The Love Code. Wenn die widersprüchlichste Theorie zur großen Liebe führt - Susannah Nix - E-Book
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The Love Code. Wenn die widersprüchlichste Theorie zur großen Liebe führt E-Book

Susannah Nix

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Beschreibung

Wenn aus theoretischer Unvereinbarkeit in der Praxis Liebe wird.

Komplexe binäre Codes sind ein Leichtes für Informatikerin Melody – im Gegensatz zur Liebe, um die sie, aufgrund empirisch belegter Beziehungsuntauglichkeit, lieber einen großen Bogen macht. Doch als sie sich plötzlich in einem merkwürdigen Fake-Dating-Szenario mit dem unverschämt heißen Jeremy wiederfindet, ihrem One-Night-Stand aus Collegezeiten, stellt sie fest, dass die Liebe darauf keine Rücksicht nimmt ... 

Chemistry Lessons – die neue Romance-Reihe über MINT-Frauen und die Suche nach Liebe für Fans von Ali Hazelwood.

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Über das Buch

Das Letzte, womit Informatikerin Melody rechnet, als sie ihren Traumjob in L.A. antritt, ist, dass sie ihren One-Night-Stand aus Collegezeiten wiedertreffen könnte. Aber nicht nur, dass Hottie Jeremy in derselben Aerospace-Firma arbeitet wie sie, er ist auch noch der Sohn der CEO und ein ziemlicher Bad Boy, weshalb die nerdige Melody lieber auf Abstand geht. Die theoretische Wahrscheinlichkeit, dass sie die Liebe findet, schätzt sie nach einer Reihe traumatischer Fehlschläge ohnehin auf null. Nichtsdestotrotz entwickelt sich so etwas wie Freundschaft zwischen ihr und Jeremy; und dann finden sich die beiden auf einmal in einem verheißungsvollen Fake-Dating-Szenario wieder – bei dem sich Melody mehr zu Jeremy hingezogen fühlt als geplant. Doch sollte sie ausgerechnet bei dem Mann ein Risiko eingehen, der, rein empirisch betrachtet, ganz offensichtlich der Falsche ist?

Über Susannah Nix

Susannah Nix ist eine mit dem Rita Award ausgezeichnete Bestsellerautorin, die mit ihrem Mann in Texas lebt. Wenn sie mal gerade nicht schreibt, vertreibt sie sich ihre Existenzangst mit Lesen, Stricken, Krafttraining, Weintrinken oder zwanghaftem Seriengucken.

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Susannah Nix

The Love Code. Wenn die widersprüchlichste Theorie zur großen Liebe führt

Roman

Aus dem Amerikanischen von Katharina Naumann

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Informationen zum Buch

Newsletter

Widmung

Kapitel eins — Drei Jahre zuvor

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier — Gegenwart

Kapitel fünf — Gegenwart

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Kapitel fünfundzwanzig

Epilog — Ein paar Monate später

Dank

Impressum

Wer von diesem Roman begeistert ist, liest auch ...

Für Dave, meinen besten Freund

Kapitel eins

Drei Jahre zuvor

Melody Gage schaute zum zehnten Mal in fünf Minuten auf ihr Handy.

Nichts.

Sie seufzte, griff nach ihrem Bierglas und nahm einen großen Schluck. In der Bar war es warm, und sie trug noch immer ihre Lederjacke, die sie nicht ausziehen konnte, weil da ein Loch in ihrem T-Shirt war, genau an der Schulternaht.

Wenn sie die Jacke auszog, würde es außerdem womöglich so aussehen, als habe sie vor, länger als fünf Minuten zu bleiben – und das wollte sie nicht.

Sie konnte kaum glauben, dass sie sich für heute Abend Mühe gegeben hatte. Sie hatte ihre Lieblingslederjacke angezogen, obwohl es zu warm dafür war. Die Jacke war das schönste Kleidungsstück, das sie besaß, obwohl sie es aus einem Secondhandladen hatte. Ihre üblichen Doc Martens hatte sie gegen süße Ballerinas getauscht. Und wozu? Um versetzt zu werden.

Melody spürte, dass sie jemand anrempelte, als er sich auf den Barhocker neben ihr setzte. Voller Hoffnung schaute sie hoch, aber es war nicht Victor.

Der Typ, der nicht ihr Date war, beugte sich zu ihr und grinste. »Und wie geht’s dir heute Abend so?«

Er war jung, auch im College-Alter, so wie sie selbst, und wie viele der anderen Stammkunden im Cask ’n Flagon trug er eine Red-Sox-Baseballkappe, dazu das T-Shirt einer Studentenverbindungsparty mit dem aufgedruckten Motto Pickel und Prostituierte, weshalb sie ihm ein paar Sympathiepunkte abziehen musste. Aber er sah nicht übel aus. Tatsächlich war sie beinahe versucht, ihn attraktiv zu finden.

Wie schade, dass sie auf jemanden wartete … Jemanden, der bereits eine Viertelstunde zu spät war. Kein besonders vielversprechender Anfang für ein erstes Date.

Melody schenkte ihrem neuen Sitznachbarn ein höfliches, aber zurückhaltendes Lächeln. »Mir geht’s ganz gut.«

»Du siehst echt gut aus, weißt du das?«, sagte er und beugte sich weiter zu ihr.

Oh, das war eklig. Sie hatte das Wort in diesem Zusammenhang immer verabscheut. Gut. Hatte ein Mann je eine Frau als »gut« bezeichnet, ohne wie ein Schleimbolzen zu klingen? Außerdem roch er nach Knoblauch aus dem Mund. Nein, vielen Dank auch.

»Danke, aber ich warte auf jemanden.« Sie schaute wieder auf ihr Handy. Immer noch keine Nachricht.

»Weißt du, eigentlich stehe ich nicht auf Mädels mit kurzen Haaren«, sagte ihr Nachbar und deutete auf ihren brünetten Pixie-Schnitt, »aber für dich mache ich vielleicht eine Ausnahme.«

Uh. So was passierte offenbar, wenn man sich aus seiner Komfortzone herauswagte. Sie hätte schon in dem Moment wissen müssen, dass dieser Abend ein Schlag ins Wasser werden würde, als Victor a) für ihr Date eine Sportkneipe in der Nähe des Stadions auswählte und b) vorschlug, sie sollten sich gleich dort treffen, statt zusammen hinzugehen.

Sie hatte sich nur darauf eingelassen, weil sie dringend Abwechslung gebraucht hatte. Weil sie unbedingt etwas anderes – irgendwas anderes – machen wollte, als wieder einen Samstagabend mit den Lehrbüchern in ihrem Wohnheimzimmer zu verbringen oder im Computerraum zu arbeiten.

Da konnte man mal sehen, wohin so was führte.

»Du weißt bestimmt, dass du echt gut aussiehst«, sagte der Möchtegern-Aufreißer jetzt, ohne sich von Melodys abweisender Körpersprache abschrecken zu lassen. »Das sagen dir die Typen vermutlich ständig, oder?«

WOBISTDU???, schrieb Melody an Victor und hieb dabei mit den Fingern auf das Display ihres Handys.

Dabei mochte sie Victor nicht einmal besonders. Sie waren Partner im Technikraum, aber die einzigen Funken, die bisher zwischen ihnen gesprüht hatten, waren die des Lötkolbens.

Victors größter Vorteil war, dass er sie tatsächlich gefragt hatte, ob sie sich mit ihm verabreden wolle – was weit über das hinausging, das alle anderen in letzter Zeit getan hatten. Er war der einzige Typ, der in diesem Jahr so etwas wie Interesse an ihr gezeigt hatte.

Wie ihre Zimmergenossin ihr immer wieder unter die Nase rieb, war Melody seit dem Typen mit dem gespaltenen Kinn aus der Orientierungswoche nicht mehr geküsst worden – und der hatte sich am nächsten Tag, als er wieder nüchtern war, nicht mehr an sie erinnert.

Nicht, dass sie sich besonders bemüht hatte. Sie verbrachte eigentlich fast ihre ganze Zeit mit dem Studium und dem Job, den sie übernehmen musste, um ihr mageres Teilstipendium aufzustocken.

Das Studium am Massachusetts Institute of Technology war hart, so hart, wie sie es noch nie erlebt hatte. Ihr ganzes Leben lang hatte sie immer zu den Besten in ihrer Klasse gehört. Aber die anderen hier am MIT waren ebenfalls stets die Besten gewesen. Hier musste sie doppelt so hart arbeiten, um ihre Position in der Mitte des Rudels zu verteidigen.

Melody mochte die Mitte des Rudels nicht. Sie wollte wieder an der Spitze stehen. Oder zumindest in der Nähe der Spitze. Und wenn das bedeutete, ein paar Partys zu verpassen, dann war das eben so. Kein großer Verlust.

Nur … jetzt, da ihr erstes Studienjahr so gut wie vorbei war, fiel ihr plötzlich auf, dass ihre Kommilitonen dennoch ausgegangen waren, neue Leute kennengelernt und mit ihnen geschlafen hatten, dass sie sich verliebt, wieder getrennt und erneut verliebt hatten, während Melody die Zeit in ihren Büchern vergraben verbracht hatte. Die anderen hatten Erfahrungen gemacht. Und sie nicht.

Wenn sie nicht aufpasste, würde sie in drei Jahren mit einem Bachelor-Abschluss und der sozialen Reife einer Highschool-Schülerin in die Welt entlassen werden. Also musste sie sich wohl oder übel ein wenig Mühe geben, ihre grundlegenden Alltagskompetenzen auszubauen – nicht nur ihr akademisches Wissen.

Weshalb sie jetzt in dieser Bar saß und unverschämte Bemerkungen, den Geruch nach Axe-Deo und die Verzweiflung eines Studentenvereinigungsjungen über sich ergehen lassen musste.

Ihr neuer Freund kam ihr noch näher, wobei er seine Schulter an ihre schmiegte und ihr eine Wolke Knoblauchgestank ins Gesicht blies. »Was macht denn ein Mädchen wie du hier ganz allein?«

»Ich warte auf jemanden«, wiederholte Melody durch zusammengebissene Zähne. Sie reckte den Hals und schaute zu der Menschentraube hinüber, die sich vor der Tür gebildet hatte, in der schwachen Hoffnung, dass Victor vielleicht doch noch aufgetaucht war.

»Ein Mädchen wie du sollte nicht allein hier sein. Wie wäre es, wenn ich dir Gesellschaft leiste, bis deine Verabredung kommt?«

»Wie wäre es mit: Nein?«

»Was willst du trinken? Komm, ich spendiere dir einen.«

»Ich will aber keinen …«

»Noch mal dasselbe für sie«, rief der Widerling dem Bartender zu, ohne auf sie zu achten. Es war, als spreche sie mit einer Ziegelwand.

»Lass gut sein«, sagte Melody zum Bartender. »Ich gehe.«

Mal im Ernst, scheiß auf Victor. Sie würde keine einzige Sekunde länger warten.

»Hey, wo gehst du hin?«, protestierte der Widerling und packte sie am Arm, als sie vom Barhocker glitt.

Melody wand sich aus seinem Griff, wirbelte herum, um die Flucht anzutreten – und stieß mit dem Gesicht an eine männliche Brust. Erschrocken schaute sie hoch und in ein umwerfendes blaues Augenpaar, das einem sehr hochgewachsenen, sehr süßen Typen gehörte. »Wow«, entfuhr es ihr.

»Tut mir total leid, dass ich zu spät komme, Schatz!« Der süße Typ lächelte sie strahlend an, wobei sich Grübchen in seinen Wangen bildeten, und schlang den Arm um sie, als würden sie sich kennen.

Melody starrte ihn mit offenem Mund an. Sie war sich hundertprozentig sicher, dass sie diesen Mann noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Was lief hier ab?

Als er sich zu ihr hinunterbeugte, um sie auf die Wange zu küssen, war sie so überrascht, dass sie sich nicht rühren konnte. Aber statt sie zu küssen, schwebten seine Lippen an ihrem Ohr, und er flüsterte: »Spiel einfach mit, wenn du den Kerl loswerden willst.«

Oh. Verdammt, ja, sie würde bei so ziemlich allem mitspielen, wenn sie damit Creepy Guy abwimmeln konnte.

Sie schlang die Arme um den Hals von Cute Guy und drückte ihn mit übertriebener Begeisterung. Wow, er war wirklich muskulös. Und er roch phantastisch, nach einem ganzen Wald voll exklusiver Fauna. Sie umarmte ihn vielleicht einen Hauch länger als unbedingt nötig, nur um noch eine Nase von diesem Duft einzusaugen.

»Wo warst du denn bloß, mein Bärchen?«, fragte sie mit ihrer besten aufgekratzten Freundinnenstimme.

Er neigte den Kopf zur Seite, und um seine Augen bildeten sich amüsierte Falten. »Ich habe wohl falsch verstanden, wo wir uns treffen wollten, Schnuffelhase.«

»Ach du Dummchen, zum Glück siehst du so gut aus.« Sie gab ein perlendes, falsches Lachen von sich und boxte ihn spielerisch gegen den Arm. Dann legte sie die Hände um seinen Bizeps – seinen sehr festen Bizeps – und zog ihn zum Ausgang.

Cute Guy warf Creepy Guy einen bösen Wehe-du-belästigst-mein-Mädchen-Blick zu, doch der wich bereits mit erhobenen Händen zurück, dem universellen Handzeichen für Hey Mann, sorry, war nicht so gemeint. Sieh mal einer an. Ihr Nein hatte der Vollpfosten nicht akzeptieren wollen, aber kaum, dass ein anderer Kerl Anspruch auf sie erhob – als sei sie dessen Eigentum –, schwenkte er die weiße Fahne und machte sich davon. Arschgesicht.

Nicht, dass sie nicht dankbar für das Eingreifen von Cute Guy gewesen wäre. Aber es war immerhin möglich, dass sie zwar gerade Jabba the Hutt entkommen, dafür aber direkt im Schlund von Sarlacc auf Tatooine gelandet war. Daher ließ Melody ihn los, sobald sie außer Sichtweite des Widerlings an der Bar waren, und sorgte für etwas Abstand zwischen ihnen.

Ihr gütiger Retter steckte die Hände in die Taschen seiner karierten Shorts und wich einer Gruppe von Gästen aus, die an ihren Tisch geführt wurden. Er trug Segelschuhe und ein Polohemd mit Kragen und sah aus, als wäre er direkt einer Ralph-Lauren-Werbung entstiegen.

»Alles in Ordnung?« Seine Brauen zogen sich besorgt zusammen, und sein Blick fiel auf ihren Arm. »Der Typ hat dir doch nicht wehgetan, als er dich gepackt hat, oder?« Er hatte bemerkenswert freundliche Augen für jemanden, der wie ein Privatschul-Trottel rumlief.

»Mir geht’s gut.« Melody ballte die Fäuste und widerstand dem Drang, sich an der Stelle abzurubbeln, an der der Widerling sie berührt hatte. »Aber danke für die Hilfe.«

»Soll ich dich nach Hause bringen?« Dann schien er zu merken, wie das klang, und beeilte sich, hinzuzufügen: »Ich meine, ich kann dir ein Taxi rufen, wenn du möchtest.«

Sie schüttelte den Kopf. Sie trug ein zerlöchertes T-Shirt und eine Secondhandjacke – natürlich konnte sie sich kein Taxi leisten. »Danke, geht schon.« Sie würde mit dem Bus zurückfahren, so wie sie auch hergekommen war.

»Okay«, sagte er. »Wenn du dir sicher bist.«

»Ich bin mir sicher.«

Er nickte und schlenderte davon, in den hinteren Teil der Bar, ohne irgendeinen Annäherungsversuch zu machen oder etwas für seine gute Tat zu erwarten. Ha. Offenbar gab es doch noch so etwas wie Ritterlichkeit.

Melodys Handy summte in ihrer Hand. Eine Nachricht von Victor.

Tut mir leid, bin aufgehalten worden und schaffe es nicht.

Super. Großartig. Perfekt.

»Hey!«, rief sie und lief hinter dem Süßen Typen her. »Warte mal.«

Er drehte sich um, die Brauen hochgezogen. Sein sandblondes Haar fiel ihm in die Stirn, er strich es zurück und lächelte sie an. Er hatte wirklich sehr süße Grübchen, wenn er lächelte. Und Grübchen waren schon immer ihr Ding gewesen. Sie waren für sie so was wie Kryptonit für Superman.

Melody atmete tief durch und achtete nicht auf die Hamster, die nervös in ihrem Bauch herumturnten. Sie musste schließlich nur mit ihm reden. Das konnte sie. Das war ja nun wirklich keine Raketenwissenschaft.

Nein, viel schlimmer. Mit Raketenwissenschaft kam sie zurecht. Aber mit süßen Typen reden – das war einschüchternd. Besonders, wenn es derart himmlisch duftende, muskulöse Musterbeispiele freundlicher Ritterlichkeit waren.

Flo Rida plärrte aus den Lautsprechern der Bar, und eine Gruppe Leute mit Sox-Trikots drängte sich zwischen Melody und die süßen Grübchen. Sie musste die Ellenbogen benutzen, um an ihnen vorbei zur Bar zu kommen, und warf ihnen böse Blicke zu, bis sie wieder direkt vor ihm stand.

»Wie heißt du?« Mit ihren eins siebenundsechzig war Melody zwar nicht wirklich klein, aber er war so hochgewachsen, dass sie den Kopf regelrecht in den Nacken legen musste, um ihm aus dieser Nähe ins Gesicht schauen zu können.

»Jeremy.«

»Also, Jeremy, ich glaube, ich schulde dir einen Drink.«

Er schüttelte den Kopf, und das Haar fiel ihm wieder in die Stirn. »Du schuldest mir gar nichts.« Er strich sich mit der Hand die Haare aus dem Gesicht. »Aber wenn du mich aus freiem Willen anmachst …« Wieder dieses Lächeln. Wie konnte jemand bloß so frech und so sexy sein? Dieses Lächeln hatte kein Recht, dafür zu sorgen, dass ihr so schwindelig wurde, tat es aber trotzdem. Wirklich und wahrhaftig.

»Wir wollen mal nicht übertreiben«, sagte sie, musste allerdings ebenfalls lächeln. »Ich biete an, dir einen auszugeben. Das ist alles.«

Wieder neigte er den Kopf, und sie begann, diese Bewegung zu lieben. Und dann waren da diese Augen, die so unerhört blau waren, wie sie jetzt aus der Nähe sah. Kobaltblau, wie in dieser Akte-X-Folge mit dem Typen, der die Leute hypnotisierte.

»Du hast mir noch gar nicht deinen Namen verraten«, sagte Jeremy und schaute sie mit seinen lächerlich blauen Augen an.

»Melody«, antwortete sie und versuchte, so zu tun, als wäre das hier vollkommen normal für sie, als liefe sie ständig herum, um süßen Typen mit heißem Lächeln und hinreißendem Haar einen auszugeben.

Er grinste. »Wenn das so ist, nehme ich dein Angebot an, Melody.«

Kapitel zwei

In der nächsten Stunde lernte Melody Folgendes über Jeremy:

Er kam aus Los Angeles.

Er war an der Syracuse University durchgefallen, dem zweiten College in vier Jahren (das erste war die Brown University gewesen).

Statt seinen Eltern zu erzählen, dass er es vergeigt hatte (schon wieder), hatte er beschlossen, übers Wochenende nach Boston zu fahren, um mit einem seiner Kumpel abzuhängen, der auf die Brown-Uni in Providence ging, was nur anderthalb Stunden mit dem Auto entfernt war.

Er war offenbar reich. Korrigiere: superreich.

Melody und er hatten absolut nichts gemeinsam.

»Welchen Film hast du zuletzt gesehen?«, fragte Jeremy und griff nach seiner Flasche Shock-Top-Bier.

Sie saßen ganz hinten an einem Tisch im Cask ’n Flagon und spielten eins dieser Kennenlernspielchen, bei denen man sich abwechselnd Fragen stellen musste.

»Prinzessin Mononoke«, antwortete Melody. Von der Bar her drang Jubel zu ihnen herüber. Bei dem Red-Sox-Spiel, das im Fernsehen lief, musste irgendetwas Aufregendes passiert sein. Da sie den Fernseher nicht sah, wusste sie nicht, was, aber man hörte deutlich mehr Jubel als Buhrufe, daher nahm sie an, dass Boston vermutlich gewann.

Jeremys Blick wanderte zu dem Bildschirm hinter ihr, dann sofort wieder zu ihr zurück. »Nie davon gehört.«

Das Fragespiel war ihre schlaue Idee gewesen, aber sie bereute es bereits. Es zeigte nur, wie wenig sie der Typ des jeweils anderen waren.

»Das ist ein Zeichentrickfilm aus Japan.«

Jeremy verzog das Gesicht. »Anime?«

»Ist großartig. Vertrau mir.«

Er sah sie skeptisch an. »Wenn du es sagst. Und der letzte Film, den du im Kino gesehen hast?«

»Immer noch Prinzessin Mononoke – auf dem Miyazaki-Filmfestival. Miyazaki ist der, der den Film gemacht hat.« Melody griff nach dem Bier, das sie mit ihrem gefälschten Ausweis gekauft hatte. Sie saß schon seit über einer Stunde davor, weshalb es lauwarm war und abgestanden – ungefähr so wie der ganze Abend. »Die letzte Fernsehserie, die du geschaut hast?«

»Gilt auch die Sportschau am Montag?«

»Nein, nur Shows mit Drehbuch.«

Er strich sich eine Strähne aus der Stirn und dachte nach. Sie fiel ihm sofort wieder ins Gesicht. Der Typ brauchte dringend einen neuen Haarschnitt. »Die Sendung mit den Nerds und der heißen Nachbarin, wie heißt die noch?«

Melody zuckte zusammen. »The Big Bang Theory?«

»Genau.«

Natürlich. Er schaute genau die Serie, die aus Leuten wie ihr nichts als eine Pointe machte, als wäre ihre gesamte menschliche Existenz ein einziger Witz, bloß weil sie gut in Mathe war und Science-Fiction mochte. Die Serie, die das Klischee »linkischer Typ lernt heißes Mädchen kennen« bediente, gleichzeitig aber an dem Stereotyp festhielt, Superhelden aus Comicheften seien ausschließlich etwas für männliche Hardcorestreber – statt ein Popkulturphänomen, das nun wirklich alle anging.

»Das letzte Buch, das du zum Spaß gelesen hast?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln, obwohl sie noch nicht an der Reihe war.

Er schüttelte den Kopf. »Ich erinnere mich nicht, ganz ehrlich. Ich lese eigentlich nicht zum Spaß.«

Natürlich nicht. Mit seiner akademischen Vergangenheit las er vermutlich nicht einmal für die Uni.

Er zog die Augenbrauen hoch. »Wow, du bildest dir gerade eine echt hohe Meinung von mir, oder?«

»Nein, das stimmt nicht!«, protestierte Melody. Es war ihr so peinlich, dass sie ganz rot wurde.

Jeremy lachte, und die Fältchen um seine Augen vertieften sich. »Du bist eine richtig miese Lügnerin, weißt du das?«

»Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich das tatsächlich weiß«, sagte sie und musste wider Willen lachen.

»Und warum ausgerechnet das MIT?«, fragte Jeremy, als sie die gesamte Popkultur durchgehechelt hatten und zu ihren Lebensgeschichten übergegangen waren. »Warum nicht Harvard oder eine der anderen Schlauberger-Unis?«

Melody nahm einen Schluck Bier. Sie waren jetzt bei der zweiten Runde, diesmal auf Kosten von Jeremys schwarzer AmEx-Kreditkarte. »Es ist die beste Uni für mein Fach.«

»Und welches Fach wäre das?«

»Informatik.« Sie fuhr mit dem Finger ein schiefes Herz entlang, das in die Tischplatte geritzt war. Daneben grinste ein Smiley-Gesicht ziemlich dämonisch. »Warum wolltest du denn auf die Brown?«

Jeremy zuckte die Achseln. »Wollte ich gar nicht. Aber mein Dad ist dorthin gegangen. Er hat mich reingebracht.« Er versuchte, lässig zu klingen, griff seine Bierflasche jedoch fester.

»Du wolltest gar nicht dorthin?«

»Um ehrlich zu sein, wollte ich eigentlich überhaupt nicht zur Uni.« Er zuckte erneut die Achseln. »Es war mir eigentlich egal, wo ich hingehe.«

Sie beugte sich vor und stützte die Unterarme auf den Tisch. »Und was machst du jetzt?«

»Ich weiß es noch nicht. Mein Dad gibt mir vermutlich einen Job in seiner Firma.«

»Muss ja nett sein, wenn man alles hinterhergetragen bekommt, ohne auch nur einen Finger krümmen zu müssen«, sagte Melody, und sie konnte nicht anders, es klang ein wenig säuerlich.

Jeremy machte ein unbestimmtes Geräusch. »Ja. Kann sein.« Er griff nach seinem Bier und nahm einen großen Schluck. Seine Fingernägel waren bis zur Haut abgekaut, und sie fragte sich, was jemanden mit einem derart bequemen Leben so stressen konnte.

»Wieso? Ist es das etwa nicht?«

Er setzte sich zurecht und rieb sich die Schenkel. »Hör mal, ich weiß, dass ich Glück gehabt habe, okay? Ich will jetzt nicht so tun, als wäre es ein besonders hartes Schicksal, Geld zu haben. Es ist nur … Niemand hat mich je gefragt, was ich wirklich machen will. Von mir erwartet man einfach, dass ich dem folge, was meine Eltern für mich planen. Und da fällt es einem doch einigermaßen schwer, echte Begeisterung aufzubringen, das ist alles.«

»Und was willst du wirklich machen?«, fragte Melody, weil das anscheinend noch niemand gefragt hatte.

Er schüttelte den Kopf und schaute auf die Tischplatte. »Ich weiß es doch selbst nicht. Ist das nicht jämmerlich? Ich habe verdammt noch mal keine Ahnung, was ich will. Vermutlich ist genau das mein Problem.« Er blickte auf, und als er sie direkt ansah, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Er hatte eine Art, sie anzusehen, als sei sie der einzige Mensch im Raum. »Weißt du denn, was du werden willst?«

Das wusste sie schon, seit sie zehn Jahre alt geworden war. Damals hatte sie ihren ersten Computer bekommen, einen alten Compaq Presario – gebraucht, von einem Freund ihrer Mom. »Ich will Software-Entwicklerin werden.«

»Warum das?«

»Weil ich Ahnung von Computern habe. Weil ich es liebe, Rätsel zu lösen und mich in Codes zu versenken. Weil man damit viel Geld verdienen kann und weil es eine Branche mit großen Entwicklungsmöglichkeiten ist. Weil ich dann nicht immer um alles kämpfen muss wie meine Mom.«

»Womit hat deine Mom denn ihr Geld verdient?«

»Womit nicht? Sie war Kassiererin, Kellnerin, Kosmetikerin, Verkäuferin. Sie wechselt ständig die Jobs, auf der Jagd nach dem großen Durchbruch – der nie kommt.«

Jeremy nickte, als wisse er ganz genau, wie es war, ohne jede finanzielle Sicherheit leben zu müssen, obwohl das nicht sein konnte. »Und dein Dad?«

»Ich habe ihn nie kennengelernt. Er ist abgehauen, als er erfuhr, dass meine Mom schwanger war.«

»Scheiße.«

Jetzt zuckte Melody die Achseln. »Es ist schwer, jemanden zu vermissen, den man nie kennengelernt hat.«

Jeremy beugte sich vor, die Augenbrauen zusammengezogen. »Fragst du dich nie, was er jetzt macht? Oder ob euer Leben anders gewesen wäre, wenn er dageblieben wäre?«

»Eigentlich nicht.« Seine Flucht vor der Verantwortung ließ nicht gerade auf großartige Erziehungsfähigkeiten schließen. Wer auch immer er war – vermutlich ging es ihr ohne ihn besser. Nur Unterhaltszahlungen wären nett gewesen.

»Tut mir leid, wenn ich zu neugierig bin.«

»Schon gut«, sagte sie und winkte ab. Es war wirklich in Ordnung.

Seit sie nach Boston gekommen war, hatte sie es stets vermieden, über ihre Vergangenheit zu sprechen. Die meisten Studenten am MIT kamen aus reicheren Familien mit gebildeteren Eltern, und sie wollte nicht als das Kind aus armem Hause dastehen, deren alleinerziehende Mom nicht einmal die Highschool abgeschlossen hatte. Aber bei Jeremy machte es ihr nichts aus, darüber zu reden, trotz ihres unterschiedlichen Hintergrunds. Vielleicht lag es daran, dass sie wusste, sie würde ihn nie wiedersehen. Da konnte es ihr egal sein, was er von ihr dachte.

Er neigte den Kopf etwas zur Seite und lächelte wieder dieses hinreißende Lächeln. »Und jetzt bist du hier, schuftest dich durch das Studium am MIT und tust haargenau das, was du immer tun wolltest.«

Es fiel ihr schwer, ihn direkt anzusehen, wenn er sie so anstrahlte. Also senkte sie den Blick und konzentrierte sich darauf, das Kondenswasser an ihrem Glas mit dem Daumen wegzuwischen. »Ja, so ist es wohl.«

Er streckte die Hand über den Tisch und berührte ihren Arm. Seine Finger waren weich und fühlten sich warm an. »Das ist beeindruckend«, sagte er. »Du bist beeindruckend.«

Typen, die so reich und gut aussehend waren, sollten nicht so nett sein. Sie wusste gar nicht, was sie damit anfangen sollte. Sie war ohnehin nicht besonders gut darin, Komplimente anzunehmen. Meist lehnte sie sie reflexartig ab, eine Angewohnheit, die sie sich in letzter Zeit abzugewöhnen versucht hatte. Wenn sie es aber schaffte, ein Kompliment auszuhalten, verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, sich unter einer Decke zu verstecken und so zu tun, als habe sie es nie gehört.

»Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie wirklich gut in etwas«, sagte er, und es klang ein wenig wehmütig. »Du hast Glück.«

Das war doch wirklich verrückt. Der Typ mit dem Millionen-Dollar-Treuhandfonds im Rücken fand, dass sie diejenige war, die Glück hatte. Am liebsten hätte sie laut aufgelacht, aber er wirkte vollkommen ernst. Offenbar sollte sie ihm das wirklich abkaufen.

Und das Merkwürdige war, dass sie es tat.

Melody war erstaunt, wie schnell die Zeit verging. War es wirklich schon Mitternacht? Irgendwie hatten Jeremy und sie nach dem holprigen Anfang dann doch stundenlang miteinander geredet. Sie war überrascht, wie wohl sie sich dabei gefühlt hatte – und wie sehr sie ihn mochte.

Was vollkommen irre war. Jeremy war absolut nicht ihr Typ. Sie hatten nichts gemeinsam. Rein gar nichts. Aber es war so leicht, mit ihm zu reden. Er gab ihr das Gefühl, er fände alles, was sie sagte, wichtig. Als wäre sie der interessanteste Mensch, der ihm je über den Weg gelaufen war.

Möglicherweise war Melody einen Hauch hingerissen. Klar, oberflächlich gesehen war er genau die Sorte hübscher, verwöhnter reicher Junge, die sie normalerweise verachtete. Dennoch hatte sie das Gefühl, als sei mehr dahinter, als versteckten sich ungeahnte Tiefen unter seinem jungenhaften Charme.

Vielleicht war das aber auch nur Wunschdenken. Oder eine Folge der drei Bier, die sie intus hatte. Oder es lag daran, dass ihre Knie weich wurden, wenn er sie ansah …

Egal. Er war süß. Sie würde auf jeden Fall mit ihm schlafen, wenn er das Thema aufbrachte. Was er nicht tat, obwohl sie ihn schon seit einer Stunde mit ihren schönsten Flirtaugen anblinzelte.

Im Ernst, machte sie beim Flirten irgendwas falsch? Aber er säße doch nicht hier, wenn er nicht Interesse an ihr hätte, oder? Sollte sie ihn einfach direkt fragen, ob er mit ihr schlafen wolle? Oder würde ihn das verschrecken? Was musste sie tun, um die Sache klarzumachen? Sie war absolut bereit, ihn mit nach Hause zu nehmen.

Das Beste daran war, es war völlig egal, dass sie nichts gemeinsam hatten. Er war nur übers Wochenende in der Stadt, daher stellte sich die Frage nicht. Es ging nicht darum, sich füreinander zu entscheiden oder nicht. Es würde in den nächsten drei Jahren keine peinlichen Zusammentreffen auf dem Campus geben. Sie könnte einfach eine Nacht lang heißen Sex mit einem süßen Kerl haben, und dann würden sie sich nie wiedersehen. Eine Win-win-Situation.

Jeremy trank sein Bier aus und deutete auf ihr fast leeres Glas. »Willst du noch eins?«

»Ich glaube, ich hatte genug«, sagte sie und schüttelte den Kopf.

Er sah sie lange an, lange genug, um sie zu verunsichern.

»Was?«

»Ich versuche gerade einzuschätzen, wie betrunken du wohl bist.«

»Ich bin nicht betrunken, ich will nur kein Bier mehr.«

Er lächelte, und sie hätte schwören können, dass seine Augen glitzerten. »Wenn das so ist, wollen wir dann vielleicht raus hier?«

Wieder lief ihr ein Kribbeln über den Rücken. »Okay.«

Kapitel drei

Als sie auf die Straße hinaustraten, griff Jeremy nach ihrer Hand, als wäre es das Normalste der Welt.

Endlich, dachte Melody und drückte seine Hand. Ich habe es geschafft.

Sie war stolz auf sich. Sie spürte so etwas wie Vorfreude.

Und dieses Gefühl musste sie wohl dazu gebracht haben, auf dem Bürgersteig vor dem Cask ’n Flagon stehen zu bleiben, ihre Hand in Jeremys Nacken zu legen und seinen Mund zu ihrem zu ziehen. Was ihr so gar nicht ähnlich sah. So jemand war sie eigentlich nicht – andererseits: Hier stand sie und tat genau das.

Sie hatte keine Erklärung dafür, abgesehen davon, dass sie die letzten paar Stunden damit verbracht hatte, den Mut aufzubringen, ihn rumzukriegen. Jetzt konnte sie ihn haben, und sie wollte nicht länger warten. Sie wollte sichergehen, dass er wusste, dass sie wollte. Denn das tat sie. Und zwar aus vollem Herzen.

Nach einem kurzen Augenblick der Überraschung küsste Jeremy sie enthusiastisch zurück. Seine Lippen waren warm und köstlich. Und weich. Wie kuschelige Kissen, in die man sich fallen ließ, mit nur einem Hauch Kratzigkeit von den Bartstoppeln um sie herum. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie vollkommen in seine Lippen hineinschmelzen.

»Sorry«, murmelte sie, als sie sich voneinander lösten, um Atem zu holen. Aber eigentlich tat es ihr kein bisschen leid. »Das war wohl etwas direkt, oder?«

Er lächelte wieder das Lächeln – das, von dem ihr so schwummrig wurde. »Ich hoffe, es ist noch viel mehr davon dort, wo das herkam.« Seine Stimme war leise und rau und ließ sie erschaudern.

Sie standen ohnehin ganz nah beieinander, aber jetzt kam er noch näher und drückte seine Brust an ihre, legte die Hände auf ihren Hüften. Sein Haar fiel ihm erneut in die Stirn, und sie strich es ihm aus dem Gesicht. Er hatte eine perfekte Nase. Perfekte Zähne. Und dann diese tiefen Lachfältchen um seine Augen herum, als lächelte er ständig. Gott, er war wirklich hinreißend.

Er umfasste ihr Gesicht und fuhr ihr durchs Haar. Sein Atem war warm auf ihren Wangen, und sie stellte sich auf die Zehenspitzen, wie eine Sonnenblume, die sich der Sonne entgegenneigt.

Er lächelte innig und warm, als sehe er etwas Wunderschönes, dann küsste er sie erneut, so leidenschaftlich, dass sie es bis in die Fußspitzen spürte.

Sie hatte geglaubt, ihr erster Kuss sei wunderschön gewesen, aber das hier war etwas ganz anderes. So war Melody noch nie geküsst worden. Nicht von dem Typen mit der Kinnspalte in der Orientierungswoche oder von einem der Freunde, die sie in der Highschool gehabt hatte. Das waren alles Anfänger gewesen im Vergleich zu Jeremy. Sein Kuss war ganz großes Kino. Bei Weitem das Beste, was sie in ihrem nicht besonders ereignisreichen Leben je erfahren hatte. Sie hätte ihn praktisch für immer küssen können. So gut war es.

Als sich seine Lippen von ihren lösten, stöhnte sie unwillkürlich auf – ein Geräusch, das in ein zufriedenes Seufzen überging, als er sich ihren Hals entlangküsste. Sie strich über seine Schultern, dann seine Arme, dann seine Hüften. Sie musste ihn einfach überall berühren. Sie drückte ihren Schenkel zwischen seine Beine und wurde mit einem tiefen Knurren belohnt, einem Knurren, das einfach – wow war. Sie hatte einen Typen zum Knurren gebracht. Das war ein Meilenstein für ihr Sammelalbum.

Melody konnte selbst kaum glauben, dass sie das hier tat. Hier, auf dem Bürgersteig. Vor einer Bar. Sie verachtete Leute, die in der Öffentlichkeit rummachten. Das hatte sie immer abstoßend gefunden. Und jetzt war sie eine von ihnen und hatte keinerlei Einwände. Null.

»Mein Auto«, keuchte Jeremy an ihrem Schlüsselbein. »Hier entlang.« Er deutete unbestimmt die Straße hinunter.

»Gut.« So viel Spaß sie hier auch hatten – in einer etwas privateren Umgebung konnten sie weitaus mehr davon haben. »Komm.« Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich.

Hand in Hand gingen sie zu einem Parkhaus ein paar Blocks weiter, und er hielt ihr die Beifahrertür eines glänzenden neuen Mercedes-Sportwagens auf. Er war mit Ledersitzen ausgestattet, und darin roch es nach Luxus – und nach Pommes.

Kaum, dass er sich hinters Lenkrad gesetzt hatte, griff Jeremy nach ihr. Er streichelte mit den Fingern ihre Wange, legte die Hand dann in ihren Nacken und zog sie zu sich.

Sie musste sich über die Schaltung beugen, um seine Lippen zu erreichen, und obwohl dieser Kuss großartig war – natürlich –, war er auch ein wenig unbeholfen. Sie waren einfach zu weit voneinander entfernt. Selbst als sie ein Bein anzog und sich zu ihm drehte, kam sie nicht nah genug an ihn heran. Er musste dasselbe Gefühl gehabt haben, denn er rutschte auf seinem Sitz herum und suchte nach einer besseren Position, während seine Zunge ihren Mund erkundete.

Ein lautes Hupen ließ sie auseinanderfahren. Er war aus Versehen mit dem Ellenbogen gegen die Hupe gekommen, und sie brachen beide in Lachen aus. »Ups«, sagte er und lächelte an ihrer Stirn.

Melody löste sich von ihm und sah ihn an. »Zu dir?«

Er verzog das Gesicht und strich ihr das Haar aus der Stirn. »Ich penne dieses Wochenende auf der Couch von meinem Freund Drew.«

»Okay«, sagte sie. »Also mein Zimmer im Wohnheim.« Zum Glück fuhr ihre Zimmergenossin jedes Wochenende nach Worcester, um ihren Freund zu besuchen.

Jeremy küsste sie erneut, aber sie schob ihn weg. »Ne-ein, mein Herr, wir starten jetzt den Wagen. Na los, zack-zack.«

Er warf ihr einen Blick zu – als könne er nicht glauben, was sie da gerade gesagt hatte, aber als wolle er ihr auch am liebsten die Kleider vom Leib reißen –, und das brachte ihre Entschlossenheit ins Wanken. Dann wiederum dachte sie an all die anderen Autos, die um sie herumstanden, und dass jede Sekunde jemand kommen konnte und dass sie auf keinen Fall dabei erwischt werden wollte, wie sie Sex in einem Parkhaus hatte. Sie stieß ihn noch einmal an, und er seufzte und wandte sich ab, um den Wagen zu starten.

»Na gut, na gut«, sagte er und verdrehte die Augen. »Ich mach ja schon zack-zack, meine Güte.«

Sie mussten natürlich mindestens anderthalb Kilometer von ihrem Studentenwohnheim entfernt parken. Und sie musste Jeremy peinlicherweise am Empfang anmelden, aber dann hatten sie es endlich in ihr Wohnheimzimmer geschafft.

Jeremy begann schon, sie zu küssen, bevor die Tür ins Schloss gefallen war. Ohne sich von seinen Lippen zu lösen, zog sie die Jacke aus und ließ sie zu Boden fallen, was sie vermutlich lieber nicht getan hätte, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, diesen süßen Typen zu küssen, als dass es sie gekümmert hätte.

Seine Hände legten sich auf ihre Hüften, dann wurde sie hochgehoben und zum Bett getragen. Er legte sie auf die schmale Matratze und streckte sich neben ihr aus, den Kopf aufgestützt. Seine andere Hand lag auf ihrem Bauch und strahlte fast schon Hitze aus.

Er drückte seine Nase an ihre Wange, und sie drehte sich zu ihm, um ihre Lippen auf seine zu legen. Ihre Zungen trafen sich, erregt und suchend. Er beugte sich über sie, das warme Gewicht seines Körpers lastete auf ihr, und seine Hand glitt unter ihr T-Shirt.

Melody bekam eine Gänsehaut, als seine Fingerspitzen über ihre Taille strichen, über ihren Bauch, ihren Brustkorb. Dann glitt seine Hand höher, fand ihre Brust und umfasste sie.

Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, und sie hatte das Gefühl, nicht genug Luft zu bekommen.

Sie wollte das hier. Da war sie sich sicher. Aber irgendetwas war plötzlich anders.

Sie fühlte sich nicht mehr so wie auf dem Bürgersteig vor der Bar. Dort war sie schwerelos gewesen, frei von allen Sorgen, wie in einem Traum. Jetzt, im grellen Neonlicht ihres Wohnheimzimmers, als sie auf ihrem quietschenden Bett lag, mit Jeremys Hand auf ihrer Brust, fühlte es sich nicht mehr an wie ein Traum.

Sondern real.

Sie waren allein in ihrem Zimmer. Es passierte wirklich. Aber sie hatte den tödlichen Fehler gemacht, darüber nachzudenken, was passierte – und ab da begann alles schiefzugehen.

Bis jetzt war alles so schön gewesen. Sie war so verzaubert von Jeremys blauen Augen und den Grübchen in seinen Wangen, dass es ihr leichtgefallen war, nicht nachzudenken.

Wie etwa darüber, dass sich einem derart heißen und reichen Kerl vermutlich reihenweise Mädchen an den Hals warfen – und zwar keine nerdigen Bücherwürmer wie sie, sondern die Sorte, die sich ständig an den Hals heißer Kerle warf und folglich weit mehr Erfahrung darin hatte als sie.

Was praktisch ja auch der Grund für sie gewesen war, heute Nacht etwas Neues auszuprobieren. Mit jemand Neuem. Und Jeremy war so viel heißer als Victor. Nur dass sie jetzt, da er wirklich in ihrem Zimmer war, plötzlich Angst hatte, nicht zu wissen, was sie mit ihm tun sollte. Dass sie seinen Ansprüchen nicht genügen würde.

Er musste gespürt haben, dass etwas nicht in Ordnung war, denn er hörte auf, sie zu küssen, was so, so bedauerlich war. Sie seufzte frustriert.

»Alles okay bei dir?«, fragte er besorgt.

»Ja! Alles super!«, zwitscherte sie so heiter, wie sie sich nicht fühlte. Ihr Hirn musste dringend zum Schweigen gebracht werden. Dieser Typ war hinreißend, und was noch wichtiger war: Er schien wirklich nett zu sein. Sie wollte sich unbedingt locker machen und das hier genießen, statt von ihrem eigenen blöden Hirn gebremst zu werden.

Er schaute noch besorgter drein und rollte sich von ihr hinunter, und das – arrgh – war absolut nicht, was sie wollte. »Du bist nicht … du bist doch keine Jungfrau?«

»Nein! Meine Güte! Auf keinen Fall. Ich habe das absolut schon mal getan.«

Er atmete erleichtert aus. »Okay. Gut.«

»Ein Mal«, murmelte sie in Richtung Zimmerdecke. Eigentlich hatte sie das gar nicht zugeben wollen. Es rutschte ihr einfach heraus.

Sein Blick wurde ganz sanft, er legte die Hand auf ihren Arm und drückte ihn sanft. »Hey, wir müssen gar nichts tun, wenn du nicht willst. Wenn du dich nicht wohlfühlst …«

»Nein!«, protestierte sie. »Ich fühle mich wohl. Super wohl! Absolut total wohl. Ich will das. Ich will dich. Ich bin nur … ein bisschen nervös, glaube ich.«

Er lächelte sie aufmunternd an. »Du musst wegen mir auf keinen Fall nervös sein.«

Melody schnaubte. »Ja, das sagst du jetzt, aber du wirkst wie ein Typ mit ziemlich ausufernder Erfahrung auf diesem Gebiet. Ich dagegen … Ich habe bloß Angst, eine Enttäuschung zu sein, das ist alles.« Womit sie mal wieder viel zu viele persönliche Informationen preisgegeben hatte. Sie musste damit aufhören.

Merkwürdigerweise schien ihm das jedoch nichts auszumachen. »Melody«, sagte er und sah sie so eindringlich an, dass ihr Magen Purzelbäume schlug, »du wirst mich nicht enttäuschen, egal was heute Abend passiert oder auch nicht, okay?«

Sie gab ein hohes, zittriges Lachen von sich. »Diese Annahme zeigt nur, wie wenig du mich kennst. Denn ich bin ganz zufällig Expertin darin, einen Deppen aus mir zu machen.«

Er lächelte erneut – und o Gott, er hatte wirklich ein großartiges Lächeln. »Aber nicht heute.«

»Woher weißt du das? Du kennst mich doch gar nicht. Wenn du mich kennen würdest, wüsstest du, dass ich erschreckend gut darin bin, peinlich zu sein. Ich bin mir sicher, dass ich einen Weg finde, das hier total zu verbocken.«

Er schüttelte immer noch lächelnd den Kopf. »Du siehst das offenbar wie eine Führerscheinprüfung oder so. Oder als würdest du hinterher eine Note dafür bekommen.«

»Na ja«, sagte sie und warf ihm ihren besten na eben-Blick zu. »Ich meine, ist das nicht so?«

»Nein!« Er lachte. »Es wird hinterher keine Beurteilung geben. Es soll doch einfach Spaß machen. Es geht ja gerade darum, sich zu entspannen und einfach geschehen zu lassen, was gerade gut ist. Im Augenblick zu sein.« Er tippte ihr an die Stirn. »Denk nicht so viel, MIT.«

»Jaaaaa, siehst du, das ist eben das Problem. Nicht zu denken ist nicht gerade meine Stärke. Mein Hirn läuft eigentlich immer auf Hochtouren, und …«

Er brachte sie mit einem Kuss zum Schweigen, und sie schmolz dahin. »Du denkst schon wieder«, murmelte er an ihren Lippen.

Sie atmete aus, es war eher ein Stöhnen, und er küsste sie erneut, länger und tiefer. Scheiß drauf, beschloss sie. War es nicht egal, dass sie nervös war? Sie war mit einem Typen zusammen, der süß und nett war – eine Kombination, die es in der freien Natur nur selten gab. Sie würde es auskosten.

Und zwar verdammt noch mal jetzt, in diesem Augenblick.

»Zu viel Stoff«, stöhnte sie und schob die Hände unter sein Hemd.

Er setzte sich auf und zog sich das Hemd über den Kopf, die Shorts hinunter, so dass er beeindruckend, wunderbar nackt war, abgesehen von grauen Calvin-Klein-Boxershorts. Melody atmete tief durch und tat es ihm nach, zog sich das Top aus und wand sich aus der schwarzen engen Jeans. In weiser Voraussicht hatte sie sich zuvor die Beine rasiert, ihren besten Spitzen-BH und ein passendes Höschen angezogen, obwohl ihr ein Szenario, in dem sich diese Vorbereitung als der Mühe wert erwies, zu dem Zeitpunkt noch wie reinstes Wunschdenken vorgekommen war.

Sein Blick war hungrig und intensiv, als er über ihren Körper glitt. »Du bist so schön«, sagte er, und sie fühlte, wie sie errötete. Doch bevor sie befangen werden konnte, küsste er sie schon wieder.

Melody richtete sich auf, um ihm auf halbem Weg entgegenzukommen, schloss die Augen und lebte den Augenblick.

Hinterher lagen sie ineinander verschlungen auf dem winzigen Bett, und endlich fühlte Melody sich vollkommen entspannt und zufrieden. Sie wünschte, dieses Gefühl in eine Flasche abfüllen und es immer mit sich herumtragen zu können.

»Geht es dir gut?«, fragte Jeremy und drückte ihr einen Kuss auf den Scheitel.

»Hmmm«, seufzte sie an seiner Brust. »Ging mir nie besser.«

»Gut.«

»Also war es in Ordnung, wie ich das alles gemacht habe?«, fragte sie, weil sie nicht anders konnte. Denn er schien es zwar genossen zu haben, aber sie musste es genau wissen. Für wissenschaftliche Zwecke.

Er gab einen Laut des amüsierten Staunens von sich. »Was habe ich dir gesagt? Das hier ist keine Prüfung. Es gibt keine Note.«

»Na ja, okay«, sagte sie etwas ungeduldig. »Aber wenn du mir eine Note geben müsstest, welche wäre es dann?«

Jeremys Brust vibrierte vor Lachen. »Du bist wirklich durchgeknallt, weißt du das?«

»Das hat man mir schon mal gesagt. Aber im Ernst, wenn du auf einer Skala von …«

»Eindeutig eine Eins.«

Sie hob den Blick, um ihn anzusehen. »Wirklich?«

»Wirklich.« Die Grübchen in seinen Wangen erschienen wieder. »Sogar eine Eins plus.«

»Ja!«, rief sie und reckte triumphierend die Faust.

Er verdrehte die Augen und schüttelte leicht den Kopf.

Melody legte erneut den Kopf auf seine Brust. Wenn sie ganz still hielt, konnte sie seinen Herzschlag an ihrer Wange spüren.

Sie fragte sich, wie lange er wohl noch bleiben würde. Meist verschwanden Typen nach einem One-Night-Stand, oder? Aber Jeremy wirkte nicht so, als hätte er es eilig. Vielleicht war er ebenso müde wie sie. Und er war so warm und gemütlich. Sie hätte gar nichts dagegen, wenn er noch ein bisschen länger bliebe.

Sie kuschelte sich an ihn und ließ es zu, dass ihr die Augen zufielen.

Es begann gerade hell zu werden, als Melody aufwachte. Jeremy suchte nach seinen Sachen. Als sie die Augen öffnete, stand er vornübergebeugt und hob seine Kleider vom Boden auf, und sie genoss einen Augenblick lang die Aussicht, bevor sie sich aufsetzte. »Ich hätte dich nie für einen Frühaufsteher gehalten.«

Er drehte sich um und lächelte sie an. »Bin ich auch nicht, aber seit fünf Minuten ist die Parkuhr auf dem Parkplatz abgelaufen, auf dem mein Auto steht, und mein Dad hat gedroht, mich zu enterben, wenn ich auch nur ein weiteres Ticket bekomme.« Er zog seine Shorts an und griff nach seinem Hemd, das auf ihrem Schreibtischstuhl gelandet war.

»Wie schade, dass du heute wieder wegmusst.«

Er zog sein Hemd an und trat ans Bett, um sich auf die Kante zu setzen. »Hör mal, Melody …«

»Mach keine Versprechungen«, sagte sie. »Letzte Nacht war perfekt. Bitte ruinier das nicht mit Lügen.«

Er nickte und fuhr mit dem Daumen über ihren Wangenknochen. »Drew hat bald seine Abschlussprüfungen, und ich weiß nicht, wann ich wieder nach Boston komme – oder ob ich überhaupt je wiederkomme.«

»Ist in Ordnung. Wirklich.« Und das stimmte. Nicht, dass sie ihn nicht mochte, aber sie hatte schließlich ein eigenes Leben zu leben, und er passte da nicht hinein.

»Aber wenn ich komme … kann ich dich dann anrufen?« Sie hatten bereits gestern Abend in der Bar Nummern getauscht, doch sie war nicht so naiv zu glauben, dass sie je wieder von ihm hören würde.

Sie biss sich auf die Unterlippe und nickte. »Keine Versprechungen.«

»Weißt du, wenn du je in L. A. bist …«

»Ja klar.«

Er neigte ein wenig den Kopf – genau jene Bewegung, die sie so hatte dahinschmelzen lassen. »Wenn du je in L. A. bist«, sagte er, »kannst du mich anrufen – wenn du willst. Und wenn ich dann Zeit habe, können wir uns vielleicht treffen. Okay?«

»Okay.«

Er küsste sie ein letztes Mal, ganz langsam, als genösse er es. »Pass auf dich auf, MIT.«

Und dann war er fort. Aus ihrem Leben verschwunden, für immer.