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Was, wenn dein Traum der großen Liebe im Weg steht?
July Summers ist Cheerleaderin mit Leib und Seele. Daher ist es auch ihr großer Traum, nach dem Collegeabschluss einen Platz bei den Cheerleadern eines erfolgreichen NFL-Teams zu ergattern. Doch dort gilt eine strenge Regel: Wer einen Footballspieler datet, fliegt raus! Bisher war diese Vorschrift kein Problem für July - bis sie den neuen College-Quarterback Andrew McDaniels kennenlernt. Drew löst mit nur einem Blick Gefühle in ihr aus, die sie so noch nie empfunden hat, und jedes Mal, wenn die beiden sich treffen, wird das Prickeln zwischen ihnen stärker. Aber ist die Möglichkeit einer Zukunft mit Drew es wert, ihren Traum aufzugeben?
"Wenn ihr humorvolle und gleichzeitig emotionale New-Adult-Romane mögt, werdet ihr diesen hier lieben!" KIM NINA OCKER
Erster Band der ST.-CLAIR-CAMPUS-Trilogie
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Seitenzahl: 550
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Motto
Playlist
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
22. Kapitel
23. Kapitel
24. Kapitel
25. Kapitel
26. Kapitel
27. Kapitel
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Yvy Kazi bei LYX
Impressum
Yvy Kazi
The Dream Of Us
Roman
July Summers sieht zwar aus wie die typische Cheerleaderin, doch die toughe Literaturstudentin entspricht ansonsten keinem der oberflächlichen Klischees. Sie interessiert sich nicht für Mode und Make-up, liest lieber, statt auf Partys zu gehen, und will auf keinen Fall einen Footballspieler daten! Denn Julys großer Traum ist es, nach ihrem Collegeabschluss für ein Jahr einen Platz im Cheerleading-Team eines erfolgreichen NFL-Teams zu ergattern, und dort gilt die Regel: Wer mit einem Sportler zusammen ist, fliegt raus! Kein Problem für July – bis sie den neuen College-Quarterback Andrew McDaniels kennenlernt. Drew kommt aus einer Familie professioneller Footballspieler und hat selbst Ambitionen, in der NFL zu spielen – somit ist er für July eigentlich absolut tabu! Und trotzdem löst er mit nur einem Blick Gefühle in ihr aus, die July so noch nie empfunden hat, und immer, wenn die beiden sich treffen, wird das Prickeln zwischen ihnen stärker. Jede zufällige Berührung, jeder Blick und jedes Gespräch bringen July dazu, sich mehr gemeinsame Zeit mit Drew zu wünschen. Und auch Drew schafft es nicht, der Anziehung zu widerstehen, die zwischen ihnen spürbar ist. Doch ist die Möglichkeit einer gemeinsamen Zukunft es wert, ihren großen Traum aufzugeben?
Für Nina, der Drew nicht nur seinen Namen verdankt.
»Spaß und Vernunft sollten sich die Waage halten. Vernunft zahlt vielleicht deine Rechnungen, aber kein Mensch schreibt dir ein fettes ›Danke‹ auf den Grabstein, wenn du ihm dein Leben geopfert hast.«
Haley Bales
»Nervous« – Shawn Mendes
»Only Human« – Jonas Brothers
»Dance Monkey« – Tones And I
»Run The World (Girls)« – Beyoncé
»Pom Poms« – Jonas Brothers
»Happy« – Pharrell Williams
»Ghost Of You« – 5 Seconds of Summer
»Dreamer« – LaPeer
»Lost Without You« – Krezip
»Toxic« – Nina Nesbitt
»Colorblind« – Counting Crows
»Bitter Sweet Symphony« – The Verve
»All I Want« – Kodaline
»Flashlight« – From »Pitch Perfect« – Jessie J
»Don’t Give Up On Me« – Andy Grammer
»Rescue Me« – OneRepublic
»Rewrite The Stars« – Zac Efron, Zendaya
»Coming Home« – Sheppard
»On The Field of Dreams« – Daniel Hall
Sechs Monate zuvor
»Wir könnten das wiederholen«, schlägt Kyle vor, noch während er von mir wegrutscht und die Hose schließt.
Ich streiche meinen Rock zurecht, mustere Kyles Gesicht im fahlen Licht der Parkplatzbeleuchtung und bleibe an seinen verschwitzten Haaren hängen. Sie sind so kurz geschnitten, dass man nicht einmal anständig die Hände darin vergraben kann. Generell ist er eigentlich nicht mein Typ: dunkelblond, mit steingrauen Augen und der Eigenschaft, sehr rot anzulaufen, wenn er sich anstrengt. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Stimmung zwischen zwei Menschen ändern kann, wenn man erst wieder angezogen ist.
Ich könnte diesen Ausrutscher darauf schieben, dass ich zu viel getrunken habe, doch im Moment fühle ich mich schon wieder reichlich nüchtern.
»Ja. Nein. Keine Wiederholung«, antworte ich gedehnt und kämme mir mit den Fingern die blonden Haare. Wir werden garantiert nie wieder einen Quickie auf der Rückbank seines Mini Coopers einlegen – und das nicht nur, weil es erwartungsgemäß unbequem war.
»Ach, ich vergaß. Wie war das? Du datest ja keine Footballspieler«, stichelt er süffisant grinsend. »Und wie kommt es dann, dass du jetzt hier bist?« Als er mit den Fingerspitzen den Träger meines Tops entlangfährt, weise ich ihn ab.
»Mir wurde versprochen, dass es sich lohnen würde, mit dir mitzugehen«, gestehe ich geradeheraus und angle meine Handtasche zwischen Beifahrersitz und Rückbank heraus.
»Du kannst nicht behaupten, dass es dir nicht gefallen hätte«, behauptet er selbstsicher.
Da hat er recht. Für einige Minuten war es ganz aufregend, für ein paar Sekunden sehr angenehm, aber die sind bereits vorbei. All meine Euphorie ist verflogen, und mir gegenüber sitzt nur noch ein fast fremder, verschwitzter Typ. Wieso ist mir eigentlich nicht vorher aufgefallen, wie unsympathisch er aussieht, wenn er lächelt? Es ist kein Ausdruck von Freude, sondern pure Arroganz. Wenn ich etwas nicht leiden kann, dann Menschen, die sich selbst zu toll finden. Ich bereue es jetzt schon, mich auf diese Nummer eingelassen zu haben. Hätte ich nicht gleich spüren müssen, dass die Chemie zwischen uns nicht stimmt? Oder habe ich es schlichtweg ignoriert?
So oder so: Nichts hiervon wäre passiert, wenn meine beste Freundin nicht ausgerechnet dieses Wochenende mit ihren Eltern auf einem Segeltrip wäre. Sie hätte ein Auge auf mich gehabt, um diesen July-Aussetzer, wie sie es nennt, zu verhindern.
»Wir sehen uns«, verabschiede ich mich knapp.
Ich würde gern darauf verzichten, Kyle noch einmal zu treffen, bilde mir allerdings nicht ein, dass wir uns bis zum Ende unseres Studiums aus dem Weg gehen können. Darüber hätte ich mir vielleicht vor einer halben Stunde Gedanken machen sollen, aber der rationale Teil meines Gehirns leidet bedauerlicherweise unter gelegentlichen Ausfällen.
Ich entriegle die Tür und steige alles andere als elegant aus dem Auto. Glücklicherweise lässt Kyle mich ohne Protest gehen.
Tief durchatmend sauge ich die lauwarme Herbstluft in meine Lunge und versuche, das Chaos in meinem Kopf zu ordnen. Aber bevor ich auch nur einen klaren Gedanken gefasst habe, klingelt mein Handy. Ich ziehe es aus der Tasche und stutze. Bo. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Ich bin einfach von der Party verschwunden, ohne meinem Bruder Bescheid zu geben.
»He«, sage ich rasch und setze schon zu einer Entschuldigung an, als er mich unterbricht.
»Jules? Ich habe Scheiße gebaut.«
Die Worte »ich auch« liegen mir auf der Zunge, aber ich schlucke sie herunter.
»Wo bist du?«, frage ich, ohne nachzudenken, und laufe zurück zu dem Haus, aus dem noch immer die Musik der Feier dröhnt, die ich kurz zuvor verlassen habe, um mit einem Footballspieler unseres Colleges zu verschwinden. Wenn ich den Gerüchten glauben darf, vergnügt sich Kyle ständig mit wechselnden Frauen. Es besteht also eine realistische Chance, dass er mich morgen wieder vergessen hat. Ich wäre nicht traurig darüber.
Morgenmuffel-Montag
»Grande Sojalatte für July!«
So beginnt mein Morgen: schlaftrunken in einem Coffeeshop, nahe dem Campus. Der Duft von frisch gemahlenen Kaffeebohnen und warmen Croissants liegt in der Luft, außer den Geräuschen der Mahlwerke und Milchaufschäumer ist nichts zu hören. Die meisten der dunkelbraunen Holztische sind unbesetzt, die Schlange an der Getränkeausgabe jedoch ist lang. Trotzdem herrscht ein schläfriges Schweigen, da jeder seinen eigenen Gedanken nachhängt. In der Warteschlange bleibt einem dafür ausreichend Zeit. Wer den besten Kaffee in der Gegend will, muss Geduld mitbringen – oder früher aufstehen. Leider fehlen mir sowohl das Geduld- als auch das Frühaufsteher-Gen. Ich warte bereits seit fünfzehn Minuten, als endlich mein Name aufgerufen wird.
Ich lasse das iPad sinken und will gerade nach dem Becher auf dem Tresen greifen, da überholt mich ein Mann in rot-goldener Collegejacke, schnappt sich den Kaffee und verschwindet mit großen Schritten aus dem Coffeeshop.
»He!« Irritiert sehe ich ihm nach, wie er die Slate Street hinuntereilt. Hat der gerade mein Getränk gestohlen? Ernsthaft? Ich habe keine Ahnung, wie der Typ heißt, aber wohl kaum July! Es ist doch nicht so, als gäbe es viele Menschen mit diesem Vornamen, die meine Vorliebe für Sojamilch teilen.
Tief durchatmend wende ich mich dem freundlichen Barista zu, der in dem Augenblick einen Americano für Drew ausruft. Niemand reagiert. Auch nicht, als er seinen Aufruf wiederholt.
»Könnte sein, dass Drew gerade meinen Kaffee geklaut hat«, murre ich und bin kurz versucht, einfach seinen zu nehmen. Aber verwässerter Espresso? Nein danke.
Der freundliche Angestellte bereitet mir – nach nur einem Augenverdrehen – einen neuen Kaffee zu, während ich mich wieder meinem iPad widme und meinen Instagram-Feed checke. Ich like die neusten Bilder: süßer Otter, hübsches Buchcover, toller Rock. Ich bleibe an nichts davon wirklich hängen, greife gedankenverloren nach dem Kaffee und wende mich zum Gehen.
Ich komme ganze zwei Schritte weit, bis ich gegen einen unerwarteten Widerstand stoße. Ich fühle mich, als wäre ich aus vollem Lauf gegen eine Wand aus Muskelbergen gelaufen. Während ich fluchend den Kopf hebe, erkenne ich eine rote Jacke mit goldenen Ärmeln. Etwa auf meiner Augenhöhe prangt das gut erkennbare Logo der Alabama Antelopes: eine Antilope, die durch ein A steigt.
In der Hand hält der Fremde einen Becher, auf dem deutlich zu erkennen July :) steht. Trotzig lege ich den Kopf in den Nacken und sehe zu dem Alabama-Americano-Mann auf. Der Blick seiner dunkelbraunen Augen bohrt sich direkt in meinen. Er sagt nichts, blinzelt nicht. Weder entschuldigt er sich bei mir noch beschimpft er mich für meine Unachtsamkeit. Er sieht mich einfach nur schweigend an. Was für eine seltsame Art von Anmache ist das bitte? Soll es überhaupt eine sein?
Je länger wir uns anstarren, umso schneller schlägt mein Herz. Warum, kann ich mir selbst nicht erklären. Vielleicht vor Wut, weil der Typ keine Anstalten macht, den Weg freizugeben? Wenn er vorgehabt hätte, mir den Kaffee wiederzugeben, hätte er das längst tun können. Er steht immer noch vor mir, als wäre ich ein Geist. Eine Erscheinung, die er zwar ansieht, aber nicht richtig wahrnimmt. Und ob ich will oder nicht, komme ich nicht darum herum festzustellen, dass er irgendwie gut aussieht mit dem starken Kiefer und den braunen Augen. Sein dunkles Haar ist so kunstvoll verwuschelt, als wäre er geradewegs den Seiten einer Zeitschrift entsprungen. Langsam verzieht er die Lippen zu einem Grinsen.
Ich wende mich ruckartig von ihm ab, um die eigenartige Situation zu beenden. »Vollpfosten«, ist das erste Wort, das mir einfällt. Kopfschüttelnd umrunde ich ihn und will den Coffeeshop verlassen, als er doch noch ein Wort herausbringt.
»Was?«
Er hat mich schon verstanden! Ich werde es nicht wiederholen. Stattdessen schreite ich wie die Eleganz in Person aus dem Laden. Eine Eleganz, die durch ihre Unaufdringlichkeit überzeugt. Eine Eleganz, die von Turnschuhen, Nerd-Brille und Messy Bun lebt. Klingt das nach klischeehaftem Bücherwurm? Vielleicht. Aber wer hat morgens ernsthaft die Muße, sich stundenlang zurechtzumachen, nur um den ganzen Tag in irgendwelchen Hörsälen zu hocken? Ich nicht. Vor allem nicht vor dem ersten Kaffee!
Mich erwartet eine Vorlesung in englischer Literatur, die mich den seltsamen Zwischenfall im Coffeeshop fast vergessen lässt. Allerdings nur fast.
Statt dem Dozenten zu lauschen, wie er über starke Frauenfiguren in der Weltliteratur philosophiert, schweifen meine Gedanken immer wieder ab. Was bringt einen Mann dazu, meinen Kaffee zu nehmen, nur um zurückzukommen und mich schweigend anzustarren? Ich knote mir den Dutt neu, als könnte ich mit dem Ordnen meiner Haare auch die Gedanken sortieren. Aber es kostet mich einige Anläufe, bis ich mich auf das fiktive Leben von Jane Eyre konzentrieren kann.
Selbst in der Mensa verfolgt mich noch die Erinnerung an diese eigenartige Begegnung. Für einen Moment glaube ich, im Augenwinkel eine rot-goldene Jacke zu sehen, doch kaum wende ich den Kopf, ist sie verschwunden.
Mit dem Tablett in der Hand gehe ich zu einem Tisch am Fenster. Auch wenn es keine festen Sitzplätze gibt, finde ich meinen Bruder Bo fast immer an derselben Stelle. Heute zusammen mit Haley, die einen riesigen Berg bunter Wollfäden beiseiteschiebt, damit ich mein Essen abstellen kann. Obwohl Haley und Bo nicht unterschiedlicher sein könnten, haben sie etwas gemeinsam: Sie studieren beide Medizin im zweiten Semester.
»Was treibst du da?«, frage ich verwundert, während ich mich setze.
»Stricken«, lautet Haleys knappe Antwort.
Das sehe ich zwar, kann es dennoch nicht richtig glauben. Allerdings sollte mich bei Haley wohl nichts mehr überraschen. Ich weiß bis heute nicht, warum sie letztes Jahr bei den Cheerleader Tryouts aufgetaucht ist. Vielleicht war ihr langweilig? Für meine Freundin Penelope hingegen war die Motivation, sich zu bewerben, schon immer das Image. Dieser Traum von der Cheerleaderin, die mit den begehrtesten Jungs abhängt. Für mich ist es der Cheerleading-Sport an sich. Aber Haley? Sie stand da in ihrer Leopardenleggings, drehte sich die hellblauen Haarspitzen um die Finger und wirkte wie ein fehlgelandetes Alien. Nach einer halben Stunde hat sie sich kommentarlos verabschiedet und wurde seitdem nie wieder bei einer sportlichen Betätigung gesehen. Vermutlich wären wir von diesem Moment an getrennte Wege gegangen, wenn sie sich nicht ausgerechnet Bo als Laborpartner ausgesucht hätte. Aus den Laborpartnern wurden Freunde, und mittlerweile sind wir ein ganz gutes Dreierteam. Irgendwie haben Haley und ich uns auf Anhieb verstanden, obwohl wir vollkommen unterschiedliche Interessen haben. Während mein Herz dem Sport gehört, hat Haley eine Vorliebe für das Nähen ausgefallener Kleidungsstücke. Offenbar ist für eines ihrer nächsten Projekte Stricken notwendig, sonst kann ich mir nicht erklären, warum sie so hoch konzentriert Maschen aneinanderreiht, dass sie sich beinahe die Zunge abbeißt.
»Das wird ein Rock. Und rate, wer ihn anprobieren darf«, murmelt sie, ohne aufzusehen.
»Hurra«, ist alles, was mir dazu einfällt.
»Warte nur ab, bis ich eine berühmte Modedesignerin bin. Dann wirst du mir die Füße küssen, um weiterhin für mich modeln zu dürfen, Winzling«, behauptet sie.
Ich werfe einen flüchtigen Blick unter den Tisch und beschließe, das auf keinen Fall zu tun. Zumindest nicht solange sie immer noch die ausgelatschten Converse aus ihrer Schulzeit trägt. Die haben mittlerweile einen Camouflagelook, in dem sie mit Sicherheit nicht ausgeliefert wurden.
Bo beobachtet uns amüsiert, während er den letzten Rest seines Burgers isst und uns den Teller mit den übrig gebliebenen Pommes entgegenschiebt. Ich bewundere Bo für vieles. Unter anderem dafür, dass er in der Öffentlichkeit Burger essen kann und dabei – trotz der hochgekrempelten Ärmel seines lachsfarbenen Hoodies – immer noch elegant wirkt. Er wischt sich die Hände an einer Serviette ab und nickt Haley zu.
»Du wirst also Modedesignerin und Jules dein Model. Und was ist mit mir?«, fragt er, greift nach dem Wasserglas und lehnt sich lässig auf dem Stuhl zurück. Er lächelt amüsiert, wodurch er mich immer an einen Kater erinnert. Vielleicht liegt es an der Art, wie er die Lippen nach oben zieht und dabei den Kopf von links nach rechts neigt, bis ihm sein blonder Pony nicht mehr in den Augen hängt.
Haley sieht kurz auf und zuckt mit der Schulter. »Du heiratest einen reichen Footballspieler.«
Während ich ihr unter dem Tisch vor das Schienbein trete, hustet Bo ins Wasserglas, bevor er herzlich zu lachen beginnt.
»Das war nur ein Scherz.« Haley legt die Stricksachen beiseite, um sich das schmerzende Bein zu reiben und mich vorwurfsvoll anzusehen.
»Der war nicht lustig«, belehre ich sie und schiebe mir ein großes Salatblatt in den Mund, das ich energisch zerkaue.
»Ach komm. Wenn du das so sagst, denkt man, du hättest etwas gegen Schwule«, murrt Haley kopfschüttelnd.
»Ich habe nichts gegen Homosexuelle, finde es nur absolut nicht lustig, wenn man Witze über sie macht«, korrigiere ich. Und vor allem finde ich es nicht lustig, wenn man Witze über Bo macht.
»Es hat doch keiner gehört«, versichert sie und setzt ihre Strickarbeit fort.
Vermutlich nicht. In der Mittagspause herrscht hier ein Gemurmel, das alles verschluckt, was mehr als zwei Meter entfernt liegt.
»Ist heute nicht das Training für die Cheerleader Tryouts?«, grätscht Bo dazwischen, um das Thema zu wechseln.
Richtig. Heute können wir einen ersten Blick auf die jungen Frauen werfen, die sich demnächst an der Aufnahmeprüfung versuchen wollen, um Mitglied des St. Clair-Squads zu werden.
»Hoffentlich sind ein paar gute Mädchen dabei. Wir können Unterstützung gebrauchen«, stimme ich zu und schaue flüchtig auf die Uhr. Noch eine weitere Vorlesung, dann geht es los.
Cheerleading war schon immer mein Sport. Mein Traum. Mittlerweile finanziert es mir dank eines Stipendiums den Großteil meines Studiums. Aber ich weiß noch, wie nervös ich vor einem Jahr war, als ich selbst für die Tryouts trainiert habe. Sofort beginnen meine Fingerspitzen zu kribbeln, als könnten sie es gar nicht erwarten, in die Hände zu klatschen. In mir brodelt es, als wollte mein Inneres dringend einen Anfeuerungsruf loslassen.
»Hättest du bloß nichts gesagt«, stöhnt Haley und stiehlt eine Pommes von Bos halb leerem Teller. Halbherzig wischt sie die Hand an ihrem senfgelben Cordrock ab, bevor sie den Faden wieder aufnimmt. »Jetzt phantasiert July wieder von der College Cheerleading National Championship.«
Vielleicht hat sie recht. Vielleicht träume ich aber auch davon, eines Tages zu den Cheerleadern der NFL zu gehören. Das ist bloß ein Teilzeitjob, der strengen Regeln unterliegt und den kaum eine länger als vier Saisons aushält, trotzdem wäre ich gern dabei. Und wenn es nur für ein Jahr nach dem College ist. So wie manche davon träumen, auf diesem bescheuerten Rasen zu spielen und einen Ball zu werfen oder zu fangen, möchte ich dort stehen und mir die Seele aus dem Leib brüllen. Das klingt vermutlich nicht vernünftig, aber seit wann müssen Träume das sein? Ist es für Haley sinnvoll, einen Rock zu stricken? Wer weiß das schon? Nach meinem Dasein als Cheerleaderin kann ich immer noch Lehrerin werden. Oder was auch immer die rationale Wahl nach einem Literaturstudium ist.
Schon seit dem Tod unserer Mom scheint alle Welt von uns zu erwarten, dass Bo und ich unseren Kompass in Richtung Vernunft ausrichten, um unseren Dad zu unterstützen. Aber bevor ich mich den Erwartungen der Gesellschaft endgültig unterwerfe, will ich noch einmal richtig frei sein und meinem Herzen folgen. Weit weg von den aufmerksamen Augen meines Dads. Teil eines Teams sein, in dem jede Einzelne meine Leidenschaft teilt. Eine begrenzte Auszeit. Quasi mein persönliches Sabbatical. Und ich werde alles dafür tun, dieses Ziel zu erreichen, denn so eine Chance kommt höchstens einmal im Leben.
»Erde an July? Stehst du in Gedanken wieder auf dem Rasen, der die Welt bedeutet?«, stichelt Haley und macht Anstalten, mich mit einer Stricknadel zu piksen.
Oh ja. Darauf kann sie wetten. Ich stehe auf dem Rasen. Und dann? Werde ich schreien, in die Hände klatschen und einen verdammten Flickflack machen, während das ganze Stadion mein Team anfeuert.
Was bringen einem Träume, wenn das Universum sie nicht erhört?
Ich stehe vor der Tribüne der Sporthalle und bin ganz kurz versucht, mit dem Kugelschreiber in meiner Hand dem vor mir liegenden Elend ein Ende zu bereiten. Ich bohre mir den Stift einfach durchs Auge ins Gehirn, um das Fiasko nicht länger mitansehen zu müssen.
Seit fünfzehn Minuten versucht Penelope, Ordnung in den Haufen junger Frauen zu bekommen, die sich die Cheers und Choreos für den Tryout merken wollen – und dabei gnadenlos scheitern. Statt Penelopes anmutigen Bewegungen zu folgen, sehen sie aus, als wären wir hier bei einem Kung-Fu-Training, das keinen Regeln folgt. Sind die Mädchen sich sicher, dass sie freiwillig Cheerleader im Wettkampf-Squad werden wollen? Dieses Jahr machen gleich drei Mädchen unseres Teams ihren Abschluss und müssen schnellstmöglich ersetzt werden. Momentan sehe ich schwarz. Vielleicht haben einige der potenziellen Bewerberinnen an der Highschool Ballett oder Gymnastik gemacht, aber von dort zur Akrobatik ist es ein großer Schritt. Keines der Mädchen wirkt, als könnte es einen Flickflack. Das bedeutet ein hartes Stück Arbeit.
Habe ich mich vorhin auf diesen Moment gefreut? Meine Euphorie ist verflogen. Warum habe ich unserer Trainerin versprochen, hier auszuhelfen? Eigentlich sollte sie gemeinsam mit Penelope die Anwärterinnen einweisen, allerdings hat sie sich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen und diese ehrenvolle Aufgabe kurzfristig an Penelope und mich übertragen. Theoretisch helfe ich Penny gern. Wir sind schon seit der Junior High in einem Squad und etwa genauso lange befreundet, obwohl uns nichts außer der Liebe zum Cheerleading verbindet. Sie studiert Betriebswirtschaftslehre und ich Literatur. Dieses Jahr hat Dad unseren traditionellen Campingurlaub abgesagt, weil er zu viel arbeiten muss, aber luxuriöser wird es bei uns nicht. Pennys Familie hingegen jettet um die Welt. Ihre Haare sind tintenschwarz, meine goldblond. Ich könnte die Reihe der Unterschiede ewig fortsetzen. Wenn jemals jemand den lebenden Beweis dafür gesucht hat, dass Gegensätze sich anziehen: Hier sind wir. Auch wenn ich jetzt gerade lieber woanders wäre, als mir dieses Drama anzusehen.
Während Penny mit jeder Minute schweigsamer wird, beginnt es in meinem Inneren zu kochen. Das Brodeln wütet in meinem Magen, und ich weiß nicht, wie lange ich den anstehenden Vulkanausbruch noch zurückhalten kann.
Rechter Arm hoch – nicht den linken. Ist das denn so schwer? Habt ihr schon einmal etwas von Synchronität gehört? Auf eins, drei, fünf, sieben! Es kostet mich einige Mühe, die Worte herunterzuschlucken.
»Na, wie läuft’s?«, höre ich Bo hinter mir.
Ich drehe mich um und presse die Lippen zusammen.
»So gut also?«, stichelt er mit seinem Katerlächeln.
Normalerweise hat Penny einen unschlagbaren Vorteil, den sie in fast jeder Lebenslage einsetzen kann: ihr Aussehen. Sie hat die zierliche Statur ihrer Mom geerbt und wirkt schon auf den ersten Blick unschuldig und beschützenswert. Wenn sie einen mit ihren rehbraunen Augen anblinzelt, schmilzt für gewöhnlich jeglicher Widerstand dahin und ihr Gegenüber wird in ihren Fingern zu Wachs. Doch wie es aussieht, macht sie das noch lange nicht zu einer geeigneten Ersatztrainerin. Statt Ordnung in das gackernde Chaos zu bringen, streicht sie erneut die dunklen Haare glatt und wippt unruhig auf den Fußballen vor und zurück.
Ich schaue mir das Trauerspiel weitere fünfzehn Minuten an, bis ich den Block zu Boden werfe und mit großen Schritten zu ihr hinübergehe. Ich halte das nicht länger aus! Es braucht dreimaliges Händeklatschen und einen entschiedenen Pfiff, bis ich die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden habe. Hätte ich ein Problem damit, im Mittelpunkt zu stehen, wäre ich beim Cheerleading falsch.
»Danke, Penny.« Ich nicke in ihre Richtung und ignoriere ihren stummen Protest, der sich auf ein nervöses Blinzeln beschränkt. Erst als sie ergeben ihre Fußspitzen betrachtet, fahre ich fort. »Wer von euch zu den Mädchen wollte, die mit Pompons zur Musik tanzen: Ihr seid hier falsch! Die Cheerdancer treffen sich morgen. Und wer von euch denkt, dass Cheerleading ein geeigneter Ort wäre, um Football- oder Basketballspieler kennenzulernen – versucht es besser auf einer ihrer Feiern. Diese Typen sind viel zu ehrgeizig, um sich von kurzen Röckchen am Spielfeldrand ablenken zu lassen. Wir werden die Spieler vor allem dann sehen, wenn sie gerade keinen Nerv für uns haben: während ihrer Spiele. Ihre Spiele sind aber nicht unser Fokus. Unser Squad trainiert nicht dafür, ein volles Stadion während der Pausen zu unterhalten. Wir trainieren für unsere eigenen Wettbewerbe. Denn die Hauptaufgabe dieses Squads ist es, die nationale Meisterschaft zu gewinnen. Es steht euch jetzt frei, zu gehen. Oder euer Bestes zu geben!« Damit übergebe ich wieder an Penny, bevor ich meinen Block vom Fußboden einsammle.
»O Jules«, schnurrt Bo, kommt zu mir herüber geschlendert und schiebt die Hände in die Taschen seiner Lederjacke. »So eloquent wie immer. Man merkt dir die Literaturkurse richtig an.«
»Leck mich.«
»Nicht einmal dann, wenn wir nicht verwandt wären.« Er schenkt mir sein bezauberndstes Lächeln – und ich ihm ein Augenrollen.
»Dieses Training ist ein fundamentales Fiasko«, lautet mein Fazit. Zwei oder drei der Mädchen wirken, als hätten sie genug Biss für unser Team. Ein Teil von ihnen gibt bestimmt gute Cheerdancer ab. Aber der Rest? Ich drehe mich noch einmal zu den Mädchen um und rufe: »Ach, eine Sache noch! Solltet ihr es in die Mannschaft schaffen, seid ihr noch lange nicht eingeschrieben. Lehnt euch das St. Clair ab, seid ihr endgültig raus. Ende der Durchsage!« Ich bedeute ihnen, weiter zu üben, denn sie haben es definitiv nötig.
»Sind hier alle so zickig?«, fragt eines der Mädchen und lässt Penny erschrocken auffahren.
Sie blinzelt mich erneut an, als wären ihre langen Wimpern die Flügel eines Schmetterlings. Wahrscheinlich fürchtet sie, dass ich das Mädchen mit meinem Kugelschreiber ermorde. Ich werde davon absehen, weil sie zumindest so wirkt, als könnte sie einen Flickflack lernen.
»Sie ist nur ehrgeizig. Was sie sagen will, ist, dass Cheerleading ein harter Sport ist«, wirft Penny ein und macht eine seltsame Geste, die vielleicht beschwichtigend aussehen soll. »Den rauen Ton hat sie von ihrem Dad. Er ist übrigens der beste Physiotherapeut in Fair Haven. Falls ihr mal Probleme habt, wendet euch an ihn. Er war auch mal ein sehr Erfolg versprechender Quarterback hier am St. Clair«, ergänzt Penny hilfsbereit. »Eines seiner Porträts hängt noch immer drüben an der Wall of Fame.«
Ich kann mich nur mühsam zusammenreißen, um nicht lautstark aufzulachen. Es ist schon bitter. Unser Dad ist selbstständiger Physiotherapeut und arbeitet Teilzeit für das St. Clair Football Team. Natürlich ist er immens wichtig für die Mannschaft, und niemand wagt es, sich seinen Anordnungen zu widersetzen, aber ein Typ, der anderen die Waden massiert, klingt für die meisten Außenstehenden nicht besonders imposant.
Ganz im Gegensatz zum Wort Quarterback. Die meisten von denen sehen nicht einmal besonders gut aus, dennoch sorgt allein ihre Anwesenheit dafür, dass sich die Atmosphäre im Raum ändert, als wäre man in einem geschäftigen Bienenstock gelandet. Wer Dad heutzutage sieht – groß, schlank, im weißen Polohemd, mit goldgerahmter Brille –, denkt sicher an vieles, aber nicht an seine Erfolge beim College Football. Sie liegen mittlerweile ohnehin lange zurück. Eine Verletzung hat ihn damals dazu gebracht, den Sport aufzugeben und »den vernünftigen Weg« einzuschlagen – sagt er. Jedes Mal, wenn er davon erzählt, klingt es in meinen Ohren, als wäre Vernunft eine Krankheit, die Träume auffrisst. So als wären Sport und Vernunft zwei Dinge, die sich in seinem Universum ausschließen. Vielleicht streiten wir uns deswegen so häufig: Weil ich in seinem Weltbild eine wandelnde Unmöglichkeit bin. Ich liebe den Sport, und fast so sehr liebe ich Literatur. An manchen Tagen gibt es nichts Schöneres, als in einem vollen Stadion zu stehen und das Vibrieren der grölenden Massen durch meinen Körper fließen zu lassen. Einfach nur zu tanzen, zu schreien und zu leben. Aber ich habe auch nichts dagegen, mich am nächsten Tag ins Bett zu kuscheln und ein Buch zu lesen, um den Alltag abzustreifen und mich in die unwahrscheinlichsten Personen zu verwandeln oder spannende Gedankenexperimente durchzuführen. Wie langweilig wäre das Leben ohne Extreme?
Bo reißt mich aus den Gedanken, indem er mich mit einem Ellbogen anstößt. »Dad als Quarterback. Schwer vorstellbar bei Mr Vorsicht-ist-besser-als-Nachsorge.«
»Ja, die bösen, bösen Gehirnerschütterungen«, murmle ich und rümpfe die Nase.
Unser Dad hat Bo so lange ins Gewissen geredet, bis er jede sportliche Aktivität, außer Joggen, aufgegeben hat. Und auch das macht Bo nur nach einem ausführlichen Aufwärmtraining. Dass ich immer noch zum Cheerleading gehe, treibt Dad fast in den Wahnsinn. Vielleicht sollte ich Verständnis für ihn haben, immerhin starb unsere Mom bei einem Unfall. Allerdings einem Haushaltsunfall. Wenn es also danach geht, ist selbst Fensterputzen eine Bedrohung für das Leben.
»Wenn er könnte, würde er uns bis an unser Lebensende in Watte einpacken und in unseren Zimmern einsperren«, ergänze ich.
»Nur dich. Ich bin verantwortungsvoll genug, um in die Welt entlassen zu werden«, behauptet Bo und klopft mir auf die Schulter, um sich zu verabschieden. Offensichtlich hat selbst er genug von dem traurigen Schauspiel.
»Du willst mich hier allein zurücklassen?«, frage ich theatralisch.
»Ich muss bedauerlicherweise zum Präpkurs.« Mit einem letzten Zwinkern kehrt er mir den Rücken zu.
Zumindest die Aussicht darauf, mit Leichenteilen arbeiten zu müssen, klingt für mich noch weniger verlockend als die Fortsetzung hiervon.
Eine Weile noch sehe ich dabei zu, wie Penny den jungen Frauen ein paar Chants beibringt, die sie auswendig lernen sollen, danach sind wir erlöst. Auch Penny wirkt nach dem Tryout-Training alles andere als glücklich, dabei ist sie diejenige aus unserem Team, die den Spirit noch am besten verkörpert. Sie kann auf Knopfdruck lächeln, als würde in einem Raum die Sonne aufgehen. Vielleicht hat sie in etwa die Durchsetzungskraft eines Kätzchens, aber alle lieben sie. Ihr reicht ein Augenaufschlag, um jeden Zweifel an ihrer Person im Keim zu ersticken. Sie sieht so zauberhaft unschuldig aus, dass niemand – wirklich niemand – daran glaubt, dass sie körperliche Bedürfnisse haben könnte. Ganz gleich welcher Art diese sind. Es ist schwer vorstellbar, dass sie tatsächlich so weltliche Dinge tut wie auf Toilette zu gehen. (Oder einen Sportler zu vögeln.)
»Was wollte Bo?«, fragt sie beiläufig und nimmt mir den Notizblock ab, um im Gehen ihre eigenen Anmerkungen zu den Mädchen zu ergänzen. Ihr Lächeln verzieht sich zu einer Grimasse. »Herausragend lange Beine. Könnte eine gute Pompon-Prinzessin abgeben?«, liest sie vor, schürzt pikiert die Lippen und überfliegt meine anderen Anmerkungen. »Jules, du und deine Alliterationen. Tess-Talentfrei. Kung-Fu-Kate. Ist das dein Ernst? Du sollst nicht immer so gemein sein.« Sie streicht meine Notiz so energisch mit dem Kugelschreiber durch, dass das Papier zu zerreißen droht.
»Ich bin nicht gemein, nur ehrlich. Außerdem brauchte ich eine Beschäftigung, um mich von der Koordinierungskatastrophe abzulenken.«
Die Art und Weise, wie Penny meine Anmerkungen zurechtkürzt, ist ihr stummer Protest. Schweigend laufen wir durch den Flur, vorbei an einigen Umkleidekabinen, begleitet von der eigenwilligen Geruchsmischung aus diversen Deos, Duschgels, Schweiß und Käsefüßen, die in jeder Sporthalle wohnt. Die einzige Kommunikation zwischen uns ist Pennys über das Papier flitzender Kugelschreiber.
»July, wirklich. Wir sind nicht mehr auf der Highschool. Meinst du nicht, es wird Zeit, langsam mal erwachsen zu werden?«, fragt sie in einem Tonfall, der keinen Zweifel daran lässt, warum unser Dad und sie sich so gut verstehen.
Vernünftig. Erwachsen.
»Manchmal habe ich das Gefühl, dass du … Weißt du, irgendwann endet das College und der Ernst des Lebens beginnt. Ich weiß, dass du das Cheerleading liebst, aber du brauchst einen Plan für dein Leben. Einen richtigen Plan, der dir deine Rechnungen zahlt. Wir wissen beide, dass das Gehalt eines NFL-Cheerleaders nicht zum Überleben reicht.«
»Du meinst, ich soll meine Jugend und das Outfit mit dem kurzen Röckchen nutzen, um einen Typ aufzureißen, der hoffentlich mal in der NFL landet?«, schlage ich mit einem Schulterzucken vor und öffne ihr die gläserne Tür, die zum Campus hinausführt. Ich bin mir recht sicher, dass das zumindest ein Teil ihrer Zukunftsplanung ist. Am besten gefolgt von einer frühen Hochzeit, um ihre Finanzen zu sichern. Bei ihren Eltern hat dieses Vorhaben so gut funktioniert, dass sie nicht nur bis heute verheiratet, sondern tatsächlich glücklich sind.
»So meinte ich das nicht. Und das weißt du.« Penny kaut nervös auf der Unterlippe.
Derart hoch konzentriert, wie sie meinem fragenden Blick ausweicht, weiß ich, dass ich keine Erklärung mehr bekommen werde. Das ist Penny: Im Gegensatz zu Haley sagt sie lieber gar nichts, bevor sie Gefahr läuft, etwas Falsches zu sagen. Damit ist dieses Gespräch beendet.
Das iPad aus meiner Umhängetasche suchend folge ich ihr in die Frühlingssonne. Obwohl ich schon mein Leben lang in Fair Haven lebe, genieße ich jedes Mal wieder den Anblick des Campus mit seinen efeuüberwachsenen Gebäuden. Sie verbreiten einen Hauch von europäischem Flair und akademischer Herrschaftlichkeit. Besonders im Frühling, wenn die hellgrünen Blätter der großen Bäume Schatten über die gepflasterten Wege tanzen lassen, sieht der Campus nahezu verwunschen aus.
»Hast du ein neues?«, fragt Penny mit Seitenblick auf das iPad.
Auch wenn mir vor ihr nichts peinlich sein sollte, ist es mir dennoch unangenehm, über Geld zu sprechen. Auf das St. Clair gehen überdurchschnittlich viele Kinder sehr überdurchschnittlich reicher Eltern. Viele von ihnen schicken ihre Kinder durch die halben Staaten, nur um hier zu studieren, was die Lebenshaltungskosten merklich in die Höhe treibt. Dad, Bo und ich kommen gerade so über die Runden. Ein neues iPad, nur weil mir mein altes heruntergefallen ist, ist nicht drin.
»Bo hat das Display ausgetauscht. Er hat ein YouTube-Tutorial darüber gefunden«, gestehe ich. Dass der Knopf nun ein wenig wackelt und manchmal erst beim zweiten oder dritten Drücken reagiert, verschweige ich. Ich kann wieder im Internet surfen und Bücher lesen, also will ich mich nicht beschweren.
»Nett von Bo«, sagt sie unbeteiligt.
»Bo ist immer nett.«
»Zu nett«, korrigiert Penny. »Zu nett zu allen.«
Obwohl sie das letzte Wort so eigenartig betont, ignoriere ich ihre Bemerkung geflissentlich. Ich weiß, welche Geschichten über meinen Bruder auf dem Campus kursieren. Aber ich kenne auch die Wahrheit dahinter. Und ich werde mich dazu nicht äußern. Jeder Kommentar würde das Lauffeuer der Gerüchte nicht ersticken, sondern nur noch weiter anheizen.
Den restlichen Weg zum Stadion plaudert Penny über ihr Lieblingsthema: Kyle, den aktuellen Starting Quarterback unserer Football-Mannschaft. Der Kyle, mit dem ich einen One-Night-Stand hatte. Ich habe es bis heute nicht übers Herz gebracht, ihr davon zu erzählen. Vermutlich hätte ich es sofort tun sollen, aber nur wenige Tage nach unserem Ausflug auf die Rückbank seines Autos haben die zwei ein Auge aufeinander geworfen. Penny wirkte so glücklich und euphorisch, Kyle hingegen schien sich nicht einmal mehr an mich zu erinnern. Warum also hätte ich ihr Glück stören sollen? Manchmal frage ich mich, ob ich nicht den Mund hätte aufmachen sollen. Kyle tut Penny nicht gut. Aber er ist ihre Achillesferse. Der wunde Punkt, an dem sich jede Vernunft aus ihrem überaus intelligenten Gehirn verflüchtigt. Dabei fällt ihr als BWL-Studentin das logische und analytische Denken normalerweise leicht.
Kyle ist mit Sicherheit der einzige Grund dafür, dass sie mich bis ins Stadion hinüber begleitet, wo wir uns auf die Tribüne setzen. Außerhalb der Saison ist hier nie viel los, doch selbst für die Zeiten, in denen das Stadion abgeschottet wird, um die Spieler vor dem Ansturm der Fans zu retten, habe ich dank Dad eine Zugangsberechtigung.
Ich stelle die Füße auf die Bank unter uns und winke Dad zu, aber er ist gerade damit beschäftigt, die Schulter eines Spielers abzutasten. Er wird uns schon finden. Wir sitzen immer auf derselben Bank. Sie ist der übliche Treffpunkt, um auf ihn zu warten. Sobald die letzten Trainingsstunden absolviert und alle Muskeln getapt sind, nimmt er Bo und mich mit nach Hause. Es ist nicht gerade cool, auf dem College noch in seinem Elternhaus zu wohnen, denn in dem Punkt hat Penny recht: Es vermittelt einem das Gefühl, nie richtig den Absprung aus der Highschool geschafft zu haben. Aber zumindest ist es günstig. Außerdem komme ich mit meinen Mitbewohnern zurecht, wohingegen mich Pennys Wohnheimmitbewohnerin regelmäßig in den Wahnsinn treiben würde. Kein Wunder, dass Penny lieber auf der Tribüne sitzt und Kyle zusieht, als sich einen weiteren Vortrag über Quantenphysik anzuhören. Zwar könnten es sich Pennys Eltern leisten, ihr eine eigene Wohnung zu mieten, aber angeblich gehört das Wohnen in einem Studentenwohnheim zu den Erfahrungen, die man mal gemacht haben muss.
Da Penny abgeschaltet hat, widme ich meine gesamte Aufmerksamkeit dem iPad. Unsere Beziehung mag für Außenstehende etwas einseitig aussehen, aber wenigstens ist es mir treu. Seufzend suche ich im Internet nach Buchneuerscheinungen, die es sich zu lesen lohnt. Aus Kostengründen bin ich irgendwann dazu übergegangen, E-Books zu lesen. Sie vertragen sich nicht nur besser mit meinem Budget und Lesetempo, sondern auch mit meinem Zimmer, in das wirklich kein weiteres Bücherregal mehr passt.
»Steht da ein Typ in der Jacke der Antelopes?«, fragt Penny unvermittelt und lehnt sich vor. Sie kneift die Augen zusammen, als bräuchte sie eine Brille. Statt ihr meine zu leihen, zucke ich mit der Schulter, bis mein Gehirn ihre Worte verarbeitet.
Alabama Antelopes. Der Sojalatte-Raub.
Ich hebe ruckartig den Kopf und erblicke den Kaffeedieb in Person. Dunkle Haare, rot-goldene Jacke und selbst auf diese Entfernung erkennbar eine Körperhaltung, die arrogant wirkt. Was bringt einen jungen Mann dazu, im Stadion der St. Clair Otters zu stehen und diese Jacke zu tragen? Bei uns trägt man Blau-Weiß. Nicht Rot! Seine Jacke ist eine unausgesprochene Provokation. Dass er überhaupt noch steht und nicht zur Strafe zu Boden gestoßen wurde, grenzt an ein Wunder.
»He, Penny.« Bo reißt mich aus den Überlegungen, als er sich neben mich auf die Bank setzt. Er verfügt nicht nur über das Grinsen einer Katze, sondern auch die Fähigkeit, sich vollkommen lautlos anzuschleichen. Ich habe ihn tatsächlich nicht kommen hören. Er lässt die Umhängetasche zu Boden gleiten und stützt die Füße auf der Bank vor uns ab. Vermutlich bemerkt er nicht einmal, dass er meine Sitzhaltung eins zu eins imitiert, als bräuchte die Welt einen weiteren Beweis dafür, dass wir Zwillinge sind. Außer den goldblonden Haaren und himmelblauen Augen haben wir optisch allerdings nicht viel gemeinsam. Als Kind hat es mich fürchterlich geärgert, dass er so viel größer als ich ist, mittlerweile bin ich dankbar dafür, sonst wäre es mit dem Cheerleading schwierig geworden.
»Neuzugang?«, fragt er mit Blick auf das Spielfeld.
»Aber der Typ diskutiert mit Coach Hudson!«, wirft Penny entsetzt ein und klammert sich an die Bank, als könnte sie den Halt verlieren.
Ich weiß, was sie sagen will: Hudson ist der Positionscoach der Quarterbacks. Also bekommt Kyle Konkurrenz. Und wer möchte schon Gefahr laufen, in der nächsten Saison auf der Reservebank zu sitzen, wenn er es gewohnt ist, sein Talent nicht nur den 100 000 Zuschauern vor Ort, sondern auch im landesweiten Livefernsehen zu beweisen?
»Also ist Mr Alabama Quarterback?« Bo stützt die Unterarme auf den Oberschenkeln ab und sieht lächelnd auf den Neuen hinab. »Wurde auch mal Zeit für eine Neubesetzung.«
Mit einem Mal bin ich sehr froh, zwischen Penny und Bo zu sitzen, weil ich ahne, wie dieses Gespräch ausgeht. Oder anders: Ich spüre förmlich, wie sich Sonnenschein Penny in eine unheilbringende Gewitterwolke verwandelt. Ihre körperliche Anspannung liegt beinahe greifbar in der Luft.
»Aber Kyle ist der Starting Quarterback. Er hält das Team zusammen. Man kann ihn nicht einfach ersetzen!«, zischen Pennys Worte wie Blitze in Bos Richtung. Es ist kein Geheimnis, wie demütigend es für einen Stammspieler ist, wenn er seinen Platz ausgerechnet für einen Transfer räumen muss.
Dennoch hält sich mein Mitleid für Kyle aus diversen Gründen in Grenzen.
»Ach komm. Jeder weiß, dass Kyle ein Alkoholproblem hat«, kontert Bo seelenruhig, als würde Pennys aufgebrachte Stimmung an ihm abperlen.
»Nur weil er ab und zu feiert, hat er noch lange kein Alkoholproblem.« Sie setzt sich auf und hebt stolz den Kopf. Es fehlt nicht mehr viel, bis sie den belehrenden Zeigefinger hebt. »Wer von uns feiert nicht gern? Und jetzt behaupte nicht, dass du noch nie betrunken warst, Benjamin Oliver Summers. Weil jeder von uns weiß, dass du uns früher gerne zu Partys begleitet hast.« Sie springt so ruckartig von der Bank auf, dass ihr Aufbruch einer Flucht gleicht.
Wir sehen ihr schweigend nach, wie sie die Stufen der Tribüne hinabsteigt und aus unserem Sichtfeld verschwindet. Ich weiß, dass Bo diese Sachen über Kyle nur sagt, um sie zu ärgern. Ihren Worten nach hat es mehr als gut funktioniert, ansonsten hätte sie sich nie dazu herabgelassen, Bo so anzufahren.
Jeder von uns weiß, dass er uns früher gerne begleitet hat, hallen ihre Worte in meinem Kopf nach. Vielleicht stimmt das. Doch seit unserer ersten Freshman-Party zieht er es vor, zu Hause zu bleiben, obwohl ich manchmal wünschte, dass er wieder mitkommen würde.
Statt ihr eine Entschuldigung nachzurufen, dreht Bo mir den Rücken zu, lehnt sich gegen meine Schulter und streckt seine langen Beine auf der Bank aus. Er richtet die Kapuze seines Hoodies und hebt den Kopf der untergehenden Sonne entgegen. »Und jeder weiß, dass ich recht habe«, murmelt er selbstzufrieden. Es klingt wie eine späte Antwort auf Pennys Vorwurf.
Ich weiß nicht, warum Penny und Bo sich manchmal benehmen wie zwei kleine Kinder. Und ich weiß nicht, was der Alabama-Typ da macht, aber dass er wild gestikulierend mit Coach Hudson und dem Head Coach Brooks redet, lässt tatsächlich nicht allzu viel Platz für Fantasie. Oder mir ist nach dem Anblick der möglichen Cheerleading-Bewerberinnen heute Morgen jede Kreativität abhandengekommen. Wie sollen wir mit dem lausigen Ausgangsmaterial jemals die Meisterschaft gewinnen?
»Alabama hat die letzten drei Jahre in Folge die Championship gewonnen. Sie haben verdammt gute Spieler«, ergänzt Bo zusammenhangslos und holt meine abschweifenden Gedanken zurück.
Ich widme mich wieder dem iPad. Obwohl Football durch das Cheerleading und den Job unseres Dads ein Teil meines Lebens ist, interessiere ich mich nicht sonderlich dafür. Und erst recht nicht für die Footballspieler. Ich liebe die Atmosphäre im voll besetzten Stadion und, wenn ich Zeit habe, auch das Tailgating davor. Also das stundenlange BBQ auf dem Parkplatz des Footballstadions, die Gespräche, das Gemeinschaftsgefühl. Es ist Teil unserer Kultur. Ich freue mich darüber, wenn die Otters gewinnen. (Vermutlich ist es irgendeine Art von Lokalpatriotismus.) Aber welche Spieler gerade auf dem Platz stehen, lässt mich kalt.
»Du weißt genau, dass Nachwuchs-Quarterbacks Pennys Thema sind«, wiegle ich ab, weil ich wirklich keine Lust dazu habe, über Kyle zu reden. Das ist schlecht für meine Laune – und sicherlich auch meinen Blutdruck. Der Typ regt mich nur auf. Wenn man der Meinung ist, einen Quarterback aus Alabama abwerben zu wollen: bitteschön. Warum auch nicht? Es ist nicht so, dass Kyle kein Talent hätte, er hat nur viel im Kopf, das ihn ablenkt. Eine dieser Ablenkungen ist Penny. Leider heißen die anderen Kendra, Cindy oder Tyra. Würde mich jemand bitten, etwas Nettes über Kyle zu sagen, dann vielleicht: Er hat den Körper eines Unterwäschemodels – aber mehr fällt mir wirklich nicht ein.
Es mag sein, dass Kyle irgendwelche guten Seiten hat, aber wenn, dann sind sie mir bisher verborgen geblieben. Ich verstehe bis heute nicht, wie Penny mit ihm zusammen sein kann, obwohl sie die meisten seiner Fehltritte kennt. Aber vielleicht gibt es da nichts zu verstehen, da diese Entscheidung nicht in den Sektor der Vernunft fällt. Auch wenn es mir schwerfällt, versuche ich, mich nicht in Pennys Beziehung einzumischen. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass unsere Freundschaft in den letzten Monaten nicht darunter gelitten hätte. Ich habe zu viele Verabredungen abgesagt, um Kyle aus dem Weg zu gehen, statt ihm ins Gesicht zu sagen, was ich von ihm halte. Zu gern würde ich ihn mit diversen Schimpfwörtern überhäufen, aber meinem Dad würde es nicht gefallen, wenn ich einen seiner Patienten beleidige. Ich habe unseren One-Night-Stand fast augenblicklich bereut. Seitdem er mit Penny zusammen ist, finde ich die Erinnerung daran noch unangenehmer. Aber das ist nichts im Vergleich zu der Wut, die in mir aufsteigt, wenn er Penny mal wieder mit einem seiner Groupies betrügt.
Ich ertappe mich dabei, auf dem Spielfeld nach Kyle Ausschau zu halten, bleibe jedoch erneut an der roten Jacke hängen. Während Coach Hudson sich angeregt mit dem Head Coach unterhält, steht Mr Alabama schweigend daneben, vergräbt die Hände in den Jackentaschen und lässt den Blick durch das Stadion schweifen, als ginge ihn das alles nichts an. Für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, dass er mich ansieht. Doch noch bevor ich ihm zum Dank für das Zusammentreffen am Morgen den Mittelfinger zeigen kann, wendet er den Kopf ab. Und obwohl ich fest entschlossen bin, ihn zu ignorieren und mich wieder meinem iPad zu widmen, mustere ich ihn.
Er hat eine gute Statur für einen Quarterback – nicht zu kompakt, nicht zu schmächtig. Theoretisch würde er wirklich gut aussehen, wenn er nicht diesen verbissenen Gesichtsausdruck hätte. Entweder leidet er unter akuten Zahnschmerzen – oder man hat ihn gegen seinen Willen von Tuscaloosa nach Fair Haven verfrachtet. Das würde auch erklären, warum er keine Lust hatte, sich umzuziehen.
Dass der Neue ins Team integriert werden soll und nicht nur zu Besuch ist, wird spätestens dann deutlich, als er seine Jacke auszieht, um sich mit den anderen Spielern der Offense aufzuwärmen – in Jeans und Shirt statt Sportkleidung.
»Also tatsächlich ein neuer Quarterback-Anwärter? Kyle wird begeistert sein«, stichelt Bo und klingt zufrieden.
»Penny wird ihn schon zu trösten wissen, wenn er diese Saison nicht wieder Starter wird«, behaupte ich und kann den angewiderten Unterton nicht unterdrücken.
»Wird nicht passieren. Oh, Mann. Der Typ ist echt mies«, murmelt Bo nach einigen Minuten. Man hört die Enttäuschung aus jedem seiner Worte rieseln.
Wir beobachten, wie Mr Alabama reglos dasteht und fast einen Ball gegen den hübschen Kopf geworfen bekommt, statt ihn zu fangen. Wir können leider nichts von dem Ausruf verstehen, der dazu führt, dass auf dem Spielfeld eine Diskussion entsteht, die dermaßen eskaliert, dass sogar unser Dad schlichtend eingreifen muss. Offensichtlich nervt nicht nur mich die arrogant-gleichgültige Art des Neuen.
»Ich wette hundert Dollar, dass Kyle heute Abend bei Penny vorbeischaut.« Ich reiche Bo die Hand, die er ausschlägt. Kyle ist so offensichtlich schlecht gelaunt, dass ich die Wette ohnehin gewinnen werde. Denn jeder weiß, dass Sonnenschein Penny immer diejenige ist, bei der Kyle klingelt, wenn er getröstet werden will.
Meine Vermutung bestätigt sich, als ich abends mit dem iPad auf dem Bett sitze und mein Handy eine Nachricht von Penny anzeigt.
Penny: Es reicht, wenn du mir den korrigierten Text morgen zurückschickst. Kyle ist gerade »zum Lernen« vorbeigekommen, heute komme ich eh nicht mehr dazu, ihn zu veröffentlichen.
Vor ein paar Jahren hatte das St. Clair noch eine richtige Campus-Zeitung, mittlerweile wurde sie von einem Blog abgelöst. Neben offiziellen Ankündigungen des Campus gibt es unter anderem eine Rubrik für Tratschgeschichten und eine Sportsparte. Dort berichten die verschiedenen Sportmannschaften von ihren Neuigkeiten. Penny hat es geschafft, einen sehr blumigen Artikel über das heutige Tryout-Training zu verfassen, den ich für sie gegenlesen soll. Vermutlich wäre es als Literaturstudentin meine Aufgabe, unsere Berichte zu schreiben, aber zu dem heutigen Tag fällt mir nichts Positives ein. Pennys Artikelüberschrift lautet: Äußerst vielversprechendes Training der Cheerleading-Anwärterinnen.
Meiner hätte wohl eher geheißen: Annähernd alle Anwärterinnen alarmierend asynchron. Aber bedauerlicherweise teilt niemand meine Begeisterung für Alliterationen.
Ich will Penny gerade antworten, als Dad zum Abendessen ruft.
Erste Regel in unserem Haus: keine Handys am Tisch. Somit wird Pennys Bericht über Kyles Verzweiflungsgrad noch warten müssen.
Ich springe vom Bett, schlüpfe in meine Puschen und schlurfe aus dem Zimmer über den schmalen Flur bis in die offene Wohnküche hinüber. Schon auf dem Weg begrüßt mich der Geruch von Tomatensoße, Käse und Oregano. Das bedeutet zweierlei: 1. Es gibt Lasagne. 2. Dad beschäftigt irgendetwas. Denn immer, wenn er seinen Gedanken nachhängt, macht er Lasagne – sein Lieblingsessen. Selbst dann, wenn er nach der Arbeit eigentlich viel zu müde zum Kochen ist. Bo und ich haben ihm diverse Male angeboten, dass wir einfach einen Salat oder Sandwiches machen könnten, aber Dad besteht darauf, dass er an den Abenden, an denen er zu Hause ist, das Abendessen zubereitet.
Bo lungert bereits am Esstisch und schielt in eine Salatschüssel. Wenn er dürfte, würde er vermutlich schon mal die Gurken aus dem Salat klauen.
»Hast du dir die Hände gewaschen?«, fragt Dad und trägt die blubbernde Auflaufform zum Esstisch. »Du weißt, dass ein Magen-Darm-Virus umgeht.«
Die Augen rollend benutze ich demonstrativ das Desinfektionsgel an der Spüle, bevor ich mir noch schnell ein Glas mit Eiswürfeln hole. Es ist eines dieser Familienmysterien, das man nicht verstehen muss. Ich trinke mein Wasser immer mit Sprudel und Eiswürfeln. Bo und Dad still und lauwarm. Allein bei dem Gedanken daran schüttelt es mich. Es ist, als würde man Badewasser trinken. Widerlich. Erst als alle sitzen, wird das Essen aufgetan.
»Warum seid ihr so still heute?«, fragt Dad und schaufelt Bo eine große Portion Lasagne auf den Teller, während ich grünen Salat auf meinem anhäufe.
Meine Gedanken gleiten zurück zum Tryout.
Grausam.
»Jules, die Lasagne ist extra für dich mit Tofu«, beschwert sich Dad und schiebt den Salat beiseite, um auch meinen halben Teller mit Lasagne zu beladen. »Kein Sportler kann immer nur Salat essen. Oder hast du dich heute ausnahmsweise an deinen Ernährungsplan gehalten?«
Es ist eine rhetorische Frage. Dad kennt meinen Diätplan vermutlich besser als ich. Genauso gut weiß er, dass ich ihn häufig ignoriere, weil mir die meisten Speisen darauf nicht schmecken. Ich bin bereit, für meinen Sport einige Opfer zu bringen, aber der Verzehr von Linsencurry zählt nicht dazu.
»Ich muss noch das Protokoll für den Präpkurs fertig schreiben und was recherchieren«, murmelt Bo, ohne zu präzisieren, was er recherchieren will. Er streckt sich, ehe er das Essen verschlingt, als wäre es eine olympische Disziplin.
Wenn ich mittags nicht gesehen hätte, wie er einen Burger isst, würde ich glauben, dass er fast verhungert sein muss. Glücklicherweise besitzen wir beide die Gabe, viel essen zu können, ohne jemals zuzunehmen. Was das betrifft, bin ich meinem Körper dankbar. Vielleicht hat Dad recht und ich sollte ihn dafür ab und an mit den Nährstoffen versorgen, die er braucht.
»Wir sollten am Wochenende mal wieder etwas zusammen machen«, schlägt Dad vor.
»Dad!« Bo sieht ihn an, als hätte er den Verstand verloren. »Wir sind fast zwanzig Jahre alt. Andere Kinder in unserem Alter ziehen zum Studieren ans andere Ende der Welt. Reicht es dir nicht, dass du immer noch unsere dreckige Wäsche waschen darfst?«
Da Dreckwäschewaschen keine Gruppenaktivität ist, verordnet Dad eine gemeinsame Wochenendunternehmung: den Garten sommerfertig machen. Das haben wir sicherlich allein Bos charmanter Antwort zu verdanken.
»Kann einer von euch morgen dem Neuzugang aus Tuscaloosa den Campus zeigen?«, bittet Dad unvermittelt.
»Ich arbeite nachmittags im Hazelcup«, erinnert ihn Bo. »Und July muss doch zu diesem … Cheerdance-Aufnahmetraining?« Er sieht mich unschuldig an, blinzelt und verzieht seine Schnute zu diesem Katzenlächeln, das ich ebenso liebe wie hasse.
»Cheerdance? Aber das ist doch gar nicht dein Squad«, wirft Dad ein.
»Ja, Jules. Warum schwänzt du die ätzende Veranstaltung nicht und zeigst dem Neuen den Campus?«, fährt Bo fort und zuckt nicht einmal mit der Wimper, als ich ihn unter dem Tisch trete. Er weiß ganz genau, dass ich keine Lust dazu habe.
»Warum müssen ausgerechnet wir ihn herumführen? Kann das keiner der Jungs aus dem Team übernehmen?« Ich schiebe mir eine Gabel voll Lasagne in den Mund und blinzle Dad unschuldig an.
»Weil Coach Brooks es nett fände, wenn der Neue Kontakte außerhalb des Teams knüpft«, erklärt er, als wäre es selbstverständlich. »Und weil ich dachte, ich hätte euch zu etwas mehr Hilfsbereitschaft erzogen.«
»Und genau deswegen helfe ich morgen bei dem Tryout-Training der Cheerdancer aus«, stimme ich zu.
»Aber Penny findet bestimmt einen Ersatz, und ich kann Mr Palmer unmöglich im Hazelcup allein lassen«, wirft Bo ein. »Du weißt, wie schusselig der alte Mann ist. Außerdem möchte der Neue bestimmt lieber von einer jungen, hübschen Frau herumgeführt werden.« Bo zwinkert mir zu.
Er weiß ganz genau, wie sehr ich es hasse, wenn man mich hübsch nennt.
»Also schreibe ich ihm, dass du morgen Zeit hast?«, hakt Dad nach.
Meine Gedanken gleiten zum heutigen Training zurück. Ein weiteres Kapitel der Tanztragödie oder Mr Arrogant über den Campus führen? Aber für wie lange überhaupt? Zehn Minuten? Zwanzig? Dreißig? Das ist alles immer noch besser, als einen ganzen Nachmittag lang Protokoll zu führen. Penny findet sicherlich innerhalb eines Herzschlags jemanden, der für mich einspringt.
Ergeben zucke ich mit den Schultern. Wie schlimm kann es schon werden?
»Sehr gut. Der Neue heißt übrigens Andrew McDaniels. Er möchte gern Drew genannt werden. Außerdem solltest du noch wissen, dass …«, beginnt er und wird vom Klingeln des Haustelefons abgelenkt. Er lässt den Satz unbeendet verklingen und überlegt sichtlich, ob er seine eigene Regel brechen und ans Telefon gehen soll. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr verschwindet er im Flur. Wer so spät noch anruft, hat sicherlich ein dringendes Anliegen.
»Ich sollte noch wissen, dass …?«, frage ich an Bo gewandt, der kopfschüttelnd weiterisst. Er weiß es also auch nicht.
Dads Telefonat ist erstaunlich kurz. Nach wenigen Augenblicken legt er schon wieder auf. Als er in die Küche zurückkommt, wirkt er bedenklich blass um die Nase.
»Ich muss noch mal los. Einer der Spieler hat sich auf dem Heimweg den Fuß umgeknickt. Angeblich ist er auf die Größe einer Wassermelone angeschwollen.«
»Klingt nach Bänderriss«, sagt Bo trocken zwischen zwei Bissen, als wäre es keine vollkommene Katastrophe für den betroffenen Spieler.
»Dann viele Grüße und gute Besserung an …?« Ich sehe Dad fragend an, aber er winkt ab und verabschiedet sich in den Flur.
»Seid ihr so gut und räumt den Tisch ab, wenn ihr aufgegessen habt?«, ruft er herüber. »Ihr braucht nicht auf mich zu warten. Es könnte spät werden.«
Mehr als ein Augenrollen hat Bo dafür nicht übrig. Wenn man Bo etwas wirklich nicht sagen muss, dann dass er etwas aufräumen soll. Er ist der ordentlichste Mensch, den ich kenne.
Dreistigkeit-Dienstag
Als ich mich gestern beim Abendessen gefragt habe, wie schlimm es denn werden könnte, habe ich nicht mit der Realität gerechnet. Mr Alabama bricht alle Dreistigkeitsrekorde. Ich warte seit fünfzehn Minuten vor dem Haupteingang des Footballstadions. Aber er erscheint nicht. Auch nach zwanzig Minuten nicht. Es ist ein recht kühler Frühlingstag, und ich könnte mir Besseres vorstellen, als meine Nase mit den Händen zu wärmen.
Ich ziehe mir die Ärmel des Hoodies über die kalten Finger und stecke die Hände in die Taschen meiner dunkelblauen Weste. Aber es ist egal, wie oft ich den Blick von links nach rechts und zurück schweifen lasse, keine Spur des Neuen. Als ich versuche, Mr Alabama unter der Nummer anzurufen, die mir mein Dad gegeben hat, drückt er den Anruf weg. Keine Mailbox. Nichts. Nach einmaligem Tuten ist die Verbindung beendet. Ganz ehrlich: Wenn er auf einen Rundgang keine Lust hat, ist das nicht mein Problem. Mein Dad wollte nur nett zu ihm sein, aber wenn Mr Arrogant kein Interesse hat …
Alabama. Arrogant. Arschloch.
Ich bin ziemlich gut darin, passende Alliterationen für ihn zu finden, und durchaus gewillt, den Zickenmodus auszupacken, wenn man mich versetzt. Gerade als ich nach einer halben Stunde gehen will, taucht er doch noch auf. In einem blutroten T-Shirt. Wie lautet der Schlachtruf der St. Clair Otters? Richtig. GOBLUE! Noch deutlicher kann er seine Ablehnung kaum rüberbringen. Dass er bei dem Wetter ohne Jacke herumläuft, macht ihn mir zusätzlich unsympathisch. Wieso friert er nicht, während ich mich nur mühsam beherrschen kann, um nicht mit den Zähnen zu klappern?
»Auch schon da?«, frage ich mürrisch und greife nach dem Rucksack, den ich neben meinen Füßen abgestellt habe. »Du hast echt Nerven. Weißt du, Smartphones sind dafür da, dass … Ach, vergiss es.« Ich sehe genervt zu ihm auf.
Mein Vortrag scheint ihn nicht im Mindesten zu interessieren. Statt sich zu entschuldigen, mustert er aufmerksam mein Gesicht. Was bitte stimmt nicht mit diesem Typ? Zählt er gerade meine Sommersprossen, oder was starrt er mich so konzentriert an?
»Also soll ich dir den Campus zeigen?« Ich stemme die Hände in die Hüften. Wenn er nicht will, braucht er es nur zu sagen.
Er antwortet nicht, sondern zieht lieber sein Handy aus der Hosentasche und tippt darauf herum.
Oh Gott. Ja. Bitte ignorier mich und spiel mit deinem Handy.
Ich wende mich zum Gehen, als mein Handy »Go Blue!« ruft, um eine neue Nachricht anzuzeigen.
Mr Alabama: Können wir noch auf jemanden warten?
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und drehe mich zu ihm herum. Ich stehe direkt vor ihm, und er schreibt mir? Wieso macht er so was?
»Auf wen?«, frage ich genervt.
Als er antwortet, klingen seine Worte leise und unartikuliert und stehen im Kontrast zu den Gebärden, mit denen er sie begleitet. Sie wirken nicht im Mindesten hilflos oder unsicher, sondern sehr präzise. »Auf meinen Dolmetscher.«
Irritiert sehe ich ihn an und versuche, mir meine plötzliche Verunsicherung nicht anmerken zu lassen. »Kannst du mich hören?«, frage ich sicherheitshalber und ernte ein Kopfschütteln.
»Ich rate, was du sagst«, gesteht er, während er auf meine Lippen deutet.
Oh Gott, July. Der Typ ist nicht arrogant, er ist gehörlos.
Das wollte Dad mir also sagen, bevor ihn der Notfall abgelenkt hat. Es erklärt zumindest, warum Drew den Anruf nicht angenommen hat. Und er hat im Coffeeshop tatsächlich nicht verstanden, dass ich ihm eine Beleidigung an den Kopf geworfen habe.
Meine Wut verpufft augenblicklich, um mich mit einem schlechten Gewissen zurückzulassen. Ich fühle mich wie der letzte Mensch. Keine einzige Sekunde habe ich darüber nachgedacht, dass hinter seiner Fassade irgendetwas anderes als pure Arroganz stecken könnte. Dabei weiß ich selbst, wie demütigend es ist, wenn Leute einen nur nach dem Aussehen beurteilen.
Ich sehe Mr Alabama in die Augen. Bei Tageslicht hat ihr Braun einen goldenen Schimmer, der mich an flüssigen Honig erinnert. »Dann warten wir«, antworte ich schließlich.
Ich lehne mich gegen die rote Backsteinmauer, die das Stadion umgibt und weiß nicht recht, wohin mit mir. Gerade von einer Cheerleaderin scheinen die meisten zu erwarten, dass sie ein dauerplaudernder Quell guter Laune ist. Ständig werden wir in den Fluren angesprochen. Aber worüber soll ich mit Mr Alabama reden? Und wie?
Er schaut auf sein Handy und lässt den Blick immer wieder vor dem Stadion auf- und abwandern. Kann ich ihn einfach ansprechen? Soll ich winken, um auf mich aufmerksam zu machen? Vielleicht ist er auch gar nicht der Typ für Smalltalk.
Wie seltsam es sein muss, nichts zu hören. Oder vielleicht nur so gut wie gar nichts? Nimmt er noch dumpfe Geräusche wahr? Tiefe Töne? Hohe Töne? Wo verläuft die Grenze zwischen schwerhörig und gehörlos? Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus und kann sie mir auch nur schwer vorstellen. Wie fühlt sich wohl ein Frühlingstag ohne Vogelgezwitscher an? Ein Footballspiel ohne Schlachtrufe? Ohne das Jubeln der Fans auf der Tribüne?
Ich sehe überrascht auf, als Drew mich flüchtig am Arm berührt.
»Mach das nicht«, bittet er.
»Was soll ich nicht machen?«, hake ich nach.
»Du bemitleidest mich.« Er kann ein Schmunzeln nicht ganz unterdrücken. Es wirkt durch und durch selbstbewusst. Als wüsste er ganz genau, was in meinem Kopf vor sich geht.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass er recht hat.
»In Ordnung.« Ich lehne den Hinterkopf an die Mauer und beschließe, das zu tun, was ich in solchen Situationen immer mache: Smalltalk. »Du hast meinen Sojalatte mitgenommen«, plaudere ich. Sein fragender Blick verrät, dass er mich nicht verstanden hat.
Ich will gerade das Handy aus der Tasche ziehen, um ihm eine Nachricht zu schreiben, da bekommen wir unerwartete Hilfe von einem Herrn, der sich mit großen Schritten nähert. Er legt mir zur Begrüßung eine Hand auf die Schulter, als wären wir Freunde. Dabei bin ich mir recht sicher, den älteren Mann nicht zu kennen.
»Benimmt sich Andrew wieder daneben?«, fragt er lächelnd, begleitet seine Worte mit Gebärden, die ich nicht verstehe, ihn aber als Drews Gebärdendolmetscher entlarven.
Nur aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Drew etwas erwidert, das der Fremde simultan übersetzt. »Entschuldige dich bei July. Du hast uns warten lassen.«
»Du kennst meinen Namen?« Ich sehe Drew irritiert an, aber verstehe von der Antwort wieder keine einzige Gebärde.
Dank der Hilfe des Übersetzers ist das kein Problem. Er springt, ohne zu zögern, ein. »July wie der Sommer. Dein Name stand auf dem Kaffeebecher. Und in der SMS von deinem Dad. – Ich heiße übrigens Jake.«
Ich nehme mal an, dass er den letzten Teil selbst hinzugefügt hat. Jake hat etwas so Offenes in seiner ganzen Körpersprache, dass ich mich augenblicklich entspanne. »Und das, was du Kaffee nennst, war das Widerlichste, was er jemals getrunken hat.«
»Sagt derjenige, der Espresso mit Wasser verdünnt?«, spotte ich und ziehe eine Augenbraue hoch.
Statt einer Antwort presst sich Drew eine Hand aufs Herz und senkt das Kinn auf die Brust, als hätte ich ihn schwer verwundet.
»Ich denke, das heißt touché«, erwidert Jake mit einem Zwinkern und beobachtet, wie Drew ein paar Gebärden ergänzt. »Außerdem wollte er dir den Becher wiederbringen, weil eine Telefonnummer darauf stand. Aber nachdem du ihn so böse angesehen hast, hat er sich nicht getraut, dich anzusprechen.«
»Oh.« Ich sehe zwischen Drew und Jake hin und her. Eine Telefonnummer? Auf dem Becher? Von dem Barista, der den Kaffee zubereitet hat? Ehrlich gesagt war ich so in mein iPad versunken, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann, wie der aussah. Und was soll das heißen: Drew hat sich nicht getraut, mich anzusprechen, weil ich ihn böse angeschaut habe? Er ist zwei Köpfe größer als ich und lässt sich davon einschüchtern, wie ich ihn ansehe? Er spielt Football. Sollte er es nicht gewohnt sein, wenn ihn eine ganze Mannschaft durchtrainierter Kerle finster anstarrt? Immerhin hatte ich nicht vor, ihn zu Boden zu werfen. Unser Zusammenstoß war zufälliger Natur – und ich hätte definitiv den Kürzeren gezogen.
»Andrew kam übrigens zu spät, weil er im Müll nach dem Becher gesucht hat, ihn aber nicht mehr finden konnte«, ergänzt Jake.
»Oh, das …«, stammle ich äußerst eloquent. »Das wäre aber nicht nötig gewesen. Wirklich nicht.« Ich vermute mal, dass Drew nett sein wollte, aber ich habe kein Interesse an der Telefonnummer. Schon bald wird all meine Freizeit dem Training für die Cheerleading-Meisterschaft gehören, da bleibt ohnehin keine Zeit für Dates. Nicht einmal dann, wenn sie den besten Kaffee in ganz Fair Haven servieren.
Wie auch immer, wenn es nach mir geht, kann der Rundgang beginnen.