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Als alleinerziehende Mutter kämpft Lutie Johnson unerschütterlich für ihre eigene Würde und darum, ihren kleinen Sohn Bubb inmitten all der Armut, Gewalt und rassistischen Verachtung, die sie umgibt, zu einem anständigen Menschen heranzuziehen. Schauplatz ist die 116th Street auf der Upper Westside in Manhattan. Keiner entrinnt dieser verkommenen Welt, in der Menschen zwangsläufig roh und stumpf und zu kriminellen Verzweiflungstaten hingerissen werden. Lutie ist entschlossen, den Absprung in ein besseres Leben zu schaffen, doch die Niedertracht der Straße und die Bosheit eines menschenverachtenden Systems stellen sich ihr mit aller Macht in den Weg. Ann Petry besitzt den unverwechselbaren Ton einer überragenden Erzählerin, ihr Stoff hat bis heute nichts von seiner erschütternden Dringlichkeit verloren.
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Seitenzahl: 548
Nagel & Kimche E-Book
Ann Petry
The Street
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Uda Strätling Mit einem Nachwort von Tayari Jones
Für meine MutterBertha James Lane
1
Ein kalter Novemberwind jagte durch die 116th Street. Er rüttelte an Mülltonnendeckeln, saugte Rollos aus halboffenen Fenstern und klatschte sie von außen gegen die Scheiben, und er vertrieb zwischen Seventh und Eighth Avenue fast alle von der Straße, bis auf ein paar gehetzte Passanten, die versuchten, dem wilden Ansturm vornübergebeugt die kleinstmögliche Angriffsfläche zu bieten.
Jeden Schnipsel Papier packte er auf seinem Weg – Theaterzettel, Anzeigen für Tanzveranstaltungen und Logentreffen, das dicke Wachspapier, in das Brotlaibe, und das dünnere, in das Sandwiches gewickelt worden waren, alte Kuverts, Zeitungsseiten. Im Rinnstein grabbelnd, wirbelte der Wind die Fetzen hoch, bis ein wahrer Papierblizzard die wenigen Passanten traf. Der Wind fand sogar Zeit, in Eingänge und Lichthöfe vorzustoßen, Hühner- und Kotelettknochen aufzustöbern und sie im Rinnstein vor sich herzutreiben.
Er tat alles, um die zu entmutigen, die noch unterwegs waren. Er fegte ihnen allen Dreck, Ruß und Staub von den Gehwegen in die Nasen, erschwerte ihnen das Atmen; er pustete ihnen Schmutz in die Augen und nahm ihnen die Sicht, er piekte ihre Haut mit Grus. Er wickelte ihnen Zeitungsseiten um die Beine, sodass die Leute sich verhedderten und fluchten, mit den Füßen stampften und nach dem Papier traten. Der Wind wehte es immer wieder zurück, bis sie sich bücken und mit der Hand befreien mussten. Worauf er sich prompt ihre Hüte schnappte, ihnen die Schals von den Hälsen zerrte, ihnen unter die Mantelkragen fasste, ihnen die Mäntel aufblies und -blähte.
Er hob Lutie Johnson das Haar aus dem Nacken, sodass sie sich dort, wo es noch eben so weich und warm gelegen hatte, plötzlich nackt und kahl vorkam. Sie fröstelte, als ihr der kalte Wind den Hals hinunter und über die Schläfen strich. Er wehte ihr sogar die Wimpern von den Augen; ein kalter Luftschwall erfasste ihre Augäpfel, und sie musste blinzeln, um die Buchstaben auf dem Schild entziffern zu können, das über ihrem Kopf schaukelte.
Immer wenn sie glaubte, es fest im Blick zu haben, klappte der Wind es wieder weg, und sie konnte nicht erkennen, ob da was von drei oder zwei Zimmern stand. Wenn es drei waren, na ja, dann würde sie reingehen und bitten, sie sich ansehen zu dürfen, wenn es nur zwei waren – tja, dann hatte es keinen Zweck. Trotz der Böen, die das Schild wild tanzen ließen, sah sie, dass es wohl schon lange da hing, denn wo Regen und Schnee den ursprünglichen Anstrich über die Jahre bis aufs Eisen heruntergefressen hatten, zogen sich Rostspuren über das Weiß wie Blut.
Es waren drei Zimmer. Einen Augenblick hielt der Wind ihr das Schild hin und riss es gleich wieder hoch, bis es fast waagerecht von der Stange abstand, die es am Gebäude hielt. Sie las schnell. Drei Zimmer, Dampfheizung, Parkettboden, solide Mieter. Günstig.
Sie sah sich die Fassade an. Parkettboden hieß in dieser Gegend, dass die Dielen vergilbt und scheckig waren und dass weder Firnis noch Schellack die Schrammen und Spuren von jahrelang über die Dielen geschobenen Möbeln, von den Einschlägen der Zeit, von Kindern, Säufern und schmutzigen, schlampigen Frauen wettmachen könnten. Dampfheizung hieß, es schepperte und klopfte frühmorgens in den Heizkörpern, und dann zischten sie den lieben langen Tag.
Solide Mieter waren in solchen Häusern, in denen Schwarze wohnen durften, alle, die die Miete aufbringen konnten, also würden manche sauflustig, großmäulig und streitsüchtig sein, zu Stimmungstiefs neigen, heulen und fluchen, und dann wieder zu nicht weniger wilden Höhenflügen. Und weil das Haus sicher dünne Wände hatte, dachte sie, na, da wären die braven und die bösen Leute, die Kinder, die Hunde und der ganze Gestank eben zu einem einzigen wüsten Haufen zusammengepackt, und diesen bunten Haufen nannte man dann solide Mieter.
Der Wind hebelte an ihrer roten Kappe, und wie vor Ärger darüber, dass er sie der Verankerung aus Haarklammern nicht entreißen konnte, blies er Lutie eine Wolke aus Staub, Asche und Papierfetzen ins Gesicht, in Augen und Nase. Er schlug ihr auf die Ohren, verpasste ihr eine letzte, bittere Watsche als Ausdruck seines Unmuts darüber, dass es ihm nicht gelang, sie zu verscheuchen.
Lutie stemmte sich gegen das Wüten, entschlossen, ihre Überlegungen zu der Wohnung zu Ende zu bringen, ehe sie sich zu einer Besichtigung entschloss. Günstig – tja, das konnte alles Mögliche heißen. An der Eighth Avenue hieß es Zinshäuser – schier unbewohnbare Bruchbuden. An der St. Nicholas Avenue hieß es hohe Mieten für kleine Wohnungen, an der Seventh Avenue hieß es riesige Wohnungen, die nur erschwinglich waren, wenn man Untermieter mit hineinnahm. Hier in dieser Straße konnte es alles Mögliche heißen.
Sie drehte sich in den Wind, um die Gegend genauer in Augenschein zu nehmen. Die Häuser waren alt und hatten schmale Fensterschlitze, die Zimmer würden also klein und dunkel sein. Und da die Straße von Ost nach West lief, bekamen die Wohnungen sicher keine Sonne. Nie. Im Sommer brüllheiß und im Winter eiskalt. »Günstig« dürfte sich an dieser dunklen, engen Straße auf rund achtundzwanzig Dollar belaufen, jedenfalls für die obersten Stockwerke.
Die Flure würden dunkel sein, schmal. Dann zuckte sie mit den Schultern, denn wichtiger als dunkle Flure war die Aussicht auf eine eigene Wohnung für sie selbst und Bubb. Worauf es wirklich ankam, war, nicht bei Pop und seinen abgetakelten Frauen bleiben zu müssen. Alles, nur das nicht. Dunkle Flure, ein schmutziges Treppenhaus, sogar Kakerlaken an den Wänden. Alles, alles, alles.
Alles? Na ja, fast alles jedenfalls. Sie wandte sich dem Hauseingang zu, und als sie das tat, hörte sie jemand, Mann oder Frau, sich räuspern. Es war ein so einprägsames Geräusch – zwei Tonlagen, die erste hoch, gefolgt von einem tiefen, grunzenden Atemstoß –, dass es ihr trotz des Windes, der an den Mülltonnen rüttelte und die Vorhänge peitschte, deutlich ans Ohr drang. Als hätte jemand hallo gesagt, und so sah sie hoch zu dem Fenster über ihrem Kopf.
Irgendwo in dem Zimmer, in das sie schaute, brannte Licht, und davor zeichneten sich die Umrisse einer massigen Frau ab. Lutie verengte die Augen, um besser sehen zu können. Die Frau war sehr schwarz, um den Kopf trug sie ein straffgeknotetes Bandana. Zu Luties Verwunderung stand das Fenster offen. Sie staunte, dass die Frau es an einem so kalten, windigen Abend am offenen Fenster aushielt. Dabei hatte sie nicht einmal einen Mantel an, sondern bloß ein loses Baumwollkleid – muss Baumwolle sein, dachte Lutie –, denn es wirkte so unförmig, weit und knittrig.
»Gar nicht übel, die Wohnung, Herzchen. Klingeln Sie beim Hausmeister, der zeigt sie Ihnen.«
Die Stimme klang voll. Wohltönend. Doch je länger Lutie hinsah, desto weniger gefiel ihr die Frau. Nicht weil sie die ganze Zeit dort gesessen und sie beobachtet, ihre Gedanken gelesen und sich in ihren Kopf gedrängelt hatte, das war bloß ärgerlich. Aber verständlich.Wahrscheinlich hatte sie nichts Besseres zu tun; vielleicht war sie krank und hatte keine andere Freude im Leben, als zu verfolgen, was auf der Straße vor ihrem Fenster geschah. Nein, daran lag es nicht. Es waren die Augen der Frau. So reglos und böse wie die einer Schlange. Lutie sah sie ganz deutlich – kalte Augen, die sie fixierten, ihren Körper abtasteten, von Kopf bis Fuß prüften und taxierten.
»Klingeln Sie einfach beim Super, Herzchen«, wiederholte die Frau.
Lutie wandte sich wortlos dem Eingang zu, in Gedanken noch bei den Augen. Sie stieß die Haustür auf, trat ein, blieb stehen und nickte. Der Eingang war dunkel. Eine kümmerliche Glühbirne an der Decke spendete gerade so viel Licht, dass man nicht gleich stolperte – etwa über ein am Fuß der Treppe abgestelltes Klavier? –, dass man wenigstens die Umrisse dessen – eines Elefanten vielleicht? – ausmachen konnte, was ein umtriebiger Mieter von der Straße hereingeschleppt hatte.
Wenn man allerdings einen Penny verlor, dachte sie, müsste man auf Knien herumrutschen und jeden Fingerbreit der rissigen Fliesen einzeln abtasten, wollte man ihn je wiederfinden. Und was den Elefanten oder das Klavier anging, so irrte sie, denn der Flur war weder für den einen noch für das andere breit genug. Die Treppe führte steil nach oben – hohe, dunkle, schmale Stufen. Sie starrte gebannt hin. Wer diese Treppe hinaufstieg, würde oben – ganz oben – wohl eine auf neue Art abgefeimte, sehr vertrackte und ausgefuchste Hölle betreten.
Sie beugte sich vor und studierte die Namen an den Briefkästen. Henry Lincoln Johnson wohnte, genau wie in all den anderen Mietshäusern, die sie sich angesehen hatte, auch hier. Entweder er oder ein Bruder. Weitverzweigt, die Johnsons und Jacksons. Sie schmunzelte. Ich brauch grad reden, dachte sie, ich bin doch selbst weitläufig mit denen verwandt, gehöre selbst zum unüberschaubaren Stamm der Johnsons. Die Namensschilder verrieten, dass die Johnsons wiederum Untermieter hatten – Smith, Roach, Anderson und – sieh an! – sogar einen Rosenberg. Die meisten Namen waren krakelig über die Briefschlitze hingeschmiert, manche Buchstaben groß und fett. Andere waren in Bleistift notiert, und wieder andere ersetzten in holpriger Blockschrift die durchgestrichenen Namen irgendwelcher Vorgänger.
Im Erdgeschoss gab es nur zwei Wohnungen. Und wenn der Superintendent nicht im Keller untergebracht war, na, dann musste er im Erdgeschoss wohnen. Und da stand es ja auch, über der 1A. Nummer 1A war bestimmt die dunkelste, kleinste, am wenigsten vermietbare Wohnung. Und der Vermieter mächtig stolz, dass er seinen Super im Erdgeschoss untergebracht hatte.
Lutie stand da und dachte, dass es doch zu und zu schade war, nicht auch noch die Flure vermieten zu können. Einzelbetten. Nein. Alte Feldbetten würden reichen. Das würde so viel mehr Geld einbringen. Wenn sie Vermieterin wäre, sie würde die Flure vermieten. Und für die Leute im Haus wäre es außerdem viel unterhaltsamer. Mr. Jones und Frau bekämen Pritschen eins und zwei, Jackson und seine kleine Freundin die Nummer drei. Die könnten sie auch noch tagsüber an Rinaldi untervermieten, der nachts Taxi fuhr.
Sie würde reihenweise Feldbetten füllen. Und wenn die Mieter mit eigenen Wohnungen abends spät heimkehrten, kämen sie in den zusätzlichen Genuss, durchzählen zu können. Jackson noch abwesend, seine Freundin zusammengerollt allein auf der Pritsche. Bei genauerem Hinsehen allerdings – denn das dürftige Licht konnte nicht alle Details erhellen – würde sich zeigen, nanu!, wieso war denn Rinaldi zu Hause! Verdammt, der lag doch tatsächlich mit Jacksons Freundin auf Jacksons Feldbett. Kein Wunder, dass die so zufrieden aussah. Und die Mieter mit eigenen Wohnungen würden sich auf der Treppe niederlassen, als wäre der Flur ein Theater und würde die Vorstellung gleich beginnen; sie könnten dort hocken und darauf warten, dass Jackson heimkam, und zusehen, was er tun würde, wenn er seine Freundin mit Rinaldi auf seiner Pritsche fand. Rinaldi würde zu seiner Verteidigung vielleicht vorbringen, er hätte gedacht, zum Schlafen wäre das Feldbett seins; und wenn da eine Decke draufliege, schlafe denn nicht auch er unter der Decke, und wenn da eine Freundin drinliege, solle denn nicht auch er mit der Freundin schlafen?
Aber statt zu lachen, seufzte Lutie. Wenn es im Erdgeschoss nur zwei Wohnungen gab und in der einen wohnte der Super, dann musste in der anderen die Frau mit den Schlangenaugen sein. Sie studierte die Namen an den Briefkästen. Ja. In der 1B wohnte eine Mrs. Hedges. Der Name stand gedruckt auf einer Karte, einer sehr professionell wirkenden Karte. Offenbar eine ungewöhnliche Frau mit ihrem Bandana und ihrer betörenden Stimme. Vielleicht war sie Schlangenbeschwörerin und saß an ihrem Fenster, um die Schlangen zu beschwören, die Wölfe, Bären, Füchse, die durch den Dschungel der 116th Street krochen, streiften und schnürten.
Lutie drückte beim Super die Klingel. Der Ton schrillte bis tief in die Wohnung hinein und wieder heraus in den Hausflur. Prompt schlug wild ein Hund an, und das Bellen wurde lauter, als das Tier heranstürmte. Es rannte mit Wucht gegen die Tür, und Lutie schrak zurück, als es sich wiederholt dagegenwarf. Wieder und wieder, bis die Tür unter dem Ansturm zu beben begann. Dazu kam ein scheußliches Schnobern, weil der Hund versuchte, ihre Witterung aufzunehmen. Um sich gleich darauf erneut gegen das Holz zu werfen. Lutie zog sich bis an die Tür zur Straße zurück und wartete dort, mit der Hand auf dem Knauf. Dann hörte sie schwere Schritte, und ein Mann herrschte den Hund an, also kehrte sie an die Tür der Hausmeisterwohnung zurück.
An dem verschossenen blauen Overall des Mannes, der ihr aufmachte, erkannte sie augenblicklich den Super. Aus der Wohnung schwallte stickig überhitzte Luft in den Hausflur. Sie hörte den Dampf der Heizung leise zischen. Der Hund versuchte, sich am Super vorbeizudrücken, aber der trat ihn weg. Trat ihm in die Flanke, woraufhin der Hund sich mit eingeklemmtem Schwanz wegduckte. Sie hörte ihn tief in der Kehle winseln und dazu das Murmeln einer Frau, eine Flüsterstimme, die begütigend auf das Tier einredete.
»Ich bin wegen der Wohnung hier, der Dreizimmerwohnung, die frei ist«, sagte Lutie.
»Die ist ganz oben unterm Dach. Wollen Sie sie sehn?«
Das Licht im Hausflur war schwach. So schwach wie das Licht, das Mrs. Hedges am Fenster umrahmt hatte. Lutie zog ihren Mantel etwas enger um sich. Muss das schlechte Licht sein, sagte sie sich. Irgendwie waren die Augen des Mannes noch schlimmer als die Augen der Fensterfrau. Muss daran liegen, dass ich so müde bin, sagte sie sich, ich sehe Gespenster, bilde mir Geschichten ein in den Blicken anderer.
Der Hausmeister war lang und dürr, er ragte im Türrahmen über ihr auf und glotzte. Nein, es ist nicht das schlechte Licht, dachte sie. Es ist keine Einbildung. Denn nach seinem raschen, verstohlenen ersten Blick brannte nun ein so drangvoller Hunger in seinen Augen, dass sie sofort Angst bekam. Und Angst, ihre Angst zu zeigen.
Aber was war mit der Wohnung – wollte sie denn keine Wohnung? Nein, nicht in diesem Haus bei diesem Super, nicht in diesem Haus bei einer wie Mrs. Hedges. Nein. Sie wollte die Wohnung nicht sehen, die drei dunklen, schäbigen Zimmer, die sich Wohnung schimpften. Dann dachte sie daran, wo sie gegenwärtig wohnte. Die sieben Zimmer, die Pop mit seiner Freundin Lil bewohnte. Räume voller Untermieter. Räume übervoll mit Lil.
Es schien dort keine Ecke zu geben, die nicht schon Lil einnahm. Ständig schlürfte sie in der Küche Kaffee, wanderte durch alle sieben Zimmer, in einem Hausmantel, der sich über ihren üppigen, schwabbligen Brüsten kaum schloss, trank Bier aus hohen Gläsern und ließ sie an der Küchenspüle stehen, wo sich der Schaum als Kruste am Rand festsetzte und in der Kruste wie Akzentzeichen ihr tiefroter Lippenstift, lümmelte auf dem breiten Bett, das sie mit Pop und Gott weiß wem teilte, kippte Gin mit den Untermietern bis spät in die Nacht.
Und – noch viel beängstigender – sie ließ Bubb heimlich nippen, ihn ihre Zigaretten anrauchen. Bubb, dem mit seinen acht Jahren der Rauch aus dem Mund quoll.
Erst gestern Abend hatte Lutie ihn so schallend geohrfeigt, dass Lil entsetzt zusammengezuckt und der Hausmantel ihr noch weiter vom schwellenden Busen gerutscht war. »Teufel auch!«, rief sie. »Da wird er noch taub von. Was ist bloß mit dir?«
Wollte sie die Wohnung denn nun sehen? Abend für Abend war sie von der Arbeit heimgekehrt und gleich nach dem Essen wieder losgezogen, um vor den Mietshäusern der Gegend zu den Aushängeschildern hochzublinzeln, auf der Suche nach einer Wohnung, die gerade groß genug wäre für sie und Bubb. Einer Wohnung, für die sie so wenig Miete zu zahlen hätte, dass sie nicht eines Abends nach der Arbeit unter der Tür ein langes weißes Formular finden müsste: »Alle Räumlichkeiten sind bis zum … zu verlassen«, besser bekannt als Räumungsbescheid. Man hatte binnen fünf Tagen zu verschwinden, sonst wurde nachgeholfen. Dann konnte man zusehen, wie sich der persönliche Hausrat auf dem Gehweg stapelte. Sofern man bei den durchgelegenen Betten, ausgeleierten Federn, alten Sesseln mit der hervorquellenden Füllung, dem Küchentisch mit der gesplitterten Emailleplatte, den wackligen Küchenstühlen mit den gebrochenen Querstäben – sofern man da von Hausrat sprechen wollte. Das war die Frage – konnte man Porzellan zweiter Wahl aus dem Five-and-Dime, die verbogenen Messer und Gabeln und Löffel mit den roten, sich lockernden Griffen wirklich als Hausrat bezeichnen?
»Ja«, sagte sie entschieden. »Ich möchte die Wohnung sehen.«
»Dann hol ich mal eben eine Taschenlampe«, sagte er und verschwand in der Wohnung, während die Tür sich mit einem leisen Schmatzen schloss. Er sagte etwas, aber sie konnte nicht verstehen, was. Die flüsternde Stimme in der Wohnung verstummte, auch der Hund war plötzlich still.
Dann kam er zurück und zog die Tür mit dem gleichen schmatzenden Geräusch hinter sich zu. Er hatte eine lange schwarze Taschenlampe dabei. Lutie stieg vor ihm die Treppe hinauf und dachte, dass die Taschenlampe fast so schwarz war wie seine Hände. Das Schwarz des Gehäuses glänzte, der glatte Stab schimmerte leicht im Halblicht. Die Hände, die sie hielten, hingegen waren aus Fleisch und Blut, matt, zerschrammt – alles andere als glatt. Die Fingerknöchel, rissig vom Ausfegen der Asche, dem Schaufeln der Kohlen, traten deutlich hervor.
Aber offenbar nicht vom Einsatz eines Mops oder Besens, denn während sie immer weiter die steilen Stufen hinaufstieg, sah Lutie den ganzen Dreck, Papier, Zigarettenkippen, Zellophan von Schnupftabaksdosen, abgerissene rosa Kinokarten. Auf den Treppenabsätzen lagen leere Gin- und Whiskeyflaschen.
Dann hörte sie auf, sich die Stufen anzusehen und in die Ecken der langen Flure zu linsen, denn es war kalt, und sie ging schneller, um sich warm zu halten. Als sie eine Treppe überwunden hatten und über einen weiteren Flur die nächste erreichten, merkte sie, dass es mit der Kälte immer schlimmer wurde. Je weiter sie hinaufstiegen, desto kälter wurde es. Und im Sommer würde es vermutlich heißer und immer heißer werden, bis einem, wenn man oben war, endgültig die Luft wegblieb.
Die Flure waren so schmal, dass sie mühelos beide Wände hätte berühren können, dazu brauchte sie die Arme nicht mal ganz auszustrecken. Im dritten Stock schließlich dachte sie, dass die Wände nicht etwa zum Greifen nah waren, sondern nach ihr griffen – sich auf sie zukrümmten, um sie zu erdrücken. Die Schritte des Super in ihrem Rücken blieben stur und stetig. Sie ging schneller, aber obwohl er seine Schritte keineswegs beschleunigte, blieb der Abstand derselbe. Dabei schien ihr sein schwerer Tritt eher noch näher als zuvor.
Sie fragte sich, wieso eigentlich sie vorausging. Das war doch ganz falsch. Er war schließlich derjenige, der sich hier auskannte, der hier wohnte. Er hätte vorangehen müssen. Wie hatte er sie dazu gebracht, vor ihm die Treppen hochzusteigen? Sie wollte sich umdrehen und seinen Gesichtsausdruck sehen, aber wenn sie das tat, wäre ihr Gesicht mit seinem auf einer Höhe, und so nah mochte sie ihm nicht kommen.
Außerdem brauchte sie sich gar nicht umzudrehen; sie wusste, er starrte auf ihren Rücken, ihre Beine, ihre Schenkel. Sie spürte, wie sein Blick an ihrem Körper hinunterglitt – wie er prüfte, taxierte, überlegte. Als sie die letzte Treppe in Angriff nahm, lief es ihr vor Angst kalt über den Rücken. Angst wovor, fragte sie sich. Angst vor ihm, der Dunkelheit, dem Geruch in den Fluren, den steilen Treppen, vor sich selbst? Sie wusste es nicht, und das Eingeständnis trieb ihr den Schweiß aus den Achseln, auf die Stirn, die Nase.
Die Wohnung ging nach hinten raus. Der Super fischte eine zweite Taschenlampe aus seiner Hosentasche und reichte sie ihr, dann beugte er sich vor und schloss leise die Tür auf. Was er tut, tut er leise, dachte sie.
Sie ließ den Strahl der Taschenlampe über die Wände wandern. Die Zimmer waren klein. Das Schlafzimmer hatte kein Fenster. Sie nahm jedenfalls an, dass es das Schlafzimmer war. Sie schlüpfte hinein, um es sich genauer anzusehen. Nein, kein Fenster – ein Luftschacht, noch dazu schmal. Sie schaute sich um und stellte fest, dass sie sich, wenn hier erst ein Bett und eine Kommode standen, kaum noch bewegen könnte. Wahrscheinlich würde sie sich jedes Mal das Knie stoßen, wenn sie ums Bett herumging. Sie versuchte, sich das Zimmer eingerichtet vorzustellen, und fragte sich, weshalb sie es in Gedanken offenbar schon für sich reklamierte.
Es wäre doch vielleicht besser, es Bubb zu überlassen, ihm endlich ein eigenes Zimmer zu gönnen. Nein, unmöglich. Im Sommer würde er hier eingehen. Besser, er schliefe auf der Couch im Wohnzimmer, dort würde er wenigstens ein bisschen Luft kriegen, denn da gab es ein Fenster, wenn auch kein sehr großes. Sie sah nebenan noch einmal nach, um sich eine Vorstellung machen zu können, wie viel Luft das Fenster hereinließe, wie viel Licht Bubb zum Lernen hätte, wenn er von der Schule heimkam, auch um abschätzen zu können, wie viel Luft nachts bei offenem Fenster hereinkäme, wenn er zusammengerollt auf der Couch schlief.
Mitten in diesem Zimmer stand der Super. Er wartete auf sie. Das wusste sie ohne große Überlegung. Das fantasierte sie sich auch nicht bloß zusammen. Es war eine Tatsache. Er wartete auf sie. Das war so unleugbar wie ihre Anwesenheit in dem kleinen Zimmer. Er hielt die Taschenlampe so, dass der Strahl auf seine Füße fiel. So wurde er zum Riesen. Sein stummes Warten und die Riesengröße entsetzten sie.
Mit dem Licht zu seinen Füßen sah es aus, als ragte sein Kopf bis in die Decke hinein. Er wuchs einfach weiter und immer weiter hinauf ins Dunkel. Und er strahlte eine solche Begierde aus, dass sie es geradezu körperlich spürte. Sie schalt sich dumm, albern, trunken vor Angst, Erschöpfung und nagender Sorge. Zugleich stand sie da wie gefesselt von seiner beklemmend fiebrigen Erregung und konnte sich nicht bewegen. Quälende Gier erfüllte die Wohnung, griff um sich, zerrte an ihr.
Sie zwang sich, Richtung Küche zu gehen. Als sie an ihm vorbeikam, schien er tatsächlich einen langen Arm nach ihr auszustrecken, schien sein übergroßer wankender Körper sie leicht zu streifen. Aber sicher war sie sich nicht, also richtete sie den Strahl ihrer Taschenlampe entschlossen auf die Küchenwände.
Man kann die Gedanken anderer nicht lesen, sagte sie sich. Der Super dachte womöglich gar nicht an sie, wenn er so dastand. Er wollte vielleicht bloß möglichst schnell wieder runter zu seiner Zeitung. Ach was, sagte sie sich, er kann wahrscheinlich gar nicht lesen, oder wenn doch, dann tut er’s kaum. Na, Radio hören vielleicht. Das war’s bestimmt, er wollte sicher seine Lieblingssendung hören, während sie glaubte, er werde sich gleich auf sie stürzen. Sie war ja fast so schlimm wie Granny. Was wieder mal zeigte, dass man nicht bei einer wie Granny aufwachsen konnte, ohne einen Haufen Unsinn eingetrichtert zu bekommen, der einen, wenn man am wenigsten damit rechnete, hinterrücks anfiel. Die ganzen alten Geschichten von dunklen Ahnungen, die sich erfüllten. Geschichten, die immer und immer weitergereicht wurden. Wollte man ihrem Ursprung nachspüren, landete man wer weiß wo – in Afrika, wahrscheinlich. Und Granny hatte die ganzen Geschichten in- und auswendig gekannt.
Aber würde einer, der eine Sendung im Radio hören wollte, so gucken? Ärgerlich wandte sie sich der Küche zu, leuchtete erst eine, dann die andere Wand an. Der Zustand war nicht besser und nicht schlechter als erwartet. Das Spülbecken abgestoßen, der Gasherd leicht verrostet. Der schwache Gasgeruch in der Luft ließ vermuten, dass es in den Anschlüssen irgendwo ein winziges, unauffindbares Leck gab.
Ein kurzer Blick ins Bad zeigte ihr, dass die Ausstattung altmodisch und stark mitgenommen war. Methusalem persönlich hatte wohl schon in der Wanne gebadet, betagt genug sah sie jedenfalls aus. Nur den Bart hatte der Gute dabei gewiss in den Flur hängen müssen, denn das Bad war zu klein, als dass sich ein Mann mit langem Bart darin hätte umdrehen können. Es gab kein Fenster; offenbar musste für Frischluftzufuhr das Abzugsrohr herhalten.
Das einzig Gute war, dass die Miete nicht hoch sein konnte. Nicht für so eine Wohnung. Winziger Flur. Badezimmer rechts, Küche geradeaus, Wohnzimmer links und dahinter das Schlafzimmer. Die ganze Wohnung würde bequem in ein einziges halbwegs geräumiges Zimmer passen.
Sie bemerkte, dass die kleinen Zimmer alle genau gleich rochen. Es war eine Mischung aus schwachen Gasspuren, altem Gemäuer, staubigem Putz, überlagert von einem durchdringenden, sauren Müllgeruch, der aus dem Schacht für den Lastenaufzug stieg. Ohne es zu merken, hatte Lutie begonnen, halblaut vor sich hin zu summen. Es war ein altes Lied, das Granny gern gesungen hatte. »Ain’t no restin’ place for a sinner like me. Like me. Like me.« Der Refrain war so eingängig. »Like me. Like me.«Sie stand da, summte immer vernehmlicher und dachte über die Wohnung nach.
Da gab der Super im Wohnzimmer einen sonderbar gepressten Laut von sich. Sie erschrak so sehr, dass sie fast ihre Taschenlampe fallen ließ. »Was war das denn?«, stieß sie hervor und dachte bei sich: Lieber Gott, wenn ich sie jetzt fallen gelassen hätte! Wenn ich hier im Dunkeln gestanden hätte in diesem engen Raum und wenn er seine ausgeknipst hätte. Wenn er im Dunkeln auf mich zugekommen wäre, immer näher und näher. Und ich nur Schritte gehört, ihn aber nicht gesehen hätte, bis ich die Arme ausgestreckt hätte, um ihn abzuwehren, damit er mich ja nicht anfasst, und meine Hände ihn dann – direkt vor mir – berührt hätten … Die Vorstellung ließ sie die Taschenlampe so fest packen, dass der lange Lichtstrahl über die Wände irrte und zuckte und Schatten in Bewegung setzte, an der Deckenleuchte, der Badewanne, selbst in der Türöffnung, unstet, flackernd.
»Frosch im Hals«, krächzte der Super. Die Worte klangen halberstickt, als stimmte etwas mit seiner Atmung nicht.
Sie ging in den Flur hinaus, sah ihn nicht an, öffnete die Wohnungstür, trat, immer noch ohne ihn anzusehen, über die Schwelle und sagte: »Ich habe genug gesehen.«
Er folgte ihr hinaus und drehte den Schlüssel im Schloss. Dabei kehrte er ihr den Rücken zu, sodass ihr sein Gesichtsausdruck verborgen blieb. Das Schloss schnickte gutgeölt ein. Leise. Sie rührte sich nicht vom Fleck, sondern wartete darauf, dass er über den Flur zur Treppe ging. Auf keinen Fall, schwor sie sich, lass ich ihn hinter mir die Treppen runtergehen.
Als er keine Anstalten machte, sagte sie: »Nach Ihnen.« Er wiederum deutete mit einem kleinen Schwenk seiner Taschenlampe an, dass sie vorgehen solle. Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Und? Glauben Sie, die ist was für Sie?«, fragte er.
»Weiß ich noch nicht. Ich überleg’s mir beim Runtergehen.«
Als er sich endlich in Bewegung setzte, war ihr, als hätte er dort Tage, Wochen, Monate neben ihr drauf gedrungen, dass sie vor ihm hergehen sollte. Jetzt folgte sie ihm und dachte: Ich hab’s mir nicht eingebildet, das Gefühl, als ich ihn dort im Wohnzimmer stehen sah, warum sonst das Theater, dass ich vorgehen soll? Als wär’s ein Tanz – bitte, nach Ihnen, aber nein, nach Ihnen, aber nein, Sie sind dran, sonst stimmt die Schrittfolge nicht, ich denke nicht dran, nach Ihnen, aber nein, Sie sind dran, sonst …
Sie merkte, dass sie die Treppen viel schneller hinaufgestiegen waren, als sie nun hinuntergingen. Sollte sie die Wohnung nehmen? Bei dem Zustand konnte die Miete nicht hoch sein, und wenn sie aufpassten, würden sie klarkommen, sie und Bubb, wenn sie sehr aufpassten. Etwas Malerweiß, und alles wäre gut, oder na ja, nicht gut, aber heller, weniger düster, das Weiß würde ein bisschen das Dunkle vertreiben.
Dann wiederum dachte sie, dass nichts jemals gut werden würde, ganz gleich, wie viele Farbschichten. Die Wohnung würde immer muffig riechen, Fingerabdrücke und alte Flecken würden durch den Anstrich durchschlagen, der modrige Holzgeruch würde sich gegen jede Lackschicht behaupten. Nicht einmal Schrubben würde helfen. Und dann diese engen, dunklen Flure, die vielen Treppen, der Super selbst, die Frau vom Fenster im Erdgeschoss.
Sie könnte natürlich weiter bei Pop bleiben. Und Lil. Bubb würde Geschmack am Gin finden, würde rauchen lernen, überhaupt eine Menge Dinge lernen, die Lil ihm beibringen könnte – die ihm beizubringen ihr Spaß machen würde. Mit seinen acht Jahren würde Bubb in den Genuss einer sehr freizügigen Erziehung kommen, denn Lil war den ganzen Tag zu Hause, und Bubb kam um kurz nach drei aus der Schule.
Tja, wer die Wahl hat, hat die Qual. Du kannst dich hinsetzen und Däumchen drehen, während dein Kind bei der Schlampe deines Vaters fürs Leben lernt. Oder du kannst diese Wohnung nehmen. Dieser lange Hungerhaken, der hier Hausmeister ist, soll Wohnungen vermieten, die Heizung beschicken, die Flure fegen, und fertig. Wenn er glaubt, sich darüber hinaus an seine Mieterinnen ranmachen zu müssen, tja, wir sind in New York, wir schreiben das Jahr 1944, völlig verwildert sind die Straßen bisher nicht, und auf die Polizei ist noch halbwegs Verlass. Also kannst du, wenn der Kerl aufdringlich wird, bestimmt so laut schreien, dass dir irgendwann ein Cop zu Hilfe eilt. Und fertig.
Und was die Dame mit den Schlangenaugen betrifft, es geht ja um die Wohnung ganz oben, und wäre die Dame inbegriffen, würde das draußen auf dem Schild stehen. Drei Zimmer und Schlangenbeschwörerin für soliden Mieter. Schlangenbeschwörerin inklusive. Weil davon aber nichts auf dem Schild stand, könnte Lutie logischerweise, sollte die Schlangenbeschwörerin einziehen wollen, Schritte unternehmen – was immer zum Teufel das hieß.
Laut tackernd stieg sie auf ihren hohen Absätzen hinunter und dachte: Ha, zum Beispiel Schritte wie diese. War ja schön und gut, für alles eine Erklärung parat zu haben, sich was schönzureden – die Angst aber, die sich beim Anblick des Super sofort, instinktiv, gemeldet hatte, ließ sich nicht wegerklären. Wie Granny gesagt hätte: »Durch und durch böse, Kind. Gibt Leute, die sind grundböse – es stinkt dir entgegen, aus allen Poren.«
An so was glaubte sie eigentlich nicht, doch als sie seine lange, dürre Gestalt vor sich sah, erwartete sie fast, hinter seinen Ohren Hörner sprießen zu sehen, und es hätte sie nicht überrascht, anstelle eines seiner schweren Arbeitsstiefel einen gespaltenen Huf rucken und zucken zu sehen, wie er da so auffällig langsam die letzte Treppe hinunterstieg.
Vor der Tür zu seiner Wohnung blieb er stehen und drehte sich um.
»Was soll sie denn kosten?«, fragte sie und richtete den Blick an ihm vorbei auf die an die Wohnungstür gepinselte 1A. Die Goldlettern hatten feine Risse, und sie stellte sich vor, wie sie in nur wenigen Jahren vom Dunkelbraun der Tür nicht mehr zu unterscheiden sein würden. Sie hoffte, die Miete wäre so hoch, dass sie sich die Wohnung keinesfalls leisten könnte.
»Neunundzwanzigfünfzig.«
Er will, dass ich sie nehme, dachte sie. Er will es so unbedingt, dass er fast platzt. Das wusste sie, ohne ihn ansehen zu müssen, sie spürte den Druck, der von ihm ausging. Was kümmerte es ihn? Doch anscheinend lag ihm so viel daran, dass er, wenn sie nur einen Augenblick länger zögerte, wohl zu zittern anfinge. Nein, beschloss sie, nicht diese Wohnung. Und dann stellte sie sich vor, wie niedlich Bubb als achtjähriger Gintrinker wäre.
»Ich nehm sie«, sagte sie grimmig.
»Wollen Sie was anzahlen?«, fragte er.
Sie nickte, er schloss seine Tür auf und trat beiseite, um sie vorzulassen. In der engen Diele brannte schwaches Licht, sie sah weiter hinten das Wohnzimmer. Sie wartete nicht auf eine weitere Aufforderung, sondern ging gleich durch. Der Hund lag vor dem Radio, das gegenüber vor einem Fenster stand. Er erhob sich, als er sie sah, und kam mit gesenktem Kopf und eingeklemmtem Schwanz auf sie zu, als würde er unwiderstehlich angezogen, obwohl er wusste, man würde ihn nicht an sie ranlassen. Es war ein Schäferhund, aber sein Fell war so zottelig und rau, dass er eher einem Wolf glich. Und er war so dünn, dass sich die Sehnen seiner Hinterläufe und die Rippen deutlich abzeichneten. Je näher er kam, desto erregter schien er, und sie hörte ihn hecheln.
»Platz«, sagte der Super.
Der Hund zog sich ans Fenster zurück, geduckt. Sie dachte, wenn er ein Mensch wäre, würde er rückwärts abziehen, um möglichen Schlägen gleich ausweichen zu können. Der Hund legte sich anstandslos hin, behielt sie aber im Auge, seine Nase zuckte unkontrollierbar, und er schielte immer wieder zum Super hin, als überlege er, ob er das Zimmer doch noch unbemerkt durchqueren könnte.
Der Super setzte sich an einen alten Bürotisch, suchte einen Quittungsblock hervor, nahm einen Füller zur Hand, schob sorgfältig einen Löscher zurecht und drehte sich zu ihr um. »Name?«, fragte er.
Sie musste sich das Lachen verbeißen. Er tat so feierlich – setzte sich, zückte einen Füller, rückte den Block exakt vor sich hin und schlug ein großes Hauswirtschaftsbuch mit Zeile um Zeile dickbeschriebenen Seiten auf, als wäre er Wirtschaftsboss und wollte ein lukratives Geschäft abschließen.
»Mrs. Lutie Johnson. Derzeitige Anschrift 2370 Seventh Avenue.« Sie knipste ihre Handtasche auf, entnahm ihr einen Zehndollarschein und überreichte ihn. Zehn ganze Dollar, sie hatte dafür viele Wochen sparen müssen. Bis sie hier eingezogen wäre und den Rest der Miete bezahlt hätte, wären ihre Ersparnisse aufgebraucht. Aber das war ihr eine eigene Wohnung wert.
Er schrieb quälend langsam, nahm sich jeden Buchstaben vor, hatte Mühe mit der vierstelligen Hausnummer. Er strich sie durch und biss sich auf die Lippe. »Wie war die Nummer noch mal?«, fragte er.
»Dreiundzwanzigsiebzig«, antwortete sie und überlegte, ob sie die Ziffern lieber gleich selbst hinschreiben sollte. Bei dem Tempo würde er eine Viertelstunde brauchen, um die zehn Dollar zu notieren und dann die Differenz zwischen Anzahlung und Monatsmiete zu errechnen, die den so harmlos daherkommenden »geschuldeten Betrag« ergab. Aber sie sollte sich nicht lustig machen; wahrscheinlich hatte er sich nach ein paar Jahren Grundschule, wo er mit Sicherheit nichts gelernt hatte, das Lesen und Schreiben selbst beigebracht. Sie schätzte ihn auf Mitte fünfzig, aber es war schwer zu sagen.
Es kostete Nerven, dastehen und ihm dabei zusehen zu müssen, wie er so umständlich die Buchstaben formte. Sie wollte weg, wollte zu Pop zurück, anfangen zu packen, jemand für den Umzug finden. Sie sah sich beiläufig im Zimmer um. Kein Teppich auf dem Fußboden – er sah schlimm aus. Aufgeraut und gesplittert. An der langen Wand stand ein Sofa, die Polster der Rücklehne auf Kopfhöhe speckig. Jeder, der in den langen Jahren seit der Anschaffung und während vieler Besitzerwechsel hier gesessen hatte, musste den Hinterkopf daran gerieben haben.
Neben dem Sofa stand ein dickgepolsterter Sessel, und sie sog bei genauerem Hinsehen scharf die Luft ein, denn in dem Sessel saß eine Frau, während Lutie doch geglaubt hatte, sie, der Hund und der Super seien in dem Zimmer allein. Wie konnte jemand so mit einem Sessel verschmelzen? Vor ihren Augen erhob sich daraus eine kleine, dunkle unförmige Frau und verbeugte sich wortlos.
Lutie erwiderte den Gruß mit einem Nicken und dachte: Das muss die Frau sein, die ich habe flüstern hören. Die Frau setzte sich wieder. Wurde wieder eins mit ihrem Sessel. Weil ihr dunkelbraunes Kleid von fast demselben Farbton war wie die Polster und weil sie in dem Sessel so versank, dass sie sich kaum von ihm unterschied. Und auch weil sie auf eine verhuschte Art darinsaß – als wollte sie so wenig Platz einnehmen wie nur möglich. Sodass Lutie die Anwesenheit der Frau nach deren angedeuteter Verbeugung schon vergessen hatte und sich weiter im Zimmer umsah.
Keine Bilder, keine Teppiche, keine Zeitungen, keine Zeitschriften; nichts deutete darauf hin, dass jemand versucht hatte, den Raum ein bisschen wohnlich zu machen. Obwohl, stimmte nicht ganz, denn in einem verschnörkelten Vogelkäfig in der Ecke hockte ein Kanarienvogel. Alles hier drinnen duckt sich, dachte sie bei dem Anblick, der Hund, die Frau, selbst der Vogel, denn der hatte ein Bein eingezogen und nur ein Auge geöffnet. Gegenüber vom Sofa stand ein zierreicher Holztisch, glänzend vor Lack. Mit seinen aufwendig geschnitzten Klauenfüßen war er so wuchtig, dass sie ihn für eines der hässlichen Möbelungetüme hielt, die weiße Frauen gern ihren Hausangestellten überließen. Sie sah sich nach der unförmigen kleinen Frau um, denn sie war sich ziemlich sicher, dass der Tisch ihr gehörte.
Die Frau hatte sie offenbar beobachtet, und als Lutie den Kopf nach ihr wandte, lächelte sie, ein zahnloses Lächeln, das sie beibehielt, während ihr Blick von Lutie zum Tisch flog.
»Wann wollen Sie denn einziehen?«, fragte der Super und hielt ihr die Quittung hin.
»Heute ist Dienstag … kann die Wohnung bis Freitag bezugsfertig sein?«
»Locker«, sagte er. »Besondere Farbwünsche?«
»Weiß. Streichen Sie alles weiß«, sagte sie und prüfte die Quittung. Ja, er hatte richtig gerechnet – geschuldeter Betrag neunzehnfünfzig. Einen ersten Anlauf hatte er durchgestrichen. Die Neun bereitete ihm offenbar Schwierigkeiten. Und sein Name war William Jones. Ein ganz gewöhnlicher Name. Ein äußerst passender Name für einen Hausmeister. Schön normal. Leicht zu merken. Leicht zu schreiben. Nur passte der Name nicht zu ihm. Denn er war ganz eindeutig ungewöhnlich, unnatürlich, abnormal. Alles an ihm war das genaue Gegenteil seines Namens. Er stand jetzt vor ihr, fixierte sie, verschlang sie mit Blicken.
Sie sah sich ein letztes Mal im Zimmer um. Die flüsternde Frau schien die Luft anzuhalten, der Hund wollte dringend knurren oder jaulen, das sah man an seiner flatternden Kehle. Sie fand, auch der Kanarienvogel hätte ruhig eine heftige Regung zeigen dürfen, aber er war still eingenickt. Sie zwang sich, den Super direkt anzusehen. Lange und unverwandt, fast grimmig. Damit das klar ist, Mister William Jones, dachte sie, auch wenn es – sollte ich mir das da oben nur eingebildet haben – eigentlich nicht fair ist, dich so anzublitzen. Für den Fall aber, dass mich irgendein dunkler, vorsintflutlicher Instinkt vor dem gewarnt hat, was du im Sinn hattest – nur für den Fall, dass er mich hat wissen lassen, wie du hinter mir hergeschnobert, -geschlabbert, -gegeifert hast, mir auf den Fersen warst wie ein schwarzer Höllenhund, mit hängender Zunge, dann, Freundchen, möge dir dieser Blick zu denken geben.
Sie schloss ihre Handtasche mit einem scharfen, entschiedenen Klicken, das den Super plötzlich zur Decke hochblicken ließ, als suchte er dort im gerissenen Putz irgendein Muster. Die Ohren des Hundes richteten sich spitz auf, der Kanarienvogel öffnete ein Auge, und die flüsternde Frau entblößte fast wieder ihr Zahnfleisch, als ihr Mund eine Art Lächeln andeutete.
Lutie verließ die Wohnung umgehend, drückte die Tür zur Straße auf und fröstelte in der kalten Luft. In der Wohnung des Super war es heiß gewesen, und nun hielt sie einen Augenblick inne und raffte ihren Mantelkragen gegen den Wind zusammen, der durch die Straßen heulte. Jetzt, wo sie eine Wohnung hatte, sah sie sich dem Erfolg einen Schritt näher. Mit der Wohnung hätte Bubb schon deshalb bessere Chancen, weil er immerhin Lils Einfluss entzogen wäre.
Drinnen im Mietshaus jaulte der Hund kurz auf. Lutie trat schnell auf die Straße; der Super traktierte ihn wohl schon wieder. An der Hausecke hielt sie kurz an und wappnete sich, denn dahinter würde der Wind noch schärfer wehen.
»Alles klar, Herzchen?«, erkundigte sich Mrs. Hedges’ klangvolle Stimme vom Fenster im Erdgeschoss.
Sie nickte dem Bandana-Kopf zu und warf sich willig dem Wind entgegen, sich sehr wohl dessen bewusst, dass die kalten, leeren Augen der Frau ihr die Straße hinunter folgten.
2
An der 59th Street drängte ein Pulk Menschen in die Wagen des Eighth Avenue Express. Mit ausgefahrenen Ellbogen schoben und schubsten sie, zwängten ihre Leiber durch die Türen, schufen sich Platz, wo eben noch keiner gewesen war. Kaum nahm die Bahn aber Fahrt auf für den langen Streckenabschnitt bis zur 125th Street, zogen sich die Leute in ihre eigenen Welten zurück und wahrten so zwischen sich und den anderen die Illusion von Abstand. Sie schirmten ihre Privatwelten durch aufgeschlagene Zeitungen und Magazine ab, durch geschlossene Lider oder einen starr auf die bunten Innenplakate gerichteten Blick.
Lutie Johnson umklammerte die Schlaufe über ihrem Kopf noch fester, ihr schlaksiger, langbeiniger Körper schwankte, während die Bahn auf die nächste Station zuschaukelte. Wie viele andere starrte sie auf die Reklame direkt vor ihrer Nase und überließ sich ihren Gedanken. Auch sie zog sich in ihre kleine private Welt zurück und sperrte das Gedränge um sich herum aus.
Die Reklame zeigte eine junge Frau mit wenig glaubhaftem blonden Haar. Sie schmiegte sich an einen strahlenden dunkelhaarigen Mann in Marineuniform. Das Paar stand vor einer Küchenspüle, deren weißes Porzellan im Licht des Wagens blinkte. Die Wasserhähne waren wie aus Silber. Das strenge Schwarzweiß des Linoleumfußbodens betonte das Blitzsaubere der Küche. Flügelfenster. Rote Geranien in gelben Töpfen.
Sie war ein Traum, diese Küche, fand Lutie. Vollkommen anders als die Küche der Wohnung in der 116th Street, in die sie vor zwei Wochen gezogen war. Aber fast genau wie die, in der sie in Connecticut gearbeitet hatte.
Der war sie zum Verwechseln ähnlich, es hätte tatsächlich ebendie Küche sein können, in der sie Geschirr gespült, das Linoleum erst geschrubbt und dann gebohnert hatte. Um sich hinterher auf die kleine hintere Veranda zu setzen, darauf zu warten, dass der Boden trocknete, und sich zu fragen, wie lange sie den Job noch würde machen müssen. Damals war keine andere Arbeit zu finden gewesen. Sie hatte die Stelle als Übergangslösung betrachtet und war am Ende doch zwei Jahre geblieben – hatte auf diese Weise für Jim und Bubb gesorgt.
Jeden Monat war sie mit ihrem Lohn auf die Post gegangen und hatte das Geld an Jim geschickt. Siebzig Dollar. Davon konnten Jim und Bubb leben und den Hypothekenzins zahlen. Bei ihrem ersten solchen Gang fiel ihr auf, dass sie noch nie eine Straße gesehen hatte wie die Main Street in Lyme. Eine breite Straße, gesäumt von alten Ulmen, deren Äste einen Bogen über dem Fahrweg bildeten. Im Sommer drang die Sonne, wenn ihre Strahlen die Straße erreichten, gerade so weit durchs Blattwerk, dass durchbrochene Muster entstanden – wie der Spitzenbesatz teurer Nachthemden. Es war die schönste Straße, die sie je gesehen hatte, aber zum Schluss wünschte sie sich auf dem verhassten Weg zum kleinen Postamt nur noch, nach Queens in den Stadtteil Jamaica zu Jim und Bubb und in ihr eigenes kleines Holzhaus zurückkehren zu können.
Im Winter war das Gitterwerk der nackten Zweige vor dem Himmel bei Schnee so schön wie bei Regen oder bei kaltem, klarem Sonnenlicht. Manchmal nahm sie Little Henry Chandler zum Postamt mit und konnte nicht umhin, das verkehrt zu finden. Er brauchte sie nicht, Bubb aber brauchte sie schon. Und Bubb musste ohne sie klarkommen.
Und weil Little Henry Chandlers Vater Küchenpapier, Papierservietten und Papiertaschentücher herstellte, tja, konnte er es sich selbst in schlechten Zeiten leisten, eine Lutie Johnson einzustellen, damit seine Frau nachmittags Bridge spielen konnte, während eine Lutie Johnson sich um Little Henry kümmerte. Denn nach den Worten von Little Henrys Vater mussten »die Leute sich glücklicherweise auch in schlechten Zeiten schnäuzen, sich Hände, Gesicht und den Mund abwischen; vielleicht nicht mehr ganz so viele, aber doch genug, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche«.
Sie packte die Halteschlaufe in der Subway so fest, dass ihr der harte Emaillerand in die Hand schnitt und sie ihren Griff zwischendurch lockern musste. Denn diese hier in der Reklame abgebildete oder eine sehr ähnliche Küchenspüle hatte für sie und Jim das Aus bedeutet. Die Spüle hatte anderen gehört – sie, Lutie, hatte für andere den Abwasch gemacht, anstatt daheim bei Jim und Bubb zu sein. Während sie das Haus einer anderen Frau geputzt und das Kind einer anderen Frau betreut hatte, war ihre eigene Ehe zu Bruch gegangen, in viele tausend Stücke, sodass sie nicht mehr gekittet, nicht mal zu einem Abklatsch ihrer selbst zusammengeflickt werden konnte.
Aber was hätte sie denn tun sollen? Es war ja irgendwie ihre Schuld gewesen, dass ihnen die einzige Einnahmequelle abhandengekommen war. Und dass Jim dann keine Arbeit fand, obwohl er wie verrückt suchte, verzweifelt, verbissen, verzagt. Von einer Arbeitsvermittlung zur nächsten lief, lange Stunden in muffigen Wartezimmern hockte, in alten Zeitungen blätterte. Wartete, wartete, wartete, dass er aufgerufen würde. Um dann vor Kälte schlotternd nach Hause zu kommen und zu sagen: »Diese gottverfluchten Weißen. Ich will doch keine Almosen. Ich will nur einen Job. Einfach einen Job. Glauben die, ich würde nicht sofort meine Hautfarbe ändern, wenn ich wüsste, wie?«
Der Hypothekenzins musste gezahlt werden. Das war nicht viel, aber woher nehmen? Also meldete sich Lutie auf eine Anzeige in der Zeitung. Dort hieß es, der Job sei was für eine junge Frau mit Charakter. Das Haus liege auf dem Land und meist bleibe das Personal nicht lang. »Fünfundsiebzig Dollar pro Monat. Moderner Haushalt. Eigenes Zimmer mit Bad. Kleinkindbetreuung.«
Sie setzte sich sofort hin und schrieb einen Brief, ohne es Jim zu sagen, und hoffte wider alle Vernunft, es würde klappen. Und weil da nichts von »nur Weiße« stand, erklärte sie gleich eingangs, dass sie schwarz war. Und eine ausgezeichnete Köchin, denn das stimmte – jede, die fast ohne Geld eine ordentliche Mahlzeit zusammenbrachte, war eine ausgezeichnete Köchin. Eine tüchtige Haushälterin – ihr eigenes Heim hielt sie mühelos sauber, also würde das in einem »modernen« Haushalt ein Leichtes sein. Es war ein guter Brief, fand sie, als sie ihn ein Stück von sich weghielt, um ihn noch mal zu prüfen – ordentliche Handschrift, keine Schreibfehler, saubere Ränder, recht gutes Englisch. Plötzlich war sie Pop dankbar. Es war schlau von ihm gewesen, darauf zu bestehen, dass sie die Highschool abschloss. Sie setzte die Adresse auf den Umschlag, faltete den Briefbogen und schob ihn hinein.
Gerade wollte sie das Kuvert zukleben, als ihr einfiel, dass Referenzen fehlten. Ohne die würde sie keinen Job kriegen, und da sie noch nie wirklich einen Job gehabt hatte, tja, konnte sie auch keine Referenzen angeben. Irgendwie war sie so sicher gewesen, dass sie den Job in der Anzeige bekommen hätte. Mit fünfundsiebzig Dollar im Monat hätten sie das Haus retten können, Jim hätte seine schreckliche Verzweiflung überwunden, die Bitterkeit, die so an ihm nagte, und sie hätten keine Stütze beantragen müssen.
Mrs. Pizzini. Das war’s. Sie würde zu Mrs. Pizzini gehen, bei der sie ihr Gemüse kauften. Der schuldeten sie Geld, und wenn Lutie ihr erklärte, dass der Job es ihnen ermöglichen würde, ihre Rechnung zu begleichen, na ja, dann würde Mrs. Pizzini ihr sicher eine Empfehlung schreiben.
Es war nicht viel los im Laden, und Mrs. Pizzini hatte reichlich Zeit, sich Luties Geschichte anzuhören, die Zeitungsannonce zu studieren, sich das Schreiben an Mrs. Henry Chandler anzusehen, Zeile für Zeile, und dabei mit einem stummeligen Finger die Wörter auf dem Bogen nachzufahren.
»Sehr gut«, sagte sie, als sie durch war. »Gute Stellung.« Sie gab Lutie Brief und Zeitung zurück. »Ich und Joe können nicht so gut schreiben. Aber meine Tochter, die Lehrerin, die macht das für mich. Können Sie morgen haben.«
Und am nächsten Tag unterbrach Mrs. Pizzini das Abwiegen der Kartoffeln für eine Kundin lang genug, um von hinten das sorgfältig in Packpapier eingeschlagene Empfehlungsschreiben zu holen. Lutie schälte das Papier zurück und las sich das Schreiben rasch durch. Es war eine prächtige Empfehlung, man pries sie als arbeitsam, ehrlich und intelligent, beteuerte, man verzichte nach zwei Jahren nur sehr ungern auf Luties Dienste. Unterschrieben war sie von »Isabel Pizzini«.
Die Schrift war richtiggehend elegant, fand Lutie, ausgeführt mit einem feinen Füllfederhalter und schwarzer Tinte auf herrlich dickem, weißem Papier. Sie blickte auf den Absender oben und wandte sich staunend nach Mrs. Pizzini um, denn angegeben war eine Gegend von Jamaica, wo die Häuser groß waren und umgeben von viel Rasen und immergrünen Bäumen.
Mrs. Pizzini nickte. »Meine Tochter ist eine sehr schlaue Frau.«
Und da fiel Lutie der Brief in ihren Händen wieder ein. »Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte sie.
Ein Lächeln machte Mrs. Pizzinis schmale Züge weich. »Schon gut. Sie sind ein gutes Kind. Weiß ich doch.« Sie kehrte zu ihrer Kundin zurück, drehte sich aber nach kurzem Zögern noch einmal um. »Hören Sie«, sagte sie. »Besser ist, wenn der Mann Arbeit hat, wenn die Bambini klein sind. Und der Mann jung ist. Nicht so gut, wenn die Frau arbeitet, wenn sie jung ist. Nicht so gut für den Mann.«
Interessanterweise waren Mrs. Pizzinis Worte in ihrem Gedächtnis haftengeblieben, obwohl sie nur halb hingehört hatte. In den letzten sechs Jahren hatte sie immer wieder daran denken müssen. Damals war sie vom Gemüseladen nach Hause geeilt, um die kostbare Empfehlung zu dem Brief an Mrs. Henry Chandler zu legen und das Ganze loszuschicken.
Als sie den Umschlag an der Ecke eingeworfen hatte, kehrte sie in Gedanken noch mal zu den Pizzinis zurück. Wer hätte gedacht, dass das ältliche italienische Paar mit seinem kleinen Gemüseladen in einem gepflegten Haus in einer gepflegten Gegend wohnte? Wie hatten sie das geschafft bei dem bisschen Geld, das sie mit ihrem Salat und den Pampelmusen verdienten? Sie hätte Jim gern davon erzählt, aber das konnte sie nicht, ohne zu verraten, woher sie wusste, wo die wohnten. Sie hatten ein gepflegtes Heim, sie hatten ihre Tochter aufs College geschickt, und doch hatte Mrs. Pizzini gestanden, dass sie selbst »nicht so gut schreiben« könne. Sie konnte auch nicht so gut lesen, ergänzte Lutie im Stillen. Wenn sie dahinterkäme, wie die Pizzinis das geschafft hatten, vielleicht würde es ihr und Jim weiterhelfen.
Dann vergaß sie die Sache wieder, denn Mrs. Chandler antwortete, schickte gleich das Geld für die Fahrt nach Lyme und erklärte ihr, welchen Zug sie nehmen musste. Lutie platzte schier vor Stolz, als sie Jim den Brief zeigte, jubelte innerlich wie seit Monaten nicht mehr, denn jetzt würden sie das Haus halten können. Und sie brauchte sich nicht mehr schuldig zu fühlen, weil sie die Pflegekinder verloren hatten, die ihre einzige Einnahmequelle gewesen waren.
»Wie soll denn ich für Bubb sorgen, er ist doch erst zwei?«, hatte er stirnrunzelnd gefragt und ihr den Brief gereicht, ohne sie anzusehen.
Noch am Tag ihrer Abreise war er missmutig. Sprach nicht. Schaute finster. Starrte ins Leere. Er kam ins Schlafzimmer, wo sie sorgfältig gebügelte Kleider in ihren Koffer packte. Er baute sich vor dem Fenster auf, mit dem Rücken zu ihr und den Händen in den Hosentaschen, blickte hinaus auf die Straße und sagte, er werde sie nicht zum Bahnhof begleiten.
»Wir können uns das Extrageld für die Fahrt nicht leisten«, erklärte er knapp.
Also brach sie alleine auf. Und als ihr am Grand Central auf der langen Rampe hinunter zum Zug der Koffer gegen das Bein schlug, wünschte sie sich durchaus, Jim wäre da, um ihn zu tragen. Außerdem hätte sie ihm im Bahnhäuschen einen Abschiedskuss geben und die Erinnerung an seine Lippen gleich mit auf die Reise nehmen können. Das Gefühl wäre ihr wenigstens in den ersten Tagen in Lyme geblieben und hätte sie daran erinnert, warum sie den Job überhaupt machte. Hätte er sie zum Zug gebracht, hätte er die gespielte Gleichgültigkeit abschütteln können, denn zu sehen, wie sie tatsächlich einstieg, hätte die Mauer eingerissen, die er zum Schutz um sich hochgezogen hatte. Statt ihr fest und flüchtig die Lippen auf die Stirn zu pressen, hätte er sie in die Arme geschlossen und richtig geküsst. Statt stocksteif mit hängenden Armen dazustehen, hätte er sie an sich gedrückt.
Doch als der Zug aus der Stadt rollte, dachte sie nicht mehr an ihn; nicht dass sie ihn vergaß, das nicht, aber sie verbannte ihn in den hintersten Winkel ihres Herzens, weil sie nun an einen neuen, fremden Ort fuhr und nicht schon niedergeschlagen eintreffen wollte, denn so würde es kommen, wenn sie weiter an Jim dachte. Es war wichtig, auf Mrs. Henry Chandler gleich einen guten Eindruck zu machen, also verfolgte Lutie aufmerksam die Veränderungen in der Landschaft, konzentrierte sich auf die Fahrt und verscheuchte die Erinnerung an ihren stattlichen Jim.
Flaches Marschland erstreckte sich zu beiden Seiten der Gleise. Dort gab es sehr wenige Häuser. Ihr fiel auf, dass Behausungen in den Randbezirken größerer Orte klein und schäbig waren, eben weil sie dicht an den Gleisen lagen. In Bridgeport waren sie schwarz vom Ruß und dem Qualm der Fabriken. Dann hielt der Zug in New Haven und fuhr ganze zehn Minuten nicht weiter. Sie studierte den Fahrplan und sah, dass es ein regulärer Halt war. Der nächste war Saybrook. Dort sollte sie aussteigen. Langsam wurde sie nervös. Wie sollte Mrs. Chandler sie erkennen? Wie sollte sie Mrs. Chandler erkennen? Was, wenn sie sich verpassten? Was sollte sie tun, wenn sie in so einem Kuhkaff strandete? Mrs. Chandler hatte in ihrem Brief geschrieben, sie wohnten in Lyme, und Lutie fragte sich schon, wie sie nach Lyme kommen sollte, wenn Mrs. Chandler nicht da war, um sie abzuholen, oder sie am Bahnhof verfehlte.
Doch sie hatte in Saybrook kaum den Fuß auf den Bahnsteig gesetzt, da kam eine junge blonde Frau lächelnd auf sie zu und sagte: »Hallo. Ich bin Mrs. Chandler. Sie müssen Lutie Johnson sein.«
Lutie sah sich auf dem Bahnsteig um. Es waren nur wenige Menschen ausgestiegen, und sie hatte fast Lust zu lachen. Sie hätte sich keine Sorgen machen müssen, ob Mrs. Chandler sie wohl erkennen würde; es war weit und breit sonst niemand ihrer Hautfarbe zu sehen.
»Der Wagen steht da drüben.« Mrs. Chandler zeigte mit einer vagen Geste auf einen Kombi an der unbefestigten Straße gleich beim Bahnsteig.
Auf dem Weg zum Wagen musterte Lutie Mrs. Chandler verstohlen. Gegen das, was die anhat, dachte sie, sehen meine Sachen allesamt schäbig aus. Mein schwarzer Mantel ist zu eng, der Samtkragen ganz falsch, ebenso die hohen Absätze und dünnen Strümpfe und der breitkrempige Hut. Denn Mrs. Chandler trug gerippte Strümpfe aus feiner Baumwolle und flache Mokassins aus rotbraunem, im Licht schimmerndem Leder. Dazu einen lockersitzenden Tweedmantel, aber keinen Hut. Die Perlstecker an ihren Ohren hielt Lutie für echt. Alles, was sie trägt, sagte sie sich, hat richtig Geld gekostet, dabei ist sie nicht viel älter als ich – höchstens ein, zwei Jahre.
Auf der Fahrt nach Lyme sagte Lutie nichts, denn ihr ging zu viel durch den Kopf. Mrs. Chandler machte sie auf Besonderheiten aufmerksam. »Der Connecticut River«, sagte sie und deutete flüchtig auf das Wasser unter der Brücke, die sie überquerten. Kurz danach bogen sie von der Straße ab und folgten rund eine Meile einer Landstraße, an der die Bäume so dicht beieinanderstanden, dass Lutie sich fragte, ob die Chandlers vielleicht in einem Wald wohnten.
Dann nahmen sie eine noch schmalere Schotterstraße bis zu einem großen Tor und einem Schild, das einen »Privatweg« ankündigte. Der wand sich durch dichten Wald, bis sie schließlich ins Freie gelangten, wo ein Haus stand. Lutie machte große Augen und biss sich rasch auf die Unterlippe; nicht etwa, weil es so groß war, es gab in bestimmten Gegenden von Jamaica Häuser, die genauso groß, aber keine, die so schön waren. Über diesen ersten Eindruck von fern kam sie nie recht hinweg – die elegante, langgestreckte Form mit ihrem blendend weißen, in der Sonne geradezu funkelnden Anstrich und im Hintergrund dem so blauen Fluss.
»Wollen wir einen kleinen Rundgang machen, bevor ich Ihnen Ihr Zimmer zeige?«, meinte Mrs. Chandler.
»Yes Ma’am«, sagte Lutie leise. Und wunderte sich, wie mühelos, wie anstandslos sie ihr »Ma’am« hatte vorbringen können. Es hatte ihr offenbar auf der Zunge gelegen, sie hatte sich längst zurechtgelegt, wie sie diesen Job so lange wie nötig behalten könnte, indem sie das vollendete Hausmädchen gab. Ergeben, gutwillig, fleißig und dabei ausgesprochen helle.
Später sollte sie erfahren, dass Mrs. Chandlers Eltern das Haus als sehr klein empfanden. »Das Haus der Kinder.« Schon wie sie es sagten, verriet, dass sie zehnmal so große Häuser gewohnt waren und diese Puppenstube drollig fanden, aber für die Kinder ganz passend – ein paar Jahre lang. Mr. Chandlers Vater äußerte gar keine Meinung, weder so noch anders. Lutie hätte unmöglich sagen können, was er von dem Haus hielt, wenn er gelegentlich auf ein Wochenende zu Besuch kam.
Lutie selbst hingegen kam es vor wie ein Wunder mit seinen vier großen Schlafzimmern, jeweils mit eigenem Bad, dem Kinderzimmer, das genauso groß war wie die Erwachsenenschlafzimmer, und direkt darunter lag eines mit Bad für sie. Dazu gab es noch ein Wohnzimmer, ein Esszimmer, eine Bibliothek, eine Waschküche. Zusammengenommen war das alles wie im Film, so groß waren die Räume und die Fenster, die den Wald drum herum und den Fluss praktisch ins Haus holten. Sie hatte so etwas noch nie im Leben gesehen.
An jenem ersten Tag entfuhr ihr, als sie Mrs. Chandlers Schlafzimmer betrat, unwillkürlich ein »Oh!«
»Gefällt es Ihnen?«, fragte Mrs. Chandler mit einem Lächeln.
Lutie nickte, besann sich aber sogleich und sagte: »Yes Ma’am.« Sie sah sich um und wusste, dass sie keine Worte dafür hatte, wie das Schlafzimmer auf sie wirkte, denn sie hatte ihr ganzes Leben auf Sofas in Wohnzimmern geschlafen oder in Winkeln, die kaum mehr waren als Ein- und Ausgänge von Zimmern, die an andere untervermietet wurden, und ihr erstes richtiges eigenes Schlafzimmer war das kleine in Jamaica gewesen, wo man sich, wenn man nicht aufpasste, den Kopf an der niedrigen Decke stieß, die nur unter der Gaube am Fenster etwas höher war.
Nein, sagte sie sich, sie hatte keine Worte dafür, wie das Zimmer auf sie wirkte. Es nahm das ganze hintere Ende des Hauses ein, mit Fenstern, die auf den Fluss hinausgingen, auf die Gärten vorne, auf den Wald neben dem Haus. Das Schlafzimmer war ganz mit dickem roten Teppichboden ausgelegt, und gleich am Himmelbett lag ein runder weißer Vorleger, der aussah wie Fell, so flauschig. Chintzstoffe in zarten Farben schimmerten sachte vor den Fenstern, bedeckten das Bett, drapierten die Chaiselongue vor den Flussfenstern und die Sessel am Kamin.
Alles im Haus war so perfekt wie Mrs. Chandlers Schlafzimmer. Selbst ihr eigenes – das Dienstmädchenzimmer mit den schlichten Ahornmöbeln und den bunten Gardinen – war perfekt. Little Henry Chandler, zwei Jahre älter als Bubb, war auch perfekt, was so viel hieß wie nicht verzogen. Einfach ein nettes, fröhliches Kind, das gleich Gefallen an ihr fand und ständig um sie sein wollte. Die Chandlers nannten den Jungen Little Henry, weil sein Vater schon Henry hieß. Das fand sie zunächst komisch, denn Schwarze nannten ihre Kinder »Junior« oder »Sonnie«, wenn sie hießen wie ihre Väter. Aber sie musste zugeben, dass es einem solchen Knirps eine gewisse Würde und einen eigenen Status verlieh, wenn man ihn »Little Henry« rief, und zugleich baute es Verwechslungen vor, denn so stand nie in Frage, wer gemeint war.
Ja. Es war alles perfekt. Mr. Chandler war jung, sah gut aus und verdiente offenbar einen Haufen Geld. Doch nach sechs Monaten im Haus erkannte sie mit Unbehagen, dass etwas nicht stimmte. Mrs. Chandler schien an Little Henry nicht sonderlich viel zu liegen; nie nahm sie ihn auf den Schoß oder knuddelte ihn, wie es Mütter mit ihren Kindern tun. Immer schob sie ihn von sich weg.
Und Mr. Chandler trank. Das wäre den meisten gar nicht aufgefallen, aber sie, die mit Pop und seinem unstillbaren Durst gelebt hatte, erkannte in ihm mühelos den Gewohnheitstrinker. Wenn er morgens zum Frühstück herunterkam, zitterten Mr. Chandler die Hände, und er brauchte einen Klapperschluck, ehe er sich auch nur einer Tasse Kaffee gewachsen fühlte. Wenn er abends heimkam, schenkte er sich als Erstes einen ordentlichen Drink ein. Es war ihr kaum möglich, die Hausbar voll bestückt zu halten, so rasch leerten sich die Flaschen.
»Da hat Lutie wohl vergessen aufzustocken«, scherzte Mr. Chandler, wenn sie auf sein Klingelzeichen erschien.
»Yes Sir«, sagte sie dann leise und sorgte für Nachschub.
Das Seltsame war, dass Mrs. Chandler nie etwas auffiel. Mit der Zeit begriff Lutie, dass Mrs. Chandler generell nichts auffiel an Mr. Chandler. Und doch war sie schrecklich nett; sie lachte unentwegt, sie hatte zahllose junge Freundinnen, die sich so kleideten wie sie – manche hatten sogar kleine Kinder in Little Henrys Alter.
Mrs. Chandlers Freundinnen mochte Lutie allerdings nicht so gern. Sie kamen zu Lunchpartys ins Haus oder nachmittags zum Bridge. Sie aßen entweder wie die Scheunendrescher oder gar nichts, weil sie fürchteten, dick zu werden. Lutie konnte sich nie recht entscheiden, was sie mehr ärgerte – sie die herrlichen, von ihr liebevoll zubereiteten Speisen hinunterschlingen oder sie darin stochern und die Happen auf ihren Tellern herumschieben zu sehen.
Wann immer Lutie ein Zimmer betrat, in dem sich diese Frau-en aufhielten, wurde sie irgendwie kritisch beäugt. Manchmal schnappte sie eine Bemerkung über sich auf. »Klar, als Köchin top. Aber ich würde so ein hübsches farbiges Ding nicht unter meinem Dach haben wollen. Nicht bei einem wie John. Weiß man doch, dass die jedem schöne Augen machen. Besonders den Weißen.« Und dann: »Was meint ihr, ob …«
Daraufhin bediente sie die Frauen zwar weiterhin so routiniert unauffällig wie sonst, sah sie aber nicht mehr an – sie schaute um sie herum. Dabei war sie nicht einmal wütend. Eher voller Verachtung. Die wussten ja nicht, dass sie selbst einen großen, hübschen Kerl hatte, dass ihre armseligen weißen Hänflinge sie nicht die Bohne interessierten. Aber sie hätte schon gern gewusst, wie die auf die Idee kamen, dunkelhäutige Frauen wären allesamt Flittchen.
Ihr dämmerte, dass sie da in eine sehr seltsame Welt geraten war. Mit vollkommen anderen Werten. Sie kam sich vor, als schaute sie durch einen Spalt in der Mauer in einen verzauberten Garten. Sie konnte die Menschen im Garten sehen und hören, sprach deren Sprache, konnte aber die Mauer nicht überwinden. Die Gestalten dahinter wandelten ganz lebensecht umher und konnten umgekehrt