Zeitsprünge gehen anders - Axel Kruse - E-Book

Zeitsprünge gehen anders E-Book

Axel Kruse

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Beschreibung

Immer noch auf der Suche nach der Antwort auf die Frage, warum die Zeitreisen häufig anders verlaufen als erwartet, geht die Geschichte um Andy und Catriona in die letzte Runde. Nach »Zeitreisen gehen anders« und »Zeittrips gehen anders« verschlägt es die Beiden erst ins Jahr 1815 nach Flandern, dann nach Viroconium ins Jahr 518 und abschließend nach Kettwig, wo es im Jahr 1643 dann doch anders aussieht, als es landläufig erwartet wird.

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Eine Veröffentlichung des Atlantis-Verlages, Stolberg Oktober 2023 Titelbild: Lothar Bauer Umschlaggestaltung: Timo Kümmel Lektorat und Satz: André Piotrowski ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-907-3 Dieses E-Book ist auch als Hardcover beim Verlag erhältlich. Besuchen Sie uns im Internet:www.atlantis-verlag.de
Für meinen alten Freund Michael, herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag!

Geleitwort zu Zeitsprünge gehen anders

oderVorsicht … Sie können gerade eine neue Zeitlinie schaffen oderVorsicht beim Zeitspringen, Sie könnten ein neues Universum erschaffen
* * *

Die Behauptung, ich hätte den von der Science-Fiction häufig benutzten Begriff Multiversum erfunden, den die Wissenschaft später übernommen hat, natürlich ohne Angabe des Urhebers, ist zumindest stark übertrieben. Benutzt hat ihn, wenn auch ohne ihn beim Namen zu nennen, der bekannte britische Science-Fiction-Autor Winston Churchill, der, glaube ich, auch einmal Premierminister des Vereinigten Königreichs war.

Er schildert in seinem Essay Wenn Robert E. Lee die Schlacht von Gettysburg NICHT gewonnen hätte … eine relativ friedliche Welt. In diesem idyllischen Zustand befindet sie sich, weil Churchill in seiner Story die beiden großen Weltkriege durch die Allianz der »Englisch sprechenden Nationen« (also der beiden Nachfolgestaaten, den USA und des britischen Empire) mit einem massiven Ultimatum verhindert hat. Anschließend gründet sich dann eine europäische Union (ohne UK, Churchill hat also auch den Brexit vorhergeahnt), die – Achtung, nicht erschrecken! – in ihren ersten Jahren vom deutschen Kaiser Wilhelm geführt wird …

Ich habe übrigens – man verzeihe mir die Eigenwerbung – in meinem SF-Roman Nebenweit, im Atlantis Verlag erschienen, die beiden Kriege auch verhindert, dafür aber nicht General Lee, sondern den damaligen preußischen Reichskanzler Otto von Bismarck verwendet, den Abraham Lincoln und Jefferson Davis als Vermittler bemüht haben, was auch zum Erfolg geführt hat.

Aber genug der Eigenwerbung. Schrödingers Katze (falls diese in einer ihrer Existenzformen inzwischen verstorben sein sollte) und die Herren Heisenberg und Planck und sonstige Koryphäen der Quantenphysik würden vermutlich in ihrem jeweiligen Grab rotieren, wenn sie von meiner Version des Multiversums erführen.

Dort wird durch jede Entscheidung zwischen zwei Alternativen, ob diese nun von einer Person, einem Atom oder einem Himmelskörper getroffen wird, jeweils ein alternatives Universum geschaffen, das nach dem Entscheidungsakt neben dem ursprünglichen Universum existiert.

Um es etwas anschaulicher und damit vielleicht verständlicher zu machen: Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden sich beim Frühstück, Ihren Kaffee diesmal »schwarz«, also ohne Sahne, zu trinken. Dann entsteht das »Black Coffee Universe« (weil das auf Englisch einfach besser klingt), die neben der »Kaffee-mit-Sahne-Welt« weiterbesteht. Von der durch die anschließende Entscheidung »mit oder ohne Zucker« entstehenden Variante schweigt des Sängers Höflichkeit …

Da es meinen Roman schon gab, als mich mein Freund Axel Kruse, von dem behauptet wird, er sei nebenbei auch Steuerberater, bat, für Zeitsprünge gehen anders ein Geleitwort zu schreiben, stand ich vor der Entscheidung, dies zu tun oder ihm höflich »Ich werde es mir überlegen« (also im Klartext: »Ich hab keine Lust«) zu sagen. Ich habe mich schließlich, weil Axel wirklich ein liebenswerter Mensch ist, für »Meinetwegen« entschieden. Und zum Teufel mit der »Ich werd’s mir überlegen«-Zeitlinie …

Andernfalls würden Sie ja auch – der Sie gerade in einer Buchhandlung stehen und dieses Geleitwort lesen – dazu gar nicht imstande sein.

Offenbar hat Axel meinen Text also akzeptiert und so kann ich Ihnen versichern, dass Ihnen die Lektüre von Zeitsprünge gehen anders großen Spaß machen wird. Das Buch wird auch sehr viel vernünftiger zu lesen sein als mein schon etwas von einem Scotch beeinflusster Text (nach Kaffee mit Sahne und Zucker, um nicht zu viel Zeitlinien zu schaffen …)

Also: Kaufen Sie das Buch! Der Buchhändler, der Verlag und Axel werden sich freuen. Und Sie werden mir, sobald Sie es gelesen haben. sicher recht geben.

Falls Sie andererseits das Buch wieder aus der Hand gelegt sich für ein anderes oder auch gar keinen Kauf entschieden haben, sollten Sie wissen, dass Sie damit eine neue Zeitlinie geschaffen haben. Und zu diesem schöpferischen Akt darf ich Sie trotz meiner Enttäuschung beglückwünschen.

München, im Januar 2022

Heinz Zwack (aka Heinz Nagel)

1. Kapitel 30.000 vor Christus

Die Höhle wurde vom Eingang her mit Tageslicht leidlich erhellt. Bereits beim Eintritt hatte ich wahrgenommen, dass sich grundsätzlich etwas in puncto Einrichtung verändert hatte. Waren die Höhlungen, in denen unsere Freunde gewohnt hatten, bislang immer recht karg gewesen, machte diese den Eindruck, als ob sie regelrecht möbliert sei.

Neben der Lagerstatt, auf der die alte Frau mit dem fast schneeweißen Haar – ich konnte mich noch nicht überwinden, in ihr Jennifer zu sehen – lag, befanden sich weitere Gegenstände hier.

Zwei Stühle, ein Tisch, sogar ein Regal. Alles recht grob zusammengezimmert. Auf jeden Fall aber Gegenstände, die wir in der Vergangenheit, wenn wir unsere Freunde hier aufgesucht hatten, nie angetroffen hatten.

Die Lagerstatt, auf der Jennifer lag, war fast schon ein Bett zu nennen. Vier Pfosten, Rahmen, ja sogar Querstreben, die eine Art Lattenrost bildeten. Auf ihnen lag eine Strohmatratze. Hier hatte Technologietransfer stattgefunden.

Die alte Frau hatte ihre Augen geschlossen, die Anstrengung, uns zu begrüßen, hatte Kräfte gekostet. Jetzt öffnete sie sie wieder.

»Cat, Andy«, flüsterte sie mehr, als dass sie es sagte. »Ich hätte mir gewünscht, ihr wärt früher gekommen.«

Wir knieten neben ihr nieder. Cat ergriff ihre Hand. »Die Einstellungen, irgendetwas muss ungenau gewesen sein …«

»Ich hätte euch gerne unsere Felder gezeigt. Jetzt bin ich schon über ein Jahr nicht mehr hingekommen. Wenn das Wetter es zulässt, tragen sie mich auf den Felsvorsprung, so kann ich zumindest mehr sehen. Ich hätte es euch gerne gezeigt.«

»Wir …« Ich unterbrach mich selbst. Was ich wirklich sagen wollte, wusste ich nicht. Was konnte man in einer solchen Situation auch sagen? Jennifer war ein Kind gewesen, als wir sie hier abgesetzt hatten, an einem sicheren Ort. Dann waren wir weitergezogen, nur um jetzt festzustellen, dass wir dieses Kind, das sie einmal gewesen war, verraten hatten. Sie hatte uns vertraut, hatte darauf vertraut, dass wir sie abholen würden. Nun hatte sie ihr Leben hier gelebt, unter den Neandertalern.

Sie musste Kinder bekommen haben. Diese wiederum Kinder. Nur so war es zu erklären, dass da draußen so viele Hybride herumliefen. Ich riss mich aus meinen Gedanken zurück in die Gegenwart.

»Jennifer, es tut uns leid. Wir wollten dich holen, wir …«

»Andy.« Sie fixierte mich mit den Augen. »Ich will hier nicht weg. Der Anfang war nicht einfach, ja. Aber sie haben mich akzeptiert. Vom ersten Augenblick an. Ich war unter Freunden. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich richtig glücklich war. Damals, in meiner Kindheit in England, das war ein täglicher Kampf. Auch wenn das Leben hier primitiver ist, ich bin glücklich.«

Eine Frau, ebenfalls schon im hohen Alter, trat mit einer Schale an das Bett. »Du musst trinken, Mutter«, sagte sie.

Jennifers Hände zitterten, als sie versuchte, nach der Schale zu greifen. Ihre Tochter hielt sie nach wie vor fest, Jennifer hätte es alleine nicht zustande gebracht, die Schale an den Mund zu führen.

Ermattet sackte sie zurück, nachdem sie mehrere Schlucke Wasser zu sich genommen hatte.

»Es geht zu Ende, ich spüre das. Bereits seit über einem Jahr kann ich nicht mehr aufstehen. Sie pflegen mich. Besser, als je jemand in meiner Kindheit in England gepflegt worden ist.«

»Sie muss schlafen«, sagte die Tochter und komplimentierte uns so aus der Höhle hinaus. »Ihr könnt in euren Raum einziehen. Wir haben eure Sachen nicht angerührt. Bis auf die Messer, die konnten wir gebrauchen. Mutter hat es uns erlaubt. Sie …« Die Frau sah uns unsicher an. Erwartete sie, dass wir ungehalten reagierten, weil sie sich der Messer bemächtigt hatten?

»Wir haben keine Verwendung für die Messer«, stellte Catriona klar. »Es ist völlig in Ordnung, dass ihr sie benutzt.«

Die Frau atmete erleichtert auf. Sie war eine der ältesten Bewohner der Siedlung, von Jennifer abgesehen. Demnach war niemand mehr hier, den wir von früher kannten. Alle unsere Freunde waren mittlerweile verstorben, wir hatten es mit ihren Nachkommen zu tun. Und die kannten uns nur aus den Erzählungen ihrer Eltern und Großeltern. Was mochten da für Gerüchte über uns kursieren?

»Der Eingang dort hinten?«, fragte ich und deutete auf eines der Löcher in der davon geradezu übersäten Felswand. Sicher war ich mir nicht mehr, ob es wirklich der richtige war.

Sie nickte. »Ihr werdet alles unverändert vorfinden«, bekräftigte sie nochmals.

Cat und ich erkletterten den Hang und standen alsbald vor dem Eingang, der zu unserer Höhle führte, wie sich Jennifers Tochter ausgedrückt hatte.

Auch in ihrem Inneren konnten wir leidlich gut sehen ob des Tageslichts, dass zumindest das vordere Drittel einigermaßen ausleuchtete.

Erstaunt standen wir vor Kisten. Kisten, die augenscheinlich aus einem Kunststoff hergestellt worden waren. Zehn an der Zahl. Jeweils mit Kantenlängen von je einem Meter Höhe, Breite und Länge. Perfekte Würfel.

Sie standen aufgereiht nebeneinander. So ordentlich, dass die zwei, die etwas versetzt nach hinten gerückt abgestellt waren, dermaßen aus der Reihe tanzten, dass sie dem Ganzen ein unordentliches Bild verliehen. Auf den Kisten war ein Symbol und unter diesem Buchstaben eingraviert.

»Das ist …« Mir blieb der Satz im Halse stecken.

»ASTROMINC«, vollendete Cat ihn. »Das ist Ausrüstungsmaterial oder zumindest entsprechende Boxen dafür. In diesen Kisten haben wir immer das Material transportiert.«

»Wo kommen die her, Cat? Ich meine, früher waren sie nicht hier!«

Sie zuckte die Achseln. »Lass uns nachsehen, was drin ist«, schlug sie vor.

Wir öffneten einen der Deckel nach dem anderen. Vakuumverschweißte Lebensmittelrationen, Goldmünzen mit einer mir unbekannten Prägung, Medikamente, Desintegrationspistolen, mehrere Amulette, Kleidung, ja sogar Zahnbürsten und andere Hygieneartikel.

Ungläubig schüttelte ich den Kopf. »Was geht hier vor, Cat? Ich verstehe die Kausalitäten nicht mehr, ich …«

»Hast du sie jemals verstanden?«

Die Frage ließ mich verstummen. Nein, wirklich verstanden hatte ich sie nie. Ich hatte es versucht, mir eingeredet, sie zu verstehen. Catrionas Ausführungen geglaubt und Widersprüche negiert oder sie wegdiskutiert. Das hier war schlechterdings unmöglich, außer man postulierte, dass eine weitere Zeitreiseexpedition aus Catrionas Zeit diese Ausrüstung hierher verbracht hatte.

Nur stand das im Widerspruch dazu, was Jennifers Tochter gesagt hatte. Sie war davon überzeugt, dass das unsere Sachen waren.

»Das lösen wir hier und heute nicht. Sollen wir uns eine der Notrationen gönnen? Oder möchtest du lieber mit Jennifers Nachkommen draußen essen?«

»Meinst du, die sind noch gut?«

»Kein Problem. Das Mindesthaltbarkeitsdatum sagt Juli 1671, das ist noch weit bis dahin.«

Ich grinste ob des Kalauers.

»Wirklich kein Problem, Andy. Die Dinger haben ab Verpackung eine Haltbarkeitsdauer von mehr als fünfzig Jahren. Wenn wir unterstellen, dass sie recht frisch verpackt waren, als sie hierher verbracht wurden, dürfte es kein Problem darstellen.«

»1643«, sinnierte ich. »Du bist 1643 gestartet, damals von ASTROMINC.« Ich versuchte zu rechnen, wie alt war Jennifer? Sie sah so alt aus, wie ich noch nie einen anderen Menschen in meiner Nähe wahrgenommen hatte. Konnte ich daraus ableiten, wie lange die Rationen hier lagen und ob sie noch genießbar waren? »Wir müssen es wohl drauf ankommen lassen.«

Cat nickte und riss eine Packung auf. »Huhn mit Reis. Selbst erhitzend. Habe ich schon lange nicht mehr gegessen. Was mich immer geärgert hat, ist der Abfall. Wir wussten nie so recht, wohin damit, wenn wir in einem Raumschiff unterwegs waren. Einfach aus der Luftschleuse werfen kam mir falsch vor.«

Da hatte sie nicht unrecht. Was wussten wir schon darüber, wie lange das Zeug benötigte, um zu verrotten, und welche Schäden es dabei anrichten würde? War das paranoid, sich über so etwas in unserer Situation Gedanken zu machen?

Das Huhn schmeckte gut, auch wenn wir es zu einem Zeitpunkt verspeisten, in dem noch nicht einmal seine Urahnen das Licht der Welt erblickt hatten.

»18.06.1815«, überlegte ich. »Das ist das Datum, das Simon eingegeben hatte. Mehr weiß ich nicht. Längen- und Breitengradeingaben konnte ich mir nicht merken.«

»Da bin ich raus, Andy. Meine Geschichtskenntnisse reichen nicht so weit. Alles, was nach meinem Startdatum geschehen ist, ist zudem so häufig durcheinandergewirbelt worden, dass ich überhaupt nicht mehr weiß, was davon ursprünglich kausal sein könnte und was durch Eingriffe entstanden ist.«

»Das neunzehnte Jahrhundert. Ich hatte es mal im Geschichtsunterricht. Bismarck, das Deutsche Reich, das kam alles erst im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert. Was war am Anfang? Und dann dieses konkrete Datum. Wenn wir das Datum mit einem Ereignis in Zusammenhang bringen, können wir den Ort mühelos lokalisieren. Was, wenn es kein einschneidendes historisches Datum ist? Er wollte nur sein Raumschiff abholen …«

»Das glaubst du doch selber nicht. Ja, er hatte sein Vehikel da geparkt, aber er muss doch ursprünglich einen Grund gehabt haben, dort zu sein. Das muss ein Wendepunkt in der Historie sein, der sich leicht manipulieren lässt.«

»Das zweite Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts …« Was wusste ich noch darüber? »Wenn es etwas früher gewesen wäre, da war die Französische Revolution im Jahr 1789. Und dann …« Ich schlug mir mit der Hand vor den Kopf. »Napoleon! Waterloo – das muss es sein!«

Catriona sah mich nur verständnislos an. »Klärst du mich auf?«

»Der Kaiser der Franzosen hat damals seine letzte Schlacht geschlagen. In einem kleinen Dorf namens Waterloo in Flandern. Heute Belgien, damals gehörte die Region zu den Niederlanden.«

»Heute?«

»Du weißt schon, was ich meine.«

»Und dieser Napoleon ist damals gestorben?«

»Wie kommst du darauf?«

Sie seufzte. »Sprich ganze, verständliche Sätze mit mir. Du hast gesagt, dass er seine letzte Schlacht geschlagen hätte. Da musste ich doch annehmen, dass er dabei gestorben ist.«

»Nein, eine Koalition aus europäischen Großmächten hat sein Heer geschlagen und ihn in die Verbannung geschickt.«

»Und du meinst, dass Simons Ziel sein könnte, den Verlauf der Schlacht zu drehen, sodass die Franzosen obsiegen? Stelle ich mir nicht so einfach vor.«

Meine Kenntnisse aus dem Geschichtsunterricht waren wieder da. »›Ich wünschte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen‹«, gab ich zurück, »das soll der englische Befehlshaber gesagt haben. Die Franzosen standen kurz davor, die Schlacht gegen das englische Heer zu gewinnen. Hätten sie statt der Engländer Verstärkung erhalten, die Geschichte wäre anders verlaufen.«

»Wo sollte denn eine Verstärkung der französischen Truppen herkommen? Ich nehme an, die Preußen haben sich mit den englischen Truppen vereinigt und die Franzosen besiegt?«

»Richtig, aber die Franzosen hatten eine Möglichkeit. Napoleon hat damals ein Drittel seiner Armee abgespalten und einem Marschall die Verfolgung des geschlagenen preußischen Heeres befohlen. Er sollte verhindern, dass die Engländer Unterstützung erhielten. Es ist ihm nicht gelungen, die Preußen haben ihn ausmanövriert. Wenn er mit diesem Teil des Heeres zurückgekehrt wäre zur Hauptstreitmacht und nicht ohne Feindkontakt durch Flandern marschiert wäre, Napoleon hätte gesiegt.«

»Eine simple Nachricht an diesen Marschall, und schon ändert sich die Geschichte«, sinnierte Cat. »Da scheint tatsächlich ein winziger Eingriff große Folgen zu haben.«

»Das muss sein Ziel sein. Dort werden wir ihn ausfindig machen. In Waterloo im Lager Napoleons. Er wird dafür sorgen, dass ein Meldereiter die notwendigen Befehle überbringt. Kein großer Akt.«

»Bleibt die Frage, was für einen Vorteil Simon aus dieser Manipulation ziehen könnte.«

»Wie meinst du das?«

Cat kratzte den letzten Rest Huhn aus der Schale und steckte ihn sich in den Mund. »Er ist nicht von hier, warum manipuliert er dann die Zeitlinie hier?«

Das war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte. Wenn wir nicht wussten, was sich aus der angestrebten Manipulation entwickelte, konnten wir auch keine logischen Schlüsse auf seine Intention ziehen.

»Vielleicht verhindert er damit die Entwicklung einer Technologie, die es Jahrhunderte später den Menschen ermöglichen würde, eine Invasion seiner Leute auf der Erde abzuwehren«, schlug ich vor.

»Dir hat der Ausflug in mein Jahrhundert nicht gutgetan«, erwiderte Cat. »Du fabulierst dir Sachen zusammen, die jeglicher Grundlage entbehren.«

Ich zog mein Amulett hervor und betrachtete es eingehend. »Es wird zwei Wochen dauern, bis es genügend Energie aufgenommen hat.«

Cat stand auf und ging zu den Kisten. Aus einer nahm sie eines der dort deponierten Amulette hervor. Das Hologramm poppte auf, als sie es einschaltete. »Die hier funktionieren, Andy. Die liegen schon lange genug hier.«

»Bleibt die Frage der Einstellung. Was hat Simon mit der seitlichen Abweichung gemeint?«

»Wenn ich mich recht erinnere, dann sagte er, dass sich durch jeden Zeitsprung eine neue Linie abspaltet, will man in eine davon zurück, dann muss eine seitliche Abweichung irgendwie kompensiert werden. Verstanden habe ich das nicht.« Cat starrte auf das Hologramm.

»Er hat nach den Hologrammeinstellungen einen der Ringe auf dem Amulett selber bewegt«, erinnerte ich mich.

»Wir sollten nicht einfach so Einstellungen vornehmen. Wer weiß, wo wir landen?«, sagte Cat.

»Lass uns noch ein bisschen hierbleiben«, schlug ich vor. »Nach den Strapazen tut uns etwas Erholung gut.«

2. Kapitel Flandern, 1815

Wir blieben noch drei Tage. Binnen dieser Zeit erwartete ich quasi stündlich, dass Jennifer starb. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Mensch unter derartigen Bedingungen am Leben blieb. Nun, sie starb nicht. Ihr Zustand erfuhr keine Änderung. Nach den Erzählungen der Menschen, die sich um sie kümmerten, befand sie sich inzwischen seit über einem Jahr nahezu bewegungsunfähig in ihrem Bett.

Dass die Pflege einer Person derart aufopferungsvoll betrieben wurde, erstaunte mich angesichts der für mich gewohnten Hygienestandards, die hier beileibe keine Anwendung fanden, ja finden konnten, weil sich noch niemand Gedanken dazu gemacht hatte.

Die Ortskoordinaten der Gemeinde Waterloo in Flandern hatte ich bereits eingegeben, hinsichtlich der Zeit einigten wir uns auf ein Datum, das mehr als zwei Wochen vor dem 18.06.1815 lag. Wir hatten gelernt. Es war sinnvoll, dass wir über aufgeladene Amulette verfügten, wenn der Tag kam, den wir zum eigentlichen Ziel auserkoren hatten. Dann standen wir vor den Kisten und überlegten, welche Ausrüstungsgegenstände wir mitnehmen sollten.

»Wir sollten Amulette mitnehmen, hin- und herspringen, sie an sicheren Orten verstecken. Dann haben wir im Notfall aufgeladene und …«

»Ich unterbreche dich nur ungern Cat, aber wie viel Zeit willst du auf solche Aktionen vergeuden? Klar wäre es schön, wenn wir bei jedem Sprung sofort wieder wegkönnten, aber das ist doch sinnlos. Wir müssten jedes Mal zwei Wochen dort verbringen, nur um ein Amulett dort zu deponieren. Wenn du das mit einer erklecklichen Anzahl machen willst, bist du Monate beschäftigt.« Außerdem war nie sichergestellt, dass wir sie auch wiederfanden. So, wie wir hier Ausrüstungsgegenstände vorgefunden hatten, die wir nicht hierher verbracht hatten, konnten genauso gut unsere Amulette verschwinden. Zeitreisen gingen nun mal anders und nicht kausal, zumindest nicht ausschließlich.

»Wir sollten aber mehrere mitnehmen.«

»Klar, jeder zwei. Noch mehr und du schleppst eine ganze Kiste mit dir rum.«

»Ja, stimmt. Etwas von den Münzen, etwas Proviant. Für jeden von uns eine Waffe. Kleidung?«

»Wir nehmen lieber wieder die, die wir getragen haben, als wir hier ankamen. Damit fallen wir am wenigsten auf.« Auch wenn ich ungerne auf die Sachen verzichtete, die ich mir aus dem Vorrat genommen hatte – nichts ging über eine bequeme Hose nebst Pullover und Jacke –, aber zeitgemäß waren die auf gar keinen Fall.

Cat rümpfte die Nase. »Zumindest sind sie gewaschen«, sagte sie.

»Wie willst du den Proviant transportieren?«

»Wir nehmen zwei dieser Leinenrucksäcke, da lässt sich viel reinpacken.«

Wir diskutierten noch einige Zeit hin und her. Schlussendlich einigten wir uns auf zwei Desintegrationspistolen, vier Amulette, zwei Sätze Breitbandantibiotika sowie einen erklecklichen Vorrat an Goldmünzen. Letztere steckten wir in kleine Lederbeutel, von denen wir je einen an unserer Kleidung befestigten. Die anderen wanderten zu den restlichen Dingen in die Rucksäcke.

Wir personalisierten zur Sicherheit die Pistolen und die Amulette, dann schnappte ich mir eins, um die endgültige Programmierung vorzunehmen.

»Wenn wir davon ausgehen, dass Simon dort eine Manipulation vornehmen will, muss sein Ziel sein, Napoleon zum Sieg zu verhelfen. Das kann er meines Erachtens am besten, wenn er sich in seinem Lager befindet.«

»Wieso? Er könnte versuchen, die anderen zu schwächen«, entgegnete Cat.

»Stelle ich mir nicht so einfach vor. Die Engländer hatten sich in den Höfen um Waterloo herum verschanzt. Und die Preußen wurden von Napoleons Truppen gejagt. Ich denke, er wird versuchen, den Franzosen Informationen zukommen zu lassen, die es ihnen ermöglichen, entweder die Engländer oder die Preußen vorab vernichtend zu schlagen, um sich dann dem anderen, einzeln unterlegenen Gegner zuzuwenden.«

»Dann stellst du aber mit Waterloo die falschen Koordinaten ein.«

»Das ist mir soeben auch aufgegangen. Wir müssen in Napoleons Lager, demnach nicht nach Waterloo, sondern südlich davon, in sein Aufmarschgebiet.«

Ich scrollte durch die Hologrammkarte. »Hier, Ligny, das ist eine Ortschaft südlich des Geschehens. Ich programmiere diese Koordinaten ein.«

»Bist du sicher, dass Napoleon auf seinem Weg nach Waterloo dort vorbeikommen wird?«

Ich zuckte mit den Achseln, wie konnte ich mir sicher sein? So genau kannte ich mich in der Historie nicht aus. »Es ist eine logische Möglichkeit. Armeen müssen marschieren können. Dazu nutzen sie Straßen und nicht Felder. Insofern gehe ich davon aus, dass sein Weg ihn hier entlanggeführt haben muss.« Entlangführen wird? Die Tempi machten mir immer noch Schwierigkeiten.

»In Ordnung, Ligny. Etwas mehr als zwei Wochen vor dem Geschehen. Wir suchen uns einen Gasthof und lassen es uns dort gut gehen, mithilfe der Münzen hier.« Catriona drehte eine der kleineren Goldmünzen in ihrer Hand. »Römisch«, sinnierte sie. »Da steht Clavdivs Germanicvs, Caesar. Kennst du den?«

»Ich kenne beileibe nicht jeden römischen Kaiser. Von einem solchen habe ich noch nie etwas gehört.«

»Offizielles Zahlungsmittel werden die Münzen kaum in der Zeit sein, in die wir wollen.«

»Sie sind aus Gold, das wird akzeptiert werden«, widersprach ich.

Sie seufzte, steckte die Münze in das Ledersäckchen, das sie an die Kordel, die ihr als Gürtel diente, gebunden hatte, und sah mich an. »Bist du so weit?«

Ich zog sie zu mir. Wenn wir eins gelernt hatten, dann, dass wir nur in absoluten Ausnahmefällen mehrere Amulette gleichzeitig einsetzten. Oft genug hatte das zu Abweichungen geführt, die es zu vermeiden galt.

Catriona gab mir einen Kuss. »Wer weiß, wann wir das nächste Mal Zeit dafür haben werden?«, sagte sie.

Kurz war ich gehalten, den Zeitsprung noch einmal zu verschieben und mit ihr noch ein wenig hier zu verbleiben. Dann sah ich diesen auffordernden Blick. Ich vergewisserte mich, den Codegeber des Mannes, den wir hier verfolgten, eingesteckt zu haben, dann löste ich den Zeitsprung aus.

Wir materialisierten übergangslos mitten auf einem Feldweg. Es war Anfang Juni, die Sonne schien und gleichzeitig fiel leichter Nieselregen auf uns herab.

Ich drehte mich einmal um die eigene Achse. »Da drüben ist ein kleines Gehölz. Was hältst du davon, wenn wir dort ein Depot anlegen? Alles mit uns herumzuschleppen, könnte sich als kontraproduktiv erweisen.«

»Du meinst, falls man uns die Rucksäcke stiehlt?«

Ich nickte. »So hätten wir ein Depot, aus dem wir uns zur Not versorgen könnten.«

»Keine schlechte Idee. Dann mal los!«

Wir verließen den Feldweg, stapften über die angrenzende Wiese und zwängten uns durch das Unterholz in das Wäldchen. Ein angemessenes Versteck ließ sich leicht finden. Ein umgestürzter Baum war zum Teil ausgehöhlt. Wir stopften die Rucksäcke in die Höhlung, nachdem wir uns die Pistolen in die improvisierten Gürtel gesteckt hatten.

Catriona sah mich zweifelnd an. »So wird das nichts, die Waffen sind zu offensichtlich. Wenn wir nicht auffallen wollen, dann sollten wir die anderweitig unterbringen.«

Damit hatte sie recht, aber wohin mit den Dingern? Ein Holster, das man unter der Kleidung tragen konnte, wäre jetzt nicht schlecht gewesen.

»Wir klemmen sie mit der Kordel unter unserer Kleidung fest«, schlug Cat vor.

Das wurde unbequem, war aber besser, als sie offen zu tragen.

Ich vergewisserte mich noch einmal, dass das Ledersäckchen mit den Goldmünzen an seiner Stelle war, dann deutete ich in Richtung Waldrand. »Auf zum Feldweg, vielleicht finden wir in Ligny ja schnell eine Unterkunft.«

Wir folgten dem Feldweg ungefähr eine halbe Stunde. Dann standen wir am Ortseingang. Ein kleines Dorf, bäuerlich geprägt.

»Hier werden wir schwerlich einen Gasthof finden«, meinte Catriona. »Nehmen wir den ersten Bauern, der uns begegnet?«

»Wir könnten dort drüben fragen.« Ich hatte eine Frau gesehen, die Federvieh versorgte.

Wir schritten über die Straße, wobei mir das Kopfsteinpflaster einen Streich spielte. Es fehlte nicht viel und ich wäre gefallen.

»Dein Schuh. Die Sohle löst sich.«

Die Schuhe hatten ihre Dienste getan. Wer wusste schon, wie lange sie bereits im Fundus des Theaters in Mülheim gelegen hatten? Die Zeit, die ich sie getragen hatte, hatte das Ihre dazu beigetragen. Jetzt waren sie hin.

»Du brauchst einen Schuster.«

Klar, das war ein Allgemeinplatz. Ob sich in diesem Dorf ein solcher finden würde?

Vorsichtig, stets darauf bedacht, nicht wieder mit der Sohle hängen zu bleiben, gingen wir auf die Frau zu, die mittlerweile das Füttern der Hühner beendet hatte und uns ihre Aufmerksamkeit schenkte.

Die Sprache war nicht sonderlich schwer zu verstehen, sie hatte sich bis in meine Zeit nicht dramatisch verändert. Lediglich die Geschwindigkeit, in der die Frau sprach, machte es mir schwer, ihr zu folgen. Glücklicherweise übersetzte das kleine Gerät in meinem Ohr fließend das Flämische in Deutsch. Sie wollte wissen, woher wir kamen.

Ich antwortete ihr in Deutsch, darauf hoffend, dass sie das verstand. Flämisch sprechen konnte ich nicht.

»Wir kommen aus den deutschen Landen, aus Mülheim an der Ruhr.« Etwas Besseres war mir nicht eingefallen. »Wir suchen für ein paar Tage eine Unterkunft. Ist das hier möglich?«

Sie hatte verstanden, ich hatte langsam genug gesprochen. Allerdings antwortete sie nicht auf Deutsch, das war ihr vermutlich zu ungelenk.

»Ein Zimmer? Wir haben eine Kammer, die wir euch anbieten könnten.« Sie musterte uns kritisch. Ich konnte mir vorstellen, was sie sich fragte. Auch wenn unsere Kleidung hier nicht unbedingt auffällig war, erweckte sie doch den Eindruck, dass wir ziemlich heruntergekommen waren. Und richtig. »Ihr könnt zahlen?«, fragte sie.

Cat schob sich vor, nestelte an ihrem Ledersäckchen, zog eine der Goldmünzen hervor und reichte sie der Bäuerin.

Die beäugte die Münze kritisch. »Kein Gulden«, konstatierte sie. Dann biss sie mit den Zähnen in die Münze hinein, betrachtete das Ergebnis und winkte uns, ihr zu folgen.

Was sie genau mit dem Biss festgestellt haben mochte, erschloss sich mir nicht. Ich erinnerte mich nur an zahlreiche Abenteuerschinken, die ich als Kind im Fernsehen gesehen hatte, in denen ähnlich gehandelt wurde. Ich konnte mir schlechterdings nicht vorstellen, dass man die Beschaffenheit einer Münze durch einen Biss darauf prüfen konnte.

Eine Tür direkt neben dem Kuhstall führte übergangslos zu einer steilen Treppe. Die Stufen hatten für mich ein falsches Maß. Die Tritttiefe war viel zu kurz, die Höhe ungewöhnlich hoch. Hier im Dunkeln herunterzusteigen, womöglich noch mit dem kaputten Schuh, wollte ich mir nicht antun.

Es galt, zwei Stockwerke zu überwinden, etwa auf der Hälfte war ein Absatz, ab da ging die Treppe dann in die entgegengesetzte Richtung. Oben angelangt, öffnete die Bäuerin eine der beiden Türen, die vom dort befindlichen kleinen Flur abgingen. Sie ließ uns den Vortritt.

In der Kammer befanden sich zwei Stockbetten, insgesamt somit vier Lagerstätten.

»Hier sind die Kammern für die Wanderarbeiter«, sagte sie. »Eine Münze pro Nacht«, fügte sie noch an, wobei ich das Funkeln in ihren Augen wahrnahm. Ihr war durchaus klar, dass sie uns die Unterkunft zu völlig überzogenen Preisen vermietete.

»Inklusive Verpflegung«, stellte ich unsere Position klar und gab ihr zehn weitere Münzen. »Wir bleiben etwa vierzehn Tage. Wenn das nicht reichen sollte, zahlen wir nach.«

So schnell, wie die Münzen in ihrer Kleidung verschwanden, hätte sie mit diesem Trick in jedem Varieté auftreten können.

»Zwei Mahlzeiten am Tag«, antwortete sie. »Mittag findet in der Küche statt, abends gibt es Brot.« Sie drehte sich um und ließ uns allein. Die Geschwindigkeit, in der sie die Treppe hinabstieg, war rekordverdächtig.

»Ein himmlisches Nest«, schwärmte Catriona und stieß den Blendladen auf, der das Dachfenster verschlossen hatte. Frische Luft strömte hinein und ließ es mir hier, direkt unter dem Dach, erträglich erscheinen. »Welches Bett nimmst du?«

»Das mit den wenigsten Wanzen.«

»Hier sind keine.« Catriona hatte zur Sicherheit die Decken und die Matratzen ausgeklopft.

Ich war noch nicht überzeugt, fügte mich aber. Was blieb mir letztendlich auch übrig? Eine Alternative hatten wir nicht.

»Was blinkt denn da in deiner Hosentasche?«

Zuerst verstand ich überhaupt nicht, worauf Cat mich ansprach, dann erinnerte ich mich an das Gerät, den Codegeber, den ich Simon im Fluchttunnel der Burg Lüttelnau tief unter der Ruhr abgenommen hatte.

Das Gewebe meiner Hose war recht fadenscheinig geworden, sodass man an einzelnen Stellen fast hindurchsehen konnte. Da blinkte es tatsächlich rot durch den beigen Stoff hindurch.

Ich griff in die Tasche und zog den Codegeber hervor. Das Ding war nicht sonderlich groß, ungefähr fünf Zentimeter lang und drei breit, dabei nicht einmal einen Zentimeter hoch. Die Oberfläche war glatt, glänzend und aus einem Stück. Irgendein Kunststoff. Unter der Oberfläche musste eine dieser winzigen Lampen sitzen, die ich in Catrionas Zeitlinie bereits kennengelernt hatte. Diese blinkte rot durch die Oberfläche hindurch. Nicht an allen Stellen, nur in der Mitte des Geräts. Der Rest schimmerte in Schwarz.

»Das hat irgendetwas zu bedeuten«, brummte ich.

»Fragt sich, was«, antwortete Cat.

»Wenn wir davon ausgehen, dass Rot auch hier das bedeutet, was es bei uns bedeutet, dann sollten wir auf Grün warten.«

»Er wollte damit sein Raumschiff herbeirufen. Irgendetwas funktioniert demnach nicht.«

»Aber etwas ist geschehen, bislang war das Ding inaktiv. Wenn es jetzt rot leuchtet …, Bilde ich mir das ein oder verändert sich die Farbe?« Ich starrte das Gerät an. Nahm das Licht langsam einen orangen Farbton an?

»Es wird gelb!«

Ich legte es behutsam auf das Bett und wartete. Cat hatte recht, aus dem Rot wurde Gelb. Es dauerte zwar gut drei Minuten, aber nun blinkte uns satte gelbe Farbe entgegen.

»Dann sollten wir möglicherweise Geduld haben, bis sich das Gelb in Grün verwandelt«, schlug Cat vor.

Ich nickte und versuchte, mich in Geduld zu üben. Es fiel schwer. Wir warteten mindestens fünf Minuten, dann, endlich, veränderte sich der Farbton wieder.

»Wenn das Schiff im Orbit ist, kann das nur bedeuten, dass es nun in Reichweite gekommen ist. Wenn das Display grün leuchtet, ist es bereit, gerufen zu werden.« Cats Analyse klang überzeugend.

Nach einiger Zeit blinkte es grün, dann verlangsamte sich das Blinken und ein Dauerlicht erfüllte die komplette Oberfläche.

Ich griff nach dem Gerät, besah es mir von allen Seiten, dann presste ich meinen Daumen auf das erleuchtete Feld.

»Wenn du damit das Raumschiff hierherlotst, haben wir ein Problem mit der Bevölkerung«, gab Catriona zu bedenken.

»Wir sind deswegen hier, oder nicht? Wollen wir warten, bis es auf seiner Kreisbahn mal wieder in Reichweite ist?« Ich steckte das Gerät in die Tasche. »Gehen wir nach unten, raus auf den Hof«, schlug ich vor.

»Andy, das blinkt wieder!«

Ich zog den Codegeber wieder aus der Tasche hervor. Das satte grüne Dauerleuchten war erneut einem Blinken gewichen. Einem Blinken, das sich nun von Grün zu Gelb wandelte.

»Es hat nicht funktioniert«, konstatierte ich. »Aber eine andere Möglichkeit, als draufzudrücken, gab es doch nicht.«

»Für uns nicht«, stellte Cat fest.

»Du meinst …«

»Es muss personalisiert sein. Auf Fingerabdrücke oder was weiß ich? Auf jeden Fall können wir das Gerät nicht benutzen, solange es nur auf Simon eingestellt ist.«

Das gelbe Blinken war mittlerweile wieder in ein rotes übergegangen, dann hörte es komplett auf.

»Das Schiff ist außer Reichweite«, stellte Cat fest.

»Damit ist der Codegeber nutzlos für uns.«

»Er ist vor allem gefährlich. Wenn du ihn ständig bei dir trägst und das Schiff das nächste Mal auf seiner Bahn über uns erscheint, blinkt es wieder. Wenn das dann anderen hier auffällt, haben wir ein Problem.«

Da hatte sie recht. Ich konnte das Gerät nicht mit mir rumschleppen. »Wir hätten es besser in unserem Depot gelassen.«

»Keine schlechte Idee. Willst du jetzt dahin zurückgehen und es dort verstecken?«

Ich sah zu meinem Schuh herab, dessen Sohle sich dermaßen weit abgelöst hatte, dass es so aussah, als grinse er mich an. »Ich muss das zuerst reparieren lassen. So kann ich keine größeren Strecken laufen.«

»Dann sollten wir das in Angriff nehmen.«

Ich setzte mich auf den Bettrand und zog den Schuh aus. »Die Treppe gehe ich lieber so herunter. Wenn ich damit hängen bleiben würde …«

»Du merkst schon, dass du ein wenig übertreibst, oder?«

»Wieso? Wenn ich deswegen stürze …«

Cat verdrehte die Augen. »Männer!«, sagte sie, öffnete die Tür und begann die Stufen hinabzusteigen.

Ich steckte den Codegeber unter die Bettdecke, dann folgte ich ihr, so schnell es ging. Den Schuh in der einen Hand, war es nicht unbedingt einfach für mich, den richtigen Halt zu finden.

Strahlender Sonnenschein empfing uns auf dem Hof. Der leichte Regen von vorhin hatte aufgehört. Von der Bäuerin war nichts zu sehen, sie ging anderweitig ihrer Arbeit nach.

»Das wird nicht einfach, hier einen Schuster zu finden«, sagte ich, auf einem Bein balancierend, um mir den Schuh wieder anzuziehen.

Cat grinste mich dabei an und versuchte ein Lachen zurückzuhalten. »Pass auf, dass du nicht noch in die Pfütze da fällst!«

Ich wusste, dass, würde das passieren, sie laut losprusten würde. Ich konnte es gerade noch verhindern.

»Lass uns durch das Dorf gehen« schlug ich vor.

»Ich prophezeie dir, dass du kein Schild finden wirst, das dich auf einen Schuster aufmerksam macht. Aber der Vorschlag ist nicht verkehrt, was sollen wir hier herumstehen?«