Terra - Science Fiction 07: Tsinahpah - Axel Kruse - E-Book

Terra - Science Fiction 07: Tsinahpah E-Book

Axel Kruse

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Beschreibung

Die Revolution gegen das terranische Imperium auf Joruba war erfolgreich, aber sie fraß ihre Kinder. Die Revolutionsführerin Chini errichtete auf den Ruinen eine Diktatur. In diesen unruhigen Zeiten landet Mike Donovan auf Joruba. Er hilft dem Frachterkapitän Samuel Kors, dessen Ware auszuliefern. Beide geraten schon bald in einen Strudel unglaublicher Abenteuer.

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In dieser Reihe bisher erschienen

3301 Dwight V. Swain Dunkles Schicksal

3302 Ronald M. Hahn Die Stadt am Ende der Welt

3303 Peter Dubina Die Wächter des Alls

3304 Walter Ernsting Der verzauberte Planet

3305 Walter Ernsting Begegnung im Weltraum

3306 Walter Ernsting Tempel der Götter

3307 Axel Kruse Tsinahpah

3308 Axel Kruse Mutter

3309 Axel Kruse Ein Junge, sein Hund und der Fluß

3310Ronald M. Hahn Die Herren der Zeit

3311 Peter Dubina Die letzte Fahrt der Krakatau

3312 Axel Kruse Knochen

3313 Ronald M. Hahn Projekt Replikant

TSINAHPAH

EIN SAMUEL KORS ABENTEUER

TERRA - SCIENCE FICTION

BUCH 7

AXEL KRUSE

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.

In unserem Shop ist dieser Roman auch als E-Book lieferbar.

Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt. Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.

Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Redaktion: Jörg Kaegelmann

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Vignette: Ralph Kretschmann

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

3307 vom 11.08.2024

ISBN: 978-3-7579-7573-9

Für meinen alten Freund Guido.

Etwas verspätet wünsche ich dir alles Gute zum 60. Geburtstag.

INHALT

Geleitwort

Transportanbahnung

Ankunft auf Joruba

Fünf Lastwagen

Der Treck startet

Terras langer Atem

Rascaja

Der Energieschirm

Joruba City

Eier (Rosalie)

Neverland (Samuel)

Gordon (Samuel)

Kresdona oder Danora (Birg)

Unterwegs (Samuel)

Landung auf Danora (Rosalie)

Joruba (Samuel)

Anmerkungen

Über den Autor

GELEITWORT

von Brandon Q. Morris

Mike hätte wohl besser einen großen Bogen um Joruba gemacht, wie es alle Raumfahrer auf den umliegenden Stationen empfehlen.

Er weiß natürlich, warum er unbedingt dort landen will, obwohl eine selbst ernannte Königin fast die ganze Oberfläche unter einem Schutzschirm verborgen hat.

Eine Frau, darum geht es wohl, ansonsten lässt uns Axel Kruse schön im Unklaren. Der Lesende fühlt sich dabei ein bisschen wie der Papagei auf der Schulter des Piraten: Direkt an der Quelle der Geschichte, aber doch ohne Einfluss auf sie.

Die Story selbst entfaltet sich dann fast lakonisch. Wir stoßen auf den Titelhelden und dann schon auf seine treuesten Anhänger, die Moragues, die in symmetrischen Gruppen von je fünf Körpern unterwegs sind und dabei ein Komplexwesen bilden. Sie haben eine großartige Tradition: Sie antworten nur auf die richtigen Fragen. Haben Sie das mal versucht? Es werden doch viel zu oft die falschen Fragen gestellt.

Tatsächlich sind die Moragues sehr originell entworfen. Ich will hier nicht spoilern, aber ich kann versprechen, dass Sie Spaß mit ihnen haben werden. Wie überhaupt die von Kruse gezeichnete Welt sehr bunt ist. Sie macht so viel Spaß, dass ich selbst gern an Bord der Lahmen Ente gehen würde.

Kommen Sie mit? Antworten Sie bitte nur, wenn es auch die richtige Frage ist.

TRANSPORTANBAHNUNG

„Wie ist das denn passiert?“ Die Frau deutete mit ihrer Hand etwas undifferenziert auf meine Nase. Mit einer Hand, die über sechs Finger und einen weißen Pelz verfügte. Einen Pelz, der, abgesehen von ihrem Gesicht, ihren kompletten Körper bedeckte, zumindest mutmaßte ich, dass er sich auch unter der Kleidung fortsetzte.

Ich sah ihr in ihr schwarzes Gesicht, das einen wundervollen Kontrast zu den schulterlangen weißen Haaren bot, in die sich der Pelz auf ihrem Kopf verwandelt hatte. Nicht wirklich verwandelt, aber es hätte sein können.

„Gebrochen, vor einigen Jahren“, erwiderte ich.

„Nicht behandelt? Ist die medizinische Versorgung auf Terra so schlecht nach dem verlorenen Krieg? Sie sagten doch, dass Sie von dort kommen?“

„Nicht direkt von Terra, von Luna. Das ist Terras Trabant.“ Ich wollte schon genau sein, auch wenn es recht egal war, ja, ich kam direkt aus dem Herzen des ehemaligen terranischen Reiches. „Die Verletzung ist aber etwas älter. Ich habe sie mir auf Joruba zugezogen, während der Aufstände.“

„Auf Joruba“, sinnierte sie. „Und jetzt wollen Sie wieder dorthin zurück? Ist nicht wirklich besser geworden da. Was hat Sie denn nach Terra gebracht? Ist ja ein gutes Stück von Joruba entfernt.“

„Mein Vater hatte mich gebeten, zu kommen.“ Meine Stimme stockte ein wenig, aber ich konnte mich fangen. „Er hatte mir eine Nachricht geschickt, dass meine Mutter verstorben war. Ihm selbst ging es augenscheinlich auch nicht gut. Unterernährung und schlechte medizinische Versorgung wegen des Embargos, Sie verstehen?“

Die Frau nickte. Dann wedelte sie mit ihrer Hand dem Kellner zu. Ich kannte die Rasse nicht, er verfügte über vier Wurmfortsätze, die er als Fortbewegungsmittel einsetzte, einen ballförmigen Körper in der Mitte und wiederum vier Wurmfortsätze, mit denen er mit Gläsern bestückte Tabletts jonglierte. Eines seiner Beine schnellte nach oben, ergriff ein Glas mit dieser undefinierten blauen Flüssigkeit und stellte es vor ihr ab. Auch wenn er keine erkennbaren Augen hatte, fühlte ich, dass er mich ansah.

„Noch ein Bier“, sagte ich. Keine Experimente, nur ehrliche Getränke, keinen Mix, das war meine Devise.

Sie sah mich auffordernd an, während sie an ihrem Glas nippte. Ich fuhr fort.

„Kurz, er bat mich, zu kommen. Das Problem war, dass die Botschaft, die er geschickt hatte, fast ein Jahr unterwegs war und ich, selbst wenn ich sofort aufbrach, mindestens ebenso viel Zeit, vermutlich mehr, benötigen würde, um nach Hause zu kommen. – Ich brauchte gut anderthalb Standardjahre, ich habe meinen Vater nicht mehr lebend angetroffen.“ Ich schluckte, auch wenn es jetzt wiederum fast anderthalb Jahre her war, dass ich Terra verlassen hatte, es tat noch immer weh.

Sie hatte es gemerkt. Ihre Hand strich vorsichtig über die meine, dann zog sie sie zurück. Ich ergriff mein Bier und nahm einen tiefen Zug.

„Ich war lediglich um eine Woche zu spät. Eine blöde Woche! Wenn ich schneller gewesen wäre, ich hätte ihn noch lebend angetroffen. So konnte ich nur noch die Beerdigung organisieren und sein Hab und Gut verkaufen.“ Ich starrte in mein Glas. Es kam wieder alles hoch.

„Es tut mir leid“, sagte sie. Sie machte den Eindruck, dass sie es wirklich so meinte, wie sie es sagte. „Und jetzt suchen Sie eine Passage nach Joruba, wie mir der Barkeeper berichtet hat?“

Ich nickte. „Ja, ich will dorthin zurück. Terra ...“ Ich vermied es, Luna noch einmal zu erwähnen, damit konnte sie nichts anfangen. „... ist mir fremd geworden. Vor allem ist es dort nicht besser geworden, nach dem Krieg. Immer noch dieselben Ansichten, immer noch die Fremdenfeindlichkeit, da kann ich nicht leben.“

„Joruba ist auch nicht das Gelbe vom Ei“, gab sie zurück. „Die Revolution hat zwar das terranische Regime hinweggefegt, es aber durch ein anderes ersetzt, das auch nicht viel besser ist.“

„Ich habe bereits davon gehört“, gab ich zu.

„Und trotzdem wollen Sie dorthin zurück?“

„Dort habe ich Freunde. Ich sorge mich um sie. Außerdem will ich mir selbst ein Bild machen.“

„Eine Frau?“

Touché, wie kam sie zu der Frage?

„Ja, auch eine Frau“, gab ich zu. „Allerdings hatten wir uns damals bereits auseinandergelebt. Aber auch ihretwegen will ich zurück.“

„Sie können zahlen?“ Jetzt kam der geschäftliche Teil. Unvermeidlich.

„Ja.“

„Wir nehmen keine terranische Währung.“ Die Antwort war Standard hier draußen am Rim.

Ich grinste sie an. „Ich habe wohlweislich mein Geld schon lange umgetauscht. Was verlangen Sie?“

Sie nannte den Preis und ich akzeptierte, was blieb mir auch anderes übrig? Ich hatte ein gutes Gefühl bei ihr, jedenfalls ein wesentlich besseres als bei den Typen, die sich ansonsten in dieser Spelunke herumtrieben.

„Die Lahme Ente ist kein Luxusschiff“, sagte sie. „Unser Schiff ist ein Frachter, nur ab und an nehmen wir auch Passagiere an Bord. Eine Kabine bekommen Sie trotzdem, sogar mit eigener Sanitärzelle“, fügte sie an. „Essen gibt es in der Gemeinschaftseinrichtung, in der essen wir auch.“

„Wer ist denn wir?“, fragte ich.

Sie lachte. „Vor Ihnen sitzt der erste Offizier, Maat und die Mannschaft der Lahmen Ente, daneben gibt es noch den Kapitän, Steuermann und Verlademeister in Personalunion. Ansonsten nichts weiter. Wir fliegen zu zweit.“

Das hatte ich nicht anders erwartet, ein Familienbetrieb, das war hier draußen am Rim so üblich.

„Wann soll ich mich einfinden?“

Sie trank den letzten Rest aus ihrem Glas, stellte es auf dem Tisch ab und sagte: „Sofort. Wir legen in drei Stunden ab. Wenn Sie jetzt nicht kommen, dann müssen Sie sich ein anderes Schiff suchen.“

Ich griff nach den Henkeln meiner Reisetasche, die ich unter dem Tisch deponiert hatte. „Ich habe alles dabei.“ Mir war klar gewesen, dass es unter Umständen schnell gehen musste, so hatte ich bereits aus der Unterkunft am Raumhafen ausgecheckt. Ich war davon ausgegangen, dass ich nicht noch eine weitere Nacht hierbleiben musste.

„Ihre ID-Karte haben Sie dabei?“, fragte sie. „Ohne die kommen Sie nicht in den Transferbereich des Raumhafens und somit auch nicht an Bord.“

„Selbstredend“, gab ich zurück.

„Na dann“, sagte sie und erhob sich. Bezahlte den Kellner, der wie herbeigezaubert sofort neben dem Tisch stand.

Auch ich griff in meine Tasche und warf ihm ein Geldstück zu, das meine Zeche nebst großzügigem Trinkgeld darstellte. Dann stand auch ich auf und folgte ihr zum Ausgang.

Mit der Einschienenbahn brauchten wir nicht lange, gerade mal zwei Stationen, dann waren wir an den Abfertigungsanlagen des Raumhafens angelangt. Sie passierte die Schleuse problemlos, bei mir dauerte es etwas länger, weil die KI Unterstützung anforderte. Sie wollte wohl nicht alleine entscheiden, ob sie einem Menschen, der geradewegs von Terra kam, Zugang zu dem geschützten Bereich des Hafens gewähren durfte.

Der Nichtmensch, der mich samt meiner ID-Karte beäugte, forderte mich auf, die Tasche zu öffnen. Mit seinen mindestens dreißig Zentimeter langen, mich an Stöcke erinnernden Fingern durchwühlte er mein Gepäck und gab es und damit mich schlussendlich frei. Ich seufzte auf und passierte ebenfalls die Schleuse.

Laufbänder brachten uns zu den Docks. Ein langer Tunnel musste noch durchschritten werden, dann standen wir vor einem Schott. Die Frau tippte einen Code auf dem Tastenfeld ein, es war hier alles ein wenig rückständig, dann öffnete sich das schwere Tor und wir konnten hindurchgehen. Wir befanden uns nun in einem flexiblen Schlauch, mit dem das Schott mit dem Schiff verbunden war. Ein Schlauch, der den Tausenden unterschiedlichen Systemen, die die Schiffe hier draußen hatten, Rechnung trug. Das andere Ende war an der Außenhülle des Frachtschiffes festgesaugt. Ich fühlte mich ein wenig unbehaglich ob der Tatsache, dass wenige Zentimeter von der Innenseite des Schlauches entfernt das absolute Vakuum war. Schließlich befanden wir uns auf einer Asteroidenstation im Gürtel dieses Systems.

Die Automatik der Türöffnung des Frachters war weitaus ausgefeilter als die der Station. Das konnte ich an dem Mechanismus deutlich erkennen. Vermutlich wurden hier neben Fingerabdruck- und Retinascan auch noch diverse biometrische Details abgefragt, bevor sich das Schott öffnete.

Allerdings hielt sich die Frau nicht damit auf. Sie zog ihren Kommunikator aus der Tasche, betätigte ihn und sagte: „Mach endlich auf, Sam.“

„Du bist nicht alleine“, kam die Antwort aus dem Gerät. Eine menschliche männliche Stimme.

„Sieht das so aus, als ob er mich bedrohen würde?“, gab sie genervt zurück. „Wir haben einen Passagier.“

Das Schott öffnete sich. Uns gegenüber stand ein Mann, der eine Waffe auf mich gerichtet hielt. „Samuel Kors“, stellte er sich vor. „Sie sind?“ Die Mündung der Handfeuerwaffe zielte auf meinen Oberkörper.

„Lass den Unfug, Sam. Er hat bezahlt.“ Die Frau ging an ihm vorbei und verschwand im Inneren des Schiffes.

Was nichts an der Waffe änderte, die nach wie vor auf mich gerichtet war. Ich versuchte, keine hektische Bewegung zu machen.

„Michael“, sagte ich. „Donovan. Meine Freunde nennen mich Mike.“ Ich stellte die Tasche ab und streckte ihm die Hand hin. Er machte auf mich keinen unsympathischen Eindruck, sah man mal von dem Ding ab, das er in seiner Hand hielt.

Er wirbelte die Waffe an seinem Finger herum und steckte sie in das Holster an seinem Gürtel. Dann ergriff er meine Hand.

„Willkommen an Bord, Mike“, sagte er dann. „Ich vertraue Nadarjas Instinkt, sie hat sie ja wohl akzeptiert. Folgen Sie mir.“ Damit drehte er sich um und ging in das Innere des Frachters.

Ich folgte ihm. Hinter mir schloss sich das Schott automatisch.

„Ihre Kabine“, sagte der Kapitän und deutete auf eine Tür rechter Hand. „Die Kantine ist den Gang runter und dann links. Wir essen in einer halben Stunde.“

„Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich direkt mitkomme?“, fragte ich, stieß die Tür auf und warf meine Tasche hinein. „Ich wüsste nicht, was ich in der Zwischenzeit in der Kabine machen sollte.“

Er war schon ein paar Schritte weiter, drehte sich um und winkte mir zu. Dann ging er weiter. Ich folgte ihm.

Die Kantine war durchaus geräumig. Hier konnten mindestens zwanzig Menschen an dem langen Tisch sitzen. An der Wand war neben einem Lebensmitteldrucker auch die Möglichkeit einer normalen Kochgelegenheit gegeben. Der Geruch von frisch zubereitetem Essen verbreitete sich in der Luft. Ich fühlte mich wohl hier.

„Irgendwelche Wünsche, was das Essen angeht?“, fragte mich Nadarja.

Ich schüttelte den Kopf. „Ich nehme gerne das, was Sie auch essen.“

Es waren angenehme Leute, mein Gefühl in der Taverne hatte mich nicht getrogen. Wir unterhielten uns lange während des Essens. Sie erzählten von ihrem Heimatstützpunkt, einem Planeten namens Neverland, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Ich erzählte viel aus meinem Leben, vor allem meine Erlebnisse während der Revolution auf Joruba. Sie hörten aufmerksam zu.

„Jetzt verstehe ich, dass Sie dorthin zurückwollen“, merkte Nadarja an. „Diese Frau, sie hat Ihnen viel bedeutet, nicht wahr?“

Ich nickte. „Ja, aber sie hat mich auch enttäuscht“, gab ich zurück. „Ich muss da etwas regeln, geraderücken“, sagte ich.

Die beiden sahen mich lange an, dann sagte Sam: „Da hast du dir aber viel vorgenommen.“ Er streckte mir noch einmal die Hand hin. „Samuel Kors“, sagte er. „Sam für meine Freunde.“

ANKUNFT AUF JORUBA

Vor dem letzten Sprung trafen wir drei uns auf der Brücke, dem hochtrabend sogenannten Kontrollraum der Lahmen Ente. Joruba, das Ziel meiner endlosen Reise, lag nun wieder in erreichbarer Nähe.

Wir kamen jenseits des Asteroidengürtels im System an. Die Sensoren erfassten ... nun, sie erfassten rein gar nichts. Kein Verkehr im System. Kein anderes Raumschiff. Das war einmal anders gewesen, vor Jahren. Und davor war es Jahrhunderte lang dasselbe Bild, das sich uns auch bot. Joruba war eine der vergessenen Kolonien gewesen. Eine, die von den Terranern wiederentdeckt worden war. Wobei wiederentdeckt sicherlich das falsche Wort war. Die Terraner hatten sich die alten Karteien vorgenommen und gezielt die Kolonien aufgesucht, vorzugsweise, um auf ihnen ihre Basen zu errichten und die Bevölkerung für ihre Truppen zu rekrutieren, wenn es denn noch Bevölkerung gab.

Die meisten der alten Kolonien waren gescheitert, nachdem man sie Jahrhunderte sich selbst überlassen hatte. Joruba nicht, sie war eine der etwa zehn Prozent an Ausnahmen. Eine Kolonie, die es geschafft hatte, zu überleben. Autark in der Versorgung mit Lebensmitteln, das stand immer an erster Stelle. Wenn das nicht sofort klappte, dann war alles andere ebenfalls hinfällig. Unter den überlebensfähigen Kolonien war, soweit ich das wusste, keine einzige gewesen, die das ursprüngliche technische Level hatte halten können. Auch Joruba nicht. Es hatte sich eine Gesellschaft gebildet, die Metall nur noch rudimentär von Hand verarbeitete. Arbeitsteilung und damit Fabriken waren unbekannt gewesen, bis die Terraner kamen.

„Was habt ihr eigentlich geladen, das auf Joruba so dringend benötigt wird?“, fragte ich, während Sam den Antigravantrieb einschaltete und uns mit Höchstgeschwindigkeit in Richtung der inneren Planeten brachte. In wenigen Stunden würden wir dort sein.

„Saatgut“, antwortete Nadarja.

„Saatgut?“ Das verblüffte mich.

Sie nickte. „Mike, du warst etwa drei Standardjahre weg, da ist viel passiert. Auf Joruba hatten sie im letzten Jahr eine Hungersnot. Um die abzumildern, wurden die Speicher mit dem Saatgut freigegeben. Jetzt haben sie keines mehr, um neu auszusäen. Ein Teufelskreis.“

„Eine Hungersnot?“ Ich starrte auf den Bildschirm, auf dem der Planet langsam zu erkennen war. Wie konnte das sein? Wenn da unten etwas funktionierte, dann war es die Selbstversorgung durch die kleinen Höfe. Alles, vor allem die Nahrungsmittelversorgung, war dezentral aufgestellt.

„Die neue Regierung hat Fehler gemacht, extreme Fehler“, sagte Sam.

„Sie haben einen Großteil ihrer Ernte verkauft, um Geld zu bekommen, mit dem sie dann Waffensysteme installiert haben.“ Nadarja schaltete irgendwas an den Armaturen vor sich.

Die KI meldete sich mit einer sympathischen Frauenstimme: „Ankunft in zwanzig Minuten. Parkposition im Orbit gewünscht oder direkter Landeanflug?“

„Parkposition“, wies Nadarja den Computer an. Ich konnte bei so einem Ding nicht von einer Person sprechen, auch wenn Tests bewiesen, dass man den Unterschied nicht feststellen konnte, wenn man sich mit ihnen unterhielt.

„Was für Waffensysteme? Was kann denn so teuer sein, dass man dafür die Ernte ...?“

„Du bist zu lange weggewesen. Diese Chini hat ein Königreich errichtet, mit sich als Alleinherrscherin an der Spitze. Das galt es zu sichern, auch nach außen hin.“ Sam machte noch einige Eingaben, dann lehnte er sich in seinem Sitz zurück. „Sie hat einen Energieschirm erworben, der den halben Südkontinent überdeckt.“

„Außerdem ganze Batterien von Flugabwehrgeschützen. Wenn die da unten wollen, dann pusten sie jedes Raumschiff im Landeanflug einfach weg.“ Nadarja hielt kurz inne. „Das kostet schon eine Stange Geld.“

„Aber das ist doch unsinnig“, wagte ich einzuwerfen.

„Kommt auf den Blickwinkel an. Wenn du Angst um die gerade erst erworbene Macht hast ...“ Nadarja seufzte tief.

„Und ihr macht Geschäfte mit einem solchen Regime?“

Sam sah mich an. „Willst du die Leute da unten verhungern lassen?“

Ein Dilemma, klar.

„Wir sind keine Heilsarmee, auch wir müssen leben. Aber du hast schon recht, wir haben lange diskutiert, ob wir den Frachtauftrag annehmen sollen oder nicht.“

„Die Leute da unten schieben Hunger und wir brauchen das Geld. Ich fühle mich nicht wohl dabei, ja, aber in erster Linie bin ich Frachtführer und verbringe Ware von A nach B.“ Sam legte einen der Kippschalter am Instrumentenbord um. Er bemerkte meinen Blick. „Mechanik ist reparaturanfälliger, klar, aber sie verhindert, dass mein Schiff von außen übernommen werden kann. Wenn hier jemand ein Schadprogramm einschleust, schalte ich einfach die Komponenten ab, die es betrifft, notfalls alles.“

„Wir können demnach überhaupt nicht in der Hauptstadt landen?“

„Nein“, erwiderte Nadarja. „Die einzige autorisierte Landung ist ganz im Westen des Südkontinents möglich. Versucht man, an anderer Stelle zu landen, wird man abgeschossen.“

„Das sind mehr als eintausend Kilometer bis zur Hauptstadt“, konstatierte ich.

„Ja“, bestätigte Sam. „Es könnte so einfach sein. Runter, landen, ausladen und wieder weg. So muss das Saatgut erst einmal am Boden weiter transportiert werden.“

„Was aber nicht unser Problem ist“, warf Nadarja ein. „Wir übergeben am Raumhafen und dann sind wir weg.“

„Wo soll das Saatgut denn zum Einsatz kommen? Ich meine räumlich. Es ist doch unsinnig, das erst zur Hauptstadt zu transportieren und von dort aus dann in die Regionen zu bringen.“ Ich sagte das mehr zu mir selbst, als zu den anderen.

Und richtig: „Keine Ahnung, ist auch nicht unser Bier“, erwiderte Nadarja. „Wir übergeben und sind für den Weitertransport nicht mehr verantwortlich.“

„Kontaktanfrage der Bodenstation“, ließ sich die KI vernehmen. Die Stimme hatte was, das war mir schon vorher aufgefallen.

„Schöne Idee, dem Computer diese Stimme zu verpassen“, kommentierte ich, auch um das Gespräch mal in eine andere Spur zu bringen.

„Ach die alte Leier.“ Ich schien bei Nadarja einen wunden Punkt getroffen zu haben.

„Ich habe dir schon oft gesagt, programmier sie um.“ Sam machte einen erschöpften Eindruck.

Nadarja winkte ab. „Ist mir nicht wichtig genug. Wenn es dich nicht stört, ständig an deine Ex erinnert zu werden ...“

Oh, da hatte ich wohl, ohne es zu ahnen, in ein Wespennest gestochen. Ich überlegte fieberhaft, wie ich da wieder rauskam.

„Gab es hier im System nicht auch Stützpunkte auf den Asteroiden? Was ist denn aus denen geworden?“

„Die sind nach Abzug der Terraner aufgegeben worden. Als Frühwarnsystem hätten sie getaugt, aber man hat da unten wohl entschieden, dass ein Frühwarnsystem nicht nötig ist. Ist ja grundsätzlich auch kein reger Verkehr hier. Da reicht es aus, wenn die Bodenstationen anfliegende Schiffe ins Visier nehmen. Mit einer Invasionsflotte ist wohl kaum zu rechnen. Wer hat schon Interesse an einem solchen Planeten? Die Kosten der Inbesitznahme wären so exorbitant, dass man auf Jahrhunderte hinaus keinen Nutzen daraus ziehen könnte.“

„Außer man will menschliche Soldaten, Knechte für sein Imperium“, meinte Nadarja.

„Terra liegt am Boden“, wagte ich einzuwerfen. „Ich komme von dort.“

„Ein Grund mehr für die jetzigen Machthaber da unten, erst einmal ihre Herrschaft auf dem Boden zu festigen, bevor sie sich an die alten Asteroidenstationen mit ihren Bergwerken wagen.“

„Die Herrschaft der Königin ist demnach nicht allgemein akzeptiert?“

„Wissen wir nicht.“

„Es gibt Gerüchte über eine Opposition“, sagte Sam.

„Genaues lässt sich da nicht sagen, nur das, was man so aufschnappt, wenn man sich mit anderen Raumfahrern auf Stationen unterhält, die mehrere Sprünge weit entfernt sind.“

„Einhellig ist auf jeden Fall die Meinung, dass man besser einen Bogen um Joruba macht, solange da unten Bürgerkrieg in der Luft liegt.“

„Ein geschundenes Land.“ Mehr konnte ich dazu nicht sagen.

„Wenn Terra hier nicht eingefallen wäre, die Leute wären klargekommen“, sagte Nadarja.

„Na ja, das kann man auch anders sehen“, meinte ich. „Die Bevölkerung kam klar, ja, aber sie lebte von der Hand in den Mund. Lokale Fürsten hatten sich ihre Pfründe gesichert, das war keine Gesellschaft, in der ich leben wollte. Dazu kam dann noch die Auseinandersetzung mit den einheimischen Intelligenzwesen.“

„Ich dachte, deren Unterdrückung kam erst mit den Terranern?“ Nadarjas Interesse war geweckt. Ich fragte mich zum wiederholten Male, ob sie selbst der menschlichen Gattung zuzurechnen war oder ob eine Laune der Natur sie nur recht menschenähnlich gestaltet hatte.

„Das Zusammenleben über die Jahrhunderte, binnen derer die Kolonie vergessen war, war nicht immer Zuckerschlecken“, referierte ich. „Auch sie hatten ihre Fürsten und Könige, auch sie führten Krieg. Sowohl untereinander als auch gegen die Nichtmenschen. Joruba war nie ein Paradies.“

„Wie sehen sie aus, diese ... wie heißen die Joruberaner?“

„Sie nennen sich selbst Morague, was so viel wie erdgebundene bedeutet. Sie haben drei Beine, einen darauf sitzenden schmalen und langen Rumpf sowie fünf Arme, die sternförmig von der Mitte des Oberkörpers abstehen. An den Enden der Arme sind wiederum je fünf Wurmfortsätze, die sich wie unsere Finger einsetzen lassen. Am oberen Ende des Rumpfes befinden sich fünf Augen, jeweils eines über jedem Arm. Sie haben dadurch eine Rundumsicht. Die Nahrungsaufnahme erfolgt durch eine Art Mund am tiefsten Punkt des Rumpfes. Die Ausscheidungen erfolgen ebenfalls durch diese Öffnung.“

„Hört sich nicht unbedingt appetitlich an“, sagte Nadarja.

„Sie sagen dasselbe von uns“, wagte ich anzumerken.

„Ich leite die Landung ein.“ Die Stimme der KI war wirklich angenehm. Ich verkniff mir jedoch, erneut darauf anzuspielen.

Von der Landung selbst bemerkte ich wenig. Es schien keinen Unterschied zu machen, ob das Schiff durch den Weltraum raste oder sich in einen Schwerkraftschacht absenkte. Keinerlei Turbulenzen waren spürbar. Lediglich ein kleines Zittern ging durch den Rumpf, als wir aufsetzten.

Ich war zurück auf Joruba.

FÜNF LASTWAGEN

Auf meiner Reise vom Sol-System hierher hatte ich an vielen Stellen Station gemacht, machen müssen. Je näher ich dem Rim kam, umso armseliger wurden sie. Der Raumhafen auf Joruba, auf dem wir landeten, toppte sie in dieser Hinsicht alle.

Es handelte sich um ein Feld, auf dem die Pflanzen dadurch gehindert wurden, höher zu wachsen, dass Schäfer ihre Tiere dort weiden ließen. Da wir eine nicht angekündigte Landung durchführen mussten, weil niemand außer einer KI unser Signal erwiderte, scheuchten wir eine Herde auf, die panisch vor der Lahmen Ente flüchtete.