The Happy Ever After Playlist - Abby Jimenez - E-Book
SONDERANGEBOT

The Happy Ever After Playlist E-Book

Abby Jimenez

0,0
9,99 €
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Zwei Jahre nach dem Tod ihres Verlobten ist das Leben von Sloan Monroe immer noch nicht im Lot. Doch als ein Hund mit Nimm-mich-mit-Blick durchs kaputte Sonnendach ihres Autos springt, ändert sich alles. Denn nach einigen Wochen ohne Antwort auf ihre Kontaktversuche meldet sich Tuckers Herrchen – Rock-Star Jaxon Waters, auf Tournee unterwegs. Und er will Tucker zurück, wenn er wiederkommt. Aus nüchternen Nachrichten werden Flirts, dann lange Telefonate, denn Jaxon ist sexy, nett und witzig. Und bekannt für seine wilden Affären. Als Sloan und Jaxon sich endlich gegenüberstehen, prickelt es gewaltig. Aber kann Sloan ein zweites Mal ihr Herz öffnen? Dieses Buch ist bereits unter dem Titel ›Wenn in mir die Glut entflammt‹ erschienen.  Weitere Bücher von Abby Jimenez bei dtv:  - ›The Friend Zone‹ (bereits erschienen unter dem Titel ›Wenn aus Funken Flammen werden‹) - ›Part of Your World‹ - ›Yours Truly‹ Ab Mai 2025 auf Deutsch erhältlich: - ›Just for the Summer‹

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 530

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Sloan Monroe ist auf dem Weg zum Grab ihres Verlobten, als ein Hund mit Nimm-mich-mit-Blick durchs kaputte Sonnendach ihres Autos springt, und mit ihm ändert sich alles. Denn nach einigen Wochen ohne Antwort auf ihre Kontaktversuche meldet sich Tuckers Herrchen – Rockstar Jason Waters, gerade noch auf Tournee in Australien. Und er will Tucker zurück, wenn er wiederkommt. Aus nüchternen Nachrichten werden Flirts, dann lange Telefonate, denn Jason ist sexy, nett und witzig. Und bekannt für seine wilde Affäre mit der Sängerin Lola Simone. Als Sloan und Jason sich endlich gegenüberstehen, prickelt es gewaltig. Aber kann Sloan riskieren, sich ein zweites Mal das Herz brechen zu lassen?

»Die perfekte Romance: herzzerreißend und witzig!« Kirkus

Abby Jimenez

THE HAPPY EVER AFTER PLAYLIST

Zwei Fremde, ein Hund und eine Begegnung, die alles verändert.

Roman

Aus dem amerikanischen Englischvon Franka Reinhart

 

 

 

 

Dieses Buch ist meinem Mann und meinen Kindern gewidmet.Danke, dass ihr mein Herz immer wieder neu zum Glühen bringt.

1SLOAN

IN THE MOURNING | PARAMORE

»Soll ich mit zum Friedhof kommen, Sloan?«

Kristen machte sich Sorgen um mich.

Ich schüttelte den Kopf in Richtung des Handys, das auf der Mittelkonsole meines Autos lag und auf laut gestellt war. »Ist schon okay. Ich fahre hinterher noch zum Markt«, antwortete ich – in der Hoffnung, dass sie dann beruhigt war.

Ich hielt an der roten Ampel einer Straße mit heruntergekommenen Läden und durstigen, eigentlich dürre-erprobten Eichen, die aussahen, als ob die lange Trockenheit ihnen schließlich doch den Rest gegeben hätte. Ich schwitzte in der sengenden Sonne. Mein offenes Schiebedach hatte vor ein paar Wochen zu Ostern den Geist aufgegeben und ich hatte mich bisher nicht darum gekümmert. Damit blieb ich meiner alten Gewohnheit treu, an dieser uralten Schrottkiste nichts zu reparieren.

»Zum Markt ? Hast du vor, was zu kochen?« Kristens Stimme klang hoffnungsvoll.

»Nein. Nur bisschen Salat vielleicht«, entgegnete ich, als die Ampel auf Grün schaltete. Ich kochte nicht mehr. Ich tat eine ganze Menge nicht mehr.

»Ach so. Soll ich nachher bei dir vorbeikommen?«, fragte sie. »Ich bring lecker Plätzchenteig und Schnaps mit.«

»Nein. Ich will … Oh mein Gott!« Ein rötliches Fellknäuel schoss unvermittelt auf die Fahrbahn und ich stieg auf die Bremse. Dabei flog mein Handy wie ein Projektil gegen das Armaturenbrett, und meine Handtasche fiel vom Beifahrersitz, wodurch massenweise Tampons und kleine Kaffeesahne-Döschen herausfielen.

»Sloan! Was ist los ?«

Mit rasendem Herzen umklammerte ich das Lenkrad. »Kristen, ich muss Schluss machen. Ich … ich glaub, ich hab gerade einen Hund überfahren.« Hastig beendete ich das Gespräch, schnallte mich ab, legte meine zitternde Hand an den Türgriff und wartete auf eine Lücke im Verkehr, damit ich aussteigen konnte.

Bitte lass es schnell und schmerzlos gewesen sein. Bitte.

Das gab mir endgültig den Rest. So was hatte mir heute gerade noch gefehlt. Ausgerechnet an diesem verfluchten Tag den schlaffen Kadaver eines Hundes, der irgendjemandem gehörte, unter den Rädern meiner Rostlaube hervorzuziehen, würde mir das letzte Fünkchen Lebensfreude rauben.

Ich hasse mein Leben.

Es schnürte mir die Kehle zu. Eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, heute nicht zu weinen. Ich war festentschlossen gewesen …

Da bellte es plötzlich.

Vor meiner Stoßstange tauchte ein Hundekopf mit Schlappohren auf und schnüffelte in die Luft. Ehe ich richtig verarbeiten konnte, dass er offensichtlich noch am Leben war, sprang er auch schon auf meine Motorhaube. Er kläffte mich durch die Scheibe an, biss in den Scheibenwischer und fing an, daran zu zerren.

»Was zum …« Ich legte den Kopf schief und musste sogar ein bisschen lachen. Die beteiligten Muskeln waren völlig eingerostet, weil sie kaum noch zum Einsatz kamen. Und einen kurzen Moment lang – nur für einen winzigen Augenblick – vergaß ich, was heute für ein Tag war.

Ich vergaß, dass ich auf dem Weg zu einem Grab war.

Mein Handy meldete mehrere neue Textnachrichten. Vermutlich von Kristen, die vor Sorge ganz aus dem Häuschen war.

Genau aus diesem Grund stand ich sonst nie so früh auf, weil das nichts als Chaos mit sich brachte.

Eine Hupe ertönte und aus einem vorbeifahrenden Cabrio zeigte mir jemand den erhobenen Mittelfinger. Nun ja, ich parkte mitten auf der Straße im fließenden Verkehr und auf meiner Motorhaube hockte ein Hund …

Ich entschloss mich zu einer gewagten Rettungsmission. Schließlich wollte ich nicht riskieren, dass das Kerlchen wieder losrannte und angefahren wurde. Deshalb wartete ich erneut auf einen günstigen Moment, die Tür zu öffnen, während der Hund sich auf die Hinterbeine setzte und mich durch meine Frontscheibe ankläffte. Kopfschüttelnd sah ich zu, wie er ein Stück zurückwich, den Kopf schief legte, dann die Scheibe hochstürmte und kurzerhand durch mein Schiebedach sprang.

Das wilde vierbeinige Bündel aus wehendem Fell landete direkt auf mir. Als seine Pfote in den Ausschnitt meines Tanktops rutschte und mir dabei einen langen Kratzer vom Schlüsselbein bis zum Bauchnabel bescherte, stieß ich nur ein erschrockenes Umpf hervor. Der Hund dagegen machte es sich auf meinem Schoß bequem und leckte mir das Gesicht ab, als ob wir zusammen aufgewachsen wären und uns seit Ewigkeiten das erste Mal wiedersahen.

Ich stieß einen Schrei aus, als wollte man mich auffressen.

Dann hievte ich ihn keuchend, zerzaust und eingespeichelt von mir herunter auf den Beifahrersitz, gerade als mein Handy klingelte. Ohne nachzudenken nahm ich das Gespräch an.

»Sloan, alles okay bei dir ?«, fragte Kristen, noch ehe ich das Handy richtig am Ohr hatte.

»Mir ist gerade ein Hund durchs offene Schiebedach ins Auto gesprungen!«

»Was ?«

»Ja.« Mit einem Zipfel meines Tanktops wischte ich mir die Wange ab. »Er … sitzt jetzt neben mir auf dem Vordersitz.«

Der Hund lächelte mich an. Er grinste förmlich, während er freudig mit dem Schwanz wedelte. Dann senkte er den Kopf und würgte einmal kurz. Entsetzt musste ich mit ansehen, wie er einen schleimigen Ball aus Gras erbrach – direkt in meinen Getränkehalter und auf meinen noch unangetasteten Latte Macchiato.

Und dann … tauchte im Rückspiegel auch noch ein Polizeiauto mit Blaulicht auf.

»Das kann doch wohl nicht wahr sein«, flüsterte ich und schaute hilflos zwischen dem Erbrochenen, dem Hund und dem Lichtgeflacker im Spiegel hin und her.

Ich fing an zu kichern. Das passiert mir öfter, wenn ich sehr gestresst bin. Außerdem begann mein Augenlid zu zucken. Und beides zusammen ließ mich leicht irre wirken.

Der Polizist hinter mir war offenbar nicht zu Scherzen aufgelegt.

»Kristen, ich muss dich später zurückrufen. Jetzt kommt auch noch die Polizei.« Ich lachte.

»Moment mal, was ?«

»Ich stehe mitten auf der Straße, und schon hält hinter mir ein Streifenwagen.«

Ich legte auf, und der Polizist ließ ungehalten die Sirene aufheulen. Im Schritttempo fuhr ich los, bis ich auf das Gelände von einem kleinen Einkaufszentrum einbiegen konnte. Ich schaute an mir herunter, zupfte mein Oberteil zurecht und schüttelte den Kopf, während ich abwechselnd über verantwortungslose Hundebesitzer vor mich hinschimpfte und verrückt kicherte.

Ich überlegte, ob ich gut genug aussah, um einen Strafzettel abzuwehren. Doch da hatte ich wohl schlechte Karten.

Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Universum, hatte ich mit diesem Gesicht Schönheitswettbewerbe gewonnen. Nun sah ich aus, als ob ich mit einem Waschbären erfolglos um eine Pizzakruste gerauft hätte.

Die Hundekrallen hatten lange Kratzer auf meinen Armen hinterlassen, und ich war über und über mit rötlichen Härchen bedeckt, sodass ich selbst etwas hundeähnlich aussah. Meine blonden Haare trug ich zu einem unordentlichen Knoten gebunden, der sich durch das Gerangel halb gelöst hatte. Die Yogahose samt dem farbverschmierten T-Shirt wirkten auch nicht sonderlich ansprechend. Mein völlig ungeschminktes Gesicht sah blass und müde aus.

Diese Müdigkeit begleitete mich nun schon seit zwei Jahren.

»Dann müssen wir jetzt mit inneren Werten punkten«, raunte ich dem Hund zu. Er grinste mich mit heraushängender Zunge an und ich warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Deine Besitzer sind mir echt eine Erklärung schuldig.«

Ich ließ die Scheibe herunter und reichte dem Polizeibeamten meinen Führerschein und die Zulassung, noch bevor er mich dazu aufforderte.

»Das war aber ein riskantes Manöver …«, er schaute auf meine Fahrzeugpapiere, »… Sloan Monroe. Es ist verboten, den Verkehr zu behindern«, teilte er mir in gelangweiltem Tonfall mit.

»Tut mir leid, aber ich konnte nichts dafür. Dieser Hund hier ist auf die Straße gerannt und mir dann durchs offene Dach ins Auto gesprungen.«

In seiner Fliegersonnenbrille konnte ich mein Spiegelbild sehen. Weil mein Augenlid zuckte, kniff ich es zu und blinzelte ihn einäugig an. Meine Güte, bestimmt sah ich völlig bescheuert aus.

»Ich bin kein Anfänger, junge Frau. Suchen Sie sich für Ihr nächstes YouTube-Video einen Ort, wo Sie nicht den gesamten Verkehr aufhalten. Sie können froh sein, wenn ich Ihnen nur einen Strafzettel wegen Verkehrsbehinderung ausstelle und Sie nicht auch noch dafür belange, dass Ihr Hund unangeleint unterwegs war.«

»Moment mal. Sie denken, das ist meiner ?« Ich zupfte ein Fellbüschel von meinem Mund. »Ich kann mir schon vorstellen, dass es so aussieht, als ob er zu mir gehört, wenn er so einfach durchs Dach in mein Auto springt, aber ich schwöre Ihnen, dass ich dieses Tier noch nie zuvor gesehen habe.« Als ich hinunterguckte, musste ich sofort wieder lachen. Denn der Hund lieferte eine oscarreife Vorstellung als »mein Hund« ab und hatte seinen Kopf seelenruhig auf meinen Schoß gelegt. Dabei sah er mich mit treuherzigem Blick an.

Ich prustete los und konnte mich gar nicht wieder beruhigen. Dabei hielt ich mit dem Finger mein zuckendes Augenlid fest.

Heute. Ausgerechnet heute muss so etwas passieren.

Der Beamte musterte mich mindestens eine halbe Minute in all meiner Crazyness. Die Hundekotze im Getränkehalter tat vermutlich ein Übriges. Obwohl sie irgendwie zum zweifelhaften Erscheinungsbild meines schrottigen Wagens passte, den ich seit zwei Jahren nicht mehr gewaschen hatte.

Trotzdem schien der Beamte einen Rest von Glaubwürdigkeit in meinem Gesicht zu erkennen, denn er sagte: »Okay. Dann rufe ich kurz bei der Tieraufsicht an.« Er neigte den Kopf in Richtung des Funkgeräts an seiner Schulter. »Damit Sie diesen gefährlichen Streuner schleunigst wieder loswerden.«

Schlagartig bekam ich einen klaren Kopf und nahm den Finger von meinem Auge. »Nein! Sie dürfen ihn auf keinen Fall ins Tierheim bringen!«

Seine Hand verharrte auf dem Mikro, und mit hochgezogener Augenbraue fragte er: »Weil er doch Ihnen gehört ?«

»Nein, weil er dort traumatisiert wird. Kennen Sie denn diese Tierschutz-Spots nicht ? Mit den traurigen Hunden im Zwinger ? Und dem Song von Sarah McLachlan?«

Lachend ging der Polizist zum Streifenwagen, um meinen Strafzettel auszustellen.

Als ich mit dem Hund nach Hause kam, klemmte ich den Zettel mit dem Flipflop-Magneten an den Kühlschrank, den Brandon und ich aus Hawaii mitgebracht hatten. Strafzettel und Magnet bescherten mir umgehend einen Kloß im Hals, doch im selben Moment schob der Hund seinen Kopf unter meine Hand, wodurch ich es irgendwie schaffte, nicht in Tränen auszubrechen. Es war zehn Uhr morgens an DIESEM bewussten Tag, und bisher hatte ich es tatsächlich geschafft, mich an meinen Vorsatz zu halten und nicht zu weinen.

Super gemacht.

Ich rief Kristen an, die wahrscheinlich schon total am Rad drehte und gerade einen Suchtrupp zusammenstellte, weil ich auf ihre letzten fünf Anrufe nicht reagiert hatte. Gleich beim ersten Klingeln nahm sie ab. »Was zur Hölle ist los bei dir ? Alles okay?«

»Ja, alles gut. Ich hab den Hund mitgenommen. Er ist jetzt bei mir zu Hause. Ich hab einen Strafzettel gekriegt, weil ich mitten auf der Straße halten musste.«

»Echt jetzt ?«

»Leider ja«, antwortete ich erschöpft.

»Tsss«, gab sie zurück. »Du hast deine Möpse nicht richtig zur Geltung gebracht, oder ? Nächstes Mal setzt du bitteschön deine Vorzüge ein.«

Ich schaute in den Ausschnitt meines Tanktops und musterte genervt die Kratzer zwischen meinen Brüsten. »Na, schönen Dank auch. Da nehm ich lieber den Strafzettel und behalte den letzten Rest meiner Würde.«

Ich nahm eine blaue Plastikschüssel aus dem Schrank, füllte sie mit Wasser und sah dann zu, wie der Hund sich gierig darauf stürzte, als ob er schon seit Tagen nichts zu trinken bekommen hätte. Dabei schob er die Schüssel über den Fliesenboden meiner in die Jahre gekommenen Küche und veranstaltete eine mittlere Überschwemmung. Ich rieb mir die Schläfen.

Mann, was für ein ätzender Tag.

Das war eindeutig zu viel Aufregung für mich. Normalerweise verließ ich nur noch selten das Haus. Und zwar aus genau diesem Grund. Zu viele Leute und anstrengendes Zeugs. Wenn es nach mir ginge, hätte ich die Sonne angefaucht und wäre geradewegs wieder im Bett verschwunden.

»Ich rufe jetzt erst mal die Nummer an, die an seinem Halsband steht. Melde mich später wieder.«

Ich legte auf und schaute auf das Schildchen. Komische Vorwahl. Und dann stand da noch: Tucker, ein ganz Braver.

»Ein Braver bist du also? Soso, das wage ich aber zu bezweifeln. Na, dann wollen wir doch mal hören, was sich deine Besitzer als Ausrede einfallen lassen, warum sie dich ohne Leine auf der Straße rumlaufen lassen«, murmelte ich und tippte die Nummer in mein Handy.

Umgehend sprang eine Mailbox an und eine tiefe Männerstimme sagte: »Jason. Hinterlasst einfach eine Nachricht.«

Ich gab meine Kontaktdaten durch und legte auf. Dann sah ich kopfschüttelnd zu, wie der Hund weiter Wasser auf meinem Küchenboden verteilte. »Wahrscheinlich hast du auch Hunger, oder ? Tja, Hundefutter hab ich natürlich nicht hier, also müssen wir wohl mal bei PetSmart vorbeifahren.«

Möglicherweise lag noch irgendwo ein angebissenes Stück Zitronenkuchen von Starbucks im Auto, was aber wahrscheinlich längst steinhart war.

Da ich auch keine Hundeleine besaß, benutzte ich den Gürtel meines schwarzen Morgenmantels von Victoria’s Secret, den mir Brandon in dem Jahr vor dem Unfall zu Weihnachten geschenkt hatte. Tucker fing sofort an darauf herumzukauen.

Na toll.

Als wir bei PetSmart ankamen, ging ich mit ihm als Erstes zur hauseigenen Tierärztin, um zu klären, ob er gechipt war. Das war er tatsächlich, doch die hinterlegte Nummer war die gleiche wie auf dem Schildchen an seinem Halsband. Keine Adresse.

Es klappte einfach gar nichts. Ich kontrollierte immer wieder mein Handy, ob der Klingelton auch wirklich angeschaltet war.

Aber es waren weder Anrufe noch Textnachrichten eingegangen.

Ich wägte gerade meine äußerst begrenzten Optionen ab, als Tucker zur Krönung des Tages im Behandlungsraum auf den Boden pinkelte.

Die Tierärztin ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Ohne von ihren Unterlagen aufzuschauen, nahm sie Papiertücher aus einem Spender und reichte sie mir. Tucker zog sich unter einen Stuhl zurück und sah mich mit schuldbewusstem Hundeblick an.

»Er hat auch Gras gefressen«, sagte ich, während ich mich hinhockte und die Sauerei mit den Papiertüchern aufwischte. »Vielleicht hat er Bauchschmerzen.«

»Es könnte auch eine Blaseninfektion sein. Wir sollten den Urin testen.«

Ich fuhr herum. »Moment mal, ich? Soll ich diesen Test etwa bezahlen? Ernsthaft ? Das ist doch gar nicht mein Hund.«

Sie zuckte die Schultern über ihrem Klemmbrett. »Tja, Sie müssen nur wissen, dass er im Fall einer Infektion unkontrolliert Wasser lässt. Morgen ist schon Wochenende, dann kostet es deutlich mehr, wenn Sie mit ihm noch mal herkommen, falls er nicht abgeholt wird. Außerdem hat er vermutlich Schmerzen. Wenn Sie es sich nicht leisten können, bleibt immer noch der Tiernotdienst. Dort kann er vielleicht behandelt werden.«

Tiernotdienst bedeutete Tierheim, und das kam nicht infrage. Und die Sache mit den Schmerzen machte mir natürlich zu schaffen. Bei meiner momentanen Glückssträhne hatte ich ihn garantiert noch morgen am Hals und musste ihn dann wieder herbringen, damit sie zum doppelten Preis das Pinkeln abstellten. Ich legte einen Finger auf mein zuckendes Augenlid. »Na gut. Dann machen Sie halt den Test. Vielleicht kriege ich das Geld ja vom Besitzer zurück …«

Meine Güte, ich war heute schon so erledigt, dass ich nicht wusste, wie ich bis zum nächsten Tag durchhalten sollte.

Mein Handy machte pling und ich warf einen erschöpften Blick darauf.

Kristen:Hatte der Polizist so einen typischen Pornoschnauzer?

Pling.

Kristen:Du hättest in Tränen ausbrechen sollen. Heulattacken retten mich immer vor Strafzetteln. Nur so zur Info.

Ich grinste. Sie versuchte mich aufzuheitern. Sie und ihr Mann Josh waren heute auf besonderer Sloan-Mission – Alarmstufe rot, besondere Gefahr. Sie behielten mich aufmerksam im Auge, falls ich durchdrehte oder zusammenbrach.

Was vermutlich eine ziemlich gute Idee war.

Zweihundert Dollar und eine Blaseninfektionsdiagnose später wurden wir mit einem Antibiotikum nach Hause entlassen. Zusätzlich zur Tierarztrechnung bezahlte ich für Tucker noch eine Leine und einen kleinen Beutel Hundefutter. Ich brauchte wenigstens so viel Vorrat, um noch über den morgigen Tag zu kommen, falls es auf eine Übernachtungsparty hinauslief. Außerdem nahm ich noch einen Kauknochen und einen Ball mit, damit ich ihn beschäftigen konnte. Denn ich war nicht erpicht darauf, dass dieser Tasmanische Teufel mein Haus kurz und klein knabberte.

Ich hatte ganz vergessen, die Tierärztin nach seiner Rasse zu fragen. Er sah aus wie ein zu klein geratener Golden Retriever. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er auch Dachsanteile in sich trug, so wild, wie er sich benahm. Welcher Hund sprang denn auch durch ein Schiebedach?

Was auch immer er war, er hatte heute eigentlich nicht auf meinem Tagesplan gestanden.

Denn heute hatte ich Brandon besuchen wollen.

Eine gute Flasche Whiskey vor seinen Grabstein stellen. Auf einer Decke neben dem Grab sitzen und ihm erzählen, wie sehr ich ihn vermisste, wie traurig die Welt ohne ihn war und wie leer ich mich ohne ihn fühlte. Und dass die Zeit keine Wunden heilte, obwohl mir das doch alle versichert hatten.

Der achte April war der zweite Jahrestag seines Unfalls. Nicht der Tag, an dem er gestorben war – er hatte danach noch einen Monat im Krankenhaus gelegen, bevor er an seinen Verletzungen starb. Doch von dem Tag an war sein Leben vorbei gewesen, und meins ebenfalls. Er war nicht mehr zu Bewusstsein gekommen. Und deshalb würde dieser Tag niemals mehr so sein wie jeder andere.

Das Jahr hindurch gab es noch mehr solcher denkwürdiger Termine. Der Tag im Dezember, als er mir den Heiratsantrag gemacht hatte. Sein Geburtstag. Mein Geburtstag. Feiertage, das Datum unserer Hochzeit, die nie stattgefunden hatte. Im Grunde war der Kalender ein einziges Minenfeld schwieriger Tage. Sobald ich einen davon überstanden hatte, tauchte am Horizont schon der nächste auf, und so blieb das ganze Jahr ein ständiges Auf und Ab.

Ein weiteres Jahr ohne ihn.

Deshalb hatte ich mir vorgenommen, mich heute konsequent abzulenken. Nach dem Besuch auf dem Friedhof wollte ich produktiv sein. Ein paar Bilder fertigstellen. Etwas Gesundes essen. Ich hatte mir vorgenommen, den Tag nicht wie im vergangenen Jahr im Bett zu verbringen. Hatte mir geschworen zu ignorieren, dass der Monat April für mich seither nach Krankenhaus roch, mich an starre Pupillen und piepende Maschinen erinnerte, deren Takt sich niemals änderte.

Wieder schaute ich auf mein Handy.

Nichts.

2SLOAN

AFFECTION | BETWEEN FRIENDS

Zehn Tage. Wundervolle zehn Tage war Tucker nun schon bei mir, haarte munter meine Bettdecke voll, küsste mich morgens mit feuchter Schnauze wach und wedelte immerzu freudig mit dem Schwanz.

Breit grinsend stand ich vor Kristens Tür und klopfte. Als sie mir öffnete, starrte sie mich ungläubig an. »Du hast das echt durchgezogen.«

»Hab ich dir doch gesagt.« Lachend schob ich mich an ihr vorbei ins Haus. Tucker und ihr Hündchen Stuntman Mike umkreisten sich und beschnüffelten sich gegenseitig die Hinterteile.

Sie schloss die Haustür hinter mir. »Du bist ernsthaft bis hierher zu Fuß gelaufen? Das sind über zehn Kilometer, du verrücktes Huhn.«

»So sieht’s aus«, antwortete ich. Mein Wiedereintritt ins Alltagsleben hatte Freunde und Verwandte in letzter Zeit reichlich verwirrt. »Ich muss mal für kleine Mädchen. Ist Oliver wach?«

»Nein, ich hab ihn vorhin hingelegt.« Sie folgte mir durch den Korridor. »Oh Mann, dieser Hund hat’s dir echt angetan, was ? Da fällt mir ein«, fügte sie hinzu, »ich hab da was für ihn.« Sie verschwand und kam kurz darauf mit einem Leibchen zurück, auf dem der Spruch zu lesen war: ICH BIN SLOAN IN DEN SCHOSS GEFALLEN UND DAS HAB ICH NUN DAVON.

Ich prustete los. Kristen betrieb von zu Hause aus eine Firma für Hundezubehör.

Ich ging auf die Toilette und Kristen lehnte sich mit dem Leibchen in der Hand gegen den Türrahmen. Da Josh nicht da war, verfielen wir sofort wieder in unsere frühere WG-Gewohnheit, alle Türen offen zu lassen.

»Er ist unglaublich, ich hab noch nie einen so gut abgerichteten Hund gesehen«, schwärmte ich. »Jemand scheint ausgiebig mit ihm trainiert zu haben.« Ich wusch mir die Hände, betrachtete im Spiegel mein gerötetes Gesicht und klemmte ein paar lose Haarsträhnen hinters Ohr.

»Und von diesem Jason hast du noch nichts gehört ?«

Tuckers Herrchen schwieg nach wie vor beharrlich. In den ersten beiden Tagen hatte Tucker trotz des teuren Antibiotikums ständig in die Ecken gepinkelt, sodass ich quasi fortwährend mit ihm Gassi gegangen war, um meine Teppiche zu schonen.

Es war erstaunlich, wie ungemein motivierend Hundepfützen auf dem Fußboden wirken konnten. Ehrlich, besser als jeder Personal Trainer. Mein Fitnesstracker hatte noch nie so viel aufzuzeichnen gehabt.

Da ich so viel draußen unterwegs war, bekam ich natürlich kein einziges Gemälde zustande. Doch zum ersten Mal seit Ewigkeiten erhielt meine Haut ein wenig Farbe und ich musste zugeben, dass mir die Bewegung guttat. Deshalb behielten wir unsere ausgedehnten Spaziergänge einfach bei, auch nachdem seine Infektion abgeklungen war.

Heute fühlte ich mich besonders unternehmungslustig und hatte daher beschlossen, Kristen und ihren süßen Kleinen zu Fuß aufzusuchen. Falls es mir unterwegs zu viel geworden wäre, hätte ich immer noch ein Uber nehmen können. Aber wir schafften es und ich genoss den Erfolg.

»Nein, dieser Jason hat keinen Piep von sich gegeben«, sagte ich.

An der Kreuzung, wo mir Tucker zugelaufen war, hatte ich Zettel mit seinem Bild aufgehängt und ihn außerdem auf mehreren Websites für vermisste und aufgefundene Haustiere registriert. Sogar beim Tierschutzbund hatte ich ihn gemeldet. Und dazu sprach ich Jason täglich auf die Mailbox. Allmählich hatte ich den Verdacht, dass Tucker bewusst ausgesetzt worden war.

»Aaaalso, ich habe Ihren Hund vorm sicheren Tod bewahrt, und zum Dank dafür kam er wie eine Granate durch mein Schiebedach geschossen. Melden Sie sich bitte, damit wir seine Abholung vereinbaren können. Ich habe so viele Fragen …«

»Hallo, Jason. Ich bin’s wieder, Sloan. Ihr Hund pinkelt mir hier die Bude voll. Er hat eine Blaseninfektion, weil er nicht genug ausgeführt wurde. Es wäre super, wenn Sie ihn bald abholen könnten, damit er stattdessen bei Ihnen weiterpinkeln kann. Danke!«

»Hier sind Sloan und Tucker. Obwohl ich durch Tuckers Vorliebe für teures Essen fast denke, dass wir Zwillinge sind, die bei der Geburt getrennt wurden, kann ich es mir echt nicht leisten, ihn weiter durchzufüttern. Wenn Sie vielleicht mal zurückrufen könnten?«

Ich ging mit Kristen in die Küche und stellte Tucker eine Schüssel Wasser mit Eiswürfeln hin. Dann setzte ich mich auf die Granitarbeitsfläche und sie schob ein Glas Eistee zu mir herüber. »Darf ich dir sagen, wie sehr ich mich freue, dass du wieder rausgehst ?«

Meine gute Laune ließ schlagartig nach und ich sah, wie sie mich mit ihren braunen Augen aufmerksam musterte.

»Kristen? Ist es nicht komisch, dass Tucker ausgerechnet am Jahrestag des Unfalls aufgetaucht ist ? Ich meine, das ist doch verrückt, oder ?«

Sie wartete, dass ich weitersprach, und ließ die Eiswürfel in ihrem Glas kreisen.

»Tucker ist mir buchstäblich in den Schoß gefallen. Und weißt du, was für eine Rasse er ist ? Ein kanadischer Toller. Nova Scotia Duck Tolling Receiver, um genau zu sein.« Bei dem langen Namen tippte ich mit allen fünf Fingern nacheinander auf die Granitplatte. »Ein Jagdhund, Kristen. Für die Entenjagd.«

Kristen begriff die Tragweite auf Anhieb. Die Entenjagd war Brandons Hobby gewesen. Jedes Jahr war er dazu mit Josh extra nach South Dakota geflogen.

»Wenn Brandon ihn mir nun geschickt hat ?«, fragte ich und merkte, wie sich ein Kloß in meinem Hals formte.

Mitfühlend lächelte sie mich an. »Also, ich bin mir auf jeden Fall sicher, dass Brandon nicht gewollt hätte, dass du so unglücklich bist«, sagte sie dann sanft. »Zwei Jahre sind eine verdammt lange Zeit, um derart heftig zu trauern, Sloan.«

Ich nickte und wischte mir mit dem Saum meines Shirts über das Gesicht. Mit glasigem Blick betrachtete ich den Hochstuhl am Küchentisch. Kristens Leben erinnerte mich schmerzvoll daran, wie mein eigenes hätte aussehen sollen. Wenn Brandon noch am Leben wäre und wir wie geplant geheiratet hätten, wäre ich jetzt vermutlich ebenfalls Mutter und mein Kind würde mit dem einjährigen Sohn von Kristen und Josh spielen.

Kristen war seit der sechsten Klasse meine beste Freundin. Ab der Mittelstufe waren wir ein Herz und eine Seele. Alle wichtigen Meilensteine hatten wir gemeinsam erlebt.

Auch Brandon und Josh waren beste Freunde gewesen. Ich hatte immer davon geträumt, gemeinsam im Doppelpack zu verreisen, zur gleichen Zeit im Babyglück zu schwelgen und Häuser direkt nebeneinander zu kaufen. Doch nun war Kristens Weg ohne mich weitergegangen. Ihr Leben nahm seinen geplanten Lauf, während meins seit Brandons Motorradunfall nur noch ein einziger Scherbenhaufen war. Ich war in einer Art Entwicklungshemmung gefangen und steckte in einer Endlosschleife fest, aus der ich mich nicht befreien konnte.

Bis jetzt.

Denn etwas hatte sich bei mir verändert. Vielleicht waren es die strukturierten Tagesabläufe, zu denen Tucker mich zwang, oder die Spaziergänge oder die Sonne. Oder es lag an dem Gedanken, dass dieser Hund ein Geschenk des Mannes war, den ich verloren hatte – ein Signal, es zu versuchen. Seit jeher glaubte ich an solche Zeichen. Es erschien mir unwahrscheinlich, dass es einfach nur Zufall war. Von all den Autos auf der Straße war er ausgerechnet vor meins gerannt. Es war, als ob er mich erwählt hätte.

Ich holte mein Handy hervor. »Das erinnert mich an meinen täglichen Jason-Anruf.«

Seine ruhige Stimme war zum festen Bestandteil meines Alltags geworden. Diesmal teilte mir jedoch eine weibliche Computerstimme mit, dass die Mailbox voll sei.

Wieder so ein Wink des Schicksals ?

Ich sah zu Kristen hinüber, die mich schweigend musterte.

Ja, ganz offensichtlich. Ich fasste einen Entschluss. Zielsicher scrollte ich durch die Fotogalerie auf meinem Handy und suchte ein Bild von Tucker und mir heraus, das ich vor ein paar Tagen aufgenommen hatte. Dann schrieb ich Jason eine Nachricht, hängte es an und schickte sie ab.

»Du hast recht. Brandon würde sich wünschen, dass ich glücklich bin. Und dieser Jason, falls er jemals auftauchen sollte, der kann sich zum Teufel scheren.«

3JASON

MIDDLE OF NOWHERE | HOT HOT HEAT

Das Flugzeug rollte zu unserem Gate, und alle Passagiere klickten die Anschnallgurte auf. Durch die kleinen Düsen über uns kam keine kühle Luft mehr und ich begann sofort zu schwitzen. Deshalb zog ich mein Sweatshirt aus und lüftete den Ausschnitt meines schwarzen T-Shirts.

Kathy beugte sich zur mir herüber und wackelte mit den Augenbrauen. »Du riechst ja gut«, sagte sie in ihrem breiten australischen Englisch. Dann befühlte sie meinen Arm. »Ooh! Linea, fass mal seinen Arm an. Der ist ja so muskulös.«

Linea streckte die Hand aus und schlug, an mir vorbei, ihre Freundin mit einer zusammengerollten Zeitschrift. »Dieser Mann schenkt einem Soldaten seinen Platz in der ersten Klasse, und zum Dank dafür begrapschst du ihn die ganze Zeit ? Du solltest … Oh! Er ist aber wirklich muskulös!«

Ich lachte. Den vierstündigen Flug von Neuseeland nach Australien hatte ich eingekeilt zwischen Kathy und Linea verbracht. Der Platz war mein Opfer aber absolut wert gewesen, denn diese beiden mittelalten fremden Frauen hatten einen unwiderstehlichen Humor. Der ganze Flug war extrem unterhaltsam gewesen – besser als jeder vorgewärmte Waschlappen oder Gratis-Whiskey.

Als es ans Aussteigen ging, trat ich in den Gang und holte das Handgepäck der beiden aus dem Fach über uns.

»Hör zu, Jason«, sagte Kathy vor mir, während sie auf ihre Tasche wartete. »Ich hab eine Tochter. Sie ist Krankenschwester und Single. Deine blauen Augen würden ihr sehr zusagen. Interesse?«

»Wenn sie auch nur halb so umwerfend ist wie du, ist ihre Liga für mich unerreichbar.« Augenzwinkernd reichte ich ihr das Rollköfferchen, nachdem ich den Griff herausgezogen hatte.

Sie grinste mich an. »Alter Charmeur. Alles Gute weiterhin.« Damit drehte sie sich um und ging. »Und danke für das Autogramm. Ich melde mich bei Twitter an und behalte dich im Auge«, fügte sie mit einem Blick über die Schulter hinzu, dann folgte sie Linea zum Ausgang des Flugzeugs.

Lächelnd sah ich ihr nach, während ich meinen eigenen Rucksack aus der Gepäckablage nahm und dann zurück in meine Sitzreihe trat, um mein Handy herauszuholen. Beim Abflug war der Akku leer gewesen. Ich entfernte das mobile Ladegerät und schaltete es zum ersten Mal seit zwei Wochen an. Sofort ertönte eine ganze Sinfonie aus Summ- und Klingeltönen.

Willkommen in der Wirklichkeit.

Reichlich zwei Wochen war ich mit dem Rucksack unterwegs gewesen. Ich fürchtete mich ein wenig vor der Flut von Meldungen, die ich erst mal sortieren musste, nachdem ich so lange nicht erreichbar gewesen war. Vermutlich stammten allein mindestens hundert Nachrichten von Ernie, meinem Agenten.

Ich tippte meine PIN ein und hörte als Erstes meine Mailbox ab, während ich meine Tasche schulterte. Die Mailbox war voll. Als ich die ersten vier Nachrichten geschafft hatte und auf eine Lücke im Gang wartete, um mich einzureihen, vernahm ich plötzlich eine unbekannte Frauenstimme:

»Ähm, hallo? Ich habe Tucker gefunden. Er lief mitten auf dem Topanga Canyon Boulevard rum. Ich heiße Sloan. Meine Nummer ist 818-555-7629. Geben Sie mir Bescheid, wann Sie ihn abholen kommen.«

Scheiße.

Ich öffnete meinen Rucksack und kramte darin nach einem Stift. Als ich einen gefunden hatte, notierte ich die Nummer auf meiner Hand und wählte sie dann, nachdem ich kurz die Zeitverschiebung durchgerechnet hatte. In Melbourne war es jetzt 11 Uhr vormittags, das hieß 18 Uhr in Los Angeles.

Los, jetzt geh schon ran.

»Hallo?«, meldete sich eine Frau nach dem dritten Klingeln.

»Hallo, sind Sie Sloan? Ich heiße Jason. Ich glaube, Sie haben meinen Hund gefunden. Hat ihn inzwischen jemand abgeholt ?«

Am anderen Ende herrschte einen Moment lang Schweigen, sodass ich schon befürchtete, das Gespräch wäre abgebrochen. Ich trat in den Gang und reihte mich ungeduldig in die Schlange in Richtung Ausgang ein, wo ich hoffentlich besseren Empfang hätte. »Hallo?«, wiederholte ich.

»Ja, ich habe Sie verstanden.« Ihr Tonfall klang gereizt. »Er ist noch bei mir.«

Ich biss die Zähne zusammen. Verdammt. Auf Monique war kein Verlass.

Mitten auf dem vollgestopften Flugsteig blieb ich stehen und scherte aus. Das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt, hielt ich den Stift bereit. »Geben Sie mir Ihre Adresse. Ich schicke jemanden vorbei, der ihn abholt.«

»Nein.«

»Wie bitte?«

»Nein«, sagte sie erneut.

»Was soll das heißen, nein? Sie wollen nicht, dass ich ihn abholen lasse?«

»Na, Sie haben vielleicht Nerven. Nach fast zwei Wochen kommen Sie jetzt auf die Idee, dass Sie ihren Hund zurückhaben wollen?«

Zwei Wochen? Tucker war zwei Wochen lang verschwunden?

»Ich war nicht in der Stadt und habe erst jetzt wieder Handyempfang. Ich wusste nicht, dass er weggelaufen ist. Ich zahle Ihnen gern eine Belohnung. Bitte geben Sie mir einfach Ihre Adresse, damit ich …«

»Nein. Der Hund gehört Ihnen nicht mehr. Wenn ihn jemand ins Tierheim gebracht hätte, wäre die Sperrfrist längst um und er wäre jetzt entweder bei neuen Besitzern oder eingeschläfert worden. Ich hab überall Zettel aufgehängt, seinen Chip auslesen lassen, ihn als zugelaufen ins Netz gestellt, x-mal auf Ihre Mailbox gesprochen. Deshalb habe ich ihn mittlerweile adoptiert, er ist jetzt mein Hund.«

Sie legte auf.

Entsetzt starrte ich auf mein Telefon. Als ich die Nummer erneut wählte, erreichte ich nur noch die Mailbox.

Fluchend rief ich Monique an.

»Tucker ist dir abhandengekommen?«, knurrte ich, ohne aus Rücksicht auf die anderen Fluggäste um mich herum leise zu sprechen.

»Hallo erst mal, Jason.«

Ich hörte ihre Absätze klappern und sah sie dabei förmlich vor mir – mit ihrem fettarmen Latte macchiato, der riesigen Sonnenbrille und noblen Einkaufstaschen am Arm, während sie nicht auf meinen Hund aufpasste.

»Seit zwei Wochen ist Tucker verschwunden? Wieso hast du ihn nicht gesucht ? Oder einen Notruf an mich abgesetzt ? Was zur Hölle soll das, Monique? Du solltest auf ihn aufpassen!«

»Ich muss arbeiten, Jason. Und ich habe nach ihm gesucht. Mehr oder weniger.«

Dann rauschte es im Hintergrund, was sich anhörte wie eine U-Bahn. »Moment mal.« Ich konnte es kaum glauben. »Wo bist du eigentlich?«

Vielsagendes Schweigen.

»In New York«, antwortete sie schließlich.

»Und seit wann?«

Wieder eine Pause.

»Seit zwei Wochen.«

Wütend umklammerte ich mein Handy. »Das war’s dann mit uns. Endgültig«, stieß ich hervor.

»Jason, wenn Givenchy anruft, dann gibst du denen keinen Korb für ihr Vogue-Shooting, nur weil du den Hund von deinem Lover hüten musst. Tut mir leid, okay? Sei nicht …«

Ich legte auf. Ich hatte genug gehört. Sie war imstande, sogar ein Kind im Stich zu lassen, nur um zu ihrem verdammten Fotoshooting zu fliegen. Das war unverzeihlich.

Noch einmal versuchte ich Sloan zu erreichen. Wieder nur die Mailbox.

Ratlos stand ich am Gate und hörte mir die übrigen Anrufe an, während es draußen in Strömen regnete, wie ich durch die Panoramafenster mit Blick auf das Rollfeld sehen konnte.

Es stimmte, was diese Sloan sagte. Sie hatte wirklich versucht, mich zu erreichen. Über eine Woche lang war täglich eine Nachricht von ihr auf der Mailbox. Meine Laune wurde mit jeder Nachricht schlechter, denn es wurde immer deutlicher, mit welcher erschütternden Konsequenz Monique meinen Hund vernachlässigt hatte.

Er war mitten auf der Straße herumgelaufen.

Er hatte an einer Blaseninfektion gelitten, weil er nicht ausgeführt worden war.

Diese Frau hatte überall Zettel aufgehängt, die Monique eigentlich hätte entdecken müssen, wenn sie denn vor Ort gewesen wäre.

Tucker war dieser Unbekannten durch das Schiebedach ins Auto gesprungen. Was sollte ich davon eigentlich halten?

Ich rieb mir die Schläfen. Tucker hasste Hundepensionen. Monique war immer gut mit ihm umgegangen, zumindest in meinem Beisein. Deshalb hatte ich keinerlei Bedenken gehabt, ihn ihr anzuvertrauen. Angeblich wollte sie ihn regelmäßig mit zum Joggen nehmen.

Wie schrecklich dumm von mir.

Ich hätte nach Minnesota fliegen und ihn bei meiner Familie lassen sollen. Das hatte ich vermasselt. Es hätte zwar einen Umweg von über 3000 Kilometern bedeutet, aber dort wäre Tucker wenigstens in Sicherheit gewesen.

Erschöpft fuhr ich mir mit der Hand übers Gesicht und rieb mir den Bart. Was sollte ich jetzt nur machen, verdammt ? Diese Frau hatte mir meinen Hund gestohlen.

Als ich meine Mailbox zu Ende abgehört hatte, ging ich die eingegangenen Textnachrichten durch. Darunter war auch eine von der 818-er Nummer, die ich auf meiner Hand notiert hatte. Ich klickte sie an und ein Foto von Tucker ploppte auf. Es war schön, Sie nicht kennenzulernen.

Auf dem Bild sah man eine Frau, die den Arm um Tucker gelegt hatte. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn Tuckers Kopf verdeckte ihren Mund. Außerdem trug sie eine schwarze Sonnenbrille und die Haare waren unter einer Mütze verborgen. Ihr Arm war von der Schulter bis zum Ellbogen tätowiert. Ich neigte den Kopf, um mir die Tattoos genauer anzusehen, und zoomte das Bild auf meinem Handy größer. Den Namen Brandon konnte ich entziffern. Dann sprang das Display um, weil mich jemand anrief. Es war wieder die 818-er Nummer.

Hektisch nahm ich den Anruf an. »Hallo?«

»Wenn Sie Ihren Hund wirklich lieben, dann beweisen Sie es.«

»Wie jetzt ?«

»Es fühlt sich nicht so super an, Ihren Hund zu behalten, wenn Sie ihn wirklich lieben. Wenn es Ihnen also ernst ist, dann beweisen Sie es mir.«

Ich blinzelte. »Okay. Und wie soll ich das Ihrer Meinung nach machen?«

»Na, er ist doch Ihr Hund, oder ? Da sollte es ja wohl massenweise Belege dafür geben, wie sehr Sie ihn liebhaben.«

Mein Hirn arbeitete auf Hochtouren.

»In Ordnung, warten Sie kurz«, sagte ich und hatte eine Idee. Ich scrollte durch die Fotos auf meinem Handy und wählte einige davon aus: Tucker und ich am Strand, Tucker und ich beim Radfahren. Dann machte ich noch einen Screenshot von meinem Hintergrundbild: Tucker hinter meinen ganzen Icons. Ich schickte ihr alle Aufnahmen. »So. Sie haben Post von mir.«

Ich hörte, wie sie mit ihrem Handy hantierte. Sie schwieg länger, als es dauern musste, die Bilder anzusehen.

»Hören Sie«, sagte ich in die Stille hinein, in der Hoffnung, dass sie es mitkriegte. »Er ist mein bester Freund. Ich hab ihn aus Minnesota mitgebracht, als ich nach L. A. gezogen bin. Jetzt hatte ich ihn jemandem anvertraut, den ich eigentlich für zuverlässig hielt. Ich liebe meinen Hund und möchte ihn gern wiederhaben. Bitte.«

Wieder schwieg sie so lange, dass ich auch diesmal dachte, das Gespräch wäre unterbrochen.

»Okay«, flüsterte sie schließlich.

Erleichtert atmete ich auf. »Großartig, vielen Dank. Und ich bezahle Ihnen natürlich Ihren Zeitaufwand und die Tierarztrechnungen …«

»Und meinen Strafzettel.«

»Welchen Strafzettel?«

»Den ich bekommen habe, als ich mitten auf dem Topanga Canyon Boulevard anhalten musste, um den Hund von der Straße zu holen.«

Ich hielt das Telefon ein Stück weg von mir und schnaubte frustriert. Nicht wegen Sloan, sondern wegen Monique und ihrer völligen Unfähigkeit.

»Okay, klar. Kein Problem. Hören Sie, ich bin Ihnen wirklich sehr dankbar für alles, was Sie für ihn getan haben. Können Sie mir noch ein paar Stunden geben, bis ich eine Tierpension gefunden habe, die ihn aufnehmen kann …«

»Eine Tierpension? Wieso das denn?«

»Ich bin noch zwei Wochen in Australien und arbeite dort.«

»Hm, und wer hat auf ihn aufgepasst, als Sie weg waren?«

»Jemand, dem ich ihn nie wieder anvertrauen werde«, erwiderte ich knapp. Ich nahm meinen Rucksack und folgte den Hinweisschildern in Richtung Zoll.

»Also, ich kann ihn gern behalten, bis Sie zurückkommen. Ich arbeite von zu Hause aus, von daher ist das kein Problem.«

Ich überlegte. Ich dachte an das Foto von ihr und Tucker, das sie mir geschickt hatte. Und auch an die Nachrichten auf meiner Mailbox über ihren Besuch beim Tierarzt und die Spaziergänge mit ihm. Er schien ihr wirklich am Herzen zu liegen. Immerhin wollte sie ihn ursprünglich sogar behalten. Und mittlerweile war er schon zwei Wochen bei ihr. Er kannte sie also. Das war eigentlich viel besser als eine Tierpension. Mir fiel auch sonst niemand ein, der sich um ihn kümmern konnte. Abgesehen von Monique und Ernie, der allerdings mit Hunden überhaupt nichts am Hut hatte. Außer den beiden kannte ich in L. A. niemanden so gut, dass ich um so etwas bitten könnte.

»Das würden Sie machen?«, fragte ich und setzte meinen Weg auf einem Laufband fort.

»Ja, ich hab ihn echt gern.«

Das klang so traurig, dass ich lächeln musste. Nicht aus Schadenfreude über ihre Enttäuschung – mir war schon bewusst, dass sie sich bis vor einer halben Stunde als neue Besitzerin von Tucker gefühlt hatte, und nun musste sie ihn doch wieder abgeben. Aber es tat gut zu hören, dass ihr wirklich etwas an ihm lag.

»Das wäre natürlich genial. Die Vorstellung, ihn in eine Tierpension zu geben, finde ich nicht gerade verlockend.«

»Stimmt, das wäre schrecklich für ihn«, pflichtete sie mir bei und klang dabei selbst ein wenig leidend.

»Kann ich mich später noch mal melden?« Nachdem ich stundenlang im Flieger gesessen hatte, musste ich erst mal dringend eine Toilette finden.

Die Unterbrechung tat uns offenbar beiden gut, denn als ich Sloan auf dem Weg zur Gepäckausgabe wieder anrief, klang sie nicht mehr patzig, sondern fast schüchtern. Im ersten Moment vermutete ich, dass sie mich auf den Fotos vielleicht erkannt hatte. Oder vielleicht bekam sie auch nur ein schlechtes Gewissen, weil sie am Anfang so abweisend gewesen war. Wie auch immer, ich war erleichtert. Wenn sie Tucker für mich betreute, sollten wir wenigstens einen guten Draht zueinander haben.

Zunächst erörterten wir die finanzielle Seite. Dann kam ich auf organisatorische Dinge zu sprechen.

»Geben Sie mir Ihre Adresse durch, damit ich Ihnen eine Transportbox schicken kann?«, sagte ich.

»Eine Box? Wozu das denn?«

»Darin schläft er immer nachts. Wenn er keine Box hat, verwüstet er gern mal das Haus, wie Sie sicher bemerkt haben.«

»Bisher hat er hier nichts verwüstet. Am ersten Tag bekam er nur den Gürtel von meinem Morgenmantel zwischen die Zähne. Außerdem schläft er mit in meinem Bett.«

Ich lachte. »Ich find’s ja sehr erstaunlich, dass er Ihnen nicht die komplette Einrichtung zerlegt hat. Das ist eigentlich sein liebstes Hobby.«

Stuhlbeine, die Armlehne des Sofas, Türrahmen – Tucker war Experte dafür, aus allem Kleinholz zu machen.

Ich erreichte die Gepäckausgabe. Als ich mich zu den anderen wartenden Passagieren meines Flugs gesellte, setzte sich das noch leere Förderband in Bewegung.

»Seit dem Gürtel hat er aber nichts mehr zerkaut«, sagte sie. »Er ist der reinste Engel.«

»Wirklich?«, fragte ich ungläubig.

Sie lachte. »Niemals würde ich auf die Idee kommen, einen Hund zu behalten, der mein Haus zerstört.«

»Gutes Argument. Tja, dann bin ja froh, dass er sich gut benimmt«, sagte ich und sah auf die Uhr, während die ersten Gepäckstücke auftauchten. In zwei Stunden begann meine Probe.

»Die Kratzer von seinem Sprung durchs Schiebedach hab ich allerdings immer noch. Haben Sie ihm das eigentlich beigebracht ?«

»Äh, nein. Hat er das ernsthaft gemacht ?«

»Glauben Sie, ich denk mir das aus ? Moment mal …« Es folgte eine Pause. »Okay, überzeugen Sie sich selbst. Ich hab Ihnen gerade meinen Strafzettel geschickt.«

Ich klickte auf das Bild. Es war ein von der Polizeibehörde Los Angeles ausgestellter Strafzettel, bei dem ein Kühlschrankmagnet jedoch die Angaben zur Person überdeckte. Der Beamte hatte den gesamten Vorfall genau beschrieben, inklusive Schiebedach und so weiter.

Ich schüttelte den Kopf. »Nicht zu fassen. So was hat er noch nie gemacht.« Er musste völlig durch den Wind gewesen sein. »Manchmal hat er ein bisschen zu viel Energie.«

»Er braucht halt Bewegung.«

Wahrscheinlich hatte er bei Monique einen Lagerkoller bekommen.

»Und Sie wollen ganz bestimmt keine Box?«

»Nein, definitiv nicht. Solange er hier ist, schläft er bei mir. Darauf bestehe ich. Und meine Adresse gebe ich Ihnen mal lieber nicht. Könnte ja sein, dass Sie ein perverser Stalker sind.«

Ich lachte ungläubig. »Nein, ich bin nicht pervers.«

»Schon klar, das sagen sie alle.«

Jetzt hörte ich tatsächlich ein Lächelnin ihrer Stimme.

»Wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte ich in einem plötzlichen Anflug von Neugier.

Höhnisch lachte sie auf. »Das tut ja wohl überhaupt nichts zur Sache.«

»Was ? Dass ich nach Ihrem Alter frage? Das ist ja wohl das Erste, was ich von einem Hundesitter wissen will«, behauptete ich, auch wenn das nicht der Grund für mein Interesse war. Ich mochte ihre Nachrichten. Sie waren irgendwie witzig.

»Tja, ist aber leider verboten. Bei Vorstellungsgesprächen ist es nicht zulässig, das Alter anzusprechen.«

Ich lächelte. »Und was darf ich dann fragen?«

»Hm, mal überlegen. Sie könnten sich nach meinem beruflichen Hintergrund erkundigen.«

»Sie sind wohl Personalerin? Da Sie so viel über korrekt durchgeführte Vorstellungsgespräche wissen …«

»Sehen Sie, so eine Frage könnten Sie zum Beispiel stellen.«

Gut gekontert.

»Ich dachte ja eigentlich, dass ich den Job längst hätte«, warf sie noch ein.

»Haben Sie auch. Na und? Darf ich nicht ein bisschen mehr erfahren, mit wem mein bester Freund seine Nächte verbringt ?«

Ich hörte sie auflachen und musste grinsen.

»Ihr bester Freund schläft neben einer jungen Frau, die schlau genug ist, einem Fremden nicht zu verraten, wo sie wohnt und wie alt sie ist. Wollen Sie als Nächstes vielleicht noch wissen, ob ich allein zu Hause bin?«

»Und, sind Sie?«

»Wow, Sie sind definitiv ein Stalker.«

»Da musste ich mir schon Schlimmeres anhören.«

»Glaub ich sofort«, antwortete sie. Dann folgte eine Pause. »Ich lebe allein.«

»Okay. Noch andere Haustiere?«

»Nein. Ist aber schon ein ziemlich ausführliches Bewerbungsgespräch. Mein Gefühl sagt mir, dass diese Informationen bei der letzten Hundesitter-Auswahl nicht eingeholt wurden«, merkte sie trocken an.

Ich musste wieder grinsen. »Ich versuche aus meinen Fehlern zu lernen.«

»Ich habe zwar keine weiteren Haustiere, aber ich bin mit Schäferhunden aufgewachsen. Arbeitshunde muss man beschäftigen. Sie machen Probleme, wenn sie nicht ausreichend gefordert sind. Tucker ist ein Jagdhund. Er braucht genügend Auslauf.«

Das wusste ich natürlich, aber es beeindruckte mich, dass sie es auf dem Schirm hatte. »Dann halten Sie ihn also ordentlich auf Trab?«

Durch das Telefon hörte ich, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde und Geschirr klapperte. Dann redete sie im Hintergrund leise auf Tucker ein und mein Lächeln wurde immer breiter. Sie fragte ihn, ob er ein Braver sei und deshalb einen Hundesnack verdient habe. Er bellte.

»Ich gehe jeden Tag acht Kilometer mit ihm«, ließ sie mich wissen. »Seitdem bin ich herrlich braun gebrannt.«

»Das würde ich ja gerne mal sehen. Schicken Sie mir ein Foto?«

Ich hatte es scherzhaft gesagt, aber doch auch ernst gemeint. Denn eigentlich wollte ich zu gern wissen, wie sie aussah. Ich war wirklich neugierig geworden.

»Und schon haben Sie eine Anzeige am Hals. Sexuelle Belästigung von Mitarbeitern!« Vorwurfsvoll schnalzte sie mit der Zunge. »Sie sind vermutlich ein Albtraum für Ihre Personalabteilung.«

»Nö. Ich nerve mich nur selbst.«

»Ach so? Was machen Sie denn so beruflich?«

Also hatte sie mich doch nicht erkannt. Das war nichts Ungewöhnliches – allerdings arbeitete ich gerade hart daran, das zu ändern. Ich entdeckte mein Gepäck auf dem Transportband. Mein Gitarrenkoffer folgte ein Stück dahinter. »Ich bin Musiker.«

»Oh, einer von diesen Hollywood-Leuten. Immer unterwegs, auf Tour oder zu Aufnahmen für einen Indiefilm-Soundtrack in Europa.«

Ganz falsch lag sie damit nicht. Verdammt, bediente ich wirklich solche Klischees ?

»So was in der Art. Ich bin mit einer Band auf Tour. Und ein Film ist tatsächlich im Spiel. Allerdings kein Indiefilm.«

Der Film hatte sogar ein recht großes Budget, aber das posaunte ich nicht gern heraus. Namedropping gehörte in L. A. zwar zum guten Ton, aber es war überhaupt nicht mein Ding.

Ich nahm mein Gepäck und die Gitarre vom Transportband. Da ich jetzt keine Hand mehr frei hatte, klemmte ich das Handy zwischen Ohr und Schulter. Ich musste noch durch den Zoll und mir ein Uber zum Hotel organisieren, weshalb ich das Telefonat eigentlich hätte beenden sollen. Aber stattdessen ging ich zu einer Bank ganz am Eingang der Gepäckausgabe, setzte mich hin und legte meine Gitarre neben mir ab.

»Ah ja …«, sagte sie jetzt und klang dabei gelangweilt. »Hier arbeitet irgendwie jeder im Showgeschäft.«

Sie wollte nichts Näheres über den Film wissen, es schien sie überhaupt nicht zu interessieren. Das erstaunte mich schon etwas. Als ich Monique kennengelernt hatte, ging es ihr ausschließlich darum, wer ich war und wen ich kannte. Wenn ich es mir recht überlegte, hatte sich daran bis heute nichts geändert. Deshalb war es umso erfrischender, mit dieser Frau zu reden, die sich nicht die Bohne darum scherte, wie ich ihre Karriere voranbringen könnte.

Ich wechselte das Thema. »Und was machen Sie so?«

»Nichts besonders Spannendes«, erwiderte sie ausweichend.

»Und woher wollen Sie wissen, was ich spannend finde? Sie arbeiten von zu Hause aus, haben genug Zeit, um jeden Tag acht Kilometer durch die Gegend zu laufen, und retten streunende Hunde. Mich interessiert schon, wie Sie das so flexibel hinkriegen. Um zu entscheiden, ob Ihr Lebenswandel für die Hundebetreuung geeignet ist, wissen Sie?«

Sie gab ein unwirsches Geräusch von sich, wobei sie höchstwahrscheinlich die Augen verdrehte. »Ich bin Künstlerin.«

»Und was ist daran uninteressant ?«

»Ist halt so. Was ich male, ist total langweilig.«

»Und wieso malen Sie es dann? Können Sie nicht malen, was Sie wollen?« Ich schlug ein Bein über das andere und lehnte mich zurück. Das Wasser bei ihr im Hintergrund wurde abgedreht und sie schwieg einen Moment lang.

»Wie heißt denn Ihre Website?«, fragte ich, obwohl ich mir sicher war, dass sie es mir nicht verraten würde. Trotzdem wagte ich den Versuch.

»Ich hab keine Website. Und selbst wenn ich eine hätte, würde ich sie Ihnen nicht verraten.«

Ich lächelte. »Sie sind konsequent. Darauf lege ich Wert bei Hundesittern.« Dann sah ich auf die Uhr. »Ich muss jetzt mal Schluss machen.«

»Okay. Dann gute Reise, sag ich mal.«

»Sloan? Vielen Dank. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass Sie Tucker gerettet haben und sich so toll um ihn kümmern. Und ich bin auch sehr dankbar, dass Sie noch weiter für ihn sorgen, bis ich zurückkomme.«

Sie schwieg einen Moment. »Danke, dass Sie sich bedanken«, sagte sie schließlich.

Ich verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Wir hören voneinander.«

4SLOAN

OCEAN EYES | BILLIE EILISH

Ich betrachtete die Fotos, auf denen Tucker zusammen mit Jason zu sehen war.

Nicht zum ersten Mal.

Seit er sie mir gestern geschickt hatte, spähte ich eigentlich ständig darauf. Ich mochte Jason als Stalker bezichtigt haben, aber in Wahrheit entwickelte ich selbst gerade ein übertriebenes Interesse an ihm.

Jason sah gut aus. Unfassbar gut sogar. Er hatte kräftiges braunes Haar, einen Bart, blaue Augen und ein umwerfendes sexy Lächeln. Und sein Waschbrettbauch am Strand konnte diesen Eindruck auch nicht gerade abschwächen.

Als erfahrene Krimiguckerin hatte ich den Screenshot von seinem Handydisplay sogleich mit kriminalpsychologischer Gewieftheit analysiert.

Die Uhrzeit auf seinem Handy war in der Tat die australische, offenbar war er also tatsächlich dort.

Dass er Musiker war, schien ebenfalls zuzutreffen, denn es gab übertrieben viele Musik-Apps auf dem Display. Tinder oder andere Datingportale waren nicht zu sehen. Nur Uber, Twitter und YouTube. Dazu alle gängigen sozialen Netzwerke. Er hatte zahllose Benachrichtigungen bekommen, aber er war ja auch gerade erst gelandet und ein paar Wochen lang nicht erreichbar gewesen. Von daher wirkte alles ziemlich plausibel und seine Aussagen schienen durchaus glaubwürdig.

Nichts wies darauf hin, dass er ein notorischer Betrüger oder ein Massenmörder sein könnte. Außerdem fand ich es schon ziemlich süß von ihm, dass er Tucker als Hintergrundbild gewählt hatte.

Ich legte die Hand zwischen Tuckers Ohren und kraulte ihm den Kopf. »Wieso hast du denn nicht gesagt, dass dein Herrchen so ein Hübscher ist ?« Er lehnte sich an mich und ließ zu, dass ich mein Gesicht in seinem Fell vergrub.

Zu sagen, dass es mich traurig machte, Tucker in zwei Wochen wieder abzugeben, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen.

Tucker veränderte mich. Ich fühlte mich wohl. So gut wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Und ich begriff, dass meine Müdigkeit, die das Trauern mit sich gebracht hatte, irgendwann zu einer Müdigkeit geworden war, die durch Trägheit und ungesunde Ernährung mit zu viel Koffein und Zucker verursacht wurde.

Tucker verschaffte mir Bewegung. Durch ihn sah ich wieder Sinn im Leben. Zu wissen, dass er mich schon bald wieder verlassen würde, versetzte mich in Panik. Ich fürchtete mich davor, wieder allein zu sein, und wusste nicht so recht, wie ich ohne ihn mein neues, gesünderes Ich bewahren sollte.

Ich war ganz nah dran gewesen, ihn einfach zu behalten. Doch nach dem Telefonat mit Jason war ich noch einmal in mich gegangen. Schließlich hatte er im Ausland nicht mitgekriegt, dass Tucker ausgebüxt war. Ich wollte keine Hundediebin sein. Wäre bei mir auch nur ansatzweise der Eindruck entstanden, dass sein Herrchen ihn vernachlässigte, hätte ich ihn behalten und fertig. Aber ich wollte ihn nicht einem Menschen wegnehmen, der ihn wirklich gernhatte.

Josh kam aus der Garage und wischte sich die Hände an einem Lappen ab. »Fertig. Der Boiler ist eingebaut.«

Ich lächelte ihn an. »Danke.«

»Du hättest uns bitten sollen, ihn für dich zu besorgen«, sagte er vorwurfsvoll.

Josh war zu mir wie ein großer Bruder. Brandon wäre glücklich, hätte er gewusst, wie sehr sich sein bester Freund um mich kümmerte. Aber ich wollte seine Hilfe nicht überstrapazieren. Es war schon mehr als genug, dass Josh fast alles, was im Haus kaputtging, kostenlos reparierte – da musste er nicht auch noch die Sachen kaufen, die ersetzt werden mussten. Dass der Boiler nicht mehr funktionierte, hatte ich Josh daher vorsichtshalber erst mitgeteilt, nachdem ich schon einen neuen gekauft hatte.

»Alles gut. Ist finanziell kein Ding«, log ich. »Diese Woche sind ein paar zusätzliche Aufträge reingekommen.«

Er sah mich skeptisch an, aber ich ließ mir nichts anmerken.

»Okay.« Er warf einen Blick auf sein Handy. »Dann fahr ich jetzt mal nach Hause und erlöse die Babysitterin. Kristen ist mit dem Abendessen schon unterwegs zu dir.«

Sie versorgten mich regelmäßig mit leckerem Essen, weil sie fürchteten, ich würde sonst verhungern. Vor einem halben Jahr hatte ich allerdings dagegen aufbegehrt und seitdem brachten sie nur noch einmal pro Woche etwas vorbei. Vorher waren sie jeden Tag gekommen, was allmählich absurd wurde. Immerhin hatten sie ein eigenes Leben samt Kleinkind und ich wollte ihnen nicht zur Last fallen. Und auch wenn Kristen es niemals zugeben würde, war sie vermutlich erleichtert. Einmal weil sie dachte, dass es mir besser ging, und zum anderen, weil sie nicht mehr den gleichen Aufwand betreiben musste. Ich füllte mein Tiefkühlfach mit Fertiggerichten und verblüffte die beiden damit, dass ich nicht an Unterernährung zugrunde ging.

»Bis später dann.« Josh umarmte mich, kraulte Tucker die Ohren, schenkte mir ein Grübchenlächeln und machte sich auf den Weg.

Der Hund legte wieder seinen Kopf auf meinen Schoß und ich betrachtete ihn. Dann nahm ich mein Handy, tippte auf das Kamerasymbol und machte einen Schnappschuss. »Jason will doch bestimmt ein paar Urlaubsbilder von dir sehen«, meinte ich, tippte eine kurze Nachricht dazu und schickte ihm das Foto.

Sloan:Fix und fertig nach einem 10-Kilometer-Marsch.

Ich ließ das Handy sinken und lehnte den Kopf nach hinten an die Sofalehne. Kurz darauf plingte mein Handy.

Jason:Das fand er bestimmt super.

Nächstes Pling.

Jason:Kein Bild von Ihnen?

Ich verdrehte die Augen. So sexy er auch war, wir kannten uns nicht. Deshalb dachte ich gar nicht daran, ihm Fotos von mir zu schicken.

Sloan:Denken Sie, mein Aussehen spielt eine Rolle für meine Kompetenz als Hundesitterin?

Die drei kleinen Punkte begannen zu hüpfen und zeigten an, dass er tippte. Ich musste lächeln. Irgendwie hatte mir das Gespräch mit ihm gestern Spaß gemacht. Ich richtete mich auf, schlug die Beine übereinander und wartete auf seine Antwort. »Dein Herrchen flirtet anscheinend gern«, sagte ich zu Tucker. Er sah mich mit seinen sanften kupferbraunen Augen an und legte dann die Schnauze wieder auf meinen Schoß.

Jason:Immerhin haben Sie Bilder von mir bekommen. Da ist es doch ganz normal, wenn ich auch gern ein Gesicht zu Ihrem Namen hätte. Schließlich lasse ich gerade meinen besten Kumpel von einer Unbekannten betreuen.

Hm. Da hatte er nicht ganz unrecht. Trotzdem.

Sloan:Na ja, Sie sind ein Fremder und könnten auch ein Pirat sein.

Wieder fingen die Punkte an zu hüpfen.

Jason:Auch wieder wahr. Ahoi!

Ich lachte.

Jason:Mögen Sie Spiele?

Worauf wollte er damit nun wieder hinaus ?

Sloan:Kommt drauf an.

Jason:Worauf?

Sloan:Darauf, ob sie damit enden, dass irgendwer betrunken oder nackt ist. Denn am Ende bin immer ich diejenige, die nüchtern bleibt und die ganzen besoffenen Nackten nach Hause fährt.

Jason: Nein, solche Spiele meine ich nicht.

Sloan.Na dann, schießen Sie los.

Jason:Ich stelle Ihnen jeden Tag eine Frage, um Sie besser kennenzulernen. Und wenn Sie die Frage nicht beantworten wollen, müssen Sie mir ein Foto schicken.

Kopfschüttelnd tippte ich wieder.

Sloan:Um was für Fragen geht’s denn hier ? Solche, die man mit Ja und Nein beantwortet oder wo man ein Häkchen setzt ?

Jason:Hehe. Nein, viel zu kindisch. Es geht um richtige Fragen. Ich kann nach allem fragen, was ich will, und Sie müssen ehrlich drauf antworten.

Sloan:Kann ich Sie dann auch jeden Tag was fragen?

Jason:Klar.

Sloan:Und wenn Sie es nicht beantworten wollen?

Jason:Ich werde antworten.

Sloan:Vorschlag: Wenn Sie nicht antworten wollen, darf ich Tucker einen Tag länger behalten.

Es folgte eine Pause. Der Deckenventilator klapperte vor sich hin, und ich wartete.

Jason:Deal. Übrigens gerne weiter per Du?

Sloan:Deal.

Ich war mir sicher, dass er lauter Fragen stellen würde, die mir zu intim waren und die ich nicht beantworten wollte. Schließlich wollte er ja irgendwie an ein Bild von mir kommen. Aber die Sache hatte ihren Reiz. Ich war ja selbst neugierig, mehr über diesen attraktiven, geheimnisvollen Mann zu erfahren. Es versprach jedenfalls unterhaltsam zu werden.

Jason:Bereit für meine erste Frage?

Sloan:Bereit.

Jason:Warum malst du nicht das, was du malen willst ?

Ich starrte auf seine Nachricht. So etwas hatte ich nicht erwartet.

Wollte er mich damit verwirren? Hatte ich gestern in unserem kurzen Gespräch irgendwie durchblicken lassen, dass ich mit meiner Kunst nicht ganz im Reinen war ? Jetzt wünschte ich mir doch lieber simple Ja/Nein-Fragen oder Kästchen zum Ankreuzen.

Ich beschloss, erst einmal abzulenken.

Sloan:Ernsthaft ? So eine Frage? Ist doch nur Zeitverschwendung. Du kriegst ’nen neuen Versuch.

Jason:Will ich aber nicht.

Und dann schrieb er:

Jason:Gegen ein Foto hätte ich allerdings nichts einzuwenden.

Ich zog einen Flunsch. »Also gut«, murmelte ich vor mich hin.

Sloan:Ich habe keine eigenen Bilder mehr gemalt, seit mein Verlobter vor zwei Jahren gestorben ist.

Die Punkte begannen zu hüpfen. Dann blieben sie wieder stehen. Und begannen erneut zu hüpfen.

Jason:Das tut mir sehr leid.

Wieder folgte eine Pause, während er weitertippte.

Jason:Manchmal ist das Leben im Zwischenzustand am schwersten.

Blinzelnd las ich seine Nachricht.

»Ja …«, flüsterte ich vor mich hin.

Wieder hüpften die Punkte.

Jason:Jetzt bist du dran. Was willst du wissen?

Ich war froh, dass er das Thema wechselte, denn ich wollte nicht näher darauf eingehen. Ich dachte nach und kam zum Schluss, dass ein bisschen Humor nicht schaden konnte.

Sloan:Wie würdest du eine Zombie-Apokalypse überleben?

Nun hüpften die Punkte mehrere Minuten lang. Dann ging eine neue Nachricht ein, die jedoch nur aus vier Wörtern bestand.

Jason:Ich rufe dich an.

Mein Handy klingelte.

»Und?«, sagte ich ohne Begrüßung.

»Meine Antwort ist zu lang zum Tippen.«

»Du scheinst ja ganz schön viel nachzudenken über die Zombie-Apokalypse, was ?«

»Du nicht ? Ist schon eine ernste Sache«, sagte er voller Überzeugung.

»Tja, früher oder später wird sie kommen.«

Als er weitersprach, konnte ich aus seiner Stimme hören, dass er lächelte. »Wenn man überleben will, braucht man vor allem einen Ort, wo die Bedrohung durch andere Menschen und Zombies am geringsten ist. Wir müssten uns also ein abgelegenes Plätzchen suchen.«

»Wir ?«

»Ja, du und ich.«

»Woher willst du denn wissen, dass ich für dein apokalyptisches Zombie-Survivalteam geeignet bin?«

»Und, bist du’s ?«

Spöttisch erwiderte ich: »Natürlich. Aber das konntest du nicht wissen. Vergibst du wichtige Jobs immer an x-beliebige Leute, ohne vorher ihre Befähigung zu prüfen? Scheint so ein Problem von dir zu sein.« Ich legte eine Decke um Tucker und mich, griff nach meinem Eiskaffee und machte es mir auf dem Sofa bequem.

»Stimmt. Du hast völlig recht. In mein Survivalteam kann man nur aufgenommen werden, wenn man vorher ein ausführliches Bewerbungsgespräch absolviert, seine Skills in Sachen Überlebenstraining nachweisen kann und eine gründliche Musterung besteht. Die Leibesvisitation führe ich übrigens höchstpersönlich durch.«

Ich musste lachen. Sehr sogar.

»Okay, also angenommen, ich bestehe deine ganzen Tests, dann würden wir uns wo genau verkriechen? In einer Hütte irgendwo auf dem Land?«, fragte ich amüsiert und trank einen Schluck durch meinen Strohhalm.

»Ja, auf meinem Anwesen im Norden von Minnesota. Dort könnten wir als Selbstversorger ausharren, bis sich die Lage wieder entspannt hat.«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Als Selbstversorger ? Weißt du denn, wie das geht ?«

»Denkst du, ich hab Tucker nur, weil er hübsch aussieht ?«

»Du gehst auf die Jagd? Mit Tucker ?« Ich sah zu ihm hinunter. Brandon hätte immer gern einen Jagdhund gehabt.

Ich hörte es durch das Handy rascheln und Jason schwieg einen Moment lang. »Du hast Post.«

Ein Foto traf ein: Tucker mit Rettungsweste im Bug eines kleinen Fischerboots auf einem See mit Wellengang. Eine Schrotflinte lehnte an der Sitzbank des Boots und hinter Tucker sah man den grauen Himmel mit tief hängenden Wolken.

Jason war auf dem Bild nicht zu sehen, stellte ich enttäuscht fest. Dann ärgerte ich mich über mich selbst. Ich entwickelte in Bezug auf diesen gut aussehenden Kerl geradezu voyeuristische Neigungen!

Es war seltsam, sich wieder von jemandem angezogen zu fühlen – und dann auch noch von jemandem, dem ich noch nie begegnet war. Seit Brandons Tod hatte ich keinen anderen Mann mehr wahrgenommen, weil es sich immer anfühlte wie Fremdgehen.

»Und bereitest du dann auch das Fleisch zu, das du erlegst ?«, wollte ich von ihm wissen.

»Jedenfalls kommt es auf den Teller«, erwiderte er etwas ausweichend.

»Du gibst es deiner Mutter«, witzelte ich trocken.

Er lachte. »Sie ist eine hervorragende Köchin. Es ist kein bisschen ehrenrührig, wenn man es seiner Mutter gibt.«

»Du bist also Jäger. Kennst dich mit Waffen aus. Und hast einen Bunker im Wald. Im Zombiefall dürftest du tatsächlich ganz gute Überlebenschancen haben«, räumte ich ein. »Vielleicht schließe ich mich deinem Team an. Allerdings weiß ich nicht so recht, was ich vom Überwintern im Norden von Minnesota halten soll.«

»Du wirst staunen, wie warm es in der Hütte ist, wenn man den Kamin anheizt. Außerdem könnten wir uns immer noch gegenseitig wärmen.«