>Tharge< - Sabine Grassy - E-Book

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Sabine Grassy

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Beschreibung

Wir müssen uns Zeit nehmen in einer Welt, die uns überrollt. Ich als Mo erinnere mich an Lhasa, Tibet, die Mönche, viele Gebete, Meditationsräume und Gespräche, die ich in dieser Intensität später nicht mehr fand. Das Trauma einer Geiselnahme bringt mich an meine Grenzen, birgt aber ebenso die Chance mich neu zu finden. Ich, der kleine Shih Tzu, übermütig und in Deutschland vom Leben geküsst, erlebe ausgerechnet in meiner Wahlheimat ein Trauma, das ich nicht bewältige. Die Suche nach meinen Wurzeln führt zu dem Mann, der mir in den ersten Lebenswochen das meiste bedeutete. Zu sehen und zu hören, dass sein Weg beschwerlich war wie meiner, werte ich als Zeichen, obwohl ich den Rollstuhl schrecklich finde. Er ist ein Mönch, heilt sich durch seinen Glauben. Warum hilft es ihm nicht beim Laufen? Dieses Buch ist eine Reise durch Tibet und Lhasa bis nach Deutschland und ein Tribut an die Fähigkeiten, die man in sich selbst findet.

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Die Autorin

Die Autorin wird nicht leise, wenn es um das Erzählen besonderer Geschichten geht, die nicht einzig Hundeliebhaber ansprechen.

Besondere Gefühle müssen gelebt werden, was in der schnelllebigen Zeit viel zu kurz kommt.

Die ›Missionen‹ von ›Eddy und Mo‹ sollten nach dem Psychodrama ›WolkenWort‹ eine Pause erfahren, da die Psyche von Mo angeschlagen ist. Er sehnt sich nach seinen Wurzeln und möchte an den Ort zurückkehren, an dem er das Licht entdeckte.

Lhasa in Tibet.

Der Mensch, der ihm das ›Leben in den Welpen-Pfötchen‹ erklärte, ist der Einzige, der ihm nach der seelischen Erschütterung helfen kann. Tharge!

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

THARGE

HIMMLISCHER FLUG

FINDE THARGE

UNGLÜCK

POTALA

MIT DER RIKSCHA ZUM SCHATZPARK

DANKE JIRKI

ABREISE OHNE ZIEL?

AUSSICHT

SCHATTENHUND

WARUM FÄHRST DU AUS DEM FELL?

ÜBERSINNLICH

EINE REICHE STADT?

BUDDHISTISCHES ZENTRUM

ER

ENTSCHEIDUNG

VOREILIGES VOTUM

›GEFÜHLSWANDERUNG‹

KAMPF DER GEFÜHLE

›MO-MOBIL‹

WENN DAS LEBEN IN SCHIEFLAGE GERÄT

EDDY?

ALLES HAT SEINE ZEIT

SCHATTEN

HAMBURG

JAHRESZEITEN DER GEFÜHLE

LICHTSTRAHL

AUF DER WELLE DES NEUBEGINNS

DANKE

Vorwort

Für alle Leserinnen und Leser, denen die Bücher von Eddy und mir unbekannt sind:

Ich bin nicht der Einzige mit einem Leben, einer Vorgeschichte, einer Gegenwart und Zukunft.

Wichtig genommen habe ich mich zu keiner Zeit.

Es tut mir leid, dass viele in ihrem Leben Enttäuschungen bewältigen müssen, die schwer wiegen und ihnen auferlegt wird, einen sog. ›Plan B‹ griffbereit zu haben.

Scheitern wir nicht alle mal als Opposition zu den schönen Dingen, die unseren Weg zu was Besonderen machen?

Ich bin kein Freund der ›Hobbypsychologie‹ und mir ist bewusst, dass es jahrelange Studienarbeit benötigt, anderen konstruktiv zu helfen.

Was ich mir dennoch nicht nehmen lasse, ist meine Überzeugung, dass ein Händeschütteln, das Streicheln eines Hundes, ein nettes ›Hallo‹ für einen ›Vergessenen‹ mehr bewirken, als jedes geheuchelte ›Du brauchst Hilfe‹ und ›ich bin da für Dich‹.

Tharge

Meine Familie ist der Ansicht, dass die Magie, die Tharge umgibt, mich heilen wird.

An welche besonderen Begabungen eines Mönches sie das knüpfen, ist mir unklar.

Ich verspüre Sehnsucht nach der heilen kleinen Welt vor ›WolkenWort‹, mit einer großen Sehnsucht in mir, ohne zu wissen, ob ich diese überhaupt noch finde.

Die traurige Geschichte des ersten Menschen, der gut zu mir war, die aus ihm einen anderen Menschen gemacht hat, werde ich mir in Erinnerung rufen.

Unabhängig vom Insiderwissen, falls Du meine Autobiografie ›Krabumms‹ nicht kennst, wird sie Dich – entweder erstmals oder erneut – ergreifen.

Tharge war ein erfolgreicher Geschäftsmann und liebevoller Familienvater.

Abends am Lagerfeuer hat er mir von seinen Aktivitäten außerhalb des Klosters erzählt und ich war der, der das Zittern in seiner Stimme bemerkte, sobald es eine Richtung verließ und Emotionen betroffen waren, was mir gefiel.

Abwechselnd zu Passagen, in denen er ununterbrochen sprach, gab es diese, in denen seine Stimme stockte und ich schnell begriff, dass er Erinnerungen ausblendete.

Ich war ein Kleiner und bin heute stolz, die Tragweite erkannt zu haben.

Unzählige Male lag ich flach auf dem Bauch, um ihm aufmerksam zuzuhören.

ICH SCHAUTE IHN NICHT AN SONDERN ZU IHM HOCH.

Heute erinnere ich seine Worte, als seien sie gestern ausgesprochen worden.

Für ihn war ich der Xinghuo.

Wenn ich Jahre später Worte hörte, die ähnlich klangen, hatte ich das Gesicht meines ›Tibeter mit Herz‹ vor mir.

Seine Geschichte, die er tief im Herzen trägt, erschütterte mich als jungen Hund in den Grundmauern meines Vertrauens zu Menschen.

Er hat viel besessen, bis er alles verlor.

Ohne Vorwarnung, ohne Anzeichen, ohne aktiv einen Anteil am Untergang gehabt zu haben.

Als Manager erfolgreich tätig, fand er abends Ruhe bei seiner Familie, einer tollen Frau, zwei ›Wunschkindern‹ und einem Shih Tzu.

Ja, die wahren ›zweibeinigen Helden‹ entscheiden sich für meine Artgenossen – das am Rande.

In seinen Augen war sein Glück perfekt und sein Lebensinhalt gefüllter, als er sich vorher erträumte.

Ruft Glück Neid bei anderen hervor?

Luan kam zur Sprache, sein ›bester Freund‹, sein Gegenbild.

Er war am Feiern interessierter als an Pflichten, führte er ein Leben auf der Überholspur und suchte, – ohne es zuzugeben – nach dem, was Tharge gefunden hatte, bis Luan zu einem Monster wurde wie Marvin.

Ich weine, weil ich an die Worte denke, die Tharge mir mit auf meinen langen Weg nach Deutschland gab.

Sein Gesicht war von Tränen übersät.

»Kleiner, einzigartiger, neugieriger Xinghuo. Lasse nicht zu, dass Dir jemand so nah kommt, der diese Nähe nicht angemessen zu schätzen weiß. Hinterfrage, zweifele und vertraue erst nach einer gezielten Prüfung. Suche nicht nach vielen Freunden, einer würde reichen, wenn er ›echt‹ ist‹.

Den habe ich in Eddy gefunden und sofort gewusst, was Tharge mit ›echt‹ meinte, während sein Mahnen vor etwaigen ›Falschen‹ auf Marvin zutrifft.

Seine Worte über diesen Unfall, der keiner war, machten mich fassungslos.

Das Auto, das explodierte und seine Familie auslöschte, war das, in dem seine Frau fuhr, weil er sich auf der Arbeit krankgemeldet hatte.

Sein ›Freund‹ wurde festgenommen und die Details, die Tharge bekannt wurden, verkraftete er einzig mithilfe eines ›kleinen Neuanfangs‹ in einem Kloster, wie er es bezeichnete. Überdies suchte er nach einem neuen Sinn im Leben, wählte die Einsamkeit und nahm die dringend notwendige ›innere Reinigung‹ in seine Hände.

Wieso liegen Freud und Leid so dicht beieinander?

Geht das eine ohne das andere nicht?

Die tiefe Bewunderung für diesen besonderen Menschen macht es möglich, dass ich mein kaputtes Herz wieder spüre.

Die anfänglichen Schuldgefühle, Tharge in Tibet zurückgelassen zu haben, verlor ich über die Jahre.

Dass er mir noch dasselbe bedeutet wie nach meiner Geburt, wird mir bei Problemen und in Krisen deutlich, weil die erste Frage, die ich mir stelle, eine in Bezug auf Tharge ist.

Was täte er in meiner Situation?

Tharge?

Ich brauche Dich.

Dringend.

Himmlischer Flug

Der langersehnte Tag ist gekommen und wir machen uns auf den Weg zum Flughafen.

Seit Tagen hält mich ein Mix aus Vorfreude und Angst im Griff.

Tharge wiederzusehen, was gibt es Größeres?

Wie gehe ich mit der Bestätigung um, dass er mich nicht erkennt?

Ich war ein Welpe, als er seine Zeit mit mir teilte.

Seitdem sind viele Jahre vergangen.

Ohne seinen Beistand habe ich einiges erlebt und ferner wird es seinem Leben keinen Stillstand gegeben haben.

Hatte er nach mir viele weitere Shih Tzu?

Ich zerbreche an dem Gedanken, dass er nicht zu verstehen vermag, dass mich in fiesen Situationen eine undefinierbare Sehnsucht quält.

Fühlt er sich ausgenutzt, wenn ich in Anbetracht eines psychischen Traumas nach den Quälereien durch Marvin fest nach ihm verlange?

Marvins Geschichte kannten Eddy und ich aus TV-Berichterstattungen.

Seine Freundin war verschwunden.

Unser größter Fehler war, die ›falsche Mission‹ zu verfolgen.

Das Ziel, ihm seine Milena zurückzubringen, scheiterte nicht zuletzt an einem Lügenkonstrukt, dass Marvin auf der einen Seite aufrecht hielt und auf der anderen permanent ausgestaltete.

Was haben wir alles versucht, bis ich durch meine Fähigkeit, ›Wolken zu lesen‹, auf die Wahrheit stieß.

Meine Neugier, Dinge aufzudecken und mein Drang zur Ehrlichkeit sollten sich rächen.

Ich wurde tagelang gefangen gehalten und seelisch und körperlich misshandelt.

Unter den Folgen leide ich jeden Tag mehr.

Symptome des ständigen Wiedererlebens, Assoziationen mit Gerüchen und Geräuschen und panikartige Zustände brachten mir die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung ein.

Meine Familie hält ein Wiedersehen mit Tharge für eine geeignete Maßnahme, mein Herz zu reparieren.

Was, wenn Tharge nicht mehr am Leben ist?

Kommt im Falle seines Todes ein Belastungsfaktor oben drauf?

»Du denkst zu viel«.

Eddy schubst mich vom hinteren Autositz in den Fußraum.

»Aua. Spinnst Du?«.

Seine Art, mich abzulenken und aus meinen Gedanken zu reißen, empfinde ich abseits jeglicher Gewohnheiten als unsensibel.

»Mein operiertes Bein, Du Grobian«.

»Was für ein Gejammer. Erklärst Du Deine guten und schlechten Tage auf Lebenszeit mit Schmerzen? Drei Tagen ist es her, dass Du mir entgegnet hast, dass nichts mehr wehtut. Dein Herz ist das vorherrschende Problem und auf das kann man nicht stürzen. Los, bitte zeige mir, wie Du fällst. Du bist der Meister des Erprobens«.

Langsam krabbele ich hoch und zeige ihm die kalte Schulter, indem ich seine Hilfe ausschlage.

Eine ausgestreckte Pfote formt keinen Charakter.

Ich tippe von hinten auf die Schulter einer unsere ›Mamas‹.

»Habt Ihr das mitbekommen?«.

»Hier vorne hören wir nicht viel. Was ist los?«.

Ich schwanke zwischen dem Petzen und einer abrechnenden Rache, bis ich mich für Letzteres entscheide.

»Eddy will im Flugzeug nicht ins Handgepäck. Er zieht es vor, mit den Koffern im Frachtraum zu reisen«.

»Das haben wir anders besprochen, Mo. Du kommst in die Transportbox und Eddy in eine Reisetasche als blinder Passagier«.

»Na ›Witzli‹«, wer von uns ist nachher weggesperrt? Du harrst aus hinter Gitterstäben, während ich die Maschine erkunde«.

Ich lasse mir nichts anmerken.

Eddy denkt, dass es mich bis aufs Blut provoziert, wenn er mich auslacht.

Dass er es schafft, muss er nicht wissen.

»Ich fühle mich bestens aufgehoben in meiner Box. Mache Du Dich ruhig lächerlich vor allen Passagieren, wenn Du Dich bei Unruhen im Luftraum nicht auf den Beinen halten kannst«.

Seit einer halben Stunde schweige ich meinen Freund an, was ihn sichtlich stört.

»Mo, bitte, es war nicht so gemeint. Ich möchte die gleiche Box, die Du hast. Ich habe nicht umsonst zwei Wochen Diät gehalten, um die Voraussetzungen zu erfüllen, als Reisegepäck zu gelten«.

Der Moment ist gekommen, an dem ich meine Abwehrhaltung aufgebe, weil ich mir das Lachen nicht verkneifen kann.

»›Mr. Koffer von Sack und Pack‹, mein Eddy. Amüsant«.

Schnell wird kein Moment entstehen, in dem er anderen erzählt, ich sei schnell gekränkt.

Er ist es, der sein Maul nicht mehr aufmacht, was ich nicht zuletzt aus dem Grund gut ertrage, dass wir das Parkhaus des Flughafens erreicht haben.

Warum wir jetzt in die Box müssen, ist mir schleierhaft.

»›Mamas‹. Ich muss Gassi«.

Mein Glück, dass ich rechtzeitig beim Verlassen der Tiefgarage einen Grünstreifen entdecke.

Wie gut die Großen funktionieren.

Popelige Bewegungen auf der Uhr sind zu verzeichnen bis zu diesem Moment, an dem wir abgesetzt und rausgelassen werden.

Als ich hinüberblicke zu dem großen Flughafengebäude, wird mir mulmig.

»Können wir nicht mit dem Auto nach Lhasa fahren?«.

»Wenn das ginge, würden wir Euch diesen blöden Flug ersparen«.

Unsere Frauchen kraulen mir den Hals.

»Um Dir Deinen Herzenswunsch zu erfüllen, nehmen wir gezwungenermaßen und zähneknirschend diesen Flug mit Euch und den Strapazen in Kauf. Nach dieser Reise ersparen wir Euch jede Fernreise«.

»Ich freue mich auf meine alte Heimat, die Klöster, Mönche und vorweg auf Tharge. Wir bringen es hinter uns«.

Wie muss Eddy mich lieben, dass er es auf sich nimmt bei all seiner Angst, die er mir vor einigen Tagen gebeichtet hat.

Wir finden uns an einem speziellen Terminal zum Check-In ein.

Als sie mich auf ein Band stellen, um ein Gewicht zu notieren, bin ich schnurstracks abgefertigt.

»Übergewicht, sie müssen einen Zuschlag zahlen, für ›Mehrgepäck‹« wendet sich eine Mitarbeiterin an unsere ›Mamas‹.

Ich schmeiß mich weg.

»Na, Dickerchen. Hast Du die dringend gebotene Diät heimlich gebrochen?«, rufe ich zu ihm rüber und bin berührt von seiner Antwort.

»Jedes Kilo brauche ich, um Dich in Tibet zu beschützen«.

Nach endlosen Formalien und nervenzehrender Warterei sind wir in der Maschine.

Ob der Fahrgastraum allen so eng vorkommt?

Bilde ich mir das Gefühl ein, eingepfercht zu sein? Basiert es auf der Geiselhaft durch Marvin?

Ich beginne zu zittern und zu weinen und werden ungeachtet dessen oben über meinen ›Mamas‹ mit Eddy in ein Regal geschoben.

Das könnt ihr nicht machen.

»Sobald wir in der Luft sind, holen wir Euch zu uns runter«, erinnert uns unsere ›Mama Perfekt‹ im Flüsterton an die Absprache, die wir im Vorfeld getroffen haben.

Beruhigt warte ich auf diesen Moment, den wir schnell nach einem schrecklichen Start erreichen.

Unsere Boxen werden runtergehoben und entgegen der Bestimmungen werde ich rausgeholt und liege auf einer Decke auf ›Mamas‹ Schoß, was mich mehr und mehr beruhigt.

›Mama Panik‹ hat große Mühe, Eddy auf ihrem Schoß zu halten. Seine Neugier überwiegt und vier Sitze vor uns jauchzt ein Junge vor Freude über tierischen Besuch.

»Schau Mama. Der Hund aus der Werbung«.

»Nee, Kleener, aus Berlin« stellt Eddy klar.

»Der kann sprechen, Mama. Das glaubt mir keiner. Wie heißt Du? Ich bin Tim«.

»Pass ma uff Keule, dit find ick knorke. Ich bin ›Big Eddy‹. Bis später Tim. Ich muss noch Unwichtigere kennenlernen«.

Unfassbar, dass er nach einer scheinbar großen Flugzeugparty auf einem Serviertablett einer Stewardess sitzt und durch die Reihen geschoben wird.

»Na, Du ›kaiserliche Hoheit von Mückenfurz‹«, raune ich meinem Freund zu, als der Rollwagen neben uns hält. Ich kann nicht an mich halten, als ich die Mütze sehe, die ihm verpasst wurde.

»Kaiser von was?« fragt der, der denkt, einen Stern in den Staaten verliehen zu bekommen.

»›Von Mückenfurz‹. Du meinst, alles zu dürfen«.

»Ich gehöre zur Crew – stimmt’s, Miss Germany?«.

Die hübsche Frau mit den strahlend weißen Zähnen lacht mitreißend.

»Nicht Miss Germany. Ich heiße Amelie, lieber Daddy«.

»Und ich Eddy, nicht Daddy«.

Unsere Frauchen sind beruhigt, dass ihnen keine Sanktionen drohen ob der Tatsache, die Vorgaben der Fluggesellschaft gebrochen zu haben, bis sie aufschrecken bei Eddys nächstem Vorhaben.

»Wann sehe ich das Cockpit?«.

»Erst mal beköstigen wir alle ›Hund Ungeduld‹«.

Amelie schiebt mit Eddy viel zu schnell weiter.

In allen Reihen wird gelacht.

Wir wollen nicht wissen, was für eine Show unser Macho abzieht.

»›Mama‹?«.

Ich schaue ihr tief in die Augen.

»Ist es normal, dass ich heulen könnte, wenn andere lachen?«.

»Du hast viel Schreckliches erlebt, Mo. Du musst Geduld haben«.

»Ich sehe in nichts einen Sinn. Eddy ist für alle zugänglich, erreicht Herzen, alle lieben ihn für seine Art und er rennt los und hat Spaß. Wie macht man das?«.

»Mit fehlt die Antwort, Dir das zu erklären, warum jemand das eine beherrscht, das der andere braucht, um gesund zu werden. Aus diesem Grund besuchen wir Deinen Tharge. Deine depressive Phase wird vergehen, wir glauben an eine spezielle Heilung durch ihn, Deinen ersten Vertrauten«.

Müde schließe ich die Augen.

Depressionen.

Ein Psycho wie Marvin, obwohl ich so nicht sein will.

Wach werde ich durch das Mikro.

Wer ist wohl dran?

Bis auf den Schoß des Piloten hat er es geschafft.

»Hey, Leute, hier spricht Euer Co-Pilot. Mensch, wenn Ihr sehen könntet, was hier alles leuchtet. ›Papa Pilot‹ – sind wir in Zeitnot? Hier würde ich drücken, kannst Du überblicken, ob wir später ohne Unfall landen? Hey, er hat mich verstanden«.

Drücken darf Eddy nicht.

Er kommt zu allen nach hinten und startet eine Petition.

Unter Johlen und Klatschen zelebriert Eddy seinen Auftritt.

»Reiß Dich am Riemen, ›Freggle‹«, wird er von unseren Frauchen ermahnt.

»Wir fliegen hier noch raus«.

»Nicht tausend Meter über dem Meer. Beileibe nicht. Ich bin ›auf Du und Du‹ mit dem Cockpit-Chef, er hat sich an meinen Humor gewöhnt. Wo ist das WC?«.

»Du musst in die Box, die Unterlagen sind saugfähig«.

Entgeistert schaut er mich an.

»Du Ferkel. Bei Deiner Sauberkeitsentwicklung habe ich in der Erziehung was falsch gemacht«.

Wenn ihm an meiner Erziehung ein großer Anteil nicht abzusprechen ist, lasse ich mir nicht unterstellen, Angst vor einer Toilette für Menschen zu haben.

Und das tut er unterschwellig, ich kenne ihn zu gut und rutsche vom Schoß meiner ›Mama‹ vor Eddys Pfoten.

»Komm, ich zeige Dir, wie und wo Du Dich erleichtern kannst«, baue ich mich vor ihm auf.

Das ›Nein, bleib hier‹ hinter uns ignoriere ich.

Eine Frau, die vor Sekunden diesen mickrigen Raum verlassen hat, hält uns grinsend die Tür auf.

Ich beobachte, wie mein Freund das hinbekommt, charmant grinsend das Innere zu betreten.

Buddha dankend verspüre ich keinen Harndrang.

Als ich noch am Überlegen bin, wie ich die Tür von innen zuhalte, höre ich einen lauten Strahl und drehe mich zu ihm um.

Nein. Er hat ›kurzerpfötchen‹ das Bein gehoben.

»Eddy, knallst Du völlig durch? Das hättest Du am Sitzplatz erledigen können«.

»Ich werde unser ›Zuhause auf Zeit‹ nicht beschmutzen. Erinnere Dich an mein ›Westie-Knigge‹, Mo«.

Ohne weitere Erklärungen ist er weg, bis ein Mann hereinkommt und mich scharf mustert.

»Ich war das nicht«.

Mein Statement scheint ihn milde zu stimmen.

»Das ist nicht schlimm. Ich habe gelegentlich danebengehalten, ohne dass ich jemandem eine Erklärung schuldig gewesen wäre«.

Mit Papierhandtüchern wischt er alles weg, streichelt mich und schiebt mich sanft aus der Tür.

Eddys Glück, dass er nicht an unseren Platz zurückgekehrt ist, sondern einer jungen Frau die Wolle beim Stricken hält.

Das WC-Debakel bleibt unser Geheimnis.

Nach dreiundzwanzig Stunden und drei Flugzeugstopps landen wir in Lhasa.

Finde Tharge

Nun stehen wir mit unserem Gepäck fernab der Heimat in einem für alle fremden Land.

Ich kann mich an nichts außer Tharge erinnern, die anderen drei verlassen sich hoffentlich nicht auf mich als Richtungsgeber.

Kein Schild verrät, wo wir uns befinden.

Was, wenn wir keinen Menschen treffen, der unsere Sprache spricht?

Reicht überhaupt der Name Tharge?

Das Einzige, was unsere Frauchen vorab in Erfahrung bringen konnten, war Lhasa.

»Tharge?«.

Ich laufe auf einen Tibeter zu.

»Tashi Delek«.

Der kleine Mann lächelt und streichelt mich.

»Was hat Tharge gesagt?«.

Ich schaue hoffnungsvoll zu unseren ›Mamas‹, die an ihrem Sprachübersetzer herumfummeln.

»Es ist tibetisch und heißt so viel wie ›Hallo‹. Warte, Mo. Wir versuchen es mal«.

Ich warte, während der Mann nickt und geht.

»Haltet ihn auf«.

Ich kann nicht fassen, dass keiner was unternimmt.

»Es ist nicht Tharge. Du kannst ihn jetzt nicht in jedem Mann sehen. Dieses Ding übersetzt nicht zufriedenstellend, aber im Potala-Palast1 gibt es einen Dolmetscher. Den benötigen wir, wenn wir Tharge finden wollen. Ich rufe ein Taxi und wir fahren zum ›Roten Berg‹. Aufgegeben wird nicht«, versprechen mir die Großen.

Ein pompöser Palast.

Das war also der Regierungssitz des großen Dalai-Lama?

Ich bin beeindruckt und bekomme nur am Rande mit, dass Eddy schon wieder auf Alleingang ist.

Mit dem Handy im Mund läuft er auf Pilger zu, lässt es fallen und ruft in die Menge.

»Tashi deleg. Gong dah. Kay nang gi ma ra Tharge«.

Unsere Frauchen schauen in das zweite Handy und lachen.

»Eddy, nichts ergibt einen Sinn«.

»Was hat er gefragt? Ich habe Tharge gehört und das ist niemals sinnlos«.