Texanische Tagebücher - Elise Wuppermann geb. Tips - E-Book

Texanische Tagebücher E-Book

Elise Wuppermann geb. Tips

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Beschreibung

Elise Tips ist 19 Jahre alt, als sie zusammen mit ihren Eltern, 3 Schwestern und 4 Brüdern nach Texas kommt. Durch Vermittlung von Otto Wuppermann kauft die Familie Tips eine Farm in der Nähe von Seguin. Otto verliebt sich in Elise, hält um ihre Hand an und findet Gehör. Kurz darauf sterben nacheinander Elises Schwester Clara und ihr Vater am gelben Fieber. Dennoch heiraten Elise und Otto Ende September 1850 und beginnen ihre neue Farm, den "Wupperhof", zu bewirtschaften. Bald geben die beiden das anstrengende Farmen auf und Otto eröffnet in Seguin einen Store, in dem Elise mitarbeitet. Bald kommt das erste ihrer 7 in Texas geborenen Kinder zur Welt. Als Otto in Seguin durch fremdenfeindliche Umtriebe der "Know-Nothings" die Seinigen bedroht sieht, gründet er im Gebirge eine neue Stadt und zieht mit der Familie dorthin. Es ist nicht der letzte Umzug. In ihrem Tagebuch berichtet Elise über die Ereignisse des alltäglichen wie des festtäglichen Lebens im Texas der 1850er und 1860er Jahre, über Eheglück und Ehestreit, Ärger mit Dienstboten, über ihre Auftritte als Pianistin und Sängerin, über Seuchen und Dürrezeiten, Überfälle der Indianer und den "Sixshooter" unter ihrem Kopfkissen, über die Geburten der Kinder und den Schmerz, als zwei von ihnen nach wenigen Monaten sterben. Mit dem Beginn des Bürgerkriegs rücken auch die politischen und militärischen Ereignisse ins Blickfeld.Elises Tagebücher geben Einblick in ein farbiges, ereignisreiches, stets gefährliches Leben am damaligen Ende der westlichen Zivilisation in der nicht immer friedlichen Gesellschaft von Verwandten Freunden und Fremden, bedroht durch Klima, Krankheiten, Schlangen und Rowdies.

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Inhalt

Vorbemerkungen des Herausgebers

Vorgeschichte

1. Tagebuch

2. Tagebuch

3. Tagebuch

Dank

Elises Herkunftsfamilie

Ottos Herkunftsfamilie

Vorbemerkungen des Herausgebers

Elise Wuppermann hat die texanischen Tagebücher ihren drei Töchtern hinterlassen - in der Reihenfolge ihres Alters. So kamen sie nach Clara Tafel und Lily Thomae auf meine Großmutter Laura Vowinckel, dann auf meinen Vater Werner Vowinckel und schließlich - nachdem meine älteren Geschwister kein Interesse zeigten - auf mich. Was mich daran angesprochen und dazu bewogen hat, sie abzuschreiben und interessierten Verwandten zugänglich zu machen, ist der Einblick in für uns, wenige Generationen später, nur mehr schwer vorstellbare, teilweise abenteuerliche Lebensbedingungen und der sympathische, literarisch unambitionierte bodenständige Sinn, mit dem Elise die großen und kleinen Ereignisse ihres Lebens schildert.

Zum besseren Verständnis mancher Tagebucheintragungen und um die Lücken zu schließen, die sie lassen, habe ich weitere Quellen zu Rate gezogen. Bei meinen Einfügungen in den Text der Tagebücher habe ich mich auf folgende Manuskripte und Veröffentlichungen gestützt:

Erinnerungen von Clara Tafel geb. Wuppermann an ihre Kindheit und Jugend in Texas, die sie für ihre Kinder aufgeschrieben hat.

Briefe von Julius Tips an seinen Oheim Joh. Herm. Braun in Elberfeld (Eine Abschrift dieser Briefe verdanke ich einem Mitglied der Familie Tips, dessen Namen und Adresse ich leider verschlampt habe - ich bitte um Verzeihung.)

Briefe von Otto und Elise Wuppermann an Ottos Vater Reinhard Theodor, an andere Verwandte und an einander.

Robert R. Robinson Jr., Die Bremerverwandtschaft in Deutschland und in Texas, Nortex Press, Burnet/Texas 1979, mit Kapiteln zu den Familien Tips und Nohl

Dr. Walter Dietz, Chronik der Familie Wuppermann. Hg.: Familienverband der Familie Wuppermann, Leverkusen-Schlebusch 1965

Nachrichtenblätter des Familienverbandes der Familie Wuppermann e. V.

Beim Text der Tagebücher habe ich Elises kreative und variantenreiche Schreibung beibehalten. Die anderen Quellen liegen mir z. T. nur in Abschriften vor, die sich nicht an die Schreibweise der Originale halten.

Hamburg im Juli 2013

Gerhard Vowinckel

Alles mag auf dieser Welt,

über gehn, sich ändern,

Freud und Leid nicht dauernd hält,

Ewig aber meine Liebe.

Was Gott will, gescheh' all'zeit,

Ihm wollen wir vertrauen,

Gläubig auf ihn schauen.

Dich zu lieben, mein Leben Dir zu weih'n

Einzig nur von dir geliebt zu sein,

Ist mein höchstes Glück; mein Wunsch auf Erden,

Nie von dir getrennt zu werden! -

Von deiner treuen Elise.

Life-oak-hill, den 11. Juni, 1850.1

1 Deckelinnenseite auf einem eingeklebten Blatt mit den eingeprägten Initialen E W)

Vorgeschichte

Am 5. November 1849 läuft das Segelschiff „Neptun“, von Bremen kommend, nach über neunwöchiger Seereise gegen sechs Uhr Abends in den Hafen von Galveston, Texas ein. Zu den etwas mehr als hundert Passagieren an Bord gehören Johann Conrad Tips, seine Ehefrau Anna Caroline geb. Braun und ihre acht Kinder2, darunter die älteste Tochter Elise, außerdem die verwandte Familie Nohl mit vier Töchtern.

Die Familie Tips kommt aus der zu Preußen gehörenden Stadt Elberfeld. Bei ihr hatte Johann Conrad dreißig Jahre lang in herausgehobener Stellung als rechte Hand der Bürgermeister Brüning und von Carnap gewirkt - von 1832 an mit der Amtsbezeichnung „Stadtsekretär“. Tüchtigkeit und Rechtschaffenheit hatten ihm hohes Ansehen erworben, das sich u. a. in seiner Erhebung zum Ritter des Roter-Adler-Ordens ausdrückte. Zu seinem 25jährigen Dienstjubiläum 1842 hatte die Stadt ein Fest für ihn ausgerichtet und sein Jahresgehalt um 100 Taler erhöht.

Die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848-49 waren zu viel gewesen für den konservativen Beamten. Auch hatte jahrzehntelange Büroarbeit seine Gesundheit untergraben, weshalb der Arzt ihm zu einer Änderung seiner Lebensweise mit mehr körperlicher Arbeit geraten hatte. Seine älteren Kinder planten auszuwandern. Ohne sie aber wollte er im Alter nicht sein. So hatte er sich entschlossen, mit der ganzen Familie Deutschland zu verlassen und in Texas, damals Wunschziel vieler deutscher Auswanderer, eine neue Existenz zu begründen. Da er über keine Rücklagen für eine solches Unternehmen verfügte, hatte er bei der Stadt um seine Entlassung und die Umwandlung der ihm zustehenden jährlichen Pension in eine Barabfindung gebeten, die ihm auch gewährt wurde. Bei ihrem Aufbruch in die neue Welt am 28. August war die Familie von zahlreichen Mitbürgern mit guten Wünschen zum Bahnhof begleitet worden und in der Zeitung waren Gedichte zum Lobe Johann Conrads und seines ältesten Sohnes Julius erschienen.3

Johann Conrad Tips

Das Dampfboot „Palmetto“ bringt die Reisenden von Galveston weiter nach Indian Point, wo sie den größten Teil ihres Gepäcks bei der Spedition H. Runge & Co. einlagern und sich aufmachen, um das Land zu erkunden auf der Suche nach dem geeigneten Platz für eine Farm. Johann Conrad reitet zunächst voraus. In Yorktown trifft die Familie wieder mit den Nohls zusammen und mit Wilhelmine (Minchen) Lenshen, geb Tips, einer Schwester von Jettchen Nohl und Nichte Johann Conrads.

Minchen war schon 1848 mit ihrem Mann nach Texas gekommen. Dieser war im folgenden Jahr an einem Hitzschlag gestorben, nachdem es es hartnäckig abgelehnt hatte, einen Hut zu tragen. Am 6. November hatte Minchen ein Kind geboren, das aber schon nach wenigen Tagen gestorben war.

Auf ihrer weiteren Suche nach einem Platz, um sich anzusiedeln, treffen Johann Conrad und seine Familie Bekannte und Verwandte aus Deutschland, hören sich ihre Ratschläge an und ziehen weiter. San Antonio erweist sich als teuer, schmutzig und unsicher. Der Plan, dort zunächst den Unterhalt durch Handarbeit zu verdienen, bis sich ein geeigneter Platz für eine Farm finden würde, wird fallen gelassen. Am Cibolo und am Comal sucht man weiter. In New Braunfels wohnen überwiegend Deutsche, aber auch, wie Julius Tips schreibt, „manche unrespektable Deutsche, die vor einigen Jahren durch den Verein4 ins Land gebracht wurden“. Ein Angebot, in der Nähe von Braunfels eine Farm auf ein Jahr zu mieten, wird wegen der ausbeuterischen Konditionen verworfen. Vom Kauf einer Farm am Cibolo schreckt man zurück, weil der Fluss häufiger trocken fällt. Nachdem schon zuvor ein Herrn Bechem die Verbindung nach Seguin hergestellt hatte, kommt am 29. Dezember dessen Partner Otto Wuppermann nach Braunfels, um die Familie Tips auf eine Farm aufmerksam zu machen, die unterhalb seiner eigenen, gemeinsam mit den Herren Bechem und Krochmann bewirtschafteten, zum Verkauf steht. Julius Tips beschließt, Otto Wuppermann zu begleiten und sich die Farm anzusehen. „[D]es ewigen Umherreitens müde“ lässt er sich von seinem Vater Johann Conrad ermächtigen, die Farm gleich zu kaufen, wenn sie den Ansprüchen genügt. Tatsächlich stellt sie sich als geeignet heraus, der Preis ist erschwinglich und so schließt Julius den Kauf ab. Am nächsten Abend feiert er mit den neuen Nachbarn Bechem, Krochmann, Wuppermann von der oberhalb gelegenen, sowie Fischer und Koenemann von der unterhalb gelegenen Farm Silvester und eilt am Neujahrstag 1850 nach Braunfels zu seiner Familie zurück.

Otto Wuppermann hat, wie er am 2. Januar 1850 seinem Vater schreibt, die Silvesternacht „in äußerst gutem erquickenden Schlaf verbracht“; und er hat einen Vorsatz gefasst: „[M]eine feste Absicht ist, in diesem Jahr zu heirathen“.

Otto hat, mit dem Segelschiff „Uhland“ von Bremen kommend, am 29. Juni 1848 in New Orleans zuerst amerikanischen Boden betreten. Ausgestattet mit 500 Talern in Gold, einem Akkreditiv über 500 Louisdor auf ein Geschäftshaus in New Orleans und der Aussicht auf Kredite von Verwandten will er sich in Texas eine Existenz als Farmer aufbauen. Auf dem Schiff hatte er zwei junge Männer, Bechem und Krochmann, kennen gelernt, die den gleichen Plan hatten, und sich mit ihnen zusammen getan.

Ein Dampfboot bringt die drei von New Orleans nach Galveston, ein weiteres nach Houston. Auf Frachtwagen - um die teure Postkutsche zu sparen - kommen sie nach La Grange und von dort nach Seguin. Nachdem sie sich auch in Braunfels und Umgebung umgesehen haben, wird ihnen in der Nähe von Seguin die Farm „Willow Spring“ angeboten: „300 acr., 50 acr. cultiviert, mit Mais bebaut und eingezäunt zum Schutz gegen Vieh und Wild, ein Garten mit 1 acr. Kartoffelland, [...] Wohngebäude und Scheune für $ 1000.-.“5

Sie nehmen das Angebot an und sind nun Farmer. Das erweist sich mühsamer als gedacht. Die körperlich äußerst anstrengende Arbeit, Verletzungen, wiederholte langwierige Erkrankungen am „kalten Fieber“, die Kündigung der Wirtschafterin, die einen jungen Mann heiraten will, der, wie Otto schreibt „durchaus ihr nicht zu empfehlen ist“, zermürben die Neufarmer. Am 25. Oktober 1849 meldet Otto seinem Vater: „Übrigens geht (seit Ende Juni) alles quer. Unsere Köchin lag nebst Kind, Vater und Schwester, welche von Friedrichsburg herunter gekommen waren unsere Köchin zu besuchen und mit ihr über ihre neue Heirath zu sprechen, 3 Monate bei uns krank! Kranke Leute kann man natürlich nicht wegschicken, und so mußten wir uns denn in das höchst Unangenehme fügen, und diese 4 Personen pflegen, obgleich wir selbst und unser Arbeitsmann abwechselnd alle, und zuweilen alle zugleich krank waren! Vor einigen Wochen, als die Köchin wieder wohl war, jagten wir sie weg und freuten uns, als ihr Vater, Schwester, Bruder, der unterdessen auch gekommen war, unsere Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen, uns 8 Tage später auch endlich verließen.“

Bechem will nach Deutschland zurück, um sich eine Frau zu holen, und will vorher ausgezahlt werden, fühlt sich aber durch das finanzielle Angebot seiner Partner übervorteilt. Weitere „Verluste und Versäumnisse“ bringen auch Krochmann zu dem Entschluss, Texas zu verlassen. Auf sich allein gestellt will Otto nicht weitermachen, da „hier ein Farmer ohne Frau nicht bestehen kann!“ Die drei beschließen, die Farm zu verkaufen. Da sie aber keinen Käufer finden, machen sie gezwungenermaßen vorläufig weiter.

Im Dezember 1849 meldet Otto seinem Vater die Ankunft von „Stadtsekretair Tips von Elberfeld mit Frau und 8 Kindern“. Am 2. Januar 1850 schreibt er: „Tips mit Familie von 10 Personen kaufte am Sylvester Abend durch meine Vermittlung eine äußerst reizend gelegene kleine Farm 5 Minuten von unserem Haus für $ 550.-.“ Drei Wochen später heißt es: „Enfin, das Junggesellenleben hier fängt nachgerade an, mir bis zum Übermaß unausstehlich zu werden, und so gut mir das Leben als Farmer im allgemeinen gefällt, ebenso sehr ist es mein täglicher Wunsch, dasselbe nicht mehr in der bisher betriebenen Weise fortzusetzen; ein Farmer hier muß Familie haben, ohne das ist er ein unglücklicher Mensch, kann auch nicht voran kommen!

Die Familie Tips, unsere Nachbarn seit 6 Wochen, sind in der Beziehung wirklich gut berathen; da sind 8 Kinder, von denen 7 schon fähig sind, bei den auf der Farm vorkommenden Arbeiten zu helfen. So sind sie dem äußerst großen Übelstand enthoben, fremde Leute halten zu müssen, sie können alles selbst thun, und ich zweifle nicht, nach einigen Jahren werden diese Leute gut voran kommen. Sie sind fleißig am arbeiten. Der Vater besorgt den Garten, die zwei erwachsenen Söhne bestellen das Feld, die beiden erwachsenen Töchter führen die Milchwirtschaft und die Mutter mit einer Tochter von 14 Jahren das Hauswesen. Zwei Knaben von 11 und 13 Jahren helfen hier und da und machen sich äußerst nützlich.

Abends wird musiziert, vierhändig auf dem Piano, oder mit Begleitung von Violine und Harfe, auch im Gesang wird nicht Unbedeutendes geleistet. So ist mir denn nach 1 ½ jähriger Entbehrung wieder der große Genuß zu Theil geworden, deutsche Musik zu hören. Es wurde mir ganz eigenthümlich heimathlich zu Muthe, als ich vor einigen Wochen abends nach vollbrachtem Tagewerk bei Tips saß, und die eine der Töchter eine schöne Symphonie von Beethoven vortrug. Welch eine schöne Sache ist es doch um die Musika! Herr Tips sen. spielte früher Orgel; er spielt auf dem Piano nur Choräle; kürzlich sangen wir zusammen das schöne Lied: ‘Wer nur den lieben Gott läßt walten’ u. etc. und Herr Tips begleitete uns dazu auf dem Klavier.“

Schließlich, am 5. April 1850 schreibt Otto zu mitternächtlicher Stunde an seinen Vater: „Äußerst bewegt setze ich mich heute nieder, Ihnen eine Mittheilung von der größten Wichtigkeit für mich zu machen. - Ich sprach Ihnen schon in meinen früheren Briefen[...] von unserer Nachbarschaft Tips (Stadtsekretär in Elberfeld), ich sagte Ihnen aber nichts davon, daß mich seit einigen Wochen ein besonderes Interesse an jenes Haus knüpfte. Ich will's kurz sagen, mein lieber, lieber Vater, mein besonderes Interesse knüpft sich an die älteste Tochter des Herrn Tips, Frl. Elise Tips. Ihre liebenswürdigen, wirklich vorzüglichen Eigenschaften hatten mein Herz ganz nach und nach, je mehr ich mit ihr zusammen kam, in Beschlag genommen. - Ich hatte mich seit Jahren keiner innigen aufrichtigen Inclination mehr für fähig gehalten. - Zu meinem eigenen großen Erstaunen fand ich, daß mit einem Mal Gefühle hier zum Vorschein kamen, die doch darauf hindeuteten, ich prüfte mich selbst möglichst genau, ich ging, neben meinem speziellen Verlangen überhaupt, auch aus diesem Grunde zum heil. Abendmahl, um mir recht klar zu werden über meine Ansprüche an eine Frau, über meinen festen Willen, sie glücklich zu machen u. ectr. (Elise war in diesen Tagen nicht zu Haus, sondern in Braunfels bei ihren Verwandten.) So kam ich zu dem festen Entschluß, dem Lenker aller menschlichen Schicksale, diese wichtige, hochwichtige Sache anzuempfehlen, ihn um seinen Segen und um seine Fingerzeige zu bitten, wenn's möglich wäre. Ich hatte einen Nebenbuhler in einem benachbarten jungen Deutschen (nicht aus unserer Gegend, Sie kennen ihn gar nicht), er war zu meiner Betrübnis mit nach Braunfels geritten, so daß ich wähnte, das Schlimmste befürchten zu müssen. - Ich empfahl im Gebet auch besonders dies dem Herrn! - So kam Osterdienstag, Mittwoch, Elise war zurück, ich sprach sie, konnte aber keine besondere Zuneigung zu mir bei ihr entdecken. - Die große Ungewißheit beunruhigte mich ungeheuer, endlich faßte ich den Entschluß, mich den Alten brieflich anzuvertrauen, und sie um ihre Meinung zu fragen. - Da kam Ihr Brief vom 12./15. Febr. nebst Einlage von Gustav, Laura, Hohrath, an. - Was Sie über heirathen sagen, paßte so eigenthümlich auf meine Lage, daß ich unwillkürlich ganz fest wurde in dem Entschluß, jenen Brief, den ich noch in der Tasche hatte, abzugeben. - So that ich denn auch, gleich den andern Tag nach Empfang ihres Briefes. - Das Weitere können Sie sich leicht denken. - Ich bat in dem Brief um reifliche Überlegung von Seiten der Eltern, und ging dann erst den 3. Tag zu Tips wieder hin. - Die Alten waren ganz einverstanden, sie sprachen sogar von ehrenvoller Verbindung, wiesen mich aber ganz an die Tochter, mit der ich meine Sache allein abmachen müsse, mir ihre Neigung erobern, sie, die Alten hätten ihr gar nichts von meinem Brief gesagt. - In der größten Verlegenheit ging ich heute Abend zu Elise in die Kuhpenn, wo sie eben melkte, als sie fertig war, nahm ich ihr die Milcheimer ab, und brachte sie ans Thor; da aber konnte ich denn doch nicht länger zögern; mit Angstschweiß auf der Stirne, brachte ich in sehr dürren Worten mein Anliegen vor, und hörte dann zu meinem großen Erstaunen und Freude, daß schon längst im Innersten ihres reinen Herzens, innige Zuneigung zu mir herrsche! - Ich konnte und konnte es nicht glauben, daß in einem so liebenswürdigen jungen Mädchen, zu mir armen störrigen, 31 Jahre alten Menschen, wirklich eine innige Zuneigung herrschen könne. - Als Elise dies aber immer und immer wieder versicherte, - da lieber Vater, wurde ich wirklich über und überglücklich, und so haben wir denn lange unter dem schönen Sternenhimmel auf einem Baumstamm gesessen, bis die kühle Abendluft mich mahnte, Frl. Elise ans Haus zu bringen. - Die herbeizum Vater, wir empfingen den herzlichen, innigen Segen der würdigen Eltern, und somit wurden wir den übrigen 7 Geschwistern als Braut und Bräutigam vorgestellt.

Anna Tips geb. Braun, Elises Muttergerufene Mutter brachte uns

Hiermit komme ich nun, Sie auch um ihre Einwilligung zu bitten, mein theurer Vater, und auch ihren Segen. - Ich glaube erwarten zu dürfen, daß Sie ihn mir geben. - Meine Braut ist 20 Jahre alt, so unbefangen, einfach, natürlich, wie ich nie ein Mädchen gesehen, dabei sehr verständig, brav, sehr arbeitsam und fleißig und dabei, ich bin des überzeugt, innig fromm! Ich habe ihr gleich gesagt, mit Gott wollten wir unsere Verbindung beginnen, an Gottes Segen sei alles gelegen, ohne dem seien wir verloren. - Elise stimmt ganz mit mir ein, und so glaube ich denn hoffen zu dürfen, wir werden glücklich zusammen sein auf dieser Basis! - Elise singt gut und spielt gut auf dem Piano, zu meiner außerordentlich großen Freude. - Vermögen ist indessen gar nicht da, nicht einmal zu einer guten Ausstattung, wie mir Frau Tips im Voraus sagte. - Gott walte des Weiteren! - Ich hoffe, Sie antworten bald, Sie können denken, wie viel mir an Ihrer Einwilligung gelegen ist. - Nächstens Näheres.“

Der väterliche Segen lässt nicht länger auf sich warten, als die Post hin und her braucht. Die Brautleute bedanken sich in einem Brief vom 24. Juli. Doch auf die Vorfreude ist unterdessen ein dunkler Schatten gefallen. „In meinem elterlichen Hause“, schreibt Elise, „ist jetzt eine recht betrübte Zeit, meine Eltern und fünf Geschwister liegen am klimatischen Fieber darnieder, während ich nach vierwöchentlichem Leiden an dieser Krankheit jetzt eben wieder so weit bin, um Ihren Brief beantworten zu können.“ Die Krankheit, die zuerst Elise und ihre Schwester Helene befällt, wird abwechselnd als „Katharalisches Fieber“, „climatisches Fieber“, „California-Fieber“, „Nervenfieber“ und „Faulfieber“ bezeichnet. Mitte Juli erkranken nacheinander die bis dahin verschont gebliebenen Mitglieder der Familie und am 1. August schreibt Julius Tips seinem Oheim nach Deutschland: „Die Hand des Herrn hat uns schwer getroffen (...). Am 25. Juli Abends gegen 10 Uhr starb unsere gute liebe Schwester Clara an einer Lungenlähmung und gestern Abend, den 31. Juli gegen 9 Uhr verschied unser theurer, lieber Vater. Beide schlummerten sanft hinüber. Clara lag 12 Tage lang im heftigsten Fieber, fast immer ohne Bewußtsein, bis eine hinzugetretene Lungenlähmung in wenigen Stunden ihrem Leiden ein Ende machte. Vaters Schmerzenslager währte 15 Tage. Seine Kräfte nahmen von Tag zu Tag ab; in den letzten 8 Tagen sprach er garnicht mehr, bis ihn der Tod ruhig hinwegnahm.“ Vater und Tochter werden unweit des Hauses unter immergrünen Lebenseichen feierlich und unter großer Anteilnahme deutscher und amerikanischer Nachbarn begraben.

Im August trennen sich die Nachbarn Fischer und Koenemann und Otto kauft ihre unterhalb der Tipsschen gelegene Farm, um sie mit seiner zukünftigen Frau zu bewirtschaften. Die Ereignisse im Hause der Tips haben ihn nervlich so angegriffen, dass Dr. Nohl ihm Ausspannen verordnet. Elise, Julius und er reiten über Braunfels ins Gebirge nach Marienthal am Oberlauf der Guadalupe, wo sie sich bei Bergsteigen, Jagen, Baden und Lesen erholen. Die Hochzeit wird auf den 28. September festgesetzt.

2Julius (21), Elise (19), Eduard (17), Hermine (15), Clara (14) Gustav (9), Walter (8) und Helene (5)

3Eine ausführliche Schilderung der Reise findet sich in den Briefen von Julius Tips an seinen Oheim Joh. Hermann Braun

4Verein zum Schutze deutscher Einwanderer in Texas (Mainzer Adelsverein), von Angehörigen des deutschen Hochadels gegründet zur logistischen und finanziellen Unterstützung der Auswanderung von Menschen, die in Deutschland Not litten. Organisatorisches Unvermögen und finanzielle Unregelmäßigkeiten führten dazu, dass viele der vom „Verein“ nach Texas gebrachten Auswanderer dort Seuchen zum Opfer fielen (so 1846 in Neu-Braunfels) oder verhungerten.

5Otto Wuppermann in einem Bericht an seinen Vater

I.

Mein Tagebuch,

angefangen, den 29. September 1850,

am ersten Tage unserer Verheirathung.

____________________

Nach meinem Heimgang (Tode) sollen meine texanischen und deutschen Tagebücher, und Briefe in den Besitz meiner geliebten Tochter, Clara Tafel übergehen. Nach ihr, sollen dieselben auf Lily Thomae, und nach Lily, auf Laura Vowickel [!] kommen.

Düsseldorf, den 9. Nov. 1915

Eure, Euch innig liebende

Mutter, Joh. Elise Wuppermann

Tagebuch

September 1850

29. Sept. 1850. Gestern feierten wir unsere Hochzeit, ein glücklicher, seeliger Tag, ein Tag voll froher süßer Erwartung, voll Liebe und Seeligkeit!

Mein geliebter Otto und ich wurden 5 Uhr Abends auf dem Hofe unserer lieben Mutter unter einer schönen Ulme von Prediger Young getrauet, er hielt eine schöne inhaltreiche Rede. Die Gäste, Jettchen und Bianca Nohl, Minchen Lenhsen, Herr Ferguson, Schmiedt, Krochmann, Fischer, Koenemanns, Heusinger, und meine liebe Mutter und Geschwister, welche im Kreise um uns standen, gratulirten und umarmten uns aufs innigste. O Vater, o Clara, ihr fehltet mir noch gar zu sehr, warum verließet ihr uns so früh? Doch wie egoistisch von mir, so zu klagen, Ihr habt ja nun kein Leid, keine Schmerzen mehr, und seid bei unserem gütigen Vater im Himmel!

Nach der Trauung tranken wir ein Glas Wein und gingen dann ins Haus zum Eßen. Unter anderen hatten wir einen schönen Sandkuchen von Herrn Tillmann, einen Stärkepudding von Jettchen, einen Reiskuchen von mir verfertigt. Schinken, Rinderbraten, Kartoffelsalat, vor dem Essen Boullon, nachher Thee. Die Gäste baten uns, etwas zu musizieren, worauf Hermine und ich einige Duette sangen, wonach mich Minchen in unser liebes Häuschen begleitete. Mein lieber Otto war schwarz gekleidet, mit weißer Weste und Rosenbouquetchen im Knopfloch. Nachdem ich angekleidet war, befestigte mir die liebe Hermine das von ihr verfertigte Myrthenkränzchen ins Haar, und meine theure Mutter überraschte mich, indem sie mir eine schöne mit Diamanten besetzte Nadel, ein Geschenk meines lieben Otto, überreichte, und an die Brust heftete. Otto trug eine Uhrkette aus meinen Haaren, ein Geschenk meines Bruders Julius. Als Hochzeitsgeschenke bekamen wir, von Louis und Jettchen ein Dutzend flache Teller und Salatgabel u. Löffel mit silbernem Griff; von Herrn Ferguson, einen Suppenlöffel, ordinäre Salatgabel und Löffel und einen Waßereimer von Zedernholz mit kupfernen Reifen, von Minchen einen hübschen Bettüberzug, von Herrn Schmidt 4 Enten, und von Herrn Bechem ein hübsches Kästchen, welches wir aber erst nach seiner Abreise erhalten. Heute Morgen machte ich uns ein gutes Biefsteak, Nachmittags besuchten uns die Mutter und Geschwister.

Farm der Familie Tips, Zeichnung von Otto Wuppermann

October 1850

Dienstag den 15 Oct. Heute theilte uns Louis mit, daß sich die liebe Minchen mit Gustav Heusinger verlobt habe. Eduard schoß einen großen Hirsch.

Sontag, den 19. Oct. machten wir eine kleine Tour um Pekanüsse zu suchen. Mutter und Geschwister fuhren, Otto und ich ritten. Wir verbrachten den Tag recht vergnügt, aßen Mittags ein Butterbrod mit Eiern, suchten fleißig Nüße und kehrten früh wieder nach Hause. Die arme Helenchen hatte Fieber, zur Abwechslung kizelte ich meinen Bären ein bischen, wofür er mich mit seinen großen Tatzen, tüchtig in die Füße kniff.

Dienstag, den 21. Oct. Heute machten uns alte vom Steins6 ihre Abschiedsvisite, ich gab ihnen Ottos Zeichnungen (von Mutters Farm) an Tante Hanchen nebst einem Briefe mit.

Mittwoch, den 22. Oct. Heute morgen kaufte Otto 2 Kühe mit jungen Kälbern von Narvarro, und trieb sie mit Herrn Krochmann in die Penne, wir gaben ihnen die Namen Mina und Bianca. Dann schlachtete Otto das erste Schwein, ein kleines Spanferkel.

Den 29. Oct. Mein lieber Otto hat eine dicke, geschwollene Backe und Zahnschmerzen. Heute morgen holte er unsere 4 Schweine von Willow Springs. Gestern besuchte uns Herr Reinbach, welcher in Begriff war, nach Deutschland zu reisen, um seine Mutter und Schwestern zu holen. Sein Fuhrmann brachte die beiden Damensättel mit für Mutter und Hermine. Die Letzteren besuchten mich gestern Nachmittag.

Den 25. Oct. brannte und markte Otto mit den Herrn Bechem und Krochmann unser Vieh, die Herrn blieben zum Mittagessen bei uns.

31. Oct. wurde unser Hühnerhaus fertig, Otto schoß eine große Ratte todt, das Geschwür am Zahn hat Otto durchgeschnitten, und die Geschwulst und Schmerzen hören auf. Herr Schmidt reist nach Indianola um seine Frau abzuholen, und wird uns Proviant einkaufen. Julius ist in Seguin, um die Hobelbank zu machen. Herr Tillmann besucht Herrn Bechem, er hat eine schlimme Hand, war heute hier. Ich goß 98 Lichter mit Wachs für künftigen Sommer.

November 1850

2. Nov. Otto schlug heute mit Herrn Schuchardt das Haus unten herum zu. Morgens früh lag ein Schwein todt in der Penne. Mein lieber Mann verkaufte heute die erste Butter, 2 Pfd. zu 20 C. das Pfd. Heute Abend schlug Otto mit Herrn Sch. im Rauchhaus eine große Stinkkatze todt.

Sontag, den 3. Nov. Otto machte heute Morgen ein allerliebstes Kästchen, mit Herrn Schuchard, indem er mir sagte, es sei für unsern kleinen Caro, nach Tisch gestand er mir aber, es sei für zwei Tauben bestimmt, welche er, bei dem Kaufe von Mina u. Bianca von Navarro erbeten und für mich bestimmt habe. Der gute, liebe Mann! Nachmittags ritten wir hin nach Navarro, die Tauben zu holen. Die Damen waren sehr artig, schenkten uns noch 2 junge Tauben, 3 Stangen Zuckerrohr, Blumen, und zeigten mir den schönen großen Spring.

Den 4. Nov. Mein liebes Männchen schmiert mit H. Schu. die Küche aus und fand unter dem Kamin eine kleine Eierschlange, die 3te seit 5 Wochen, ich tödtete früher 2 große Moccassin-Schlangen, eine an der Quelle, die andere in der Küche im Salzbad.

7. Nov. Brill brachte heute Morgen ein Viertel von einem Bief, dieses wurde eingesalzen und morgen geräuchert. Die arme Mutter hat leider das Fieber wieder. Herr Krochmann brachte Otto Briefe von unserm lieben Vater und Schwester Laura, welche leider die traurige Nachricht von dem Tode unserer lieben Schwester Mathilde enthielten. Drei liebe, theure Verwandte sind in diesem Jahre von uns geschieden, das ist sehr schmerzlich! Den 28. Sept. an unserem Hochzeitstage waren die Briefe abgegangen.

8. Nov. Otto fand heute beim Aufräumen im Kornhause eine Eierschlange. Heute Morgen trieb er mit Herrn Krochmann unsere Horn in die Penne. Gegen Mittag schoß mein lieber Mann eine große Ratte im Rauchhaus.

9. Nov. Ich brannte u. mahlte ein Säckchen Caffee für einen Amerikaner welcher an die Fenz kam und darum bat, für 20 c.

14. Nov. Otto kaufte den Cid und war einige Tage in Seguin, wegen Herrn Bechems Process.

15. Nov. Herminens Geburtstag, mein lieber Otto machte das Appartement fertig, woran ihm meine Brüder halfen. Sehr angenehm und plaisirlich ist das Butter verkaufen, bis jetzt habe ich schon 2 ½ Dollar für Butter eingenommen.

17. Otto brannte mit Mr. Rogers, Herrn Bechem und Julius den Ali, den Cid und die Mary. Dann schlachteten wir eines der drei Schweine für den Winter.

18. Sontag, Wir ritten mit Mutter, Julius und Hermine nach Seguin, und besuchten Tom Johnsten und Klasing. Abends tranken wir bei Mutter den Caffee. Otto hat eine kleine Geschwulst am Beine.

December 1850

6. Dec. Otto schlachtete mit Julius 2 Schweine, eins von 128, das andere von 140 Pfd. Wir hatten einen doppelten Norder von 6 Tagen und 5 Grad Kälte, Otto's Geschwulst und Schmerzen haben bedeutend nachgelassen.

8. Dec. Mein lieber Otto schoß ein Eichhörnchen, eine Ente und ein Rebhuhn.

13. Dec. Otto trieb mit Herrn Krochmann und Bechem die Rose mit einem schönen Kuhkalbe in die Penne. Tags vorher machten wir Bratwürste und Panhas. Von der Kälte litt ich sehr.

14. Dec. Otto ritt heute Morgen nach Braunfels, um sich Pferdegeschirr zu kaufen, und verlor in Seguin seinen Plänket, welchen Herr Tillmann wiederbrachte. Ich war den ganzen Tag bei der Mutter, da Otto erst Morgen wiederkommen will, so bat ich Eduard bei mir zu schlafen, was er auch that. Nachmittags bekam Mutter Besuch von Rogers und Brills, wir musierten, was ihnen sehr gefiel. Es ist zum todtlachen, wenn die Mutter englisch spricht, so sagte sie z. B. zu Miss Perregh, Et is heute werri wärm, zu Mr. Rogers: Iß yü Moder well? Mr. R.: Jes Mem. Mutter: Jes Mem?

15. Dec. Seit einigen Tagen bin ich immerwährend übel, sehr frostig und müde, wenn es wirklich die Ursache von dem ist, was Mutter glaubt, so würde ich mich unaussprechlich freuen.

21. Eduard schoß heute 5 Haasen, von denen er uns 2 brachte. Den 15. kam Otto von Braunfels zurück, und brachte ein junges spanisches Pferd mit, welches er in Br. zu 10 Doll. gekauft, und Fritz genannt hatte.

24. Wir bekamen heute Besuch von Herrn Krause und einem andern Mann namens Maurer, welche die Nacht bei uns blieben. Nachmittags machte ich ein Christbäumchen fertig, woran zu Lichterchen ein Stück Wachsstock benuzt wurde. Morgens backte ich Spekulatius. Mein liebes Ötterchen holte Abends die Kinder bei der Mutter ab, welche einen Teller mit Speculacius und eine Kleinigkeit dazu bekamen. Als ich sie kommen hörte, steckte ich den Baum an, welcher ganz nett war. Ottöchen überraschte mich mit einem schönen Waschkorbe und einer Gießkanne, welche mir sehr lieb sind, ich schenkte ihm 1 paar Stiefel, 1 paar hirschlederne und 1 paar wollene gehäckelte Handschuhe und 1 blaue Schreinerschürze. Wir waren alle sehr vergnügt und tranken ein Gläschen Punsch zusammen. Wie gut ist mein lieber theurer Otto, und wie sehr liebe ich ihn!

25. Dec. Erster Weihnachtstag, schlechtes Wetter, den ganzen Tag Regen. Wir hatten eine kleine Gesellschaft zum Mittagessen, Mutter und Geschwister und die Herrn Bechem und Krochmann. Mittags ein schönes Essen: einen gebratenen Puter, Nudeln, Potetossalat, Schnitzeln, Kastanie und Apfelpai. Nachmittags spielten wir Komödchen, und tranken um 8 Uhr den Thee, wozu ich zweierlei gutes Brod, Rauchfleisch, Butter, Käse und Apfelpai aufsetze. Dann plauderten wir noch etwas, und sangen ein Weihnachtslied.

26. Die vergangene Nacht und heute immer Regen, unsre Betten mußten wir in die Stube mouven.

Während Elise sich mit Schwung und Optimismus in ihr neues Leben stürzt, plagen Otto finanzielle Sorgen. Für ihre neue Farm „Wupperhof“ hat er 685.- $ an die Vorbesitzer Fischer und Koenemann zu zahlen. Seine „sonstigen Hausanschaffungen“, darunter 5 Kühe, 5 Rinder, 2 jähr. Ochsen und 3 Kälber, die er seinem bisherigen Partner Bechem abkauft, belaufen sich auf 470.- $. Ein Wagen, der auf der neuen Farm dringend gebraucht wird, muss noch angeschafft werden. Die Ernte auf „Willow Spring“, der mit Bechem und Krochmann gemeinsam betriebenen Farm, ist weit über Erwarten schlecht gewesen, ein Brand, dem der größte Teil der Einfriedung (fence) zum Opfer fiel, hatte einen Schaden von 300 $ verursacht. Immerhin war es gelungen, „Willow Spring“, wenn schon nicht zu verkaufen so doch zu verpachten - gegen einen Pachtzins von einem Drittel der Ernte. Doch die Gelder, die Otto dringend aus Deutschland erwartet, lassen, u. a. wegen der politischen Ereignisse, auf sich warten. Geldsorgen werden die nächsten Jahre begleiten und Otto ist nicht geneigt, sie leicht zu nehmen.

1851

Januar 1851

Montag, den 6. Wie freue ich mich, wieder in unserm lieben Häuschen zu sein, meine lieben Kühe wieder melken zu können, und meinem lieben Männchen wieder seine Lieblingsspeise, warmes Maisbrod zu backen. Silvesterabend waren wir bei unserer lieben Mutter, wo wir ein Glas Punsch tranken. Neujahrmorgen traten wir unsere Reise nach dem Zibolo an, zuvor ritten wir zur Mutter, um ihr zum neuen Jahr zu gratuliren, die arme Frau lag im Bette und hatte das Fieber. Es war so kalt, daß wir, um uns zu erwärmen, mehrere Mal tüchtige Strecken zu Fuß gingen, wo dann Otto die Pferde führte, ich aber hinterherlief und die Pferde mit einem Stocke antrieb. Mittags 1 Uhr kamen wir bei Nohls an, die Guadaloupe war so klein, daß wir durchreiten konnten. Abends waren wir bei Ferguson zum Thee, wo wir uns gut amüsirten. Da Fritz lahm war, lieh Otto bei Ferguson die Bill, ein herrliches Pferdchen, welches ich nach dem Zibolo und zurück ritt. Otto war so heiser, daß er kaum sprechen konnte. Den 2. ritten wir, zu Riotte, unterwegs stieß der alte Niels zu uns, welcher uns den nächsten Weg zeigte. Herr Wallrath und Frau Riotte empfingen uns sehr freundlich. Herr Riotte war nach San Anton, kehrte jedoch abends zurück. Wir blieben bis Sonntag Morgen, wo uns Herr Wallrath nach Braunfels begleitete. Indeß ich mich mit der lieben Frau Riotte und ihren Kindern unterhielt, machte Otto manchen Ritt in die Umgegend, deren Hauptzweck war, Wagen zu besehen, den letzten Morgen fand er endlich einen, welchen er wahrscheinlich kaufen wird. Den 3. waren wir Nachmittags bei Brachts zum Caffee, Frau B. und ich freuten uns gegenseitig, uns wieder zu sehen, sie war gesund und munter, sie wohnten recht nett in einem kleinen hübschen Häuschen. Frau Bracht versprach mir, uns recht bald zu besuchen. Den 4. ging ich mit Frau Riotte zu Perimann, welche das Pianino von alte v. Steins gekauft haben. Nachdem ich die liebe Familie Riotte näher kennengelernt habe, bedaure ich es doppelt, daß sie nicht ganz in uns’rer Nähe wohnen. Wir erkälteten uns beide sehr, besonders ich bekam einen heftigen Husten. In Braunfels trafen wir Heusinger, welcher uns von Minchen den 30. Dec. als ihren Bräutigam vorgestellt war, sie logierten Nachts bei uns und ritten den andern Morgen mit Bianca, Goldbeck und Seele, welche mit ihnen kamen, nach Braunf. zurück.

Wilhelmine (Minchen) Tips, (verh. Lenshen/Heusinger/Reuter)

7. Gestern bei unserer Rückkehr hörten wir, das ein Huhn krepiert, und die eine Taube verunglückt sei. Otto trieb heute mit Herrn Krochmann die wilde Nonne, welche uns fortgelaufen war, wieder ein, er arbeitet wieder an der Fenz auf Willow Spring.

13. Unsere liebe Mutter entschloß sich Gestern auf unser aller Bitten, Louis’ und Jettchens Einladung nach Braunfels zu folgen, um sich zu erholen und endlich das Fieber los zu werden, Julius fuhr sie heute morgen hin, ich hoffe auf Gott, und bitte ihn, daß er sie bald in unsere Mitte gesund zurückführe.

17. Wir haben wieder einen tüchtigen Norder. Den 14. besuchte uns Herr Runge, und theilte uns die freudige Nachricht mit, die erwarteten Kisten seien unterwegs, er logierte Nachts bei uns. Den 15. besuchte uns Herr Riotte, er kam, um eine Negerinn zu miethen. Abends gingen wir hinauf und musicirten, welches Herrn Riotte sehr amüsirte. Otto brachte endlich Briefe von Deutschland, worunter 5 an Mutter, 2 an Julius, und 1 von Ohm Hermann an mich. Herr Krochmann hilft Otto die Fenz dicht machen, und das Thor an der Kuhpenne verbessern. Gestern Morgen ritten Herr Bechem und Otto mit Herrn Riotte um den Wagen von Maclöln zu holen.

17. Otto ist noch nicht zurück gekehrt, jedenfalls hält ihn der Norder zurück, welcher heute wieder mit aller Gewalt wüthet, und braust. Ich machte heute ein kleines Gedicht für ihn, überschrieben: „Hihsenbeinchens Heimkehr.“ Walter und Helenchen schlafen bei mir.