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Drei Jahre lang hat das Autorenteam in der Longboard-Szene rechercheriert. Auch viele bekannte Gesichter des Longboardsports kommen zu Wort. Jogi März, Roger Hickey, Jerry Madrid und viele mehr, berichten über die bunte Historie dieses Brettsports. Herausgekommen ist ein über 300 Seiten im DIN A4 Querformat hergestelltes Board mit Geschichten rund um den schönsten Sport der Welt. Im Vintage Style, mit vielen Bildern und Illustrationen versehen, begleiten die Autoren den Brettsport von den Anfängen in Polynesien vor 4000 Jahren, über erste Longboards auf Rädern 1930 und den darauffolgenden Boom in den 60ern des letzten Jahrhunderts – bis hin zum aktuellen Höhepunkt des Sports.
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Seitenzahl: 319
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Ministry of Stoke: The Lost History of Longboarding - deutsche Ausgabe
Erstveröffentlichung 6. März 2016
Alle Rechte am Werk liegen beim Verlag
Ministry of Stoke
Natascha Dänner
Friedhofstraße 80
63263 Neu-Isenburg
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der deutschen Nationalbibliothek erhältlich.
Die verwendeten Bilder sind Eigentum der jeweiligen Fotografen.
Erstauflage
Die gedruckte Version erscheint am 18. März 2016
Copyright 2011 - 2016 Ministry of Stoke
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN 978-3936137231
Ina aohe nalu, a laila
aku i kai, penei e hea ai
Ku mai! Ku mai! Ka nalu
nui mai Kahiki mai
Alo po i pu! Ku mai
ka pohuehue,
Hu! Kai koo loa.
Wenn keine Brandung gibt, lasst uns die See
in folgender Weise beschwören:
Wachse, Wachse du große Gischt von Kahiki
Ihr kraftvollen Wellen erwacht mit dem Pohuehue -
Sendet uns eine lang andauernde Brandung
Als wir vor drei Jahren mit den Recherchen für dieses Buch begannen, ahnten wir noch nicht, wie komplex dieses Thema sein würde. Nun haben wir das Projekt abgeschlossen, und wir freuen uns, das Ergebnis zu präsentieren, auch wenn wir uns bewusst sind, dass einige Aussagen und Sichtweisen möglicherweise polarisieren werden. Zugegeben, mit über 300 Seiten im Großformat fällt das Buch aus dem üblichen Rahmen. Wenn ihr allerdings die kleinen Geschichten rund um den Sport lest, dann werdet ihr feststellen, wie facettenreich dessen Geschichte ist. Und es wird ersichtlich, dass selbst ein 600 Seiten dickes Buch nicht ausgereicht hätte, um alles zu dokumentieren. Illustriert haben wir das Buch an den Stellen, an denen es keine Bilddokumente mehr gab. Ansonsten haben wir die Originalfotos der Protagonisten und Zeitzeugen abgebildet. Da niemand besser weiß, was in all der Zeit passiert ist, haben wir diese – wenn möglich – selbst zu Wort kommen lassen. Auf den ersten Blick könnte man auch meinen, der Sport wäre noch zu jung, um daraus so ein dickes Buch zu machen. Doch die Ursprünge liegen viel weiter zurück, als viele annehmen, und die Entwicklung des Longboardens, wie wir es heutzutage kennen und lieben, beinhaltet etliche interessante Irrungen und Wirrungen.
Dieser geschichtliche Hintergrund macht einen Teil der Faszination dieses Sports aus. Faszinierend ist auch der sogenannte Flow, von dem beim Longboarden oft die Rede ist und der sich bei unterschiedlichen Situationen und Geschwindigkeiten einstellt – sei es beim Bomben ins Tal, beim Cruisen in der Stadt oder beim Dancen und Freestylen auf dem Parkplatz des Supermarktes um die Ecke. Die Empfindungen auf dem Board sind immer wieder anders, und während man täglich neue Dinge auf dem Brett lernen kann, lernt man – mit etwas Glück – auch neue Dinge an sich kennen. Ein Longboard ist nicht einfach nur ein Longboard. Es spricht mit uns, wenn wir genau zuhören, und es löst vieles in uns aus: Glück, Wut und Schmerz. Unser Anspruch ist es, den Flow, das Glück und die Schmerzen zu schildern.
Bei einigen Kapiteln standen Artikel aus dem einzigen deutschsprachigen Fachmagazin, dem 40inch Longboardmagazin, Pate. Viele der Magazinausgaben sind ausverkauft und nur noch in digitaler Form verfügbar. Wir möchten euch jedoch manche Geschichten aus den älteren Ausgaben nicht vorenthalten. Ein dickes Dankeschön für sein großes Engagement geht an Jogi März, dessen Vita eng mit dem Longboardsport verknüpft ist und der nach wie vor einer der Eckpfeiler der deutschen Longboardszene ist. Er hat uns viele Hintergrundinformationen geliefert und einige sehr interessante Anekdoten für das Buch zusammengestellt. Dank schulden wir auch Michael Brooke, der in seinem Buch The Concrete Wave aus dem Jahre 2000 die Geschichte des Skateboardens beschreibt und uns mit seinem Wissen zur Seite stand. Bedanken wollen wir uns auch bei Oliver Spies und Torsten Fuchs, die mit ihren Ideen zu Design, Mode und Musik der letzten 50 Jahre die bis dahin unvollständigen Kapitel um ihre Sichtweise auf das Longboard ergänzten. Und natürlich gilt unser Dank Dirk Ladwig fürs Lesen aller Kapitel.
Beginnen wir nun mit unserer Reise durch die Zeit genau … HIER. Wie weit reisen wir in der Zeit zurück? So lange, dass es keinerlei überlieferte Aufzeichnungen mehr gibt. Einige mögen jetzt denken: Okay, 1993 war Google noch nicht erfunden – also irgendwo davor. Nein, um die Historie des Longboards zu erkunden, müssen wir noch viel weiter in der Menschheitsgeschichte zurück. Begonnen hat alles zu einer Zeit, als wir Germanen unsere Nachbarn noch mit der Keule durch die Vorgärten jagten...
1.500 Jahre v. Chr. war das Surfen bereits Bestandteil der polynesischen Kultur. Einige Wissenschaftler vertreten die Ansicht, es habe sogar schon 4.000 v. Chr. viele Menschen in Polynesien gegeben, die dort gelebt und gesurft hätten. Die Mutter aller Brettsportarten, das Surfen, wie wir es heute kennen, unterschied sich noch beträchtlich vom Surfen der damaligen Zeit. Die Polynesier spielten in den Wellen mit Reisigbündeln, Baumstämmen oder Kanuspitzen und ließen sich damit im Wellengang treiben. Diese Art des Wellenreitens dürfte eher dem Bodyboarden entsprochen haben. Durch das rasche Bevölkerungswachstum im Zentrum Polynesiens, dem Bereich um die Marquesas-Inseln, kam es binnen kürzester Zeit zu Konflikten um den Lebensraum, der immer knapper wurde. Die Polynesier mussten sich zwangsläufig in alle Richtungen ausbreiten. Die Osterinseln beispielsweise wurden 300 n. Chr. besiedelt. Die Expansion des polynesischen Kulturraums umfasste bald einen Bereich, der sich bis nach Neuseeland erstreckte. Die für den Boardsport relevanteste Besiedlung war sicherlich die der hawaiianischen Inseln; das geschah etwa knapp 100 Jahre, nachdem die Osterinseln besiedelt wurden. Das Surfen entwickelte sich auch auf Tahiti weiter – bis zu dem Punkt, an dem die Surfer sogar auf ihren Brettern standen. Doch die Entwicklung zum Nationalsport, das Brettbauen und die Surftechniken stammen weitgehend aus Hawaii.
Die Bedeutung Hawaiis für den Brettsport lässt sich auch an der Vielzahl von Firmen ablesen, die sich und ihre Produkte nach bekannten Orten der Inselgruppe benannt haben. Hawailoa – der größte Seefahrer Polynesiens und Namensgeber der Inseln – hätte sich wohl über die weltweiten Auswirkungen, die seine Entdeckung der Inseln nach sich gezogen hat, gefreut. Es dauerte bis zum Jahre 1778, bis die westliche Kultur das Surfen zum ersten Mal wahrnahm. Der Brite James Cook, der Hawaii für den Westen entdeckte, notierte in seinem Tagebuch:
„ ... sie schienen großes Vergnügen an der Bewegung zu haben.“
Gemeint waren die Ureinwohner, die in den Wellen stehend auf ihren Brettern ritten. Wenngleich Cook kritisch anfügte, dass diese das nackt täten. Das „Hee nalu“, so der hawaiianische Begriff für das Surfen, war zu diesem Zeitpunkt auf den Inseln zur Sportart der Könige gereift. Für „Normalsterbliche“, die nicht der Königsfamilie angehörten, bedeutete es, bestimmte Wellen nicht surfen zu dürfen. James Cook überlebte seine Entdeckung nicht sehr lange. Nach Streitigkeiten mit den Ureinwohnern starb er einen grausamen Tod. Nur seinem Nachfolger Charles Clerke ist es zu verdanken, dass die Leiche von James Cook zumindest in Stücken beerdigt werden konnte. Es galt nämlich auf Hawaii als Tradition, im Kampf geschlagene Häuptlinge – und als solcher galt Cook – an verschiedene Familen auf den Inseln aufzuteilen.
Traditionen – nicht nur blutrünstige – hatten auf den Inseln einen hohen Stellenwert, und der Bruch mit einigen dieser Traditionen führte zu Verboten und Bestrafungen und später schließlich zum Surfboom. Eine wichtige Tradition war beispielsweise das Kapu oder auch Tapu. Die westliche Gesellschaft kennt dieses Wort unter der Aussprache Taboo oder dem deutschen Tabu. Es bezeichnet etwas Unantastbares, Unverletzliches oder Geheiligtes. Eine genaue Definition dafür gab es nicht; demzufolge können es auch Dinge oder Örtlichkeiten gewesen sein. Normalerweise diente das Kapu dazu, Ressourcen oder Rechte zu schützen. Bevor die Europäer nach Hawaii kamen, gab es beispielsweise ein Kapu für den Fischfang, also eine Art Begrenzung, um eine Überfischung zu verhindern – eine Idee, mit der sich westliche Politiker leider erst viel zu spät befasst haben. Und besagtes Kapu galt auch für das Surfen. Denn nur mit der Aussprache des Kapu wurden die Surfspots der Königsfamilie geschützt. Mit ihren „olos“, die sie selbst aus der Koa-Akazie oder Hölzern des Wiliwili Baums bauten, ritten die Mitglieder der Königsfamilie auf den Wellen. Es durften nur bestimmte Sorten Holz verwendet werden, und es entstanden eigene Gesänge und Gebete rund um das Wellenreiten. Dem Volk waren die kleineren Boards, die „alaias“, vorbehalten. Die „olos“ waren bis zu sieben Meter lang und beinahe 100 Kilogramm schwer. 1819, drei Jahre vor dem Eintreffen der westlichen Missionare, starb King Kamehameha I, der letzte große König Hawaiis und ein Ausnahmesurfer. Sein Tod war auch das Ende der Kapu-Tradition, und das Surfen avancierte zu einer Art Volkssport. Denn nun konnte das gemeine Volk auch an den bisher verbotenen Surfspots die Wellen abreiten. Traditionell surften Frauen und Männer zusammen und dies nackt, wie Cook bereits kritisch bemerkt hatte. Führt man sich die puritanischen Auswüchse des 19. Jahrhunderts vor Augen, wird einem klar: Diese Zivilisationen passten nicht zusammen. Fast zwangsläufig beschlossen die Kirchenmänner, diesem Sündenpfuhl den Garaus zu machen. Das Surfen wurde verboten und damit ein großer, wesentlicher Teil der hawaiianischen Kultur. Dies jedoch war, verglichen mit dem, was den Ureinwohnern Hawaiis noch bevorstehen sollte, nur ein kleines Übel.
Innerhalb der nächsten 100 Jahre bis zur Annektierung Hawaiis durch die USA verloren die hawaiianischen Inseln den Großteil ihrer Bewohner durch Seuchen – wie zum Beispiel die Pocken. Von den einstmals 800.000 Einwohnern verblieben nur noch 40.000. Das Verbot des Surfens war in Anbetracht des Aderlasses, dem sich die hawaiianische Kultur ausgesetzt sah, kaum erwähnenswert. 70 Jahre lang wurde es aus den Köpfen der Hawaiianer und den Wellen des Pazifiks verdrängt. Verdrängt, aber nie vergessen; immer gab es eine kleine Gruppe von Surfern, die den Sport ausübten. Doch die Entwicklung des Wellenreitens in Sachen Brettbau und Surftechnik stagnierte auch deshalb, weil die Hawaiianer über keine schriftlichen Aufzeichnungen verfügten und somit nach diesen zwei Generationen einen Teil eben jener Kultur verloren. Die Gründung eines Surfclubs im Jahre 1908 löste schließlich auf Hawaii das Surffieber aus, das wir bis zum heutigen Tage kennen und das letztlich zur Entwicklung des Longboardens maßgeblich beigetragen hat. Duke Kahanamoku, zweifacher Olympiasieger im Schwimmen, haben Surfer in dieser Hinsicht vieles zu verdanken.
Die damaligen Bretter waren finnenlos und schwierig zu beherrschen. Dies hielt Kahanamoku nicht davon ab, das Surfen weltweit bekannt zu machen. Im Alter von 21 Jahren nahm er an einem Schwimmwettkampf im Hafenbecken von Honolulu teil und unterbot den bis dahin bestehenden Weltrekord um 4,6 Sekunden, was im Schwimmsport bekanntermaßen eine halbe Ewigkeit ist. Erst viele Jahre später wurde dieser Rekord auch anerkannt. Bei den Olympischen Spielen 1912 gewann er Gold und unterbot bei den Qualifikationsläufen erneut den Weltrekord. Auch 1920 in Antwerpen gewann er die Goldmedaille. Nach seinem Rücktritt vom Leistungssport nahm er in vielen Ländern der Welt an Schwimmvorführungen teil, und speziell in den USA und Australien sorgten seine zusätzlichen Vorstellungen des Surfsports für Furore. War der Sport bis dato nur auf Hawaii bekannt, lösten seine Vorführungen einen Run auf die Bretter aus. Schon bald experimentierten weltweit Surfer mit anderen Materialien, um leichtere Boards herzustellen und somit auch einen anderen Surfstil zu kreieren. Der Kalifornier Tom Blake tat sich damit in den zwanziger Jahren besonders hervor; berühmt wurde er auch als Erfinder der Finne. Durch die Hohlbauweise seiner Bretter senkte er deren Gewicht auf 30 Kilogramm.
Und Duke? Er wurde zum Vater des modernen Surfens und später zum Sheriff von Honolulu ernannt. 1977 starb er an einem Herzinfarkt. Sein Spitzname war „The Kahuna“. Ein Ausdruck, der auch viel im esoterischen Bereich verwendet wird. Kahuna bedeutete im Hinblick auf Duke, dass er als Hohepriester des Surfens galt. Auch hier adaptierte eine Firma aus den Vereinigten Staaten den Namen und nannte sich „Kahuna Creations“, um unter diesem Namen Paddel fürs Longboarden im Skatebereich zu vertreiben. Viel stolzer hätte es Duke Kahanamoku sicher gemacht, dass Quentin Tarantino den Namen eines Burgers, einer fiktiven Burgerkette im Film „Pulp Fiction“, nach Dukes Spitznamen benannte. Dieser Big Kahuna Burger hätte wohl auch Duke geschmeckt.
In den 50er Jahren und 60er Jahren wurde das Surfen populärer denn je. Von Hawaii über Kalifornien schwappte es bis an die französische Atlantikküste. Hier trafen sich in dieser Zeit alle, die Gefallen am neuen Sport fanden. Die Insel Sylt kann in Deutschland als Geburtsstätte des deutschen Surfens bezeichnet werden. Die Sylter Rettungsschwimmer, die auf den ihren Rettungsbrettern surften, waren buchstäblich die Vorreiter. Viele der Insulaner zog es nach Biarritz, um von dort spezielle Wellenreitboards mitzubringen und damit den Surfboom in deutsche Gefilde zu importieren. Bis zum heutigen Tag stehen die Namen Dieter Behrens, Uwe Draht und Walter Viereck für die Anfänge des Wellenreitens in Deutschland. Einer ihrer Ziehsöhne war Jürgen Hönscheid, der es sogar zum Windsurfprofi brachte und den erst eine schwere Halswirbelverletzung auf dem Weg zum Weltmeistertitel stoppen konnte. Wie eng das Surfen und das Longboarden miteinander verwoben sind, sieht man daran, dass beispielsweise Jürgens Tochter, Sonni, für die deutsche Longboardfirma „Jucker Hawaii“ ein Brett gestaltet hat.
Parallel zu den Entwicklungen in Europa startete das Surfen in Kalifornien, Hawaii und Australien voll durch. Dafür gab es mehrere Auslöser. Zum einen war es der Film „Gidget“, der zum Teil auf wahren Begebenheiten basierte. Friedrich Kohner schrieb den Roman 1957, in dem er die Erlebnisse seiner Tochter Kathy in der Surferszene an den Stränden Malibus verarbeitete. Kommerziell ein Flop und auch vom Drehbuch her eher naiv gehalten, infizierte „Gidget“ tausende von angehenden Wellenreitern und sorgte für volle Surfspots in ganz Kalifornien. Der Film „The Endless Summer“ war dann der erste ernstzunehmende Surffilm und spiegelte den Geist der ersten Surfreisenden wider. Er zeigte, worum es beim Surfen geht: den Einklang mit der Natur und den Spaß am Wellenreiten ...
Auch musikalisch brach die Surfkultur zu neuen Ufern auf. Die Beach Boys landeten mit „Surfin’ USA“ Chartplatzierungen und wurden zum Synonym für Surfmusik. Die Band wurde allerdings belächelt und von der wachsenden Surfszene nie wirklich ernst genommen. Ganz anders war die Reaktion auf den Sound von Dick Dale. Die Klänge seiner Gitarre schienen die Wellenreiter zu elektrisieren. Binnen kürzester Zeit avancierte die Musik von Dick Dale zum Soundtrack des Surfens. Es fanden erste Surfcontests statt, und die wachsende Schar von Surfern spaltete sich in wettkampforientierte Surfer mit immer radikaleren Surfstyles und in sogenannte Soulsurfer, denen es in erster Linie ums Surfen an sich und den Einklang mit der Natur ging. Diese wiederum waren von der Flower Power Generation beeinflusst und gelten wohl heute noch als Vorbilder, an denen sich viele Surfer orientieren. Die Surfer in den 60er Jahren hatten anfänglich in den USA nicht den Status von Sportlern, die in den Wellen spielten. Gesellschaftlich gesehen waren sie „Penner“ oder „Stromer“, die einen schlechten Einfluss auf die Jugend ausübten. Dieser rebellische Einschlag wurde gepflegt und zum Teil der Jugendkultur. Hier gab es dann Parallelen zum aufkommenden Skateboom, der in einem anderen Kapitel des Buches ausführlicher beschrieben wird. Aber das Surfen hat auch noch eine weitere Szene zu bieten: das Big-Wave-Surfen! Es hat seinen Ursprung auf Hawaii. Anfang der 60er Jahre flüchtete eine kleine Gruppe von Surfern vor den überfüllten Spots Kaliforniens, um auf Hawaii ihr Glück zu finden und den sagenhaften Spot Jaws zu surfen. Ihr Lebensinhalt war das Surfen und die Suche nach der perfekten Riesenwelle. Sie jobbten auf den umliegenden Plantagen, um zu überleben, und schliefen am Strand. Ein weiterer Grundstein zur Legendenbildung war gelegt. Der Surfer wurde zum glücklichen Tramp stilisiert. Und das Big-Wave-Surfen wurde zum Adrenalinkick für eine kleine Gruppe von Surfern. Der deutsche Sebastian Steudtner aus Esslingen ist der wohl einzige deutsche Wellenreiter, dem es gelang, international Aufsehen zu erregen und den XXL Big Wave Award zweimal zu gewinnen.
So entwickelte sich die Sportart vom ausgefallenen Trendsport zum Lebensstil, bei dem Unabhängigkeit, Freiheit und Naturverbundenheit im Vordergrund standen. Wettkampfsurfer wie der elfmalige Weltmeister Kelly Slater sind Weltstars geworden, und einige wenige Surfer verdienen mit Sponsorenverträgen und Siegprämien sechsstellige Summen.Wellenreiten ist der wohl erste Trendsport der Geschichte und die Mutter aller nachfolgenden Boardsportarten. Das Snowboarden, Longboarden, Wakeboarden und einige andere Brettsportarten sind artverwandt, und sehr viele Slangausdrücke aus dem Surfbereich sind in die Entstehung anderer Sportarten eingeflossen.
Henne oder Ei? Was war zuerst da?
Es ist schwer, den Unterschied zwischen einem Longboard und einem Skateboard zu bestimmen; es hängt von der Sichtweise ab:
Ist das Longboard ein großes Skateboard mit großen Rollen? Ist das Skateboard ein kleines Longboard mit kleinen Rollen? Je nach Tagesform gibt es dazu unterschiedliche Aussagen zu hören oder schlichtweg die unumstößliche Wahrheit. Wir haben uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Die Überlegungen sind recht theoretisch, aber das Kind sollte beim Namen genannt werden. Ist das Streetskateboarden eine Unterdisziplin des Skateboardens oder Longboardens? Viele sehen das Streetskateboarden sogar als eigenen Sport an. Ganz gleich, welche Aussage wir in diesem Buch treffen, wir können nur daneben lieben – das liegt in der Natur der Sache: der Perspektive und der Präferenz. Trotzdem versuchen wir die grundlegenden Unterschiede zu definieren. Ein Blick in die entsprechende Geschichte lässt erkennen, dass jede der jeweiligen Szenen ihren Ursprung im Surfen der 60er Jahre vermutet. Und beide Szenen berufen sich darauf, Mitte der 60er Jahre erstmals groß in Erscheinung getreten zu sein. Dabei bezieht man sich jeweils auf die gleichen Entwickler und Konstrukteure. Bis weit in die 80er Jahre war das Rollbrett vom Shape her etwas, was als typisches Longboard bezeichnet werden kann. Würde man einem heutigen Streetskateboarder ein Board aus der Zeit zwischen 1960 und 1985 zeigen, würde er dieses wohl als Longboard oder Minicruiser bezeichnen – kaum aber als Skateboard. Dennoch berufen sich Streetskateboarder darauf, ihre Wurzeln bei den legendären Z-Boys zu haben, obwohl diese unwiderlegbar eine Art Longboards gefahren sind.
Eine grundlegende Änderung des Shapes der 60er und der Fahrweise kam mit der Erfindung des Kicktails durch Larry Stevenson Anfang der 70er auf. Als typisches Beispiel können hier eben die Boards der legendären Z-Boys gelten. So unterschieden sich die Brettformen wenig von den im Umlauf befindlichen Shapes, die in Richtung Cruiser gingen. Nachdem Jerry Madrid 1984 die „upturned nose“ entwickelte, also die Aufbiegung des Boards im vorderen Bereich, war das erfunden, was wir gemeinhin als Streetskateboard kennen. Die progressiven Brettformen, die das moderne Streetskateboarden begründen, kamen somit erst mit der Kombination der Erfindungen von Stevenson und Madrid auf. Nimmt man nun also die grundlegenden Formen der Boards als Maßstab, dann dürfte darüber Einigkeit herrschen, dass die Geschichte zwischen 1960 und etwa 1985 bis zur Entwicklung der aufgebogenen Nose dieselbe war. Bis dahin war, mit wenigen Ausnahmen, das Rollbrett fahren fast identisch. Erst mit Beginn der 80er wurden die Rollen kleiner und härter. Mit der neuen Brettform entstanden neue Tricks. Der Freestyle der 60er Jahre hat sich bis heute jedoch kaum grundlegend verändert und dürfte im Vergleich dem heutigen Dancen ähneln oder entsprechen. Slalom und Downhill haben sich von der Idee her nicht verändert. Selbstverständlich haben sich Style und Boards weiterentwickelt. Diese Disziplinen werden heute dem Longboarden zugeordnet. Das gilt auch für das klassische Cruisen und einige andere Arten des Rollens.Das Streetskateboarden mit den klassischen Skateboardbrettformen wurde erst Mitte der 80er populär. Während beim Streetskateboard die Form des Boards in den letzten 30 Jahren keine großen Innovationen erfahren hat, haben sich die Boards in vielen anderen Bereichen permanent weiterentwickelt.
Das lässt den Schluss zu, dass beim Streetskateboarden auch keinerlei Veränderungen mehr nötig sind. Oder schwingt hier ein gewisser Dogmatismus mit? Wohl kaum, denn für diese Art des Skatens benötig man eben jene Spezifikationen, die ein Streetdeck bietet. Das gilt natürlich auch für Achsen, Griptape, Rollen und das Zubehör. Man kann nicht von Stagnation reden, aber große Innovationen sucht man beim Streetskaten vergeblich. Und die anderen Disziplinen? Beinahe wöchentlich werden neue Patente für Achsen oder Brettformen angemeldet. Aber bestimmt gibt es noch weitere Unterschiede, die Klarheit verschaffen.
Vielleicht hilft uns ein Blick auf die Rollen und Achsen. Die Größen dieser Rollen variieren je nach Anwendungszweck und Disziplin in Härte und Größe. Gemeinhin sind Longboardrollen ab einer Größe von 65mm als Longboard-oder Cruiserrolle definiert. Eine Grenze im Gesamtdurchmesser gibt es nicht, wobei die derzeit wohl größte Rolle von Donkboardz hergestellt wird. Diese Monster dürften mit ihren 150mm Durchmesser alles andere im wahrsten Sinne des Wortes in den Schatten stellen – nebenbei bemerkt auch im Hinblick auf den Preis von stolzen 199 Dollar. Die Härte der Longboardwheels wird in Durometern gemessen. Sie beginnt bei etwa 73a, der wohl weichsten Polyurethanmischung, und endet im normalen Longboardbereich bei circa 90a. Skateboardrollen sind eher im Durchmesser von 48mm bis 60mm angesiedelt. Die Härten der Streetskaterollen variieren ebenfalls, wenn auch im wesentlich höheren Durometerbereich. Der Standard für Skateboardrollen dürfte zwischen 95a und 103a liegen.Verwirrenderweise wird eine zweite Einteilung der Härteangabe als Maßstab genutzt. Die B-Skala ist recht einfach umzurechnen. Es genügt, 20 Punkte zu addieren, um das korrekte Ergebnis für die A-Skala zu erhalten. Umgerechnet liegt also die Härte einer Rolle, die mit 83b beziffert wird, bei 103a. Auch der sogenannte Contact patch, die Auflagefläche der Rolle auf der Straße, ist mit denen von Longboardrollen nicht zu vergleichen. Dieser liegt bei Longboardrollen zwischen 35mm und 80mm, bei den Streetskateboardrollen in der Regel unter den genannten 35mm.
Verbleibt noch die Frage nach den Achsen. Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen Traditional Kingpin (TKP) – laufend entwickelt seit 1947 – und der Reverse Kingpin Achse (RKP) – entwickelt seit 1978. Die TKP findet sich meist unter Streetskateboards, während die RKP in der Regel bei Longboards verwendet wird. Aber keine Regel ohne Ausnahme, denn die TKP wird auch unter Longboards genutzt und ist von Beginn an die Achse gewesen, die das Skaten geprägt hat. Der Longboardboom der letzten Jahre hat vermehrt dazu geführt, eine Art Streetskateboarddeck mit einem Longboardsetup zu bestücken.
Nimmt man all diese Fakten als Maßstab, präsentiert sich folgendes Bild: Die Form des Streetskateboards, wie wir es nun kennen, wird im Skatepark oder für das „Streetskateboarden“ eingesetzt. In erster Linie werden damit Tricks durchgeführt, die so zahlreich sind, dass eine Aufzählung den Rahmen sprengen würde, und die permanent weiterentwickelt werden. Alle anderen Formen des Rollbrettes könnte man somit als Longboard bezeichnen. Die Begrifflichkeit Skaten gilt jedoch für beide Arten des Rollbrettes. So sind dann auch die Erlebnisberichte der verschiedenen Autoren im Buch gemischt. Einige reden von Skateboards, andere von Longboards. Sie meinen komplett unterschiedliche Brettformen – oder auch nicht. Klar differenziert, aber gleicher Sport. Alles unklar?
Photos: Dick Gustafson
Über die Entstehungsgeschichte des Longboardens gibt es einige Theorien. Die meisten besagen: Longboarden sei ein Ableger des Skateboardens, und das wiederum habe seine Wurzeln im Surfen. Die Wahrheit ist ein wenig komplizierter: Unsere Version der Geschichte ist wahr, mit Fakten belegt, und sie macht auch verständlich, wieso Longboarden und Skateboarden als zwei unterschiedliche Sportarten wahrgenommen werden, obwohl die Basis die gleiche war und ist. Aus diesem Grund nutzen wir beide Begriffe abwechselnd.
Wann immer das Thema Rollbrett aufkommt, werden die Dogtown Boys als Referenz genannt. Aber bereits eine Dekade vor den Jungs aus Kaliforniern gab es einen gewaltigen Boom, der ebenfalls seinen Ursprung im Sonnenstaat hatte. Ganz gleich, mit welchem Boardhersteller wir uns unterhielten, die eigenen Erinnerungen reichten immer nur bis in die frühen 70er Jahre zurück – bis in eben jene Zeit, als die Dogtown Boys dem Sport zu enormer Populariät verhalfen. Es ist, als gäbe es von der Zeit der 60er Jahre oder den Jahren davor keine oder nur unzureichende Aufzeichnungen. Daher beschlossen wir, uns auf eine Reise in diese Zeit zu begeben, in der die Beach Boys und Dick Dale angesagt waren und der Surfboom begann. 1957 wurde mit dem „Bun Board“ von Alf Jensen das erste kommerzielle Rollbrett hergestellt. Die Anzahl der verkauften Bretter war überschaubar, und die auf diesem Board montierten Metallrollen setzten sich bekanntlich nie durch. Das Brett diente als Vorbild für das erste Skateboard, das die kalifornische Firma Roller Derby Skate 1959 in großen Stückzahlen produzierte: das Modell
„Skate Board“!
Val Surf, ein kleiner Shop in Kalifornien, verkaufte 1962 dann erstmals Boards mit Rollen, die speziell für Rollbretter konzipiert waren. Der Inhaber, Bill Richards, machte einen Deal mit der Chicago Roller Skate Company, und diese produzierten für ihn spezielle Rollen. Bei den Recherchen dazu sprang uns ein Eintrag in einem Blog im Internet ins Auge. Dort wurde berichtet, dass ein gewisser Larry Stevenson im Alter von 81 Jahren gestorben war. Stevenson war der Gründer der ersten wirklich erfolreichen Skate- beziehungsweise Longboardmarke, Makaha Skateboards. 1963 gründete er sein Unternehmen im Alter von 32 Jahren. Bei der Suche nach Wurzeln des Rollbretts kommt man an seiner Person nicht vorbei, und sein Werdegang und seine Famile werden uns ein Stück des Weges durch die Historie des Longboardens begleiten. Denn Makaha steht auch für das Auf und Ab einer Industrie, die seit über 50 Jahren zwischen den Extremen hin-und herpendelt.
Bei dem Versuch, an Informationen über Larry Stevenson zu gelangen, landeten wir zwangsläufig bei seinem Sohn, Curt. Er erzählte uns von seiner Kindheit und auch von den Anfängen des Skatebooms. Curt wurde 1965 geboren und ist somit natürlich kein direkter Zeitzeuge, aber er hat viel mit seinen Eltern über diese Zeit gesprochen. Filmemacher, die mit der Familie Stevenson befreundet sind, haben eine aufwendige Dokumentation über Makaha Skateboards gedreht, die aber leider bis zum heutigen Tage noch nicht in Deutschland veröffentlicht wurde. 1963. Der junge Präsident Kennedy wurde im November in Dallas erschossen. Der Vietnamkrieg stand den Amerikanern noch bevor, und die Gesellschaft befand sich kurz vor dem Umbruch in Richtung „Love and Peace“. Surfer wurden als Landstreicher bezeichnet, und das Longboard war noch nicht erfunden – wirklich nicht?
Curts erste Erinnerungen an seinen Vater und seine Mutter bestehen aus Bildern: vom Sonnenschein, Meer, Volleyball und Surfen. Larry war damals Rettungsschwimmer in Venice Beach am Breakwater Tower. Diesen Rettungsturm gibt es übrigens noch heute. Hier spielte sich ein Großteil des Lebens der kleinen Familie Stevenson in den 50er und 60er Jahren ab. Freundschaften, die ein Leben lang hielten, wurden geschlossen, und nicht nur nach heutigen Maßstäben war es der gelebte California Dream.Miki Dora, Mike Doyle und Phil Edwards zählten zu den besten Surfern dieser Zeit, und sie waren mit den Stevensons befreundet. An diesem Strand in Venice sah Larry Ende der Fünfziger viele Kids, die mit ihren Rollbrettern – meist Eigenbauten mit den berüchtigten Stahlrollen – auf den Wegen herumfuhren. Die Idee, ein Stück Holz auf Räder zu nageln, war nicht neu, wenngleich die Motivation nicht immer so friedlich war, wie am Strand cruisen zu wollen. Hin und wieder wurden in der Vergangenheit solche Konstrukte nämlich in größeren Dimensionen genutzt, um Burgtore zu rammen. Larry war in einer Art Internat aufgewachsen. Er selbst berichtete davon, dass in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts die Kids in diesem Internat eine bestimmte Sorte Scooter fuhren. Er erinnerte sich daran, wie die Kinder Rollschuhräder unter Holzbretter montierten. Ihre improvisierten Lenker verloren diese selbstgebauten Scooter oft relativ schnell, und die Konstruktion bestand dann nur noch aus dem Brett und den Rollen – aus Stahl wohlgemerkt, denn Urethan gab es noch nicht. Die Achsen waren starr; ein Lenken war technisch gesehen also kaum möglich. Den Pionieren des Skateboardens war das egal. Zunächst landete ein Großteil der „kaputten“ Scooter im Müll, da noch niemand das Skateboarden als Trend vorlebte oder überhaupt wahrnahm. Später wurden sogar Scooter entwickelt, bei denen der Lenker abmontiert werden konnte.
Zwei Jahrzehnte nach seiner Internatszeit diskutierte Larry oft und viel mit seiner Frau Helen über das Thema Skateboarden und über die technischen Eigenschaften jener Rollbretter „Marke Eigenbau“, die damals die Strandpromenaden Kaliforniens bevölkerten. Den Entschluss, in der eigenen Garage erste Longboards zu bauen, fassten die Beiden dann recht schnell. Der Shape der Bretter entsprach der klassischen Surfbrettform und war inspiriert vom hawaiianischen Wellenreiten, denn Larry war als Wellenreiter natürlich auch von dem Gedanken beseelt, das Surfen auf die Straße zu bringen. Auch die bislang mehr oder weniger in den Kinderschuhen steckende Achsentechnologie wurde überholt und dem Skateboard angepasst. Nun konnte erstmals durch Gewichtsverlagerung gelenkt werden. Die Intention von Larry war weniger, sich in irgendeiner Form als Skater oder Surfer zu profilieren, und schon gar nicht wollte er Teil einer Jugendbewegung sein. Er sah sich mehr als Tüftler und hatte einen Heidenspaß an der Entwicklung. Statt der Stahlrollen kamen nun die sogenannten Claywheels auf – rutschig wie Hartplastik und schnell verschlissen. 1963 gingen die Longboards nach Anfangserfolgen endlich in die industrielle Massenproduktion. Makaha Skateboards nannten die Stevensons ihre Firma, in Anlehnung an den beliebten Surfspot auf Hawaii und die Makaha Surf Championships, die dort traditionell stattfanden. Ansässig in der 26th Street und am Colorado Boulevard in Santa Monica, benannte man eines der ersten Bretter nach Phil Edwards, einem der bekanntesten Surfer dieser Zeit. Was dann geschah, hatte selbst der Jungunternehmer Stevenson nie zu hoffen gewagt. Makahas Umsätze explodierten förmlich und machten Larry und seine kleine Garagenfirma zum ersten großen Hersteller von Longboards.
Beinahe zeitgleich kam die Firma Hobie mit ihrem „Super Surfer Skateboard“ auf den Markt. Beide Bretter waren fast identisch, und Hobie hatte ebenfalls eine Erfolgsgeschichte vorzuweisen. Bekannte Fahrer wie John Freis, Joey Cabell und Pat McGee waren Teil des Hobie Skate Teams, und fast hätte Hobie als erste Firma Polyurethan für ihre Wheels genutzt. Aber der Geschäftspartner, Vita-Pakt (ein Safthersteller), verbot die Nutzung, da ihnen der Preis zu hoch erschien. Hobie ist nach wie vor ein führender Hersteller von Wassersportgeräten. Ein Verweis auf die Pioniertage des Skateboards sucht man in ihrer Internetpräsenz leider vergeblich, aber ihre Bretter werden in den Online-Auktionshäusern noch immer gehandelt. Hobies Geschichte wird in einem anderen Kapitel ausführlicher beleuchtet. Auch Gordon & Smith Surfboards konstruierten ein eigenes Board: Das erste Fibreflex Skateboard, das mit einer Lage Fiberglas versehen war. Einige Quellen nennen auch Hobie als ersten Hersteller, der damit arbeitete, was aber nicht belegbar ist. Makaha war der erste Massenproduzent von Skateboards und zugleich auch die erste Firma, die professionell Skateveranstaltungen durchführte.In Hermosa Beach wurde 1963 das erste große Skate-Event abgehalten. Mehr als 100 Fahrer nahmen teil, und Makaha war Organisator und Sponsor der Veranstaltung. Die Teamfahrer von Makaha waren kleine Berühmtheiten, weil auch die Surfstars dieser Zeit sich auf die Bretter stürzten. Larry sah das alles mit Freude, wenngleich er es auch auf großen Events bevorzugte, sich im Hintergrund zu halten. Die große Party sollten die Anderen feiern; Larry ging vorzugsweise schwimmen. Während der von ihm organisierten Surf Fair in Santa Monica gelang es ihm sogar, die Beach Boys auftreten zu lassen, die zu dieser Zeit absolute Superstars waren.
Der Zeitgeist der 60er war immer noch auf gute Manieren getrimmt, und Larry war ein sehr respektvoller Mann, der von sich selbst und seinem Skateteam ein entsprechendes Auftreten verlangte. Seine Einstellung kam beispielsweise in dem berühmten Foto zum Ausdruck, auf dem Larry mit seiner neuesten Produktpalette knieend zu sehen ist. Larrys Anzug auf diesem Bild war keine Show; er gehörte seiner Meinung nach einfach zu einem korrekten Auftreten. Heutzutage wäre das fast schon wieder ein „Skandal“. Aber das ist ein anderes Thema und sollte durch Tony Alva und Co. zehn Jahre später in die bis heute prägende Richtung ausgestaltet werden.
Wie sahen die Makaha Boards der ersten Stunde aus? Sie waren verglichen mit heutigen Produktionen, eher schlicht und klassisch. Heutzutage können die Motive bekanntlich nicht bunt genug sein; damals war es das klassische Design der hawaiianischen Surfboards: schlichte Holzoptik mit entsprechendem Makaha Logo. Moderne Shapes und Formen wie Concave oder das Kicktail waren noch nicht erfunden. Das minderte Larrys Erfolg jedoch in keinster Weise. Ein wesentliches Marketinginstrument war der Surf Guide, ein von Larry seit 1961 herausgegebenes Surfmagazin, das mit Anzeigen und Berichten über diese neue aufkommende Sportart strotzte und das in erster Linie Makaha-Produkte bewarb. Es gibt Quellen, die besagen, Makaha habe bis Ende 1965 vier Millionen Dollar umgesetzt.Den Berechnungen, die uns vorliegen, entsprach dieser Dollarbetrag einer aktuellen Geldwertsumme von etwa 30 Millionen Dollar oder 26 Millionen Euro – und das bei einem Verkaufspreis von 12,95 Dollar pro Stück. Der Händlereinkauf lag bei 7,77 Dollar. Umgerechnet macht das um die 300.000 Boards, die in knapp zwei Jahren, im Zeitraum von 1963 bis 1965, verkauft wurden. All das erinnert stark an Erfolgsgeschichten von Firmen wie Apple, Google oder Ebay. Mit dem großen Unterschied, dass für die Vermarktung keine Kanäle wie das Internet verfügbar waren. Bestellungen wurden noch per Post getätigt oder einfach in Briefumschlägen bei Larry vor die Haustür gelegt. Viele werden sich nun mit Recht fragen, wie ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen einfach von der Bildfläche verschwinden konnte, obwohl es eines der innovativsten und erfolgreichsten Trendsportunternehmen der 60er Jahre war. Doch genau das geschah in den Jahren 1965/66. Vom einen auf den anderen Tag war Makaha nicht mehr da, und Makaha Skateboards wurden kaum noch verkauft. Um die Auflösungserscheinungen der Marke nachzuvollziehen muss man zunächst einmal die Gesellschaftsstruktur der USA in den 60er Jahren verstehen. Zum damaligen Zeitpunkt galten Surfer als „Penner“, „Gammler“ und wurden als Abschaum der Gesellschaft betrachtet. Die Flowerpower-Generation mit ihrem Hippietum tat ihr Übriges, um die Jugend in einem ungünstigen Licht erscheinen zu lassen – gemessen natürlich an dem, was das Establishment vorgab und für gut und richtig hielt. Drogen, Kriminalität und viele Probleme mit Jugendlichen dieser Zeit wurden mit der neuen Sportart in Verbindung gebracht. Für den Otto-Normal-Verbraucher gingen Skaten und Surfen Hand in Hand. Und ein Blick auf die Szenen bestätigt das.
Im Jahre 1965 war es die passende Schaufel zum Ausheben des Grabes von Makaha und der gesamten Skateboardbranche, denn eine Lobby gab es nicht. Der fehlende Rückhalt in der Gesellschaft und ein weiterer gewichtiger Faktor sorgten schließlich für den zwischenzeitlichen Niedergang des Sports. Dieser Faktor war die Gier nach mehr Umsatz und mehr Gewinn.Hier hat sich die Wirtschaft wohl bis heute nicht geändert, denn plötzlich boomte die Skatebranche generell. Die Expansion und die gigantischen Umsätze von Makaha blieben Anderen nicht verborgen. Es waren keine ausgesprochenen Skateboardkenner, die meinten, nun ebenfalls in der Branche Fuß fassen zu wollen. Billige Kopien von Makahaboards oder Hobie wurden angefertigt und in Südostasien in Auftrag gegeben. Sicherheitsstandards oder Materialprüfungen gab es nicht. Die Masse von Käufern wollte bedient und die Bankkonten mussten gefüllt werden. Also schaute man weniger auf die Qualität und mehr auf die Quantität. Das Ergebnis war eine Schwemme von schlechten Brettern, die plötzlich in den USA auftauchten, vor allen Dingen in den Kaufhäusern. Makaha wurde von dem Phänomen zunächst nicht sehr stark getroffen, denn als Marke mit hohen Qualitätsstandards stand Makaha auch für „Made in USA“. Die Teamfahrer der Marke waren bekannte Surfer und somit fast über jede Kritik erhaben. Die Kunden blieben ihnen und der Marke zunächst treu. Doch es dauerte nicht lange, und Unfälle überschatteten die heile Skatewelt. Die Rollen, Achsen und Decks der billigen Kaufhausprodukte hielten den Belastungen nicht lange stand. Selbst mit den Makaha Boards – bestückt mit rutschigen Claywheels – war es schon problematisch, bei hohen Geschwindigkeiten zu reagieren; mit den Kaufhausboards war es unmöglich. Es kam, wie es kommen musste: Die American Medical Association brandmarkte das Skateboard als „medizinische Bedrohung“.
Und als Krönung dieser Kampagne drängten führende „Sicherheitsexperten“ Shops dazu, keine Skateboards mehr zu verkaufen. Die praktische Lösung sah so aus: Polizeibeamte gingen in die Shops vor Ort, wiesen dort auf die Gefahren hin und legten den Inhabern nahe, den Verkauf einzustellen. Ausschlaggebend war ein Artikel im "Life Magazin". Dort wurde Skaten beschrieben als „Rückwärtslaufen auf einer Treppe, die mit Bananenschalen belegt sei“. So plötzlich es aufgetaucht war, so rasch verschwand das Skateboard aus den Augen der Öffentlichkeit. Was stark verwundert, denn mit über 50 Millionen verkaufen Brettern insgesamt war das Skateboard neben dem Ball das meist verkaufte Spielzeug. Und obwohl Makaha nur einen Bruchteil hiervon verkaufte, traf Stevenson die Kampagne in den Medien besonders hart. Stevenson berichtete aus dieser Zeit von tausenden Bestellungen am Tag, von denen 75.000 ohne Angabe von Gründen am Folgetag einfach storniert wurden. Keine Firma würde das auch nur ansatzweise lange aushalten. Erschwerend kam hinzu, dass es keine Nachbestellungen mehr gab und sich die Lagerbestände in den Kaufhäusern und Shops stapelten. Die Folge waren tonnenweise unbezahlte Rohware und große finanzielle Verluste. Schon im Laufe des Jahres 1966 war Larry gezwungen, seine Fabrik zu schließen. Das Skateboard verschwand aus der Öffentlichkeit. Larry Stevenson kehrte zurück auf seinen Rettungsschwimmerposten auf dem Breakwater Tower. Im Stillen gab er seine Idee des Skateboards aber nie auf.
Es beherrschte sein Denken und Handeln sogar so sehr, dass es zur Scheidung mit Helen kam. Sein Sohn berichtete uns, dass Larry auch in der Zeit, als Makaha ruhte, im Hintergrund an Innovationen bastelte. Während die Wirtschaft keinen Gedanken mehr an Skateboards verschwendete, arbeitete Larry an einem Entwurf für ein neues Deck, das die gesamte Industrie erneut auf den Kopf stellten würde und das Skateboarden für alle Zeit neu definierte. 1970 war das Skateboarden noch weit entfernt von dem, was wir als Streetskateboarden oder auch radikalen Downhill bezeichnen würden. Es war eine Mischung aus Cruisen und Freestyle beziehungsweise Dancen. Amüsant ist es, alte Videos aus dieser Zeit zu betrachten. Die Tricks erinnern beinahe ans Eiskunstlaufen. 1969 ließ Larry sich das Kicktail patentieren, was anfänglich aber als Patent abgelehnt wurde; erst 1971 wurde es eingetragen. Die Konkurrenz schlief nicht und kopierte die Idee fleißig. Es gab einige wenige Hersteller, die für die Nutzung des Patents Zahlungen an Makaha leisteten. Das Gros kopierte jedoch einfach die Idee. Somit verlor Makaha durch die Gier von Mitbewerbern erneut eine Menge an Einnahmen. Auch vor Gericht scheiterte Larry Stevenson, denn die Richter meinten, eine solche Erfindung wäre offensichtlich gewesen und würde kein schützenswertes geistiges Gut darstellen. Dabei war das Kicktail die wohl größte Erfindung der Branche und ermöglichte Tricks, die bis dato undenkbar waren, wenngleich auch die ersten Prototypen eher wie eine Möbeltransporthilfe aussahen. Die Begeisterung bei den Kids war anfänglich verhalten; ein paar Radiospots und ein wenig Mundpropaganda ließen dann jedoch alle Dämme brechen und sorgten für den nächsten großen Boom im Skatesport.Das Kicktail ermöglichte den „Ollie“, der aber erst 1978 von Alan Gelfand „erfunden“ wurde. Aber auch ohne „Ollie“ war das Kicktail ein Segensbringer. Um 1970 startete Stevenson erneut die Massenproduktion – jetzt jedoch mit Kicktail und aus einer gegossenen Form. Somit verfügte er über ein Produkt, das den dahinsiechenden Skateboardmarkt auf ein Neues befeuerte.