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**Vertraue niemals einem Royal …** Reichtum, Macht und Luxus – all das könnte für Alpha nicht weiter entfernt sein. Zumindest bis ihr Stiefvater sie nach einem missglückten Einbruchsversuch nach Westby schickt, auf das Eliteinternat schlechthin. Und obwohl Alpha sich eigentlich nichts aus den Reichen und Schönen von Antira macht, befindet sie sich plötzlich mitten im Zentrum von Intrigen, Dramen und Geheimnissen. Einziger Lichtblick ist der charmante Aaron Kingston, der sie mit seinen smaragdgrünen Augen sogleich in seinen Bann zieht. Doch Aaron ist niemand Geringeres als der Cousin des Thronerben von Antira und ein Playboy obendrein. Ein gefährliches Spiel um ihr Herz beginnt … Pflicht oder Liebe? Ein royales Geheimnis, ein königlicher Bad Boy und eine starke Frau, in der mehr steckt, als sie ahnt. Knisternd und herzzerreißend spannend bis zur letzten Seite! Persönliche Leseempfehlung von Julia, der bekannten Bloggerin von July_reads: »Ich war völlig sprachlos, fasziniert und absolut mitgerissen von diesem Buch.« //Dies ist der erste Band der dramatisch-royalen »Crown«-Dilogie. Alle Romane der fesselnden Lovestory bei Impress: -- The Crown Between Us. Royales Geheimnis -- The Crown Between Us. Royale Pflicht -- Sammelband der romantischen Romance-Dilogie »The Crown Between Us«// Diese Buchreihe ist abgeschlossen.
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Impress
Die Macht der Gefühle
Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.
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Ada Bailey
The Crown Between Us. Royales Geheimnis (Die »Crown«-Dilogie 1)
**Vertraue niemals einem Royal …**Reichtum, Macht und Luxus – all das könnte für Alpha nicht weiter entfernt sein. Zumindest bis ihr Stiefvater sie nach einem missglückten Einbruchsversuch nach Westby schickt, auf das Eliteinternat schlechthin. Und obwohl Alpha sich eigentlich nichts aus den Reichen und Schönen von Antira macht, befindet sie sich plötzlich mitten im Zentrum von Intrigen, Dramen und Geheimnissen. Einziger Lichtblick ist der charmante Aaron Kingston, der sie mit seinen smaragdgrünen Augen sogleich in seinen Bann zieht. Doch Aaron ist niemand Geringeres als der Cousin des Thronerben von Antira und ein Playboy obendrein. Ein gefährliches Spiel um ihr Herz beginnt …
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Vita
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© privat
Ada Bailey wurde am 1996 in einer kleinen Hafenstadt geboren. Dort lebt sie noch heute mit ihrem Freund und ihren beiden Katzen »Kater« und »O’Brian«. Die Kreativität beherrscht ihr Leben und sie braucht immer etwas zu tun. Ihre Freizeit investiert sie in ihren Instagram-Buchblog »Ist.me.the.reading.fox«, auf dem sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben mit anderen teilt.
Im Folgenden wird festgehalten, dass das Königreich Gelaria seine Unabhängigkeit vorübergehend an das Königreich Antira abtritt. Bis der wahre Erbe des ermordeten Königs Royland Anspruch auf den Thron erhebt, steht das Königreich Gelaria unter der Regierungsgewalt des Königreichs Antira. Bis zu diesem Tage ist das Parlament Gelarias handlungs- und regierungsunfähig, da es einem Herrscher der königlichen Blutlinie zu unterstehen hat.Dieser Vertrag wurde zwischen dem Parlament von Gelaria und König Adalmar von Antira am 1. Januar des Jahres 2002 geschlossen und behält seine Gültigkeit bis zur Erhebung des rechtmäßigen Thronerben. Der Thronerbe kann den Thron mit Eintritt seiner Volljährigkeit nur besteigen, wenn er im Besitz seiner vollen geistigen Kräfte ist. Durch die Unterschrift aller 23 Parlamentsmitglieder von Gelaria und König Adalmar von Antira tritt dieser Vertrag in Kraft.
Okay. Jeder hat mal einen schlechten Tag oder einen schwachen Moment. Es kam mir vor, als wäre ich bereits seit Stunden mit eisernen Handschellen an die kleine Bank im Polizeirevier gefesselt, dabei waren es höchstens zwanzig Minuten. Ich hatte die Zeiger der Uhr an der Wand gegenüber beobachtet, wie sie von einer Ziffer zur nächsten sprangen. Es war bereits Viertel vor eins, eigentlich wollte ich längst im Bett sein.
Das Licht der Straßenlaternen vor der Tür des Polizeireviers schimmerte durch die Fenster.
Marina und ich hatten geschwiegen, seit man uns Handschellen angelegt hatte. Sie sah mich nicht an und ich sah sie nicht an. Es war ja nicht so, dass wir Freundinnen gewesen wären. Wir kannten uns nicht einmal besonders gut. Vor einem Jahr war ich die Neue in Marinas Klasse gewesen und eigentlich sahen wir uns in der Schule fast nie. Marina war eine notorische Schwänzerin. Sie ging nachts immer zu irgendwelchen exklusiven Underground-Partys, weswegen sie entweder viel zu spät oder eben gar nicht zum Unterricht erschien.
Nach ungefähr einer halben Stunde kam ein älterer Mann zu uns, der alle Polizistenklischees erfüllte. Klein, rundlich und mit einem Muffin in der Hand. Besagten Muffin stellte er kurz auf die Armlehne der Bank und löste dann meine Handschellen. Im ersten Moment dachte ich, ich dürfte gehen.
Falsch gedacht.
Polizist McMuffin brachte mich in ein kleines unordentliches Büro und machte mich wieder mit den Handschellen fest. Dieses Mal aber an einem Stuhl.
Der Raum roch ein wenig moderig, lüften könnte hier wahre Wunder bewirken.
Gleiches Spiel, anderer Ort, dachte ich, bis die Tür aufging. Ein junger Mann betrat den Raum. Es lag eine Strenge in seinem Blick, die mich augenblicklich einschüchterte. Er konnte nicht viel älter sein als ich und doch wirkte er autoritär. Auch auf McMuffin schien er diese Wirkung zu haben, und das, obwohl McMuffin mit Sicherheit mindestens zwanzig Jahre länger im Dienst war.
»Detective Inspector«, nuschelte er ehrfürchtig.
»McLarren, Sie können jetzt wieder zurück an Ihre eigentliche Arbeit gehen. Vielen Dank.«
McMuffin nickte und verließ den Raum. Der junge Mann war in Zivil gekleidet und sah unverschämt gut aus. Viel zu gut, um Polizist zu sein. Er schien auch zu jung, um Detective Inspector zu sein. Aber bei Scotland Yard war offenbar alles möglich.
Seine hellen braunen Haare waren ein wenig zerzaust. Eine Strähne tänzelte bei jeder Bewegung, die er machte, vor seiner Stirn.
»Detective Inspector Cosmo Rivers. Ich werde Sie nun befragen. Ich bitte Sie, ehrlich zu sein. Das macht es uns beiden am einfachsten«, sagte er und warf mir ein Lächeln zu.
Ich nickte und rang mir das freundlichste aufgesetzte Lächeln ab, zu dem ich in diesem Moment fähig war.
»Natürlich.«
Er streckte mir eine Hand entgegen, merkte dann aber, dass ich an den Stuhl gefesselt war.
Der Detective runzelte die Stirn. »Einen Moment bitte.«
Er verließ eilig den Raum. Ich konnte seine schnellen Schritte auf dem Flur hören, denn er hatte nicht einmal die Tür geschlossen. Wieso auch? Ich saß schließlich gefesselt an einem alten Stuhl, auf dem bestimmt schon tausend andere Verbrecher gesessen hatten. Es war nicht so, dass ich das typische Verbrecherbild abgab, vielmehr war ich ein dummes Mädchen, das einen noch dümmeren Fehler gemacht hatte. Wenn ich es mir recht überlegte, dann hatte ich es schon irgendwie verdient, hier festzusitzen.
Vermutlich hätte ich sogar eine Nacht in einer kalten Zelle verdient. Bei diesem Gedanken spürte ich eine leichte Übelkeit in mir aufsteigen. Ich meine, ich würde es ja sowieso nicht noch mal machen, den Abschreckungsaufenthalt könnte ich mir also sparen.
Meine Gedanken wurden von der männlichen Stimme des Detective Inspectors unterbrochen, die auf dem weitläufigen Flur hallte.
»McLarren, wieso haben Sie sie an den Stuhl gekettet? Das wäre doch nicht nötig gewesen. Geben Sie mir bitte die Schlüssel.«
»Natürlich, Detective Inspector. Tut mir leid, Detective Inspector«, nuschelte McMuffin. Ich verstand ihn kaum, was wohl an der Wand zwischen uns lag.
Als der Inspektor zurück ins Zimmer kam, schloss er meine Handschellen auf. »Danke schön«, sagte ich erleichtert und rieb mir die Handgelenke.
Ohne zu antworten, ließ sich der junge Polizist lässig in dem Sessel hinter dem unaufgeräumten Schreibtisch nieder. Sein hölzernes Namensschild lugte unter einem Haufen Akten hervor. Rivers. Ohne hinzusehen, zog er eine frische Akte aus dem chaotischen Stapel. Offensichtlich gab es doch irgendwo ein System.
Er musterte mich mit gleichgültigem Blick.
Ich musste fürchterlich aussehen. Meine langen dunklen Haare hingen stumpf nach unten; mein Oversize-Pullover verdeckte meine Kurven und ließ meine schlanke Figur sicherlich pummelig wirken.
Detective Inspector Rivers schien das nicht zu stören. Die Strenge war einer freundlichen Ausstrahlung gewichen.
»Eigentlich sehen Sie gar nicht wie eine Verbrecherin aus. Die erste Verhaftung?«
Ich nickte und merkte, wie ich rot wurde. Ja, in der Tat, eigentlich war ich immer ziemlich vorbildlich gewesen. Das hier war irgendwie ein Ausrutscher.
»Ihre Freundin war schon öfter hier.«
Das wiederum konnte ich mir wahrhaft vorstellen.
»Ich weiß nicht. Wir sind keine Freunde.«
Der Detective schien verblüfft. »Sie sind keine Freunde? Und wieso dann das Ganze?«, fragte er neugierig, während er die frische Akte aufschlug.
»Für den Kick, würde ich sagen.«
Rivers zog eine Augenbraue hoch, ich brauchte ihm nichts vorzumachen, er wusste genau, dass ich log. Ich versuchte meinen Ton kühl zu halten, damit meine Unsicherheit nicht durchkam. Das klappte nur bedingt, ein leicht zittriger Unterton begleitete meine Worte trotzdem.
»Interessant – und jetzt die Wahrheit«, sagte er noch immer lächelnd.
Er war gut. Er blieb streng, aber die Freundlichkeit wich nicht.
»Letzte Woche haben ihre Eltern ihr ein Ultimatum gestellt. Wenn die Lehrerbeurteilung, die wir immer mitten im Abschlussjahr bekommen, wieder so schlecht wird, darf sie nicht mehr auf Partys gehen und muss Nachhilfeunterricht nehmen. Marina sah nur die Möglichkeit, heil aus der Sache rauszukommen, indem sie ihre bisherigen Klausurnoten und die vorläufige Beurteilung fälscht. Ich weiß nicht, wie sie auf mich gekommen ist, und vor allem weiß ich nicht, weshalb ich eingewilligt habe«, gab ich ehrlich zu.
»Also sind Sie beide nachts in die Schule eingebrochen, um Marinas Beurteilung am Computer des Direktors zu verschönern?« Der Detective formulierte es als Frage, aber ich wusste, dass es bereits eine These war.
»Es konnte ja keiner ahnen, dass sein Büro mit einem stillen Alarm gesichert war.«
Rivers grinste. »Nein, damit war wirklich nicht zu rechnen.«
Er schrieb etwas in die Akte, aber ich konnte nicht erkennen, was genau es war.
»Und Sie? Wollten Sie Ihre Noten oder Ihre Beurteilung ändern?«
»Nein, meine Noten sind gut und die Beurteilung vermutlich auch. Außerdem ist Urkundenfälschung eine Straftat.«
Der Detective lachte. »Und Einbruch nicht?«
Touché. 1:0 für Detective Rivers.
»Also sind Sie mit ihr mitgegangen, weil Sie auf den Kick stehen? Was sprang für Sie dabei raus?«
»Tatsächlich gar nichts. Ich habe noch nie etwas Verbotenes getan. Ich schätze, ich wollte es mal ausprobieren, damit ich später etwas zu erzählen habe. Ich bin sonst eher langweilig.«
Rivers grinste aufrichtig. Ihm schien es besser zu gefallen, wenn man etwas Mumm in den Knochen hatte.
»Wissen Sie was, das glaube ich Ihnen sogar.«
Es klopfte an der Tür und McMuffin trat schüchtern ein.
»Ich habe hier die Aussage von Ms Carmichael. Das wird Sie sicher interessieren, Detective Inspector.«
Rivers schaute McMuffin ernst an. Irgendwie tat mir dieser arme Constable leid. Schnell hastete er zum Schreibtisch des Detectives und drückte ihm die Akte in die Hand. Rivers überflog Marinas Aussage und runzelte wieder die Stirn.
»Das hat sie gesagt, McLarren?«
»Ja, Detective Inspector. Genau das.«
»Und Sie glauben ihr das, Constable?«, fragte Rivers stirnrunzelnd, während er das Protokoll durchblätterte.
»Nein, natürlich nicht, Detective Inspector.«
»Wieso nicht?«
Dem armen McMuffin war seine Nervosität deutlich anzumerken. Er fing an zu schwitzen und zerdrückte seinen Muffin. Die Krümel fielen langsam zu Boden und bildeten einen kleinen braunen Haufen. Schokolade. Hatte er nicht eben noch einen Vanille-Muffin gehabt?
»Na ja, sie klang nicht besonders ehrlich. Es war ein bisschen wie auswendig gelernt. Sie war auch sehr nervös und hat an ihrer Uhr herumgefummelt«, sagte McMuffin.
Rivers klappte die Mappe zu.
»Vielen Dank, Constable. Sagen Sie Ms Carmichael, dass sie gehen kann. Ich werde die Anzeigen morgen weiterbearbeiten. Sie wird postalisch über das weitere Verfahren informiert werden.«
»Natürlich, Detective Inspector. Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend, Detective Inspector.«
»Ihnen auch, McLarren. Gute Arbeit.«
McMuffin grinste stolz, als er den Raum verließ. Ich hingegen bekam leichte Panik. Mich durchfuhren plötzlich die wildesten Gedanken: Ich in einer engen kalten Zelle, ohne Licht, ohne Strom. Nur Wasser und Brot zu essen.
Okay, das war zwar minimal übertrieben, aber Orange stand mir so gar nicht.
»Werden wir vor Gericht gestellt? Müssen wir vielleicht ins Gefängnis? Muss ich vielleicht ins Gefängnis?«
In diesem Moment wünschte ich mir, ich hätte mich nie darauf eingelassen. Gut, genau genommen hatte ich mir das auch schon vorher gewünscht. Eigentlich war dieser Wunsch zum ersten Mal aufgekommen, als die Alarmanlage des Direktorats in mein Ohr geschrien hatte.
Wie hatte ich nur so dumm sein und keinen Gedanken an die Konsequenzen verschwenden können?
»Beruhigen Sie sich erst mal. Also, eigentlich darf ich mit Ihnen nicht über das sprechen, was in dem Aussageprotokoll Ihrer Mittäterin steht, aber sie hat sich gerade selbst verraten. Gut für Sie, schlecht für Ms Carmichael.«
Ich nickte und versuchte tief durchzuatmen.
»Also, Ihre Freundin … pardon, Ihre Nicht-Freundin … ist in der Tat nicht Ihre Freundin. Sie sollten aufpassen, mit wem Sie Ihre Zeit verbringen.«
Sein Blick sagte alles. Das Angebot, welches er mir da gerade unterbreitete, war klar. Er würde es mir sagen, wenn ich schwieg. Ohne seine Hilfsbereitschaft zu hinterfragen, nickte ich stumm und versicherte ihm so meine Verschwiegenheit. Manchmal musste man eben … wie sagt man? Seinen eigenen Hintern aus der Schlinge ziehen?
»Ihrer Aussage nach haben Sie sie am 8. September 2019 während des Spanischunterrichts erpresst, damit sie mit Ihnen in die Schule einbricht. Ihr Ziel war es, Ihre Beurteilung und ein paar Noten zu verschönern, damit Sie das Abschlussjahr nicht wiederholen müssen«, las Rivers vor.
Ich war schockiert. Nichts von alledem war der Wahrheit auch nur nahegekommen. Zumal die Klausurnoten und die Beurteilung noch nichts mit den eigentlichen Endnoten zu tun hatten. Die Beurteilungen, die unsere Schule verteilte, waren so etwas wie eine Schülerrezension für zukünftige Arbeitgeber, andere Schulen oder Universitäten. Wir bekamen sie in unserem Abschlussjahr als Referenzen.
Leise brachte ich nur ein erschrockenes »Das stimmt nicht! Das ist nicht wahr!« hervor.
»Dessen bin ich mir sicher. Der 8. September 2019 war letzten Sonntag und ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie sonntags keinen Unterricht haben.«
Detective Rivers schien auf meiner Seite zu sein. Er glaubte mir. Immerhin das, ich atmete auf. Allerdings wurde ich wütend, als mir bewusst wurde, dass Marina mich ausgenutzt hatte und jetzt versuchte auf meine Kosten ihren Glitzerarsch zu retten.
»Ja, das ist richtig. Außerdem sind meine Noten gut bis sehr gut. Ich habe es überhaupt nicht nötig, irgendwas daran zu ändern. Und womit soll ich sie bitte erpresst haben?«
Okay, vielleicht war ich etwas zu energiegeladen an die Situation herangegangen.
Rivers sah mich beruhigend an.
»Nun mal ganz ruhig. Ich verstehe, dass Sie sich aufregen. Zu Recht. Aber wir bekommen das schon hin.«
Sein Ausdruck war tadelnd. Augenblicklich schämte ich mich für meinen kleinen Ausbruch.
»Ich werde mit Ihren Lehrern über Ihre Noten reden müssen. Wenn es stimmt, was Sie sagen, dann sollten Sie nichts zu befürchten haben. Zumindest in Sachen Urkundenfälschung.«
Ich schluckte.
»Und in Sachen Einbruch?«
»Aus der Nummer bekomme ich Sie nicht so einfach raus. Den Einbruch kann man Ihnen beiden zur Last legen. Sie beide haben sich immerhin erwischen lassen. Aber das war Ihr erstes Vergehen. Ich rede mit dem Chief. Vielleicht kann ich Sie mit einer Verwarnung und einem Vermerk davonkommen lassen.«
»Danke, das wäre super.«
Ich wusste nicht, was ihn dazu verleitete, mir zu helfen, aber ich war dankbar dafür, auch wenn es schon ein wenig seltsam war. Vielleicht hatte er Mitleid mit mir und er half mir, weil ich mein Leben nicht verpfuschen sollte. Er war immerhin selbst noch ziemlich jung. Oder ich erinnerte ihn einfach nur an jemanden, den er sehr mochte. Es gab eine Menge Möglichkeiten.
»Aber, Alpha, ich verspreche nichts. Ich gehe jetzt mal Ihre Eltern anrufen, damit Ihr Vater oder Ihre Mutter Sie abholen kommen.«
Detective Rivers erhob sich aus seinem Stuhl und warf sich lässig die grüne Jacke, die gerade noch auf der Lehne gehangen hatte, über die Schulter.
»Stiefvater«, korrigierte ich ihn. »Und ich fürchte, dass das nicht viel Sinn hat. Ferkel ist auf einer Expedition. Irgendwas mit Inkaschätzen oder so«, sagte ich abschätzig. Ich konnte meinen Stiefvater nicht leiden.
»Und Ihre Mutter?«, fragte Rivers.
Bei dem Gedanken an sie wurde mir ganz kalt und Tränen kündigten sich an. Ich versuchte, nicht zu schluchzen und mich möglichst normal zu verhalten. So lief es häufig, wenn jemand von meiner Mutter anfing.
»Sie ist vor einem Jahr gestorben. Beim großen Bürobrand in der Millton Street.« »Der Brand im Architektenbüro. Davon habe ich gehört. Hat sie dort gearbeitet?« Rivers sah mich mitleidig an.
Ich nickte, eine andere Antwort brachte ich nicht hervor. Der Geruch von Rauch und verbranntem Fleisch schlich sich wie ein böser Geist in meine Nase. Noch immer träumte ich nachts davon. Es war eigenartig, wie schnell die Erinnerungen einen einholen konnten.
Detective Rivers war betroffen, das konnte man ihm ansehen.
»Es tut mir leid. Ich könnte Sie nach Hause fahren, ich habe sowieso Schichtende.«
»Nein, das brauchen Sie nicht. Ich nehme den Bus.«
Sein mitfühlendes Angebot war nett, aber ich wollte ihm keine Umstände bereiten. Er wollte sich schließlich schon für mich einsetzen und er hatte mir geglaubt, mit mehr konnte ich wirklich nicht rechnen. Oder besser gesagt, mit mehr sollte ich besser nicht rechnen.
»Es ist Freitagnacht. Ich bin Polizist, ich weiß, was für Gestalten um diese Zeit durch die Straßen von London wandeln. Ich könnte es nicht verantworten.«
Dass er sich Sorgen um mich machte, rührte mich, machte mich aber auch ein wenig verlegen.
***
Ich folgte Detective Rivers auf den Flur des Polizeireviers. Im Gehen betrachtete ich seine zerzausten hellbraunen Haare. Man sah, dass er eigentlich eine Kurzhaarfrisur trug, die er aber schon länger nicht mehr hatte nachschneiden lassen. Vermutlich arbeitete er zu viel und hatte keine Zeit für derartige Belanglosigkeiten. Vielleicht aber gefiel ihm dieser wilde Look. Mit dem weiblichen Geschlecht hatte der junge Detective Inspector Rivers mit Sicherheit keine Probleme. Er ging zu einer blonden Frau, die hinter dem Empfangstresen stand und ihn mit ihren Augen förmlich auszog.
»Detective Inspector, Ms Carmichael wurde bereits von ihren Eltern abgeholt. Soll ich jetzt auch für Ms van Aerssen zu Hause anrufen?«
Ihre Stimme war zuckersüß, es war offensichtlich, wie sehr sie ihn anhimmelte.
»Nein danke, Ms Flynn, das wird nicht nötig sein. Ich werde Ms van Aerssen selbst nach Hause bringen, wir wohnen in derselben Gegend.«
Das war hundertprozentig eine Lüge, die weitere Fragereien verhindern sollte. Zwar hatte er meine Adresse aus der Akte erfahren, aber die Gegend, in der ich wohnte, kannte kaum einer. Es hätte mich doch sehr stark gewundert, wenn ein vermutlich gut verdienender, junger Detective Inspector ebenfalls in dieser schäbigen Gegend wohnte. Andererseits kannte ich keinen meiner Nachbarn.
»Natürlich. Wie großzügig von Ihnen, Detective Inspector.«
Ihr Lächeln versuchte einen Hauch von Enttäuschung zu verbergen. Ob sie sich jetzt vorstellte, wie Rivers sie nach Hause fuhr?
Er musste augenscheinlich ein hohes Tier bei der Polizei sein. Alle blickten ihn mit Ehrfurcht und Respekt an, und das, obwohl er mit Sicherheit der Jüngste hier war. Ich musste an den stolzen Ausdruck auf McMuffins Gesicht denken, nachdem der Detective ihn gelobt hatte.
***
Rivers’ Auto war ein älterer Land Rover. Rost blätterte von der Stoßstange und auch die Felgen hatten schon bessere Zeiten erlebt. Er erinnerte mich an den alten Transporter meiner Grandma, mit dem sie immer die Bestellungen ins Dorf lieferte.
»Das ist Ihr Auto?«, entfuhr es mir.
Detective Rivers grinste.
»Ja, das ist er. Hat vorher meinem Dad gehört. Als er vor ein paar Jahren starb, brachte ich es nicht übers Herz, ihn wegzugeben. Er erinnert mich jeden Tag an ihn.«
Ich wusste genau, wovon er sprach. Ich hatte nicht viel von meiner Mum behalten können. Das meiste hatte mein Stiefvater Ferkel direkt nach ihrem Tod entsorgt. Ich erinnerte mich daran, wie er zwei Tage nach Mums Beerdigung unsere ganze Wohnung durchwühlt hatte, als würde er etwas Wichtiges suchen. Er hatte alles weggeworfen, mit der Begründung, dass es zu schmerzhaft sei, das alles ständig zu sehen. Danach war er wieder zehn Wochen auf Expedition gefahren.
»Sie müssen ihn sehr gemocht haben, Ihren Vater.«
»Wir haben das Polizeirevier verlassen. Ich bin nicht mehr im Dienst, also hör bitte auf, mich zu siezen. Ich fühle mich sonst so alt, ich bin doch auch erst dreiundzwanzig.«
Es war ihm scheinbar etwas unangenehm, dass ich ihn auf seinen Vater angesprochen hatte, denn er überging meine Aussage. Um die Situation zu lockern, streckte ich ihm meine Hand entgegen und lächelte ihn an.
»Alpha van Aerssen. Achtzehn. Angehende Schwerverbrecherin. Sehr erfreut.«
Er nahm meine Hand und erwiderte das Lächeln.
»Cosmo Rivers. Dreiundzwanzig. Jüngster Detective Inspector, den ein Londoner Revier je hatte. Es freut mich ebenfalls.«
Vermutlich war er auch der attraktivste, aber das sprach ich nicht laut aus.
***
Er hatte gelogen, als er Ms Flynn sagte, dass wir in derselben Gegend wohnen würden, das war mir klar gewesen. Aber damit, dass er für mich ans andere Ende der Stadt fahren würde, hatte ich nicht gerechnet. Er kam aus einer der netteren, angesagteren Gegenden am Stadtrand, zumindest so viel hatte er preisgegeben. Die Fahrt über redeten wir nicht viel. Ab und an blickte er zu mir herüber, als wollte er sich versichern, dass ich noch atmete und er keine Leiche in seinem Privatauto herumfuhr. Nach einer halben Stunde hielt er vor der Filiale einer Fast-Food-Kette, die damit warb, 24 Stunden geöffnet zu haben.
»Ich habe gerade richtig Lust auf einen Milchshake. Willst du auch einen? Ich lade dich ein.«
Cosmo schien mich in der Tat nicht mehr als Teil seiner Arbeit zu betrachten. Was war wohl unhöflicher? Seine Einladung anzunehmen oder sie abzulehnen?
»Den mit Erdbeere, bitte.« Mein Lächeln war dankbar. Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann ein Junge oder eher gesagt ein junger Mann mich zuletzt zu etwas eingeladen hatte.
Keine fünf Minuten später kam er mit zwei großen Milchshakes aus dem Laden. Weil die Nacht für September außergewöhnlich warm war, setzten wir uns für eine Weile auf die Ladefläche seines rostigen Land Rovers. Abgesehen von uns war der Parkplatz leer, was nachts um halb drei keine große Überraschung war.
Was für ein seltsamer Abend.
»Lass uns ein Spiel spielen«, sagte er und lächelte mich an.
»Ein Spiel?«
Er stocherte in seinem Milchshake herum, wobei er sein Lächeln nicht verlor.
»Eine Antwort für eine Antwort. Wir stellen uns abwechselnd Fragen und der andere muss sie ehrlich beantworten. Es gibt einen Joker, der einen von der Antwort befreit. Einverstanden?«
»Soll das ein zweites Verhör werden?« Ich war mir nicht ganz sicher, was hier gerade passierte. Wollte er mich kennenlernen oder war er undercover?
»Nein, ich bin nicht im Dienst. Solche Fragen meine ich nicht. Ich meine etwas Persönlicheres. Ich würde gerne wissen, wer du bist.«
»Oh, okay, ein Stalker. Dann fange ich aber an. Wie wird man zum jüngsten Detective Inspector Londons?«
Er nahm einen Zug von seinem Milchshake, um etwas Zeit zu schinden. Dann sah er mich aus warmen braunen Augen an.
»Indem man durch Zufall einen Fall löst, der seit Jahren auf der Ersatzbank lag, weil keiner auch nur einen Ansatz gefunden hat. Und natürlich, indem der Mentor direkt danach in Rente geht und einen nun für überaus fähig hält. Ich kam frisch aus der Ausbildung, sich da den Respekt der anderen zu verdienen ist eine Menge Arbeit.«
»Was war das für ein Fall?«
Er sah auf den Boden. Ich merkte, wie unangenehm es ihm war.
»Mord.«
Nur ein Wort und ich wusste, dass ich besser nicht gefragt hätte. Still hoffte ich, dass er nicht weiter drauf eingehen würde, und meine Gebete wurden erhört.
»Jetzt bin ich aber dran. Wieso nennst du deinen Stiefvater Ferkel?«
Ich holte tief Luft und begann mich mental darauf vorzubereiten, einem mir völlig fremden Polizisten meine gesamte Lebensgeschichte zu erzählen.
»Meine Familie hat nie viel Geld besessen und bestand genau genommen nur aus drei Personen. Meiner Mutter Ceres, meiner Grandma und mir. Wir waren ein unzertrennliches Team, bis eines Tages ein arroganter Mann in unser Leben trat und meine Mutter heiratete. Ich machte nie einen Hehl daraus, dass ich den neuen Mann an der Seite meiner Mutter nicht leiden konnte. Er war zu perfekt, um wahr zu sein. Er war charmant, gebildet und hässlich war er auch nicht, aber wenn ich eins gelernt habe, dann, dass kein Mann, den meine Mutter je mit nach Hause gebracht hat, perfekt war. Seine Haut ist babyrosa, deswegen nenne ich ihn Ferkel. Du kannst dir sicher vorstellen, dass meine Mutter anfangs nicht sehr begeistert davon war.«
Cosmo sah mich gespannt an. »Anfangs?«
»Ja. Erst hat sie ihn blind geliebt. Sie hätte alles für ihn getan. Der erfolgreiche Abenteurer hatte ihr den Kopf ganz schön verdreht. Allerdings stellte sich kurz nach der Hochzeit heraus, dass Ferkel meine Mum nur geheiratet hatte, weil er glaubte, dass unsere Familie reich wäre.«
»Uh, das ist bitter. Wie kam er darauf?«
»Das hat er wegen unseres Nachnamens – van Aerssen – einfach angenommen. Es war von Anfang an Ferkels Ziel gewesen, reich zu heiraten, weshalb er sich im Internet über Adelsfamilien informierte und dabei auf den Namen van Aerssen stieß. Ein altes niederländisches Adelsgeschlecht. Leider war er damals so gepackt von seiner Idee, dass er vergaß den Wikipedia-Eintrag zu Ende zu lesen. So blieb ihm die Information verwehrt, dass dieses Geschlecht längst ausgestorben war und wir definitiv keine Nachfahren sein konnten. Noch bevor er sich von meiner Mum scheiden lassen konnte, starb sie bei dem Brand und machte ihn zum Witwer und alleinerziehenden Stiefvater ihrer achtzehnjährigen Tochter.«
Im ersten Moment war Cosmo sprachlos. Er starrte mich mit offenem Mund an. Etwas Milchshake war auf seine Hose getropft, was er gar nicht bemerkte.
»Wow, das klingt nicht so, als würdest du ihn besonders mögen.«
»Tue ich auch nicht. Ich bin froh, wenn er nicht da ist. Er hat früher auch nie bei uns gewohnt. Im Grunde weiß ich nicht mal, wo er eigentlich wohnt.«
Cosmo legte seine warme Hand auf meinen Rücken, sodass mich ein Schaudern durchfuhr. Er merkte, dass hier der Punkt war, an dem keiner von uns auf weitere Fragen antworten wollte.
»Ich bringe dich jetzt nach Hause, okay? Es ist schon spät und sosehr mir die Zeit mit dir gefällt, ich habe morgen früh einen Termin, den ich leider nicht verpassen darf. Sonst bekomme ich noch einen Heidenärger«, sagte er mit einem leichten Lachen.
***
Wir hielten vor der rostigen Tür meiner Vorstadtwohnung. In der Dunkelheit sah sie zwielichtig und trostlos aus.
»Da sind wir also.«
»Danke fürs Bringen und natürlich den Milchshake.«
Es war eine wirklich eigenartige Nacht und Cosmo war eine wirklich gute Gesellschaft. Es fühlte sich fast so an, als würde ich mich von einem Freund verabschieden und nicht von dem Polizisten, der mich quasi verhaftet hatte.
»Gerne. Schlaf gut und brich nicht wieder irgendwo ein.«
Ich stieg aus und lächelte.
»Ich versuch’s. Ist versprochen, Detective Inspector.«
Gerade als ich die Tür des alten Land Rovers zuschlagen wollte, lehnte Cosmo sich über den Beifahrersitz und streckte den Arm nach mir aus. Er hielt eine Karte in der Hand.
»Wenn etwas ist, du jemanden zum Reden brauchst oder in Schwierigkeiten steckst, ruf mich an.«
Ich nahm die Karte. Zuerst hielt ich sie für eine Visitenkarte, aber das hier war persönlicher. Eine Spielkarte, auf der mit Edding seine Telefonnummer gekritzelt war. Wann hatte er das gemacht?
»Egal was.«
»Egal was?«
»Egal was.«
Ich nickte und er nickte zurück. Das war unser Abschied. Mehr Worte hatte es nicht gebraucht.
***
In den darauffolgenden zwei Tagen dachte ich häufig daran, Cosmo anzurufen, einfach, um mit jemandem zu reden. Ferkel hatte durch eine Mail der Polizei von meinem missglückten Einbruch erfahren und war gar nicht erfreut darüber. Er kündigte seinen Rückflug an, was für mich ein Zeichen dafür war, dass ich wirklich große Scheiße gebaut hatte. Normalerweise waren wir froh, wenn wir uns nicht begegnen mussten, so überließ er mich weitestgehend mir selbst. Während ich mich von meinen Gedanken über die Konsequenzen, die mir blühen könnten, ablenkte, wurde mir bewusst, wie unpersönlich meine Wohnung eigentlich war. Zwar war ich schon immer sehr ordnungsfanatisch, dabei aber durchaus kein Freund von Krankenhausmentalität. Trotzdem wirkte mein kleines Zuhause genau so: steril. Wir waren schon immer häufig umgezogen, weshalb ich nie wirklich viel besessen hatte, womit man eine Wohnung hätte einrichten können. Ich hatte meiner Mum immer beteuert, dass das okay für mich wäre. Aber dadurch, dass ich nie irgendwo wirklich angekommen war, hatte ich nur sehr wenige Freunde gehabt. Ich hatte mir ehrlich gesagt immer eine Pinnwand mit Erinnerungen gewünscht. Mit Postkarten und Fotos von mir und Freunden. Das hatte sich bisher aber leider nicht erfüllen lassen. Lange Zeit war meine Mum die einzige Konstante in meinem Leben gewesen. Sie war lebhaft und kreativ und das hat es oft besser gemacht, aber nun war es totenstill. Als ich noch mit meiner Mum zusammenlebte, war von überall in der Wohnung etwas zu hören gewesen: Musik, der Fernseher und meine fluchende Mum, wenn sie wieder einmal einen Baum auf ihren Modell-Entwürfen umgeworfen hatte. Momentan musste mir der Fernseher reichen, die Musikanlage hatte Ferkel irgendeiner Organisation gespendet. Ich hatte fast nichts mitgenommen, als ich in diese Übergangswohnung gezogen war. Zwar wusste ich nicht, wie lange ich hierbleiben müsste, aber mir war von Anfang an klar gewesen, dass es nicht für lange sein würde.
Am Nachmittag klingelte mein Klapphandy. Ich fand es nicht sofort, da ich es so selten verwendete. Schnell stellte ich die Nachrichtensendung auf lautlos. Es ging um Bürgerproteste auf den Straßen von Antira. In dem Teil, der vor ungefähr zwanzig Jahren noch zu dem Land Gelaria gehört hatte. Die Gelarier wollten mal wieder ihre Unabhängigkeit zurück. Das war in den letzten Wochen beinahe zu einem festen Bestandteil der Nachrichten geworden. Irgendwann würde es dort noch mal knallen.
Als ich auf das kleine Display sah, wurde mir mulmig zumute. Ferkel rief mich sonst nicht an.
»Alpha, endlich erreiche ich dich. Ich habe schon drei Mal angerufen.« Seine Stimme klang vorwurfsvoll und herablassend, aber das war ja nichts Neues.
»Warum rufst du an? Ich dachte, du wolltest herkommen?« Meine Stimme war kühl, wie immer, wenn ich mit ihm redete. Die Distanz zwischen uns war unüberhörbar.
»Mein Flug wurde gestrichen. Hier in Malawi sind derzeit starke Unwetter. Aber ich habe alles für dich geregelt.« Seine Stimme klang abgehackt, das Netz dort musste sehr schlecht sein. Sollte Ferkel doch in diesem Drecksloch verrotten. Eine Sekunde später schämte ich mich bereits für diesen Gedanken. Die ohnehin schon armen Menschen dort konnten schließlich nichts dafür, dass er so ein Arschloch war.
Mir fiel ein, was er gerade gesagt hatte, und begann mich zu wundern. »Was hast du für mich geregelt? Die Angelegenheit mit der Polizei?«
Kurz überkam mich die Angst, er könnte mich zu sich holen. Die Möglichkeit, mein Leben mit Ferkel in einem Entwicklungsland verbringen zu müssen, sorgte für einen kalten Schauder, der mir über den Rücken lief.
»Nein. Im Strafverfahren sind mir die Hände gebunden. Damit musst du selbst fertig werden. Ich habe dein weiteres Leben geregelt, denn so kann es ja offenbar nicht weitergehen. Ich stelle dich unter die Fürsorgepflicht deiner Großmutter.«
Er machte eine kurze Pause, um Luft zu holen. Wir wussten beide, wie sehr sie ihn verabscheute, aber im Gegensatz zu mir gab sie ihm die Schuld an Mums Tod.
»Sie wird sich um dich kümmern und du wirst bei ihr auf dem Hof wohnen. Ich habe durch Beziehungen ein Stipendium am Westby-Internat für dich arrangieren können. Immerhin sind deine Noten zu etwas zu gebrauchen. Westby ist, im Gegensatz zu dir, etwas Besonderes, mach mir keine Schande, denn das könnte sehr übel für dich ausgehen. Haben wir uns verstanden?«, fragte Ferkel rhetorisch.
»Ich bin gerade achtzehn geworden, wie kommst du darauf, dass ich noch tue, was du mir sagst?«, fragte ich biestig.
»Weil du noch viel zu unreif bist und nichts selbst hinbekommst. Du kannst von Glück reden, dass es mich noch gibt und ich mich um alles kümmere. Wenn du auf dich angewiesen wärst, würdest du wohl in irgendeiner Gasse liegen und um Geld für Heroin betteln. Du wirst deinen Abschluss in Westby machen, sonst dreht sich deine Mutter noch im Grabe um. Also, ich frage noch mal, haben wir uns verstanden?«
Ich hasste es, wenn er so tat, als wäre ich nichts wert, aber in seinen Augen war ich das wohl. Dennoch hatte er in einer Sache recht, ich brauchte einen Abschluss. Solange ich diesen noch nicht hatte, war ich von ihm abhängig. Danach würde er mich nie wiedersehen. Ich würde mich absetzen und irgendwo studieren. Wo und was, wusste ich noch nicht, aber ich würde schon etwas finden.
»Aber natürlich, Eure Hoheit.« Das bisschen Sarkasmus konnte ich mir in Anbetracht seiner Absichten nicht verkneifen, doch die Provokation schlug fehl.
»Dein Flieger geht nächsten Sonntag um 16 Uhr ab Gatwick. Verpass ihn nicht.«
Dann legte er einfach auf.
Ich hasse diesen Sonntag, dachte ich, während ich aus dem kleinen schwarzen Taxi stieg und meinen fliederfarbenen Regenschirm spannte. Es war ein typischer Septembertag, nass, kalt und windig.
»So, hier sind wir.« Der Taxifahrer holte meine Sachen aus dem Kofferraum und klatschte sie in den Schlamm des schmalen Feldweges.
»Warten Sie mal, das ist aber nicht das Haus meiner Grandma, überhaupt ist hier gar kein Haus«, maulte ich und verschränkte meine Arme.
»Ja, Miss, der Hof Ihrer Großmutter steht am Ende des Feldweges. Das sagt mein Navi. Hier steht ja auch ihr Briefkasten«, sagte der Taxifahrer und zeigte auf das rostige, zerbeulte Ding. Ganz offensichtlich wurde hier schon seit Jahren keine Post mehr eingeworfen. Seit dem Bau der neuen Dorfzufahrt, um genau zu sein.
»Ja. Ich weiß, aber Sie wissen bestimmt, dass auf der anderen Seite des Waldes ein Dorf liegt, von dem aus man direkt zum Hof fahren kann.«
»Das tut mir jetzt aber wirklich leid. Ich habe gleich Feierabend und keine Zeit mehr, sie dort auch noch hinzufahren. Überstunden bekomme ich nämlich nicht bezahlt. Sie müssen dem Weg einfach nur folgen.«
Der wohlbeleibte Taxifahrer zeigte in die Richtung des Waldes am Ende des Weges. Ein kalter Schauer lief mir beim Anblick der in den Himmel ragenden Bäume über den Rücken. Sie türmten sich vor mir auf wie eine bedrohliche schwarze Wand.
»Aber Sie können mich hier doch nicht einfach im Regen stehen lassen. Ich habe Sie für den ganzen Weg bezahlt. Außerdem wird es bald dunkel.« Ich versuchte ruhig zu bleiben und den unsympathischen Mann nicht noch weiter zu verärgern. Mir war klar, so würde er mich nirgendwo hinfahren.
»Bis hierhin führt der Weg und nicht weiter. Es ist zu matschig. Das würde das Taxi nicht sauber überstehen und die Reinigungskosten muss ich selber tragen. Außerdem habe ich keine Lust, so kurz vor meinem Feierabend hier auch noch stecken zu bleiben.« Er war genervt und stapfte zur Fahrertür zurück. »Sie werden es schon finden.«
Als der Taxifahrer einstieg, machte das kleine schwarze Taxi einen Satz. Dann fuhr es davon. Einen kleinen Augenblick lang konnte ich noch das rote Licht seiner Rückscheinwerfer in der Ferne sehen, bevor es in der hügeligen Landschaft vollkommen verschwand. Es dämmerte schon und weit und breit gab es keine Laterne. Ich erinnerte mich meine Taschenlampe in den alten Koffer gepackt zu haben. Doch um diesen öffnen zu können, musste ich ihn wohl oder übel in den Schlamm legen. Ich riss den Koffer auf und durchwühlte ihn schnell in der Hoffnung, dass er nicht komplett durchnässen würde. Schnell fand ich die leuchtend rote Taschenlampe, die mir Grandma zum achten Geburtstag geschenkt hatte. Ich stopfte meine Sachen wieder zurück in den Koffer. Zum Ordnen blieb keine Zeit. Beim Verschließen des Koffers hörte ich ein leise knatterndes Geräusch, das aus der Ferne zu kommen schien. Ich wusste nicht direkt, was es war, und die Hügel versperrten mir die Sicht. Zwar konnte ich es nicht direkt einordnen, doch ich spürte, dass es näher kam. Der Boden vibrierte, das knatternde Geräusch wurde lauter und lauter. Schließlich erkannte ich, was es war: Ein dunkles Motorrad raste mit enormer Geschwindigkeit auf mich zu. Was sollte ich tun? Der Fahrer schien die Kontrolle über sein Gefährt verloren zu haben. Es dämmerte mir, dass der Motorradfahrer mich erfassen würde, wenn er weiter so fuhr. Ich hatte nur den Bruchteil einer Sekunde, um zu überlegen und zu reagieren. Intuitiv machte ich einen Satz zur Seite und fiel in den knöcheltiefen Schlamm. Im selben Augenblick legte ich die Hände schützend über den Kopf. Es fühlte sich so an, als würde die immer stärker werdende Vibration des Bodens durch meine Ohren in meinen Kopf kriechen. Die Reifen dieser Höllenmaschine fuhren keine zehn Zentimeter an mir vorbei. Mein Herz stockte. Dann wurde das Knattern des Motors leiser und die Vibration des Bodens schwächer. Voller Wut sprang ich aus dem Matsch.
»Du Vollidiot, wenn man nicht fahren kann, sollte man es lassen!«
Ich versuchte den Dreck, so gut es ging, abzuschütteln. Nun hatte dieser Sonntag es endgültig geschafft, der schlimmste Tag in meinem bisherigen Leben zu werden.
Na gut, fast. Kein Tag könnte für mich je schlimmer sein als der Tag, an dem meine Mum starb, oder ihr Hochzeitstag mit Ferkel.
Mein Koffer und ich waren vollkommen durchnässt und von oben bis unten mit Schlamm bedeckt.
»Zwei Meilen, das ist doch unfassbar – dieser Mistkerl!«
In diesem Moment wusste ich nicht, über wen oder was genau ich mich eigentlich ärgerte. Darüber, dass der Taxifahrer mich nicht direkt zu Grandma gefahren hatte? Über den Idioten von Motorradfahrer? Oder Ferkel, meinen Stiefvater, wegen dem ich überhaupt in dieses Drecksloch musste? Vermutlich spielte alles zusammen, auch wenn Ferkel definitiv der Auslöser für diesen schrecklichen Moment war.
Hier stand ich nun, am Ende der Welt. Aber im Grunde war mir alles recht, solange ich nur weit genug von Ferkel weg war. Er war ein schleimiger Kobold, wenn auch nur charakterlich.
Mein neues Leben in Westby würde das komplette Gegenteil meines bisherigen Lebens darstellen. Aber alles war besser, als mit Ferkel zusammenzuleben. Meine Mum und ich hatten nie lange an einem Ort gewohnt. Sie war Architektin gewesen und hatte vor allem Stadtwohnungshäuser designt. Deshalb konnte ich sagen, dass ich schon in all den großen europäischen Metropolen gelebt hatte, und Paris, London und Kopenhagen waren nur einige davon. Auch nach New York hatte es uns kurz verschlagen. Westby war im Gegensatz zu all diesen großen Städten nur ein kleines Kaff in einem kleinen unbekannten Land namens Antira, das neben Großbritannien lag und so unwichtig war, dass es auf kaum einer Karte verzeichnet wurde. Aber auch wenn ich mit diesem Ort nicht so viel anfangen konnte, war ich immer gerne auf der Farm meiner Grandma gewesen. Obwohl sie das kleine bisschen Landwirtschaft nur zur Selbstversorgung betrieb, gab es immer eine Menge zu tun. Ich hatte sie ewig nicht gesehen. Der Streit um die Hochzeit hatte Mum und Grandma entzweit, da auch meine Großmutter strikt gegen eine Ehe mit diesem arroganten Lackaffen gewesen war. Wie oft hatte ich mir gewünscht, meine Mum hätte auf Grandma gehört und die Hochzeit abgeblasen, aber das hatte sie leider nicht getan.
***
Mittlerweile war die Sonne untergegangen und Dunkelheit umgab mich. In einiger Entfernung konnte ich die schummrigen Umrisse des alten Bauernhauses erahnen. Es trennte mich nur noch eine alte Weide von meinem neuen Zuhause. Ich warf einen kurzen Blick auf meine blau-goldene Armbanduhr, das Ziffernblatt war voller Schlamm. Als ich es mit dem Zeigefinger abgewischt hatte, sah ich mithilfe meiner Taschenlampe, dass es schon nach 22 Uhr war. Ich war also schon seit fast einer Stunde unterwegs. Mein Koffer hinterließ zwei schmale Spuren im nassen Gras der Weide. Er war nur schwer zu ziehen, da die Räder vom Matsch verstopft waren und sich nicht mehr drehten.
Als ich auf dem alten Hof meiner Grandma ankam, fiel mein erster Blick auf die alte, schwach beleuchtete Scheune. Früher war sie einmal strahlend rot gewesen, doch nun blätterte die Farbe ab. Aber im Grunde war alles noch genau, wie ich es in Erinnerung hatte. An der Haustür des Haupthauses wollte ich auf die kleine Türklingel drücken, doch mein Blick wanderte auf das alte Namensschild darüber, welches ich in der Grundschule getöpfert hatte. Es war furchtbar hässlich und ihr Nachname war nicht richtig geschrieben, aber meine Oma liebte es trotzdem. Ich strich mit meinem Finger über das Schild und konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Als ich klingelte, riss Grandma sofort die Tür auf, als hätte sie schon seit geraumer Zeit dahintergestanden und gewartet.
»Oh, Alpha, komm doch rein!« Sie drückte mich kräftig. Für eine Zweiundsechzigjährige war sie verdammt stark.
»Kind, du bist ja ganz nass! Komm, setz dich an den Herd und wärm dich auf, ich habe zum Abendessen Suppe gemacht. Ich muss zugeben, ich habe dich früher erwartet. Ist denn alles gut gegangen?«, sagte sie und drückte mir einen noch leicht dampfenden Teller mit Gemüsesuppe in die Hand, während sie meine nasse Regenjacke auf den Kleiderständer hängte, von dem die weiße Farbe schon langsam abblätterte. Ich musste grinsen, denn das vor Freude strahlende Gesicht meiner Grandma und der warme Suppenteller ließen meine schlechte Laune augenblicklich verfliegen.
»Ich freue mich auch, dich zu sehen, Grandma, aber gut gelaufen kann man den Tag heute nicht gerade nennen.«
Wir setzten uns auf die gemütliche kleine geblümte Couch in den offenen Wohnbereich. Die Einrichtung hatte sich nicht besonders geändert. An den rustikalen Balken hingen noch immer die Blumenampeln, die Mum und ich Grandma vor vier Jahren zu Weihnachten geschenkt hatten. Wir hatten sie selbst geknüpft und so sahen sie leider auch aus. Aber Grandma liebte prinzipiell alles, was mit Blumen zu tun hatte, genau wie Mum. Irgendwie lag das in der Familie.
Florale Ölbilder und Fotos zierten die mit dunkelgrünen Holzbrettern vertäfelten Wände.
Es war, wie nach Hause zu kommen. Dies war der einzige Ort, an den ich immer wieder zurückkehrte.
Ich erzählte meiner Grandma von allen Vorkommnissen und merkte, dass es mir guttat.
»Na ja, auf jeden Fall sind alle meine Sachen jetzt dreckig und nass«, schloss ich meinen Bericht.
»Das klingt ja furchtbar, aber das wird schon wieder. Jetzt bist du hier und deine Sachen können wir gleich waschen und trocknen, die Waschmaschine steht nach wie vor in der alten Scheune. Gut, dass du morgen die Schuluniform anziehst, denn bis morgen früh sind die Sachen sicher nicht trocken.«
Mir wurde etwas mulmig bei dem Gedanken, schon am nächsten Tag wieder zur Schule zu gehen. Die Neue zu sein war nie schön, das wusste ich aus Erfahrung. Ich musste immer wieder daran denken, wie alle mich anstarren würden, so wie sie es immer taten, wenn neue Schüler dazukamen. Ich befürchtete, ich würde wieder einmal die Außenseiterin werden. Natürlich dauerte das Abschlussjahr erst ein paar Wochen und es würden viele neue Schüler dort sein. Zudem waren die Herbstferien gerade vorüber. Vielleicht würde ich zwischen den anderen Neuen gar nicht auffallen. Allerdings waren auch diese Schüler bereits länger hier als ich und hatten sich sicherlich mit anderen neuen Schülern zusammengeschlossen. Ich hasste diese Außenseiterrolle, die sich am Westby-Internat nicht ändern würde, zumal ich bei meiner Oma im Dorf wohnte und nicht im Internat selbst. Schon das Schulgeld konnten wir uns nur aufgrund meines Teilstipendiums leisten. Ein Platz im Internat war somit kaum vorstellbar.
Ich löffelte schnell meine Suppe auf und ging dann mit meinem schlammigen Koffer über die Hintertür von der Küche in die alte Scheune. Wenn man aus der kleinen Küche kam, wirkte die Scheune einfach riesig. Rechts lagen Heuballen und Strohhaufen neben einem alten Traktor, der schon ewig nicht mehr fuhr, mir aber als Klettergerüst durchaus treue Dienste erwiesen hatte.
Geradeaus war das alte Scheunentor, welches, wenn es draußen stürmte, immer ein schauerliches Quietschen von sich gab und mir als Kind so manche Stunden Schlaf geraubt hatte. Ich ging nach links, an dem Feuerholz vorbei, in Grandmas kleine Waschkammer. Früher war sie mal eine Sattelkammer gewesen, aber seitdem meine Grandma fast alle Pferde verkauft hatte, lagerten die Sättel, Trensen und was man sonst noch brauchte, in den Ställen. Ich stieß die alte Eisentür mit dem rechten Fuß auf und legte den Koffer auf den Waschtisch neben die alte Waschmaschine aus den 1960er-Jahren. Dann trat ich leicht gegen das Scharnier der Klappe, um sie zu öffnen.
Vor vier Jahren war ich im Sommer eine Woche mit meiner Freundin Lauren hergekommen. Da Lauren und ich die meiste Zeit draußen verbracht hatten, waren wir ständig dreckig gewesen und hatten nach drei Tagen schon all unsere sauberen Klamotten eingesaut. Als wir sie waschen wollten, bekamen wir die bescheuerte Klappe der Waschmaschine einfach nicht auf, sie klemmte fest. Also musste Grandma ständig unsere Wäsche waschen, was nichts daran änderte, dass wir uns immer wieder total einsauten. Das störte uns selbst nicht besonders. Als wir allerdings nach Hause fuhren und Laurens schwerreiche Mutter uns so dreckig, wie wir waren, vom Bahnhof abholte, war sie fuchsteufelswild. Danach durfte Lauren nie wieder mit zu meiner Grandma. Kurz danach waren wir sowieso umgezogen, sodass ich Lauren nie wiedersah. In den Herbstferien darauf zeigte mir Grandma dann diesen kleinen Trick, mit dem sich die Klappe kinderleicht öffnen ließ.
Ich stopfte meine Klamotten in die Waschmaschine, ungeachtet dessen, ob es sich dabei um Bunt- oder Weißwäsche handelte. Eigentlich sortierte ich gerne alle möglichen Dinge, andererseits waren meine Klamotten sowieso schon ziemlich ausgewaschen und ergraut und würden deswegen nicht mehr abfärben. Klamotten waren mir noch nie sonderlich wichtig gewesen. Hauptsache, ich hatte was zum Anziehen, was nicht aussah, als wäre es: tot, aus den 80ern oder einem super angesagten Modekatalog entsprungen. Meine Klamotten sollten immer nur eins aussagen, nämlich gar nichts. Mein Ziel war es, möglichst nicht aufzufallen, denn meiner Erfahrung nach vereinfachte das das Leben ungemein. Deswegen bestand meine Garderobe eher aus gedeckten Farben wie Grau, Grün, Blau, Braun und Schwarz. Natürlich waren auch ein paar Ausnahmen dabei, wie zum Beispiel Weiß oder Rot. Hier galt der Grundsatz: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ich stellte die Maschine an, legte den nassen Koffer geöffnet auf den Wäscheständer und ging zurück in die Küche.
»Ich gehe schlafen, Grandma, der Tag heute hat mich echt geschafft«, sagte ich und täuschte ein Gähnen vor. Denn ich wollte einfach nur nach oben in mein Zimmer und meine Ruhe haben.
»Natürlich, morgen wird es ja auch aufregend genug. Vielleicht triffst du ja deinen Traumprinzen, wer weiß das schon«, zwinkerte sie. Meine Grandma war besessen von märchenhaften Liebesgeschichten, zu denen sie die Beziehung von Mum und Ferkel nicht zählte. Seit ich ein Kind war, erzählte sie mir Geschichten von einsamen Prinzen und hübschen Mädchen. Sie wünschte sich so sehr, dass ich eines Tages meinen Märchenprinzen fand, wenn Mum es schon nicht geschafft hatte.
»Ach, Grandma, das Leben ist kein Märchen; um den Märchenprinzen zu finden, müsste ich vermutlich noch hundert Frösche küssen«, seufzte ich.
Meine Grandma ging zum Kühlschrank und schrieb etwas auf die alte Schiefertafel, welche für Besorgungen gedacht war. Sie hing schon dort, solange ich mich erinnern konnte.
»Na, wenn das so ist, dann werde ich dir morgen Herpespflaster mitbringen. Du weißt nicht zufällig, ob es Vorratspackungen mit hundert Pflastern gibt, Kind, oder?« Sie grinste mich an.
»Nein, Grandma, weiß ich nicht. Aber ich denke, die werde ich sowieso nicht alle morgen brauchen.«
Sie zog ihre Schultern mit gespielter Enttäuschung nach oben.
»Gute Nacht, ich hab dich lieb«, antwortete ich und lächelte ihr zu.
Meine Grandma war schon immer für jeden Scherz zu haben gewesen. Zugegeben, die meisten ihrer Witze waren flach. Mein Grandpa hatte früher immer behauptet, dass ihre Witze so flach seien, weil sie vom flachen Land kam. Auch das war natürlich Humbug. Als ich acht gewesen war, hatten Grandma und ich im Dorf viele Hausnummern abgehängt und untereinander vertauscht. Danach hatten wir uns ein Eis gekauft, uns auf den alten Springbrunnen in der Mitte des Dorfes gesetzt und den verzweifelten Postbotenlehrling beobachtet.
Ich ging die alte quietschende Treppe nach oben und dann den Flur entlang in mein Zimmer. Als ich eintrat, war ich etwas erstaunt, es sah hier nicht mehr so kindlich aus wie früher. Natürlich waren es noch dieselben blauen Wände und derselbe Dielenholzboden, aber meine Grandma hatte alles etwas modernisiert. Das alte große Bett sowie der kleine Tisch und die Kommode waren nun weiß und nicht mehr naturfarben. Auch hatte sie zwei weiße Regalbretter über dem Bett angebracht, an denen eine süße Lichterkette befestigt war. Daran hing ein kleiner Zettel auf dem Schön, dass du da bist, ich hoffe, es gefällt dir stand. Ich musste schmunzeln. Auf dem Tischchen lag ein Paket, in dem sich meine restlichen Sachen aus London befanden. Ich hatte es, gleich nachdem Ferkel mir letzte Woche eröffnet hatte, dass ich hierherziehen würde, losgeschickt. So hatte ich wenigstens direkt alles da, was mir wichtig war. Da es nicht viel auszupacken gab, beschloss ich es gleich zu tun und nicht auf morgen zu verschieben. Ein Karton neben dem Stuhl war voll mit meinen alten Büchern und Filmen, die ich hier eingelagert hatte, nachdem Mum gestorben war, damit Ferkel sie nicht auch noch verschenkte. Diese ordnete ich wie gewohnt nach Genre und Farben auf den Regalbrettern über dem Bett ein. Grandma musste sie vom Dachboden geholt haben, als sie von meinem Umzug hierher erfahren hatte. In einem weiteren Karton waren meine Fotoalben, meine alte Sofortbildkamera sowie die Filme dazu, mein erster Laptop, meine Spardose, Blöcke, mein Wecker, Stifte, mein roter Rucksack, mein Blümchenkissen und meine Bilderrahmen mit den Fotos von Mum, Grandma und mir. Ich verteilte alles im Zimmer und freute mich, dass es nun nach einem Zuhause aussah. All die Dinge erinnerten mich an meine glückliche Kindheit und die Zeit, die ich früher hier verbracht hatte. Als Letztes stellte ich meinen schwarzen Wecker auf die Kommode, die direkt neben meinem Bett stand. Die Zeit war wie im Flug vergangen, es war schon kurz vor Mitternacht. Ich schlich mich leise in das benachbarte Bad, um meine Grandma nicht zu wecken, und öffnete den Spiegelschrank. Für gewöhnlich hatte meine Grandma immer frische Zahnputzsachen sowie Hygieneartikel für mich da, so war es schon immer gewesen und so war es auch heute. Ich putzte schnell meine Zähne und schlich dann zurück ins Bett, wo ich in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.