie, was ich damit tun würde?“

„Keine Ahnung.“

„Ich würde mir ... ich würde mir eine Raumjacht kaufen. Ja, die werden doch jetzt in Serie hergestellt, sündhaft teuer natürlich, aber für Millionäre erschwinglich. Und dann würde ich ...“ Er stockte und warf seinem Nachbarn einen erstaunten Blick zu. „Was haben Sie denn?“

Eugen lachte und gab den Blick zurück.

„Warum ich lache? Weil ich genau das mit meinem restlichen Geld vorhabe. Die Jachten kosten etwa zweihundert Millionen, und die kriege ich vielleicht gerade noch zusammen. Kommt auf die restlichen -Aktienverkäufe in Europa und Amerika an. Ich hoffe, ich schaffe es.“

O’Brian hatte es die Sprache verschlagen. Minutenlang hockte er neben Eugen und starrte nach vorn auf die Fahrbahn. In der Ferne tauchte Paris auf. Der Wagen wechselte automatisch auf die mittlere und dann auf die rechte Spur, um dann auf die Abfahrt zu gleiten.

Die Leitzentrale der Metropole übernahm die Steuerung des Wagens, nachdem Eugen das Fahrtziel signalisiert hatte. Die Autos fuhren fast Stoßstange an Stoßstange, ohne sich je zu berühren.

„Was wollen Sie denn mit einem Raumschiff?“, brachte O’Brian schließlich hervor, als der Wagen ausscherte und vor dem Hotel anhielt. Ein Klicken verriet, dass die Fernkontrolle abgeschaltet wurde. „Wollen Sie etwa ...?“

„Wir unterhalten uns später darüber. Vergessen Sie Ihren Koffer nicht.“

Während sie ihre Zimmer buchten, wurde der Wagen vom Hoteldienst in die Tiefgarage gesteuert.

„Wir sehen uns in einer Stunde beim Essen“, sagte Eugen zu seinem neuen Bekannten. „In der Bar treffen wir uns ...“

Sie saßen satt und zufrieden an einem kleinen Tisch in der Bar. Der Raum war nur schwach erleuchtet, und es herrschte eine gemütliche Atmosphäre. Während des Essens hatten die beiden Männer kaum gesprochen. Die Unterhaltung drehte sich nur um belanglose Dinge, aber jeder wusste, dass man sich später noch eine Menge zu sagen haben würde. Die Andeutungen hatten genügt.

„Raumjachten werden von fast allen Nationen zu Forschungszwecken gekauft“, informierte Eugen den anscheinend ahnungslosen Iren. „Privatleute haben zu wenig Geld dafür, Staatskassen nicht. Aber es wird nicht nur Forschung betrieben. Sie müssen die Zeit, die gerade angebrochen ist, mit jener der ersten Entdeckerfahrten im Mittelalter vergleichen. Mutige Männer brachen auf, um die weißen Flecken von der Landkarte der Erde zu tilgen. Oder denken Sie an die Geschehnisse nach der Ent-deckung Amerikas. Ein ganzer unbekannter Kontinent lag vor den Eroberern. Es waren echte Pionierzeiten – so wie heute.“

„Heute? Wieso?“

„Unser Sonnensystem ist erforscht, Pat, das wissen Sie. Der Gravital-Antrieb ermöglicht es uns nun, in den interstellaren Raum vorzudringen. Vor uns liegt mehr als nur ein Kontinent. Vor uns liegt die Unendlichkeit. Die modernsten Jachten können in zehn Flugtagen ein volles Lichtjahr zurücklegen, und durch ein raffiniert ausgeklügeltes Ausgleichssystem wird die Zeitdilatation neutralisiert und somit unwirksam.“

„Davon hörte ich schon ...“

„Rein theoretisch rutschen wir beim Übergang zur Überlichtgeschwindigkeit natürlich ein Stück in die Zukunft, aber wir merken es nicht, weil kein -Bezugspunkt vorhanden ist. Sobald das Schiff jedoch mit Überlicht fliegt, läuft die Zeit außerhalb wieder zurück, und zwar genau um die Spanne, die sie vorher vorsprang. So ist alles kompensiert und bleibt beim Alten.“

„Das verstehe ich nicht ganz.“

„Ich auch nicht, aber es ist so. Jedenfalls haben schon mehrere Dutzend Schiffe unser Sonnensystem im Auftrag ihrer Regierungen verlassen. Und ich habe in Erfahrung gebracht, dass insgesamt drei Privatjachten ins Unbekannte aufgebrochen sind. Mein Schiff wird das vierte sein.“

Pat lehnte sich in den Sessel zurück. Er begann wieder zu schwitzen, obwohl es in der Bar nicht besonders warm war.

„Haben Sie denn einen Pilotenschein für Raumschiffe, Gene?“

Eugen lächelte und nickte.

„Bei meinen früheren Beziehungen war das einfach, nur durfte mein Vater, der damals noch lebte, nichts davon wissen. Es war nicht so schwierig, denn das Schiff wird vollautomatisch gesteuert und von einem Computer kontrolliert. Wenn man sich gut mit diesem Rechenkünstler versteht, ist alles andere kein Problem mehr.“

„Und was wollen Sie dort oben?“ Pat deutete gegen die Decke, als sähe er schon die Sterne der Milchstraße über sich funkeln. „Ich meine, nur so aus Abenteuerlust riskiert man doch nicht sein Leben.“

„Geld verdienen, Pat. Können Sie sich vorstellen, was es dort zu holen gibt? Unbekannte Welten, die noch nie ein Mensch gesehen oder gar betreten hat. Ich werde meine Jacht in ein kleines Labor verwandeln und zusätzliche Lagerräume statt der Kabinen einbauen lassen. Was glauben Sie, was ich alles mitbringen werde ...?“

Pat rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Ihm lag eine Frage auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Eugen begann sich zu amüsieren.

„Natürlich fliege ich nicht allein. Theoretisch könnte ich das schon, denn das Schiff wird vollautomatisch gesteuert, wie ich schon erwähnte. Aber ich glaube doch, dass es besser sein wird, einen zuverlässigen Begleiter mitzunehmen.“ Er fixierte Pat mit fragenden Blicken. „Nun, was meinen Sie dazu?“

Patrik O’Brian war sich darüber im Klaren, dass er vor der größten und wichtigsten Entscheidung seines Lebens stand. Die Frage seines neuen Freundes war eindeutig. Er hatte nicht viel zu verlieren, und so eine Chance bot sich einem Pechvogel wie ihm nur einmal im Leben. Vorsichtig sagte er: „Sie sollten wirklich nicht allein fliegen, Gene. Haben Sie schon jemanden, der mit Ihnen kommt?“

Gene leerte sein Glas und gab dem Mixer einen Wink.

„Sie sind ein schlechter Schauspieler, Pat. Also, was ist? Haben Sie Lust? Ich kenne viele Freunde, aber keinen, der einem armgewordenen Milliardär selbstlos geholfen hätte. Sind Sie verheiratet?“

„Ich hatte eine Frau, sie ist gestorben.“ Seine Augen wurden plötzlich größer. „Meinen Sie das im Ernst, Gene? Sie wollen mich mitnehmen, obwohl wir uns kaum kennen?“

„Die paar Stunden genügen. Ich glaube, Sie sind der richtige Mann für mich, praktisch veranlagt, zuverlässig, ehrlich. Sie werden manchmal fest zupacken müssen, und niemand kann wissen, was dort in den unbekannten Regionen auf uns wartet. Mein ganzes Geld wird für das Schiff draufgehen, aber was immer wir auch finden, wir teilen es. Sind Sie damit einverstanden?“

Pat wartete, bis die gefüllten Gläser gebracht wurden. Er hob das seine.

„Einverstanden? Und wenn Sie alles für sich behalten würden, wäre ich einverstanden, schließlich gehört das Schiff Ihnen.“

„Wir teilen!“, wiederholte Gene energisch und stieß mit ihm an. „Von jetzt an sind wir Partner.“

Sie tranken.

„Nur – ich glaube das alles noch nicht so richtig“, murmelte Pat unsicher, als er sein Glas auf den Tisch zurückstellte. „Es ist wie ein Märchen, so unwahrscheinlich und so schnell über mich hereingebrochen. Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Mechaniker, Sie sind reich und mächtig. Warum gerade ich?“

Gene lächelte nachsichtig.

„Sie haben mir heute einen guten Tipp gegeben, als ich mit dem Wagen hängen blieb, einen technischen Tipp. Es könnte gut sein, dass ich auf dem Flug wieder einen brauche. In der Theorie kenne ich mich bestens aus, aber die Praxis ...“

„Also gut, wir werden uns ergänzen.“ Patrik setzte sich sehr gerade hin. „Trinken wir auf unsere Partnerschaft!“

„Auf dass Freundschaft aus ihr werde!“, fügte Gene hinzu.

Von London aus flog Gene mit dem Strato-Jet nach Amerika, um den Kauf der Raumjacht perfekt zu machen. Pat blieb in England, um noch einige private Dinge zu regeln und seinen Job zu kündigen. Ein Telegramm würde ihn unterrichten, wann er nachkommen sollte. In seiner Brieftasche befanden sich seit Paris einige Tausender.

Die Jacht, schon seit einiger Zeit auf den Namen -Tarrot bestellt, konnte in zwei Wochen geliefert werden. Gene sorgte dafür, dass sie in der Werft blieb, damit die gewünschten Umbauten vorgenommen werden konnten. Dazu benötigte er Pats Rat und Hilfe.

Die vierzehn verbleibenden Tage nutzte er dazu, die restlichen Aktien und seine Liegenschaften zu verkaufen. Er behielt nur noch seine Blockhütte in Kanada, die ihm immer ein Refugium sein würde, wenn alles schiefging. Notfalls bot sie auch Platz für zwei Personen.

Dann, am verabredeten Tag, stand er zusammen mit Pat vor der Jacht.

Sie sah aus wie ein flacher Pilz mit einem dicken, kurzen Fuß. Der Durchmesser des Hutes betrug dreißig Meter, seine Höhe etwas mehr als sechs. Beim Fuß, der den Antrieb barg, waren die entsprechenden Maße zwanzig und dreieinhalb Meter. Das ganze Gebilde mochte auf den vier Landestützen knapp zwanzig Meter hoch sein.

Oben auf dem Hut saß in der Mitte die transparente Kontrollkuppel, die einen freien Blick nach allen Seiten gestattete.

„Sieht aus wie die Dinger, die vor einem halben Jahrhundert die Leute so aufregten“, stellte Pat fest. „Können wir rein?“

Gene grinste.

„Das Schiff gehört uns!“, sagte er stolz.

Pat begann sofort damit, Verbesserungsvorschläge für den unteren Teil vorzubringen, in dem die Vorräte, Ersatzteile und die erhoffte Fracht untergebracht werden sollten. Trotz seiner Korpulenz turnte er mit erstaunlicher Geschicklichkeit in die letzten Ecken der Jacht, bis er sie wie seine Westentasche kannte. Der Plan des Werkes kam ihm dabei sehr zustatten.

Bereits am folgenden Tag begannen die Techniker mit ihrer Arbeit, von Pat tatkräftig unterstützt. Gene holte inzwischen die Startgenehmigung bei der WSA (World Space Administration) ein. Sein Antrag lag dort schon seit Monaten und war genehmigt worden.

Auch hier wirkte noch der Name Tarrot.

Der erste Testflug fand zwölf Tage später statt.

Ein erfahrener Pilot und Techniker überwachte den Transport der Jacht zum Startplatz. Der flache Wagen bewegte sich nur langsam aus der Halle heraus. Auf dem silbernen Leib des Schiffes hoben sich die sechs Buchstaben groß und deutlich ab: NEPTUN.