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»Ich sage ja gar nicht, dass wir eine Beziehung haben sollen. Ich sage, wir sollten Sex haben.«
Chemieingenieurin Penny hat die Liebe satt. Zu oft hat sie den amourösen Worst Case erlebt und ist betrogen worden! Bis sie analysiert hat, warum das immer ihr passiert, will Penny mit Gefühlen nichts zu tun haben. Doch dann taucht Caleb auf, der viel zu gut aussehende Barista, und sie lässt sich auf eine steamy Affäre mit ihm ein. Gegen Friends with Benefits ist schließlich nichts zu sagen, sie hat ja nichts zu verlieren – außer ihrem Herzen ...
Chemistry Lessons – Der dritte Band der Romance-Reihe über MINT-Frauen und die Suche nach Liebe.
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Seitenzahl: 380
Statt einen netten Abend in ihrem Lieblingscafé zu verbringen, erlebt Penny eine romantische Implosion – schon wieder wird sie von einem Boyfriend betrogen, zum vierten Mal in Folge. Genug ist genug, sie schwört dem Dating bis auf Weiteres ab. Doch ausgerechnet Caleb, der distanzierte, aber heiße Barista, hat alles mitbekommen und versucht, ihr zu helfen. Nach einem überraschenden, absolut alles in den Schatten stellenden Kuss mit ihm beschließt Penny, ein Experiment zu wagen – eine Affäre. Keine Verbindlichkeiten, keine Beziehung. Was soll schon schiefgehen? Doch Penny hat die Rechnung ohne ihr Herz gemacht …
»Zwischen ihnen lief praktisch eine chemische Reaktion ab, aber dabei entstand nicht nur Hitze. Das hier fühlte sich mehr an wie eine Synthese als eine Verbrennungsreaktion. Zwei einfache Stoffe, die zu einer komplexen Verbindung reagierten.«
Susannah Nix ist eine mit dem Rita Award ausgezeichnete Bestsellerautorin, die mit ihrem Mann in Texas lebt. Wenn sie mal gerade nicht schreibt, vertreibt sie ihre Existenzangst mit Lesen, Stricken, Krafttraining, Weintrinken oder mit zwanghaftem Seriengucken.
Im Aufbau Taschenbuch liegen bereits die ersten beiden Bände der Chemistry Lessons »The Love Code. Wenn die widersprüchlichste Theorie zur großen Liebe führt« und »Dating and other Theories. Wenn der präziseste Plan zum romantischen Verhängnis wird« vor.
Katharina Naumann ist Autorin, freie Lektorin und Übersetzerin und lebt in Hamburg. Sie hat unter anderem Werke von Emily Henry, Jojo Moyes und Anna McPartlin übersetzt.
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Susannah Nix
The Boyfriend Hypothesis. Wenn die plausibelste These zur Unmöglichkeit der Liebe führt
Roman
Aus dem Amerikanischen von Katharina Naumann
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Widmung
Kapitel Eins
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Kapitel Neun
Kapitel Zehn
Kapitel Elf
Kapitel Zwölf
Kapitel Dreizehn
Kapitel Vierzehn
Kapitel Fünfzehn
Kapitel Sechzehn
Kapitel Siebzehn
Kapitel Achtzehn
Kapitel Neunzehn
Kapitel Zwanzig
Kapitel Einundzwanzig
Kapitel Zweiundzwanzig
Kapitel Dreiundzwanzig
Kapitel Vierundzwanzig
Epilog — Einige Monate später
Dank
Impressum
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Für den Ladies’-Lifting-Club
Frack, dachte Penny Popplestone, als das Paar am Fenster des Cafés vorbeispazierte. Warum passiert immer mir so etwas?
Sie konnte es nicht glauben – und gleichzeitig konnte sie es problemlos glauben, denn offenbar war es ihr Schicksal, nur untreue Männer kennenzulernen.
Nur einen Monat, nachdem sie ihr ganzes Leben in Washington, D. C., aufgegeben und ans andere Ende des Landes zu ihrem Freund gezogen war, hatte sie festgestellt, dass er sie betrog. Und davor hatten sie ihr Freund aus dem College und ihr erster Freund auf der Highschool betrogen. Bisher hatte sie vier richtige Freunde gehabt, und jeder Einzelne hatte sich als untreu herausgestellt. Viermal ein Griff ins Klo. Volltreffer. Wahrscheinlich war sie irgendwie verflucht. Es gab keine andere Erklärung.
Das Glöckchen an der Tür bimmelte, als Kenneth, ihr derzeitiger – und bald verflossener – Freund hereinkam. Derselbe Kenneth, der für heute Abend abgesagt hatte, weil er eine Dienstreise antreten musste. Der, statt in einer anderen Stadt zu sein, jetzt in Pennys Lieblingscafé war und den Arm um die Schulter einer anderen Frau gelegt hatte.
Diese Dreistigkeit. Diese unfassbare Dreistigkeit.
Sie hätte es ja seiner grenzenlosen Dummheit zugeschrieben, aber sie hätte heute ebenfalls nicht hier sein sollen. Ihre Strickgruppe traf sich normalerweise montagabends in dem Café, was Kenneth ganz genau wusste. Aber am kommenden Montag war eine aus der Gruppe an einer Ausstellung beteiligt, was Kenneth ebenfalls wusste, weil er Pennys Einladung, mit ihr dorthin zu gehen, abgelehnt hatte. Was er jedoch nicht wusste, war, dass Penny alle in letzter Minute angerufen und gefragt hatte, ob sie vielleicht Lust hätten, sich stattdessen heute, am Freitagabend, zu treffen.
Es gab keinen Grund für ihn anzunehmen, dass Penny an einem Freitagabend im Gegengift sein würde. Doch sie war es und sah mit ihren eigenen Augen seinen Verrat. Als spielte das Schicksal ihr einen grausamen Streich.
Zum Glück war seine Aufmerksamkeit so vollkommen von der Frau neben ihm in Beschlag genommen, dass er gar nicht bemerkte, dass Penny mit ihren Freundinnen auf dem großen, orangefarbenen Sofa in der hinteren Ecke saß. Er war zu sehr damit beschäftigt, seine Nase in das seidige blonde Haar seiner Verabredung zu stecken und ihren winzigen, festen Hintern durch das hautenge Kleid zu betatschen, während er mit ihr in der Schlange wartete.
Mit Penny hatte er sich in der Öffentlichkeit nie so verhalten. Nicht, dass sie gesteigerten Wert darauf gelegt hätte – öffentliche Liebesbekundungen hielt sie für schlechtes Benehmen. Aber es wäre doch schön gewesen, wenn er es zumindest versucht hätte. Natürlich war Pennys Hintern weder fest noch winzig, und sie besaß kein einziges derart hautenges Kleid. Schließlich trug sie Größe 44.
Kenneth hatte immer behauptet, ihre Kurven zu mögen, aber er mochte sie offenbar nicht genug, um sie vor aller Augen zu befummeln wie jetzt bei seinem dünnen blonden Date.
Die Babymütze, die Penny für ihre Cousine strickte, lag schlaff in ihrem Schoß, als sie in ihr dichtes rotes Haar griff. Jeden Morgen verbrachte sie eine halbe Stunde damit, es mit einem Föhn und einem Glätteisen zu quälen, um den Locken den Garaus zu machen, aber sie schaffte es nie, es so weich und glänzend hinzubekommen wie das Haar der Blondine. Sie war auch noch nie so dünn gewesen, nicht einmal während einer ihrer vielen Trenddiäten oder einem der wahnhaften Sportanfälle.
Pennys Freundinnen plauderten, strickten dabei und bemerkten Kenneth ebenso wenig wie er sie. Cynthia, die nächsten Montag an der Ausstellung teilnahm, regte sich gerade darüber auf, wie schwierig es war, Catering für die Vernissage zu organisieren und Publicity dafür zu bekommen, und die anderen hörten ihr zu. Umso besser. Denn sonst wären sie vielleicht auf die Idee gekommen, Kenneth zur Rede zu stellen, und Penny wollte auf keinen Fall eine Szene verursachen.
Sie wollte vor allem, dass es nicht ausgerechnet hier stattfand, vor all ihren Freundinnen. Das Gegengift war ihr Ort. Sie wohnte nur ein paar Blocks entfernt und arbeitete im Homeoffice, so dass sie fast täglich ihre Kaffeepause hier verbrachte. Was Kenneth ebenfalls wusste, denn so hatten sie sich zum ersten Mal getroffen.
Vor zwei Monaten hatte sie vormittags auf ihrem üblichen Platz am Tresen gesessen und ihren üblichen fettarmen Latte genossen, als er mit seinem dreifachen Espresso neben sie trat und fragte, ob der Hocker neben ihr frei sei. Sie quatschten fast eine halbe Stunde lang, und als er zu seiner Arbeit zurückging, war sie vollkommen hingerissen von seinem britischen Akzent und seinen bezaubernden Manieren. Danach kam er eine Woche lang täglich zur selben Zeit ins Gegengift, um sie zu sehen. Am fünften Tag bat er sie, mit ihm essen zu gehen, und seitdem waren sie zusammen.
Es war ihr alles so romantisch vorgekommen. So perfekt. Abgesehen von der Tatsache, dass Kenneth oft bis spätabends arbeitete und fast jede zweite Woche auf Dienstreise war. Was sie rückblickend hätte misstrauisch machen sollen.
Penny war definitiv verflucht. Entweder das oder hoffnungslos dumm, weil sie sich in einen untreuen Mann nach dem anderen verliebte.
Sie beobachtete, wie sich Kenneth vorbeugte, um seinem Date etwas ins Ohr zu flüstern, und in ihrem Hals bildete sich ein Kloß. Was er sagte, ließ die Blondine erröten und kichern. Seine Hand ruhte jetzt beschützend auf ihrer Taille, und sie lehnte sich an ihn und legte den Kopf an seine Schulter.
Penny blinzelte, ihre Kehle brannte. Noch fünf Sekunden, dann würde sie losheulen, sie musste unbedingt irgendwohin, wo sie allein sein konnte. Ganz ruhig, um keinen Verdacht zu erregen, legte sie ihr Strickzeug beiseite, entschuldigte sich und lief zur Toilette.
In der Damentoilette gab es zwei Kabinen, zum Glück waren beide leer. Penny wählte die größere und legte von innen den Riegel vor. Jetzt traten ihr die Tränen in die Augen. Sie sah nur noch verschwommen, dass die Toilette keinen Deckel hatte. Egal. Sie konnte auch im Stehen weinen.
Kenneth hatte sie angelogen. Wie lange lief das schon zwischen ihm und der Blondine? Wie oft hatte er sie sonst noch angelogen? War er überhaupt jemals auf Dienstreise gewesen, oder war das alles nur ein riesiges Lügengespinst? Sie fühlte sich so unfassbar dumm.
Offenbar traf er sich seit geraumer Zeit mit dieser Frau. Vielleicht kannte er sie schon, bevor er mit Penny ausging.
O Gott. Was, wenn er diese andere Frau mit Penny betrog?
Bei dem Gedanken stöhnte sie auf. Wie hatte sie nur so dumm sein können? So leichtgläubig? Man sollte doch meinen, sie hätte gelernt, nach dem letzten Mal ein bisschen vorsichtiger zu sein – oder besser gesagt, nach den letzten drei Malen. Dass sie die Zeichen erkannt hätte. Offenbar war das nicht der Fall.
Sie hörte, dass sich die Tür zur Damentoilette öffnete, und presste die Hand auf den Mund, um ihre Schluchzer zu ersticken. Sie war sich fast sicher, dass Kenneth sie nicht gesehen hatte, und sie glaubte auch nicht, dass ihre Freundinnen etwas bemerkt hatten. Hoffentlich war das irgendeine Fremde, die einfach nur pinkeln wollte.
»Hallo?«, sagte eine männliche Stimme, die ganz eindeutig nicht Kenneth gehörte. Penny brauchte einen Augenblick, um sie einordnen zu können.
»Caleb?« Er war einer der Baristas, die hier arbeiteten – und nicht nur irgendein Barista, sondern der überirdisch heiße Barista, auf den sie seit Monaten ein halbes Auge geworfen hatte.
»Ja.«
Was machte der bloß hier? Sie schniefte und wischte sich die Augen ab. »Das hier ist die Damentoilette.«
»Ich habe gesehen, dass du aufgestanden bist, als Kenneth mit der Frau reinkam.«
Na wunderbar. Jetzt wusste Hottie Barista, was sie für ein dummer Jammerlappen war. Perfekt. Von allen Menschen musste ausgerechnet er diese Blamage mitbekommen. Sie riss etwas Klopapier ab und schnäuzte sich.
»Alles okay da drin?«, fragte Caleb. Es klang, als wäre ihm die Sache ein wenig unangenehm. Tja, was das betraf, waren sie schon zwei.
»Natürlich ist nicht alles okay. Mein Freund ist ein schleimiger Betrüger.«
»Tut mir leid.«
Das Mitleid in seiner Stimme machte sie wütend. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Kenneth sie belogen und betrogen hatte, er musste ihre Erniedrigung auch noch öffentlich machen und mit der anderen Frau vor all den Leuten herumstolzieren, die sie kannten. Pennys Kehle zog sich zu, weil sie sich plötzlich fragte, wie oft er das wohl schon getan hatte. Vielleicht ging er mit allen seinen Frauen hierhin. Vielleicht wussten alle Angestellten, dass ihr Freund sie permanent betrog.
»Wusstest du es?«, würgte sie heraus.
Eine lange Pause entstand. Dann sagte er: »Ja.«
»Ich glaube es nicht«, stöhnte Penny. Ihr Klopapierfetzen war nass. Sie ließ ihn ins Klo fallen und riss sich noch ein Stück ab. »Ich bin so bescheuert. Sind sie die ganze Zeit hierhergekommen? Wissen es alle außer mir?«
»Ich glaub nicht. Ich habe sie nur einmal hier gesehen. Malik hat an dem Abend auch gearbeitet, aber er war hinten, als sie kamen.«
Na, immerhin. Immerhin konnte sie dem Rest der Mitarbeiter noch in die Augen sehen. Nur Caleb hatte davon gewusst – und nichts getan, um sie zu warnen. Was jetzt nicht allzu überraschend war. Er wirkte immer ein wenig abwesend und distanziert.
»Wann war das?«, fragte sie ihn.
Sie hörte, dass er auf dem Fliesenboden mit den Füßen scharrte, aber er antwortete nicht.
»Wann war das?«
»Vor ungefähr einem Monat«, murmelte Caleb.
Ein Monat? Ein Schluchzen drang aus Pennys Kehle, und sie biss sich auf die Unterlippe.
»Penny?«
»Was?« Sie hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Es war, als kämen die Wände immer näher. Caleb musste unbedingt verschwinden. Sie konnte auf keinen Fall einen Nervenzusammenbruch in einer Klokabine haben. Aber vor allem durfte es einfach nicht sein, dass Kenneth so ein beschissener, verlogener Betrüger war. Sonst müsste sie die Zeit zurückdrehen und seine Einladung zum Ausgehen ablehnen. Was auch in Ordnung wäre.
»Kann ich etwas tun?«, fragte Caleb.
»Du könntest mich allein weiterweinen lassen, vielen Dank auch.«
»Okay«, sagte er. »Entschuldige.«
Penny hörte, wie sich die Toilettentür schloss, und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Jetzt schluchzte sie noch heftiger.
Zu spät begriff sie, dass sie Hottie Barista hätte fragen sollen, ob Kenneth noch da draußen war. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie sich hier drin verstecken musste. Vielleicht sollte sie durch die Hintertür verschwinden. Sie könnte sich eine Ausrede ausdenken und der Strickgruppe eine Nachricht schicken, in der sie sich für ihre Flucht entschuldigte. Sie könnte behaupten, krank geworden zu sein – nein, dann würden sie womöglich denken, dass es an den Keksen lag, die sie mitgebracht hatte. Sie könnte behaupten, dass sie den Ofen angelassen hätte. Ja, das könnte klappen.
Sie tastete bereits nach ihrem Handy in der Tasche, als sich die Damentoilettentür erneut öffnete.
»Penny?«, sagte ihre beste Freundin Olivia. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, mir geht es gut.« Sie versuchte, sich nicht so anzuhören, als hätte sie gerade geweint, aber leider klang ihre Stimme wie die eines ertrinkenden Froschs.
»Öffne sofort die Tür.«
Penny ließ den Riegel aufgleiten und öffnete die Tür einen Spalt. Sie sah Olivia an, dass sie es wusste. »Hast du ihn gesehen? Mit dieser Frau?«
Olivia schüttelte den Kopf, so dass ihr aschblondes Haar ihr ins Gesicht fiel. Sie wühlte in ihrer großen, schwarzen Tasche nach einer Packung Taschentücher. »Hottie Barista hat es mir erzählt«, sagte sie und gab Penny ein frisches Taschentuch.
»Super.« Nach Monaten, in denen er sie praktisch ignoriert hatte, musste er ausgerechnet heute Abend Interesse an ihr zeigen? Penny schnäuzte sich, und Olivia reichte ihr noch ein Taschentuch.
»Tut mir sehr leid, dass dein Freund ein Betrüger ohne Eier ist.«
Olivia war das Beste an ihrem Umzug nach Los Angeles. Sie waren schon sechs Jahre lang Online-Freundinnen, hatten sich aber erst persönlich kennengelernt, als Penny vor einem Jahr hergezogen war. Auf dem College waren sie von Sherlock besessen gewesen und hatten auf Tumblr stundenlang die einzelnen Folgen zerpflückt, Fan-Fiction gelesen und für Benedict Cumberbatch geschwärmt. Die zwei Jahre dauernde Pause nach dem Cliffhanger im »Reichenbachfall« war die reinste Qual gewesen, aber sie hatte ihre Freundschaft nur gestärkt. Ihre Sherlock-Obsession war zwar in den folgenden Jahren schwächer geworden, aber sie waren Freundinnen geblieben. Penny hätte die ersten schrecklichen Monate in der neuen Stadt niemals überlebt, wenn Olivia nicht gewesen wäre.
»Sind die immer noch da draußen?«, fragte Penny.
»Nein, sie haben Kaffee gekauft und sind gegangen.«
Danke, lieber Gott, für die kleinen Gefälligkeiten. Immerhin würde sie sich jetzt nicht den ganzen Abend auf dem Klo verstecken müssen, weil Kenneth und seine Zweitfreundin mit ihren Drinks im Café saßen und sich verliebt anstarrten.
»Warum passiert mir das immer wieder?«, fragte Penny und tupfte ihre Augen ab. »Was ist bloß los mit mir?«
»Nichts ist mit dir los. Du bist großartig.«
»Na ja, irgendwas an mir scheint die Männer offenbar dazu zu bringen, mich zu betrügen. Verströme ich irgendein Pheromon, das schreit: bitte betrüge mich?«
Olivia versuchte, die Tür weiter aufzuschieben. »Komm raus und wasch dir das Gesicht.«
Penny schüttelte den Kopf. »Ich will aber nicht. Ich will hierbleiben und mich in meinem Elend wälzen.«
»Ich weiß, aber es ist eine Toilette, Pen. Es ist eklig hier drin. Komm raus und wälz dich in deinem Elend bei Leuten, die dich gernhaben. Cynthia bestellt gerade eine Flasche von deinem Lieblingswein, und ich spendiere dir einen Schokomuffin.«
»Ich darf keinen Muffin essen. Ich hatte heute schon einen Keks.«
Penny achtete streng auf ihren Zuckerkonsum, und die Muffins im Gegengift waren gigantisch. Einer von ihnen deckte ihren wöchentlichen Zuckerbedarf mit Leichtigkeit.
»Du hast gerade herausgefunden, dass dein Freund ein beschissener Betrüger ist. Da kannst du wohl eine Ausnahme machen und einen Muffin essen. Du willst es doch auch.«
Sie wollte es tatsächlich. Obwohl sie wusste, dass sie sich danach nur noch schlechter fühlen würde. Aber ein Teil von ihr wollte auch das. Glutenbedingte Bauchschmerzen würden unmissverständlich beweisen, wie furchtbar ihr Leben war.
Penny trat aus der Kabine und wusch sich das Gesicht. Vom Weinen war ihre blasse Haut ganz rosig, wodurch der Grünstich ihrer haselnussfarbenen Augen stärker hervortrat. Ihre Mascara war verschmiert, so dass sie Augenringe hatte wie Bucky Barnes als Winter Soldier, aber Olivia zog ein Abschminkpad aus ihrer Tasche und half ihr, das schwarze Zeug abzuwischen. Olivias Tasche enthielt eine ganze Drogerie. Sie hatte immer alles dabei: Ibuprofen, Lip Balm, Concealer, Tabletten gegen Sodbrennen und Müsliriegel. Was man auch brauchte, es befand es sich ziemlich sicher in Olivias Tasche.
Als sie wieder einigermaßen präsentabel aussah, folgte Penny Olivia zurück zum orangefarbenen Sofa. Die anderen hatten ihr Strickzeug zur Seite gelegt. Cynthia stand an der Kasse und sprach mit Roxanne, der Chefin. Caleb machte sich an der Espressomaschine zu schaffen. Er blickte kurz zu Penny, als sie aus der Toilette kam, dann konzentrierte er sich wieder auf die Maschine.
»Honey, komm mal her«, sagte Vilma und breitete die Arme aus. Olivia drückte Pennys Arm und ging dann zu Cynthia an die Kasse.
Penny ließ sich in Vilmas Umarmung sinken. Sie war die Älteste in der Strickgruppe, eine Lehrerin mittleren Alters mit zwei Söhnen in der Pubertät, und ihre Umarmungen waren großartig und mütterlich.
»Was für ein Arschgesicht.« Esther schaute finster unter ihrem dicken braunen Pony hervor und lehnte sich auf dem Sessel zurück. »Diese Frau herzubringen, obwohl er weiß, dass du ständig hier bist. Er verdient einen Tritt in die Eier.«
Esther hielt niemals mit ihrer Meinung hinter dem Berg und konnte hervorragend für sich selbst einstehen. Penny wünschte sich oft, mehr wie sie zu sein. Esther würde niemals zulassen, dass ein Typ wie Kenneth sie zum Narren hielt.
»Das war ja fast, als wollte er erwischt werden.« Esthers beste Freundin Jinny schüttelte den Kopf und warf das glatte, dunkle Haar über die Schulter. »Vielleicht war das wirklich so. Vielleicht hat ihn das schlechte Gewissen aufgefressen, und er hat heimlich gehofft, dass du ihn siehst und aus seinem Elend befreist.«
Jinny saß auf dem grünen Armsessel, der fast doppelt so groß war wie sie. Genau wie Penny war sie Optimistin, die immer nur das Gute in anderen sah. Trotz der Tatsache, dass sie klein und zart und wunderschön war, war auch sie von ihrem letzten Freund betrogen worden. Vielleicht war das Problem gar nicht Penny. Vielleicht waren die Männer das Problem.
Allerdings hatte Jinny einen neuen Freund, der süß und perfekt war und sie vermutlich niemals betrügen würde. Esther hatte ebenfalls einen Freund, Penny konnte sich nicht vorstellen, dass es irgendjemand wagen würde, sie zu betrügen. Und Vilma und Cynthia waren beide glücklich verheiratet. Die einzige Single-Frau in diesem Strickkreis war Olivia – und Penny würde zusammen mit ihr die Alte-Jungfern-Untergruppe aufmachen, sobald sie Gelegenheit gehabt hatte, Kenneth abzuservieren.
»Oder vielleicht ist er nur ein arrogantes Arschgesicht und denkt, er könnte mit allem davonkommen, ohne je die Konsequenzen tragen zu müssen«, sagte Esther und beugte sich vor, um einen der Kekse zu nehmen, die Penny mitgebracht hatte.
Penny backte jedes Mal etwas für die Strickgruppe. Sie liebte es zu backen, aber da sie nur einmal am Tag etwas Süßes aß, verschenkte sie alles. Theoretisch war es nicht erlaubt, Essen ins Gegengift mitzubringen, aber Penny hatte eine Sondererlaubnis, weil sie mit Roxanne befreundet war und die Mitarbeiter immer etwas abbekamen.
»Der Wein kommt gleich«, verkündete Cynthia und stellte sechs Weingläser auf den Tisch. Sie sah mit ihrem kurz geschnittenen Haar und hochgewachsen, wie sie war, aus wie eine Dora-Milaje-Kriegerin aus Black Panther. Dabei war sie Kinderbuchillustratorin und trug lange Kleider statt einer Wakanda-Rüstung.
»Und einen Schokomuffin.« Olivia verteilte Gabeln und Tellerchen, damit alle etwas abbekommen konnten.
Penny schniefte und setzte sich dann gerade hin. »Danke.« Der Muffin sah einfach prachtvoll aus. Acht Zentimeter saftiger Schokokuchen mit üppiger Buttercreme darauf, verziert mit dunkler Schokolade. Er war fast zu hübsch zum Essen.
»Du sabberst ja schon.« Cynthia raffte ihren Rock, um sich auf den freien Stuhl neben Esther zu setzen. »Starr ihn nicht so an. Iss ihn einfach.«
Penny schnitt den Muffin in sechs Stücke und verteilte sie. Das kleinste Stück behielt sie.
»Was machst du jetzt mit diesem Kenneth?«, fragte Jinny und suchte wegen des Milchzuckers im Kuchen in ihrer Tasche nach einer Lactaid-Tablette.
»Ich werde Schluss mit ihm machen. Jawohl.« Penny schob sich ein Stück Schokomuffin in den Mund. Er schmeckte genauso himmlisch, wie er aussah.
»Ja, aber wie?«, fragte Esther. »Ich meine, persönlich oder übers Handy?«
»Sollen wir mitkommen?«, fragte Vilma. »Zur Unterstützung?«
Das klang verlockend, aber Penny konnte es sich nicht wirklich vorstellen, mit ihrer ganzen Strickgruppe zu Kenneths Wohnung hinüberzumarschieren, nur um mit ihm Schluss zu machen. »Ich rufe ihn vermutlich einfach an.«
»Scheiß drauf, schick ihm eine Nachricht«, sagte Cynthia. »Er ist nicht einmal die Zeit wert, ihm am Telefon zu sagen, dass du ihm in seinen jämmerlichen Hintern trittst.«
Penny nahm einen weiteren Bissen Muffin. »Ich glaube, ich brauche einen richtigen Schluss, und dafür reicht eine Nachricht nicht.«
»Schlüsse werden überschätzt«, sagte Jinny mit vollem Mund. »Wisst ihr noch, als Stuart mich betrogen hat? Er rief über Wochen ständig an und flehte mich an, ihn zurückzunehmen – und ich hätte das beinahe getan. Blockiere bloß Kenneths Nummer, wenn du mit ihm Schluss gemacht hast.«
»Wann willst du es denn tun?«, erkundigte sich Esther.
»Wenn du ihn gleich heute Abend anrufst, erwischst du ihn vielleicht mitten beim Sex mit seiner Freundin«, bemerkte Jinny und kräuselte die Nase.
»Tu es heute Abend.« Esther nickte eifrig. »Vermassle dem Arschgesicht so richtig die Tour.«
»Eine Flasche Sauvignon aus Neuseeland«, verkündete Roxanne und zog einen Korkenzieher aus ihrer Hosentasche. Sie trug ein ärmelloses schwarzes T-Shirt, das ihre tätowierten Arme zeigte und über ihrem schwangeren Bauch spannte.
Bevor sie schwanger wurde, war sie Mitglied eines Roller-Derby-Teams aus der Gegend. Sie sah immer noch so aus, als könnte sie einen Mann übers Knie legen und ihm das Rückgrat brechen. Penny hatte einmal mitangehört, dass sie einem Kunden gedroht hatte, ihm die Zähne durch den Schädel zu treiben, weil er eine schmierige Bemerkung über ihren Hintern gemacht hatte.
Sie warf Penny einen mitfühlenden Blick zu, beugte sich vor und füllte ihre Gläser. »Das mit deinem Freund tut mir leid, Süße.«
»Wusstest du es?«, fragte Penny. Es war eine Sache, dass Caleb ihr nichts gesagt hatte – es hatte nie so gewirkt, als wollte er ihr Freund sein –, aber mit Roxanne war es etwas anderes. Penny mochte Roxanne. Sie hatte die Decke für ihr Baby schon fast fertig gestrickt. Wenn auch sie Kenneth gedeckt hatte …
Roxanne schüttelte den Kopf. »Nein. Ich schwöre. Sie waren nie da, wenn ich gearbeitet habe.«
»Hättest du es mir gesagt, wenn du es gewusst hättest?«
»Herrje, natürlich hätte ich das. Solidarität, Schwester.« Sie streckte ihr die Faust hin, und Penny stieß halbherzig mit ihrer dagegen. »Außerdem bist du eine viel bessere Kundin als er.«
»Keinen Wein für mich«, sagte Olivia, als Roxanne bei ihrem Glas ankam. »Ich habe heute Abend schon wieder Bereitschaft.« Olivia war Systemanalystin in einem Energieunternehmen und verbrachte viele Abende damit, für den Fall bereitzustehen, dass eins ihrer Systeme abstürzte.
Roxanne goss Olivias Portion in Pennys Glas und nahm die leere Flasche zurück mit an den Tresen.
»Einen Toast«, sagte Esther, und alle hoben ihr Glas. »Sei froh, dass du diesen Blödmann los bist.«
»So ist es«, »genau«, »richtig«, sagten alle und stießen mit Penny an. Weil sie es nicht so ganz schaffte zu lächeln, trank sie einen großen Schluck Wein. Gefolgt von einem zweiten.
Jinny stellte ihr Glas ab und nahm ihr Strickzeug auf. »Er hat dir eigentlich einen Gefallen getan, weißt du.«
Penny blinzelte über den Rand ihres Weinglases zu ihr hinüber. »Indem er mich betrogen hat?«
»Indem er sich schon so früh hat erwischen lassen.«
»Das stimmt«, sagte Olivia und lehnte sich zurück. »Stell dir mal vor, du wärst heute Abend nicht hier gewesen. Wer weiß, wie lange du noch mit ihm zusammen gewesen wärst, ohne auch nur die blasseste Ahnung zu haben, dass er ein feiges Arschgesicht ist.«
Penny schauderte bei dem Gedanken. Sie hatte tatsächlich geglaubt, Kenneth könnte der Richtige sein. Von Liebe war noch nicht die Rede gewesen, aber sie war davon ausgegangen, dass das bald kommen würde. Obwohl es erst April war, hatte sie schon geplant, ihn an Thanksgiving mit nach Hause zu bringen, damit er ihre Familie kennenlernte. Sie hatte sich eine Reise nach England über Weihnachten zu seinen Eltern ausgemalt. Wahrscheinlich hätten sie sich irgendwann im nächsten Jahr verlobt. Eine Junihochzeit ein Jahr später geplant. Nach dem ersten Hochzeitstag damit begonnen zu versuchen, ein Kind zu bekommen. Sie arbeitete ohnehin im Homeoffice, und vielleicht wäre sein Unternehmen an die Börse gegangen, so dass sie sich ein Haus in einer Gegend mit guten Schulen hätten leisten können.
Es war durchaus möglich, dass sie ein wenig voreilig gewesen war.
»Ich will mal ganz ehrlich sein«, sagte Esther, während sie ebenfalls ihr Strickzeug wieder zur Hand nahm. »Ich mochte den Typen nie.«
»Ich auch nicht«, sagte Vilma.
Jinny neigte den Kopf etwas zur Seite. »Er wirkte irgendwie … schnöselig.«
»Ja! Genau!« Vilma zeigte mit dem Weinglas auf sie. »Hast du bemerkt, wie er mit den Leuten hier geredet hat?«
Cynthia schürzte die Lippen, ohne von ihrem Strickzeug aufzublicken. »Als wären sie seine Dienstboten?«
»Das war nur, weil er doch Brite ist«, erklärte Penny.
»Er hat mir nie richtig in die Augen geschaut.« Cynthia schüttelte langsam den Kopf. »Der hatte ganz eindeutig etwas Verschlagenes.«
»Du bist aber auch ausgesprochen groß«, sagte Penny. »Und er ist ausgesprochen nicht groß.« Sie wusste auch nicht, warum sie ihn verteidigte. Vermutlich aus Gewohnheit.
Cynthia schniefte. »Er hätte seinen Kopf ein wenig in den Nacken legen können. So schwierig ist das nun auch wieder nicht.«
Jinny grinste schief. »Cynthia hat recht. Er hat im Prinzip alle links liegenlassen, es sei denn, er wollte etwas von ihnen.«
»Ich fand ihn irre charmant, als ich ihn kennengelernt habe«, sagte Penny. Wenn es irgendetwas gab, was wirklich für Kenneth sprach, dann war es sein Charme.
Esther schnaubte. »Ja, klar. Weil er etwas von dir wollte.«
Penny runzelte verwirrt die Stirn. »Was denn?«
»Sex.«
Da war sich Penny nicht so sicher. »Um ehrlich zu sein, wirkte er gar nicht so wild auf Sex.« Sie verzog das Gesicht. »Ich fürchte, jetzt weiß ich auch, warum.«
»Mmmm, das überrascht mich wirklich überhaupt nicht.« Vilma schaute von ihren Nadeln auf und grinste böse. »So, wie sein Haar schon schütter wird.«
Penny musste kichern, aber dann kamen ihr die Tränen, weil der Wein seine Wirkung tat. »Danke, dass ihr heute Abend hier seid, Leute.« Vilma tätschelte ihr Knie und schob ihren Anteil des Muffins auf Pennys Teller.
Cynthia warf Penny einen bedeutungsvollen Blick zu. »Du weißt schon, dass wir alles für dich tun würden, oder?«
Esther nickte zustimmend. »Wenn du möchtest, dass wir zu seiner Wohnung gehen und ihm in den Hintern treten, dann musst du nur etwas sagen. Wir machen das.«
Penny schüttelte den Kopf, musste aber bei der Vorstellung lächeln. »Danke, ich glaube, das ist gar nicht nötig. Ich fühle mich eigentlich schon besser.«
»Und wenn wir stattdessen noch eine Flasche Wein bestellen?«, schlug Jinny vor und sprang auf.
Cynthia hielt ihr halb leeres Glas hoch. »Mach gleich zwei Flaschen draus.«
Penny schaute zum Tresen hinüber und erwischte Caleb dabei, wie er sie beobachtete. Er wandte sofort den Blick ab. Sie trank ihr Glas aus und versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken.
Am Ende des Abends hatten sie vier Flaschen Wein getrunken – wobei Penny den Verdacht hatte, selbst mindestens anderthalb in sich hineingekippt zu haben. Normalerweise trank sie nie mehr als ein einziges Glas, daher spürte sie die Wirkung ganz eindeutig, als Olivia sie nach Hause fuhr.
Aber sie mochte das Gefühl, der Nebel im Kopf half, ihre Wut und die Demütigung zu betäuben.
»Soll ich mit nach oben kommen?«, fragte Olivia, als sie vor Pennys Haus in Culver City standen. »Ich glaube, ich habe dahinten einen Parkplatz gesehen.«
»Nicht nötig«, sagte Penny und hantierte am Türknauf herum. »Aber danke schön.«
»Sicher? Wir könnten Schlafanzüge anziehen und fernsehen. Egal. Was du willst.«
Penny schüttelte gähnend den Kopf. »Ich weiß dein Angebot zu schätzen, aber ich falle jetzt einfach ins Bett und schlafe.«
»Trink noch etwas Wasser«, riet Olivia ihr, aber Penny kletterte schon umständlich aus dem Auto. »Und ruf mich morgen an.«
Penny winkte ihr zu und ging hinein.
Die kalte Luft draußen hatte sie ein wenig aufgeweckt, und als sie in ihre Wohnung trat, fühlte sie sich nicht mehr ganz so schläfrig. Stattdessen wurde sie wieder wütend. Sie schaute sich in der gemütlichen Zweizimmerwohnung um, die sie mit Blumenmustern und prall gefüllten Kissen dekoriert hatte, und wusste nicht recht, was sie mit sich anfangen sollte.
Kenneth war nie gern in ihrer Wohnung gewesen, er fand sie zu mädchenhaft, besonders die Dekokissen. Die meiste Zeit hatten sie in Bars oder bei ihm zu Hause verbracht. Penny mochte Bars eigentlich nicht so, aber Kenneth schon, also gingen sie in Bars. Dann balancierte sie den ganzen Abend auf einem Barhocker, hielt ein Fünfzehn-Dollar-Glas Wein aus einer Zehn-Dollar-Weinflasche in den Händen und wurde von anderen Gästen angerempelt, während sie versuchte, mit Kenneth über die laute Musik hinweg eine Unterhaltung zu führen. Hinterher gingen sie zu ihm, hatten sehr knappen Sex und schliefen sofort ein. Und am nächsten Morgen machte Penny ihm Frühstück.
Irgendwie kochte sie immer für die Männer, mit denen sie ausging, weil die einzige Alternative war, in Restaurants zu gehen, was es nicht leicht machte, sich gesund zu ernähren. Außerdem kochte sie gern. Ihre Mom war immer in der Küche und bereitete irgendetwas Köstliches zu, Kochen bedeutete für Penny daher Zuhause. Aber hatte einer dieser Männer je angeboten, ihr zu helfen? Nein. Sie waren so gewöhnt daran, von ihren Müttern und Freundinnen bedient zu werden, dass sie in der Küche totale Ahnungslosigkeit vorschützten. In der Folge machte sie die ganze Arbeit. Als wären sie nicht mal in der Lage, eine Zwiebel zu hacken oder eine Tomate zu würfeln.
Allein der Gedanke an all die Omeletts, die sie Kenneth gemacht hatte, steigerte ihre Wut. Jeder konnte ein Omelett machen! Man musste nur ein dreiminütiges YouTube-Video ansehen! Das war jetzt nicht übermäßig kompliziert. Aber er war nicht einmal auf die Idee gekommen.
Penny hatte für ihn gekocht, dann hatte sie abgewaschen und die Küche geputzt. Sie hatte sogar einmal seine Wäsche zusammengelegt, die tagelang im Korb lag und völlig zerknittert war. Der Anblick nicht gefalteter Wäsche machte Penny ganz nervös.
Sie wurde immer wütender. Plötzlich wollte sie Kenneth so schnell wie möglich aus ihrem Leben werfen. Genau. In. Dieser. Sekunde.
In ihren Adern pulsierten gerechter Zorn und flüssiger Mut, während sie zum Handy griff. Sie wurde noch wütender, als sie die Liste ihrer Favoriten sah, denn was machte dieser Kenneth überhaupt auf Platz eins ihrer Nummernliste? Wieso stand er noch über ihren Eltern und ihrer besten Freundin? Er war dieser Ehre überhaupt nicht würdig. Wütend tippte sie mit dem Zeigefinger auf sein Gesicht und wünschte sich dabei, es wäre sein echtes Gesicht statt eines Fotos.
Er ging beim zweiten Klingeln ran. »Hallo, Schatz. Du bist ja noch ganz schön spät wach.«
»Wie heißt sie?«, fragte Penny und bemühte sich, ihre Stimme nicht zittern zu lassen.
Am anderen Ende der Verbindung herrschte Stille. Dann sagte er: »Was?« Offenbar stellte er sich dumm. »Wessen Namen willst du wissen?«
»Den der Frau, mit der du heute Abend im Gegengift warst.«
»Ich weiß gar nicht, wovon du redest, Schatz. Ich bin doch in Portland.« Er war wirklich ein sehr geübter Lügner, aber das musste er ja auch sein. Sonst hätte sie ihn schon viel früher ertappt. »Hat dir jemand gesagt …«
»Ich habe dich gesehen, Kenneth. Ich war da, als ihr reingekommen seid.«
Wieder Stille. Dann: »Shit.«
»Ja«, stimmte Penny zu. »Das fasst es eigentlich perfekt zusammen.« Sie fluchte fast nie, aber jetzt war die Versuchung groß.
»Hör mal, Schatz …«
»Nein, es hat sich ausgeschatzt. Wer ist sie?«
»Niemand. Nur eine Mitarbeiterin. Das ist alles.«
Penny schnaubte. Wenn diese Show heute im Café ein Beispiel dafür gewesen war, wie er mit seinen Mitarbeiterinnen umging, dann musste sein Büro ein echter Hotspot für sexuelle Belästigung sein.
»Hör mal«, sagte Kenneth, der immerhin den Anstand besaß, den Schatz wegzulassen, »die Wahrheit ist, dass meine Dienstreise in letzter Minute abgesagt wurde. Dieses Projekt ist echt aus dem Ruder gelaufen, wir stehen vor einer Katastrophe. Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich wusste, dass ich die ganzen Nächte durchmachen müsste. Ich hätte dich gar nicht sehen können.«
»Unglaublich«, sagte Penny. »Du lügst doch tatsächlich immer noch.« Er glaubte offenbar wirklich, er könnte sich aus der Sache herauswinden. Dass er ihr irgendeine Geschichte auftischen könnte, die sie glauben würde, obwohl sie die beiden mit eigenen Augen gesehen hatte. Für wie dumm hielt er sie eigentlich?
»Ich weiß nicht, was du glaubst, gesehen zu haben, aber ich kann dir versichern …«
»Hör auf«, schrie sie, bevor er sie noch weiter gaslighten konnte, dieser abstoßende Schwindler. »Weißt du was, Kenneth? Ich bin nicht mehr daran interessiert, was du zu sagen hast. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft. Du musst mir nicht mehr vorlügen, du wärst auf Dienstreise. Von jetzt an steht es dir frei zu sehen, wen auch immer du sehen willst – abgesehen von mir, denn wir beide sind fertig miteinander.«
»Penny, bitte. Lass mich …«
Sie beendete den Anruf mitten in seinem Satz.
Fast sofort begann ihr Handy zu klingeln. Sie erinnerte sich an Jinnys Rat, blockierte seine Nummer und ging ins Bett.
Am Morgen klingelte Pennys Wecker wie jeden Samstag um acht Uhr. Ihr Yogakurs begann in einer Stunde, und sie stand gern früh genug auf, um vor dem Sport noch frühstücken zu können.
Aber statt mit der üblichen Energie aus dem Bett zu springen, rollte sie sich auf die andere Seite und stöhnte. In ihrem Kopf hämmerte es von dem Wein gestern Abend und vom vielen Weinen im Damenklo des Gegengifts.
Sie hätte wirklich vor dem Schlafengehen mehr Wasser trinken sollen. Eigentlich musste sie sofort aufstehen, um das nachzuholen.
Stattdessen lag Penny auf dem Rücken und starrte zur Decke, ohne sich zu rühren. Ein verblasster gelber Wasserfleck in der Form eines Schneemanns starrte zurück.
Ihre Glieder fühlten sich an, als hätte sie jemand in Zement gegossen. Allein der Gedanke daran, irgendetwas zu tun, ließ sie noch schwerer werden.
Na los, steh auf. Trink ein Glas Wasser und nimm eine Schmerztablette. Iss vielleicht eine Banane. Dann zieh dich an und geh zum Yoga.
Sie würde sich danach besser fühlen. Das wusste sie genau. Aber eigentlich wollte sie sich überhaupt nicht besser fühlen. Sie wollte sich in ihrem Schmerz suhlen. Nur heute. Immerhin hatte sie ein Recht darauf, oder? Sie hatte gerade mit ihrem untreuen Freund Schluss gemacht. Wenn irgendetwas einem das Recht gab, sich in seinem Elend zu suhlen, dann war es doch wohl das.
Sie tippte eine Nachricht an ihre Freundin Melody.
Ich glaube, ich brüte etwas aus. Schaffe es heute nicht zum Yoga.
Penny warf das Handy hin und schlief wieder ein.
Sie schlief bis Mittag. Das hatte sie seit ihrer letzten Trennung nicht mehr gemacht. Den ganzen Tag blieb sie im Pyjama und schaute House Hunters, eine Folge nach der anderen, weil sie so ihre restliche Wut auf die unerträglichen, unausgelasteten Paare richten konnte, die der Meinung waren, sie müssten eine Profiküche und einen Whirlpool haben, weil ihre reichen Eltern ihnen das Geld für die Anzahlung eines Hauses geschenkt hatten.
Nicht einmal Lust zu stricken hatte sie, so schlimm war es. Roxannes halb fertige Babydecke schaute sie vorwurfsvoll vom Sofatisch aus an. Hätte es Junkfood in der Wohnung gegeben, hätte Penny es ganz sicher aufgegessen. Stattdessen musste sie sich mit Toast begnügen. Aber sie strich dick Butter darauf, die sie mit Zucker und Zimt bestreute, so dass es wie ein Dessert schmeckte. Na also.
Am Nachmittag rief Olivia an, um zu hören, wie es ihr ging. »Hast du schon mit Kenneth gesprochen?«
»Ja, ich hab ihn gestern Abend angerufen«, sagte Penny und setzte sich auf dem Sofa auf.
»Und? Wie ist es gelaufen?«
»Wie erwartet. Er hat versucht, alles abzustreiten, dann hat er es mit Ausreden versucht. Also habe ich ihm gesagt, er kann mich mal.«
»Gut«, sagte Olivia. »Und wie geht es dir dabei?«
»Mir geht es gut.« Penny wischte sich Toastkrümel und Zuckerkristalle von der Brust. Es war ihr vierter Zimttoast.
»Willst du rüberkommen? Wir könnten fernsehen und Pizza bestellen.«
Penny wollte keine Gesellschaft. »Danke, aber ich glaube, ich gehe heute früh ins Bett. Das Yoga heute Morgen hat mich richtig fertiggemacht.«
»Du bist heute Morgen zum Yoga gegangen?«
»Jap.« Sie spürte, wie sich ihr Gewissen regte. Es war falsch zu lügen, aber sie wollte unbedingt allein bleiben. Wenn Olivia hörte, dass sie Yoga hatte ausfallen lassen, um sich in ihrem Elend zu suhlen, würde sie darauf bestehen zu kommen.
»Das ist gut. Also geht es dir wirklich gut?«
»Klar«, antwortete Penny und versuchte, so zu klingen, als wäre es so. »Ich meine, ich bin natürlich am Boden zerstört, aber ich bin viel besser dran ohne ihn, nicht wahr?«
»Ja, auf jeden Fall.«
»Na also. Ich muss mir das nur noch ein paar hundert Mal vorsagen, dann habe ich ihn bis Montag völlig vergessen.«
»Wenn du es dir anders überlegst und doch lieber Gesellschaft haben willst, ruf mich an.«
»Mach ich, danke.«
Danach rief Penny das Pflegeheim an, in dem sie sonntags ehrenamtlich arbeitete, um ihre Schicht abzusagen. Sie merkte jetzt schon, dass sie auch morgen ihre Wohnung nicht würde verlassen wollen.
Sie würde sich das ganze Wochenende freinehmen. Von allem.
Am Montagmorgen lag Penny im Bett und versuchte, sich dazu zu bringen, zum Spinning-Kurs zu gehen. Sie fühlte sich immer noch wie in Zement gegossen und hatte weder Energie noch Motivation. So war das nun mal, wenn man das ganze Wochenende allein verbrachte, ungesund aß und sich in Selbstmitleid wälzte.
Sie wusste das. Es gab ja einen Grund dafür, dass sie so an ihren Routinen hing.
Als Penny nach Los Angeles gezogen war und herausgefunden hatte, dass ihr Freund, für den sie ihr glückliches Leben in Washington, D. C., hinter sich gelassen hatte, sie betrog, war sie in ein emotionales Loch gefallen.
Sie hatte einen Abschluss in Chemietechnik, arbeitete aber für das US-Patentamt als Prüferin. Sie hatte sich um eine Homeoffice-Stelle beworben, um Brendon der Ratte an die Westküste folgen zu können. Als er sie betrog, saß sie da, in einer fremden Stadt mit gebrochenem Herzen und einem Job, für den sie die Wohnung nicht verlassen musste.
Was sie nicht bedacht hatte, war, dass sie Routine und regelmäßige soziale Kontakte brauchte. Sie mochte Menschen und kam nicht gut damit zurecht, den ganzen Tag allein zu Hause zu hocken.
Also hatte sie sich in einem Fitnessstudio angemeldet. Und war einer Strickgruppe beigetreten. Und einem Buchclub. Außerdem ging sie zum Yoga und zum Spinning und zum Krafttraining. Sonntags war sie im Pflegeheim, und zwei oder drei Samstage im Monat unterstützte sie Hilfesuchende in einer Familienberatungsstelle. Außerdem hatte sie es sich zur Regel gemacht, jeden Morgen zu duschen, sich richtig anzuziehen, sich zu schminken und wenigstens einmal am Tag das Haus zu verlassen. Weshalb die Kaffeepausen im Gegengift fest zu ihrem Tagesablauf gehörten.
Pennys Spinning-Kurs würde in einer halben Stunde beginnen. Sie musste sich nur die Zähne putzen, die Sportklamotten anziehen und ins Auto steigen. Wenn sie im Gym war, würde es nicht mehr so schwierig sein. Sobald sie auf dem Rad saß, würde ihr Wettkampfgeist erwachen und die Musik sie aufheitern. Nach dem Sport würde es ihr besser gehen, und dann würde auch alles andere nicht mehr so düster aussehen.
Eine Stunde später war sie verschwitzt, summte einen Song der Jackson Five und fühlte sich um mindestens fünfzig Prozent besser, als sie wieder in ihre Wohnung trat. Im Fitnessstudio war Motown-Tag gewesen, was die Stimmung automatisch steigerte. Außerdem hatte sie ihren eigenen Rekord geknackt und ihrem Team geholfen, den ersten Platz zu erreichen. Bisher lief ihr Plan also ganz ausgezeichnet.
Nach der Dusche und einem Joghurt mit frischem Obst zum Frühstück setzte sie sich an ihren Computer und öffnete einen neuen Patentantrag. Darin ging es um eine Innensohle für Schuhe, und nachdem sie sich mit den Details vertraut gemacht hatte, verbrachte sie den Morgen damit, in Archiven nach älteren Patenten und wissenschaftlichen Artikeln zu ähnlichen Ideen zu recherchieren.
Als es Zeit war für ihre Pause, hatte sie immer noch recht gute Laune, obwohl sie ganze drei Stunden damit verbracht hatte, die verschiedenen Methoden zur Herstellung von Verbundstoffen für orthopädische Innensohlen auszuwerten. Aber als sie sich ausloggte und die Beine ausstreckte, erfasste sie bei dem Gedanken, gleich ins Gegengift zu gehen, eine gewisse Unruhe.
Immerhin hatte dort Freitag ihre öffentliche Demütigung stattgefunden. Hottie Barista würde vermutlich dort sein, und zum ersten Mal freute sie sich nicht darauf, sein umwerfendes Gesicht zu sehen. Außerdem ärgerte sie sich immer noch, dass er genau gewusst hatte, dass ihr Freund sie betrog, und ihr nichts davon gesagt hatte.
Hottie Barista war also eigentlich auch ein Mistkerl.
Aber noch schlimmer war die durchaus realistische Gefahr, dort Kenneth zu begegnen. Sein Büro lag ein paar Blocks weiter in derselben Straße, und er wusste genau, wann sie ihre Pause machte. Wenn er ihr ein Gespräch aufdrängen wollte, war das Gegengift der ideale Ort. Sie hatte schon halb erwartet, dass er am Wochenende vor ihrer Tür auftauchen würde, aber vielleicht hatte er auch auf heute gewartet, um sie in der Öffentlichkeit stellen zu können. Er wusste auch, dass sie dort keine Szene machen würde.
Sie überlegte, den Ausflug zum Gegengift heute ausfallen zu lassen. Es war ja nicht so, dass sie unbedingt rausgehen musste, wenn sie Kaffee trinken wollte. Sie besaß eine sehr gute Kaffeemaschine. Ihre Pause konnte sie auch zu Hause verbringen. Im Internet surfen oder eine Stunde lang fernsehen.
Ganz schlechte Idee.
Wenn sich Penny erlaubte, mitten am Tag herumzusitzen und fernzusehen, würde es ihr schwerfallen, sich hinterher wieder an die Arbeit zu machen. Sie musste dringend die Wohnung verlassen und andere Leute sehen.
Na gut. Und wenn sie in ein anderes Café ging? Es musste ja nicht das Gegengift sein. Nicht weit entfernt war das Coffee Bean. Sie konnte einfach dorthin gehen.
Aber sie wollte nicht in ein anderes Café. Sie liebte das Gegengift. Es war ihr Stammcafé, wo jeder ihren Namen kannte, so wie das Central Perk aus Friends. Kenneth durfte ihr das nicht wegnehmen. Das war unfair, denn er war hier der Bösewicht. Sollte er sich doch ein neues Café suchen, nicht sie.
Zum Teufel mit Kenneth. Und zum Teufel mit Hottie Barista. Penny hatte die Nase gestrichen voll davon, ihr Leben ständig irgendwelchen Männern anzupassen. Sie würde ins Gegengift gehen.
Es war ein wunderschöner Apriltag, als sie auf die Straße trat. Der Dunst vom Meer hatte sich verzogen und einen strahlend blauen Himmel hinterlassen. Eine frische Brise wehte. Für den Weg zum Gegengift brauchte sie nur zehn Minuten. Am Anfang ging sie schnell und selbstsicher, aber je näher sie ihrem Ziel kam, desto zögerlicher wurden ihre Schritte. Als sie das Café schon sehen konnte, schlurfte sie nur noch langsam, wie ein trotziges Kleinkind.
Bisher hatte sie niemand gesehen – es war noch nicht zu spät, ihren eigenen Tod vorzutäuschen und unter falschem Namen ein neues Leben in einer anderen Stadt zu beginnen. Oder einfach ein neues Café zu finden.
So denken Feiglinge. Das hätte ihre Mom gesagt.
Und Penny war kein Feigling. Sie straffte die Schultern und zog die Tür auf, entschlossen, sowohl Kenneth als auch Hottie Barista erhobenen Hauptes entgegenzutreten.
Aber von beiden war nichts zu sehen. Statt Hottie Barista stand die Neue, Elyse, ganz allein hinter dem Tresen und wirkte völlig überfordert. Penny seufzte erleichtert und stellte sich in die Schlange.
Elyse war zart, hatte kurzes Haar und große runde Augen in einem herzförmigen Gesicht, so dass sie ein bisschen wie eine Elfe wirkte. »Wolltest du Sirup in deinen fettarmen Vanilla-Latte?«, fragte sie die Frau vor Penny.
Die Frau wirkte verwirrt.
Elyse hatte erst letzte Woche im Gegengift angefangen. Sie war jung – Erstsemester – und hatte bisher nur am Kaffeestand auf dem Campus gearbeitet, bei dem es offenbar keine besonders große Auswahl an authentischen Espresso-Getränken gegeben hatte.
Penny war selbst erst fünfundzwanzig, aber Studenten wirkten auf sie praktisch wie neugeborene Babys. Glatt und neu, völlig unberührt von den Mühen des Erwachsenenlebens. Es kam ihr so vor, als wäre ihr eigenes Studium bereits hundert Jahre her statt nur drei.
Elyse brauchte fast fünf Minuten, um den fettarmen Vanilla-Latte für die Frau zu machen. Den ersten hatte sie weggießen und neu beginnen müssen, weil sie den zuckerfreien Sirup vergessen hatte. Penny wartete geduldig, bis sie dran war, sie hatte keine Eile.
Endlich begrüßte Elyse sie begeistert. »Hallo! Was soll ich dir machen?«
»Sie bekommt immer dasselbe«, antwortete Caleb, der mit einem Tablett voll sauberem Geschirr aus der Küche kam. »Einen normalen fettarmen Latte. Kassier sie ab, dann mache ich ihn.«
Penny erstarrte. Hundertzweiundachtzig Zentimeter gebräunte Haut und Muskeln, gekrönt von dichtem goldenem Haar und einem so wunderschön symmetrischen Gesicht, dass man bei seinem Anblick vergaß, wie man atmete. Eine perfekt proportionierte Nase. Ein starkes Kinn. Ein Kiefer wie gemeißelt. Und dann waren da noch seine Augen, die von einem so auffälligen Goldbraun waren, dass es einem vorkam, als schaute er einem direkt in die Seele.