Rückbatscher - Sabine Grassy - E-Book

Rückbatscher E-Book

Sabine Grassy

0,0

Beschreibung

Viel zu früh abgegeben, von Mama und Schwester getrennt, lernte ich das Leben mit all seinen Facetten kennen. Tat ich mich schwer, weil ich nicht einem typischen West-Highland-White-Terrier entspreche oder weil ich für einen Rüden viel zu weich und sensibel war? Ich kam zu einem Rudel, in den ich anfangs nicht hineinfand und musste befürchten, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt. Rückblickend ein schwerer Zeitpunkt, an dem mir noch nicht klar war, dass mir die härteste Zeit erst noch bevorsteht. Meine Geschichte, Trauerbearbeitung mit Sinnsuche, führt mir die Tragik erneut vor Augen. Als ich kurz vorm Aufgeben stand und mein Leben hasste, das mich öfter schlug, als ich verkraften konnte, erschien mir ein verloren geglaubtes Licht. Wenn das Leben Dich batscht, musst Du zurückbatschen. Bei dieser Überzeugung half mir ein Besonderer ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 151

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Autorin lebt, was sie schreibt.

Sich zu Hause fühlen mit Hunden verspricht nicht ausschließlich Freude, die Schattenseiten prägen in besonderem Maße das Zusammenspiel zwischen ›Pfote und Hand‹

Durch erschütternde Erfahrungen im zwischenmenschlichen Bereich verschrieb sie sich bewusst und aus voller Überzeugung einem Leben mit den ›WAHREN Freunden des Menschen‹. Dass leidvolle Erfahrungen nicht einzig sie im Griff hatten, sondern vielmehr einen ihrer Hunde nahezu zerbrechen ließen, öffnete ihr auf bestürzende Weise die Augen für dessen verletzliche Seele.

WIDMUNG

Ich danke meinen ›Mamas‹, die mich zu keinem Zeitpunkt aufgaben, als ich es längst getan hatte.

Meine kleine Hundeseele zerbrach durch das, was ich erlebte und das zu verkraften viel zu viel war für einen kleinen Hund mit zartbesaitetem Wesen.

Freiwillig suchte ich nach der Regenbogenbrücke, rückblickend unheimlich und Schuldgefühle hervorrufend.

Wie man das Licht sucht, wenn Dunkelheit die Tage füllt, ist mir heute bewusst.

Es zu finden bedarf einzig einer Begegnung.

Ich liebe Dich, Gizmo!

INHALTSVERZEICHNIS

UNBESTRITTEN SCHWER!

BERLINER JUNG

CIAO BERLIN

POWER GEGEN MICH

GELUNGEN

AUF EINMAL GELIEBT

ICH GEBE SIE NICHT AUF

UNERTRÄGLICH

STILLE IN MIR

AUSGERECHNET!

TRAURIGES WAHRNEHMEN

ANGST

TIERKLINIK

23.05

KOFFERRAUM

BESCHNUPPERN

DIE ERDE UNTER MIR

AUSFAHRT HÖLLE

ICH KANN NICHT MEHR!

WANN SEHE ICH ES WIEDER?

DER SPAZIERGANG ›DANACH‹

WELPEN-BESCHAU

HOFFNUNGLOS

BEINAHE

ER

RUDELFÜHRER?

SPRACHLOS

NACHHOLBEDARF

KOSTBARER PLATZ

SOMMER SONNE WIND

DANKE, GIZMO!

Unbestritten schwer!

Wie leite ich ein Buch ein?

Es verunsichert mich, ob es positiv ist, wenn ich viel zu berichten habe. Grundsätzlich bringt mich schnell aus dem Tritt, dass ich befürchte, dass nicht der viel im Leben bekommt, der in gleichem Maße gibt.

Ehrlich, ich wünsche, ich hätte weniger erlebt. Damit meine ich nicht Dinge, die ich mit Freude verbinde, sondern vielmehr die, die mir den Atem rauben und mich bis durch alle Pfötchen verzweifeln lassen, wovon es zu viele gab.

Zurückgestellt und bestraft vom Leben fühlte ich mich nicht nur einmal und es quälte mich die Frage, ob ein Leben Sinn ergibt, wenn ich ständig verliere.

Ich habe enorm gekämpft.

Begonnen in Berlin, als kleiner West-Highland-White-Terrier geboren.

Frag mich nicht, was mich auszeichnet, ich mache mich frei von Klassenunterschieden und begreife ohnehin nicht, warum alle katalogisieren.

Dass ich keine reelle Chance in der Bundeshauptstadt hatte, war mir schnell klar.

Hochhaussiedlung, überforderte ›Gastfamilie‹, sorry, dass ich sie derart benenne, und ein vorschneller Abschied von meiner Mama und meinem Bruder.

Ohne Wiederkehr.

Zurück blieben meine Schwester und ich, und ich begriff schnell, dass ich nicht hineinpasste in die gewünschten Vorgaben.

Bis ich ein neues Zuhause fand.

›Neu‹ passt nicht, mein Erstes trifft es genauestens.

Mein Start war holprig, sodass ich regelrecht davon ausgehen musste, dass meine Zukunft ewig hügelig verlaufen würde.

Ich kämpfte ohne viel Aufhebens.

Darum, dass ich anerkannt und geliebt werde, dass mich andere Hunde ernst nehmen und dass ich nicht permanent gebe, sondern letztendlich nichts Greifbares zurückkriege.

Ich verachte hohe Ansprüche; Gefühle reichen.

Es war ein beschwerlicher Weg, abgesehen von Stolperfallen einer, den ich liebte und um nichts in der Welt hätte tauschen wollen.

Mutmaßlich war es exakt DER Kampf, der mich bis heute fest mit meinem Umfeld verbindet.

Wenn ich dermaßen ringe, dachte ich, sei alles, was auf dem Haufen ›gewonnen‹ landet von beständiger Dauer, da manch anderem ohne viel Zutun das Gewünschte zufliegt.

Mir nicht.

Meine letzten Jahre, ich zähle zehn, waren geprägt von äußerst differenten Lebensphasen.

Weggeholt von zu Hause, zu früh für Außenstehende, mich indes glücklich machend, führte mich mein neues Leben in ein großes Haus.

In diesem traf ich auf zwei Hündinnen, die das Heim zu dem machten, wie es auf andere und mich wirkte – ohne bitteren Beigeschmack.

Mit gesundem Abstand kann ich das heute benennen.

Ich betrachte sie nach wie vor als meine Familie. Nicht die, in die ich geworfen wurde, entschieden die, die ich herbeisehnte.

Komplettiert wurden wir durch unsere Frauchen, zwei Schwestern, die uns mehr liebten als jeden Menschen in ihrem Umfeld.

Die vier bedeuteten mir unbeschreiblich viel; während ich die Liebe meiner neuen ›Mamas‹ geschenkt bekam, musste ich mir die der beiden ‹Dackel-Freaks‹ erarbeiten.

Gern wäre ich überzeugender gewesen und stellte mich höchstwahrscheinlich zu tollpatschig an, sodass meine Versuche abprallten.

Ich war ein einzelner Welpe, die ›Pfoten-Ladys‹ viele Jahre zusammen unterwegs.

Zwei Hündinnen, die mir unendlich viel bedeuteten, als ich sie nach und nach von mir überzeugte, dominierten meinen Weg.

Mehr noch, sie steuerten meine innere Balance.

Jeden Morgen wachte ich an ihrer Seite auf, gut, eher abseits, obgleich in ihrer Nähe, und sah sie an.

Ich liebte beide, obwohl sie verdammt unterschiedlich waren.

Je mehr ich mich um sie bemühte, desto bewusster wurde mir, was für ein ›Weichei auf vier Pfoten‹ ich tatsächlich war.

Alles ließ ich mit mir machen.

Ärgern konnte ich ausgesprochen gut, mit Respekt vor ihnen.

Ansonsten bemühte ich mich, dass sie mich nicht ausschlossen.

Wie sehr ich von mir wegging und wie hoch meine selbstlose Annahme der beiden war, beschreibe ich später.

Nicht bis zur Selbstaufgabe, dennoch war es hart. Ich machte mich in irgendeiner Form abhängig von der Liebe dieser zwei ›Rappelköpfe‹.

Waren sie mir zugetan, ging es mir gut; Gegenteil inbegriffen.

Es war bei allem Jammern definitiv MEIN LEBEN an ihrer Seite oder wenig nebenbei.

Ich glaubte, ein Bezug zu Artgenossen sei wichtiger als der zu einem Menschen.

Ob sie tatsächlich ihre Abwehr gegen mich aufgaben oder woran ich eventuell scheiterte, erfährst Du auf den folgenden Seiten.

Nicht, um abzurechnen, das liegt mir fern. Nein, um Unglück mit Glück auszuloten.

Wenn Menschen das tun, ob in Gesprächstherapien oder wenn sie Musik komponieren oder Bücher schreiben, ist dies eine passende Gelegenheit, Hunden ein entsprechendes Aufarbeiten anzubieten.

Ich nehme Dich mit auf eine Reise durch die Stationen meines Lebens – vom Welpen bis hin zum imposanten Kerl –, der ich wahrlich einzig in den Augen anderer sein wollte.

Gelungen ist es mir bis dato nicht zu verinnerlichen, besonders zu sein.

Es motiviert mich nichts dazu, nach Geltung zu streben.

Ich möchte ich sein, sensibel, feinfühlig und an anderen interessiert.

Mein Glück stelle ich gern hinter das anderer, weil es mir viel mehr gibt, sie glücklich zu machen.

Auf unzähligen Seiten durchlebe ich ein weiteres Mal schöne, traurige und erschütternde Begebenheiten und die, die mich das Licht sehen ließen, das ich glaubte, verloren zu haben.

Ich spreche ungern von Vergangenheit, die ganze Tragik somit vor Augen.

Insofern träume ich mich in jede einzelne Erinnerung, als passiere sie gerade jetzt, um mir bewusst zu werden, was alles geschah und um – ehrlich gesagt – herauszufinden, ob jegliche Ursache für das Scheitern einzig in mir zu finden ist.

Berliner Jung

Wer kennt diesen prägnanten Satz nicht?

›Ich bin ein Berliner‹; wir schreiben das Jahr 2011.

Ich sitze da und blicke zu meiner Schwester.

Ist sie ängstlich oder verängstigt?

Für mich ist es schwer, sie zu erreichen, wirkt sie doch zuweilen nahezu in sich gefangen.

Offenbar liegt es daran, dass unsere Mama in einer Nacht- und Nebelaktion weggetragen und uns ein Abschied verwehrt wurde.

Einen Abend zuvor war sie noch bei uns, einen Tag später blieb ihr Schlafplatz leer.

Unsere Familie ist nicht zu tadeln, hingegen heillos überfordert mit uns zweien.

Ursprünglich entstammen wir einem Dreier-Wurf, wenn ich mich konkret besinne, zumindest setzt meine Erinnerung ab dem Zeitpunkt ein.

Unser Bruder wurde viel zu schnell aus unserer Mitte gerissen, als jemand aus Dänemark ihn mitnahm.

Wir waren noch in keinem Welpen-Alter, in dem man sich hätte trennen dürfen.

In diesem Fall gaben sie dem Drängen nach, da sich der Mann auf der Durchreise befand.

Somit bin ich mit meiner Schwester hiergeblieben.

Unsere Mama befand sich bis vor Kurzem in einem großen Zimmer mit TV-Berieselung, wir mussten ins Bad.

Verständlich! Sie ist stubenrein und nicht dermaßen laut wie ich.

Nachdem ich den Teppich vollgepinkelt und Kabel durchbissen hatte, verpassten sie mir den Namen ›süßer Terror-Bolzen‹.

Das ›süß‹ hätten sie sich sparen können.

In der Folge sperrten sie uns vermehrt weg, was mir unbegreiflich war.

ICH bin anstrengend.

Warum muss meine Schwester permanent ausbaden, dass ich unbeherrschbar bin?

Heruntergetragen in den Hausgarten wurden wir nicht und Mama sahen wir in quälenden, mehrstündigen Abständen.

Möglich, dass mich das alles zu dieser Zeit prägte.

Muss ich brav sein, um geliebt zu werden und nichts entbehren zu müssen?

Angst spürte ich von Welpen-Beinen an, dass mich mein Leben überfordern könnte.

Wenn früh alles schwierig beginnt, setzt sich das fort.

Meine Mama gab mir in Momenten, in denen ich unartig war, das Gefühl, ein Guter zu sein.

Sie leckte mir dann intensiv mein Gesicht, während ich mich eng an ihren Bauch schmiegte.

Diese Wärme fehlt mir schlagartig und mir wird bewusst, dass ich die Aufgabe habe, für ›meine Kleine‹ hier stark zu sein.

Sie benötigt meinen Rückhalt jetzt noch viel mehr.

Ich bräuchte desgleichen ebenfalls jemanden, empfinde dieses egoistische Gefühl angesichts der Situation als überflüssig.

Noch bin ich unsicher, ob Mama nicht zurückkehrt.

Das Fehlen ihres Körbchens lässt mich allerdings Schlimmes erahnen.

Ist das, was sich abspielt, völlig normal?

Geht es anderen Welpen ebenso?

Ich krame trotz des Verständnisses, das ich aufbringe, vergebens nach der Stärke, die ich schlagartig benötige.

Meine Schwester fiept ununterbrochen, was mir nah geht und mich traurig stimmt.

Unvermittelt dürfen wir ins Wohnzimmer.

Die zwei kleinen Kinder beachten mich nicht sonderlich, während meine Schwester gestreichelt und auf den Arm genommen wird.

Ich gönne es ihr und bin erleichtert, dass ihr Weinen nachlässt.

Wenn es ihr hilft, verzichte ich gern darauf, dass sie Notiz von mir nehmen und mich sehen.

Ein kleines Kuscheltier, was sie mir hinlegen, zernage ich bis zur Unkenntlichkeit. Ich ahne, dass der nächste Ärger droht, doch zu meiner Überraschung bleibt er aus.

Habe ich mal ein Hauch richtig gemacht?

Einem Gespräch zufolge ist unsere Mama noch in Berlin in einem Haushalt nicht weit von unserem entfernt.

Ob wir sie wiedersehen?

Immerhin handelt es sich um die Mutter des hiesigen Familienoberhauptes, bei der unsere Mami Unterschlupf fand.

Das speist meine Hoffnung, dass der Abschied vorübergehend ist.

Wenn nicht, werde ich schnell groß, um sie selbstständig zu suchen.

Ich bemerke, dass ich pieschern muss und lasse ›es‹ freimütig laufen.

Als Folge landen wir zwei im kleinen Bad.

Und in mir hämmern DIESE Schuldgefühle, dass meine Schwester aushält, was ich verbocke.

Badezimmer

Wir liegen auf einem Badewannenläufer und schauen uns an.

Ich finde das Zimmer nicht schlimm, zumindest haben sie es für uns schön hergerichtet. Es fehlt uns an nichts, selbst wenn es dunkler ist als andere Räume.

Ein Fenster wäre schön, ist andererseits aber auch nicht zwingend notwendig.

Mir entgeht wenig, erst recht nicht, dass ich der Einzige bin, der sich mit diesem Platz arrangiert.

Wie kann ich es ihr leichter machen?

Blicke ich umher, sehe ich zwei Kuschelplätze, Wasser- und Futternäpfe und ein paar Welpen-Spielsachen.

An alles ist gedacht worden.

Warum wir auf dem Boden unseren Bedürfnissen nachgehen dürfen, ohne sanktioniert zu werden, erschließt sich mir nicht.

Hier wird es mehrfach stillschweigend weggewischt, während es in den anderen Zimmern zum Streit führt und darin endet, dass sie uns wegsperren.

Wir müssen hier ausharren, wenn die kleinen Kinder ihr Nachmittagsschläfchen halten, weil wir sie nicht stören sollen, oder wenn alle das Haus verlassen.

Die Vermutung liegt nahe, dass ich es in meinen Pfötchen habe, diesen Zustand zu ändern, unter dem meine Schwester zunehmend leidet.

Ich muss ruhiger werden, viel stiller.

Und mich bemerkbar machen, wenn ich pinkeln muss oder weitaus Schlimmeres.

Dann dürften wir garantiert im Kreis der Familie leben.

Ich nehme es mir fest vor und rechne damit, dass ich alles ändern kann.

Als sie uns zu sich holen, – endlich wieder Tageslicht, – will ich mich darin erproben.

Flach liege ich auf dem Teppichboden.

›Meine Kleine‹ sitzt abwechselnd auf einem Schoß oder wird im Arm gehalten.

Es macht mich glücklich, sie entspannt zu sehen.

Plötzlich spüre ich einen Druck in mir und quieke mir die Seele aus dem Leib. Sie nehmen nicht einmal zur Kenntnis, wie sehr ich mich bemühe, bis der Mann vom TV-Sessel aufsteht und mich schnappt. Entgegen meiner Erwartung, zum ersten Mal nach draußen gesetzt zu werden, um mich zu erleichtern, sperrt er mich ins Badezimmer.

Isoliert hocke ich auf den kalten Fliesen.

Augenblicklich läuft nicht nur ein Bach unter meinem Popo, sondern darüber hinaus an meinen Augen entlang.

Weine ich?

Warum?

Schließlich muss meine Schwester diesmal nicht unter mir leiden. Dass ich es unbegleitet ertrage, tröstet mich.

Seid lieb zu ihr da draußen!

Ich will nur noch schlafen.

Weinen macht müde, das Erste, was ich für mein Leben gelernt habe.

Möglicherweise habe ich mich zu wenig beherrscht und bemüht, wirklich was zu ändern, gleichwohl bin ich noch jung und bereit, viel mehr zu bewegen, damit ich in den Genuss komme, auch mal auf den Arm oder Schoß genommen zu werden.

Was will die hier?

Als ich wach werde, höre ich ein leises Atmen neben mir. Ich muss geschlafen haben, als sie sie zu mir legten.

Es klingelt an der Wohnungstür.

Ein Geräusch, dass ich nicht gern im Ohr habe, weil wir dann stundenlang im Bad abhängen.

Wir sollen nicht stören, wenn andere zu Besuch kommen.

Gerade als ich meinen Kopf herunter legen will, öffnet sich die Tür.

Nein!

Werden wir tatsächlich ins Licht geholt?

Ich habe das Klingeln missinterpretiert, war eventuell der Postbote, der stets flink wieder verschwindet.

Als wir auf dem Arm ins Wohnzimmer getragen werden, sehe ich eine Frau, die ihre Aufmerksamkeit auf uns richtet.

Wer ist sie?

Warum hat sie ausgerechnet an uns Interesse?

Als wir auf dem Boden sitzen, verschwindet ›mein Schwesterding‹ hinter dem Sofa. Ich mache im Gegensatz dazu das Beste aus dieser unklaren Situation.

»Ist er der Rüde?«, fragt die Frau und streichelt mich.

Bis heute klingt ihre Frage nach. Interesse an mir?

Unerklärlich.

»Das ist er!«, entgegnet unser Familienboss.

Natürlich bin ich der Rüde. Der mit dem größeren Potenzial, alles verkehrt zu machen.

Bislang glaubte ich, dass andere sehen, was für eine Kleinigkeit mich von meiner Schwester unterscheidet.

Wieso bin ich es plötzlich, um den sich alles dreht?

Sie hockt sich auf den Boden, versucht meine Schwester zu streicheln, woran sie mit Bravour scheitert.

Lass sie bitte in Ruhe, denke ich, und beiße ihr fest in die Schuhe, um sie abzulenken.

Was folgt?

Kein Gemecker, nicht ein böses Wort und ich werde nicht geschnappt, um weggesperrt zu werden.

Diese Frau nimmt mich auf ihren Arm.

Träume ich?

Ein unbekanntes Gefühl, annähernd wohltuend.

Sie lacht, als ich mich an ihrem Shirt festbeiße und schimpft nicht beim ersten Loch, das mir gut gelingt.

Selbst als ich den nassen Fleck unter mir auf ihrer Jeans spüre, bleibt sie abgeklärt und locker, lieb und mir zugewandt.

Hier geschehen sonderbare, unbegreifliche Dinge, die meine Seele streicheln.

Ich lausche dem Gespräch und begreife ihr Vorhaben, mich mitzunehmen.

Wer will mich freiwillig?

Sie kennt mich nicht und weiß nicht um meine schwierige Art.

Würde es mir nicht gelingen, diese zu verheimlichen, bringt sie mich ohnehin zurück.

Demgemäß soll sie gleich wissen, wie ich ticke und was auf sie zukommt.

Ich verstelle mich nicht.

Ihre Jeans ist das nächste Opfer.

Zack!

Festgebissen und gelöchert.

Als ich höre, dass es ihre neue Lieblingshose ist, bestätigt sich, dass ich ein ›schlimmer Bursche‹ bin und ich befürchte, dass ich hierbleibe.

Sie reagiert mit noch intensiverem Streicheln und lacht über das Malheur.

Wie bitte?

Warum schimpft sie nicht mit mir oder bittet meine Familie um Kostenerstattung?

Meine Schwester beobachtet das Schauspiel aus der Ferne; ab und zu guckt sie hinter der Couch hervor.

Ihr Blick?

Panisch!

Nein, bitte sei nicht traurig, es gab noch keinen Menschen in meinem Leben, der mich mag, wie ich bin.

Ich fühle mich schlecht bei dem Gedanken, dass ich von hier wegwill.

Nicht von ihr; dennoch wird sie geliebt für ihre bezaubernde Art.

Nun sehe ich eine Chance für mich, die sich mir hier nie bieten würde.

Ich bekomme sie tatsächlich.

Mich beeindruckt, dass diese Person mich aussucht, trotz aller negativen Ersteindrücke, die ich hinterlasse.

Ich gehe – von ihr begleitet – aus dieser Berliner Stadtwohnung.

Jede Stufe, die wir hinter uns lassen, freue ich mich mehr über das, was ich heute erlebt habe.

Unten auf dem Rasen sitzend pieschere ich erstmals im Hellen und auf weichen Boden. Ein unaussprechlich schönes Gefühl.

Ein Blick nach oben zu den Fenstern, hinter denen sich viel abspielte, befreit mich auf besondere Weise.

Nein, es tut nicht weh zu gehen, weil ich viel zu aufgeregt bin durch das, was mich gerade beeindruckt.

Ich rieche den Sommer, der mir unbekannt ist wie das helle Licht draußen, begleitet von einem Luftzug, der befreit.

Meine Familie war überfordert, als ihre Hündin trächtig wurde.

Ungeeignet war die Wohnung für Nachwuchs und die Kinder noch zu jung, um mit dieser veränderten Situation umzugehen.

Wir sind nicht geschlagen oder schlecht behandelt worden, nur fühlte ich mich unerwünscht und wenig geliebt.

Ich auf dem Arm, sie auf ihren Beinen gehen wir zu einem viereckigen Kasten ohne Dach. Auf Reifen steht das Ding.

Ein Cabrio, wie ich es aus dem Fernsehen kenne.

Lass uns schnell fahren, wohin auch immer. Aufgeregt muss ich Wasser lassen, mitten auf ihre Kleidung und erneut ohne Rüge.

Glücklicher kann sie mich nicht machen.

Tschüss, geliebtes kleines Schwesterherz.

Ich sitze im Auto, das Verdeck ist zu meinem Leidwesen verschlossen.

Kurzzeitig bin ich gedanklich verhangen, weil ich meine Schwester nicht verabschiedet habe.

Wie macht man so was überhaupt?

Beschnuppern ohne Wiederkehr?

Ich fühle mich mies, weil mein Abgang den unserer Mama reaktivieren muss.

Plötzlich bin ich ebenfalls weg und ›meine Kleine‹ gänzlich allein.

Zuvor hatten wir uns.

Und nun?

Unter allen Umständen macht es mich stolz, dass ICH ausgewählt wurde, obwohl ich kein einfaches Leben verspreche.

›Schwesterchen‹, ich wünsche Dir, dass sie es Dir ab sofort noch leichter machen.

Der Störenfried ist weg, was Dir einen Weg ebnet, der Deine Ängste im Keim erstickt.

Sie mögen Dich ohnehin und lassen Dich bestimmt nach meinem Auszug überall in der Wohnung schlafen.

Traurig macht es mich, dass Du noch nicht das Leben draußen kennst.

DIESE Luft.