Theologie des Alten Testaments - Michaela Bauks - E-Book

Theologie des Alten Testaments E-Book

Michaela Bauks

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Beschreibung

Michaela Bauks zeichnet die impliziten theologischen Konzepte des Alten Testaments nach. Altorientalische Traditionen, historische Entwicklungen und bibelhermeneutische Überlegungen werden behandelt, auch die kirchliche und schulische Praxis wird reflektiert. Hinweise zum Verstehen des Alten Testaments erleichtern die Rezeption – und sichern eine erkenntnisreiche Lektüre!

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UTB 4973

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Basiswissen Theologie und Religionswissenschaft

Herausgegeben von Lukas Bormann

Michaela Bauks

Theologie desAlten Testaments

Religionsgeschichtliche undbibelhermeneutische Perspektiven

unter Mitarbeit von Lilli Ohliger und Jochen Wagner

Vandenhoeck & Ruprecht

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

© 2019, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D‐37073 Göttingen

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Umschlagabbildung: Hans Burgkmair d. Ä., „Der Sündenfall“, um 1524. © akg-images

Umschlaggestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart

Satz: SchwabScantechnik, GöttingenEPUB-Produktion: Lumina Datamatics, Griesheim

Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

UTB‐Band‐Nr. 4973

ISBN 978-3-8463-4973-1

Inhalt

Vorwort

1. Zur Einführung

1.1 Die Entstehung der Theologie des Alten Testaments als Disziplin und die Frage nach seiner Mitte

Literatur

Die einschlägigen Werke der Theologie des Alten Testaments

Weitere Literatur

1.2 Das Verhältnis von Theologie und Religionsgeschichte

Literatur

1.3 Die Rekonstruktion alttestamentlicher Theologie(n) – literarische und materiale Zeugnisse

Literatur

1.4 Der hermeneutische Bezugsrahmen

Literatur

2. Theologische Themen in ihren biblischen Kontexten

2.1 Der Gott Israels offenbart sich in seinen Namen

2.1.1 Die Offenbarung im brennenden Dornbusch (Ex 3)

2.1.2 Die Selbstvorstellung Gottes (Ex 6)

Literatur

2.2 JHWH offenbart sich in der Befreiung aus Ägypten

2.2.1 Plagenzyklus und Auszugsbericht

Literatur

2.2.2 Gott offenbart sich durch sein Rettungshandeln:die Figur des Mose

Literatur

2.3 JHWH offenbart sich in den Verheißungen an die Erzeltern

2.3.1 Der Abrahamzyklus

2.3.2 Der Jakobzyklus

Literatur

2.4 JHWH offenbart sich als Schöpfer und König der Welt

2.4.1 Der erste Schöpfungsbericht

2.4.2 Die zweite Erzählung von Schöpfung und Garten

2.4.3 Schöpfung und Flut im Kontext der Urgeschichte

2.4.4 Schöpfungstraditionen in der Hebräischen Bibel

Literatur

2.5 JHWH offenbart sich als Gott am Sinai/Horeb: Bund und Weisung

2.5.1 Die Vorstellungen von Bund

Literatur

2.5.2 Die Vorstellungen von Weisung und Gesetz

2.5.3 Die Murr-Erzählungen als Paradigma des Bundesbruchs und als Präfigurationen der Krise

Literatur

2.6 JHWH offenbart sich in Gericht und Heil: die prophetische Literatur

Literatur

2.6.1 JHWH, der Richter in der vorexilischen Prophetie 174 Literatur

Literatur

2.6.2 JHWH, der strafende Gott in der exilischen Prophetie

Literatur

2.6.3 JHWH, der erbarmende Gott: die Restauration Israels in nachexilischer Zeit

Literatur

2.6.4 JHWH, der Gott der Apokalyptik

Literatur

2.7 Israels Klage und Lob im Psalter: Spiegelungen der Gottesoffenbarungen

2.7.1 Psalmentheologie und Gattung

2.7.2 Psalmentheologie und stilistische Mittel

2.7.3 Psalmentheologie in Auseinandersetzung mit Themen anderer biblischer Bücher

Literatur

2.8 Traditionelle Weisheit und weisheitliche Skepsis – Kosmotheologie als Gottesoffenbarung

2.8.1 Theologie und Weisheit im Proverbienbuch

Literatur

2.8.2 Hiob und die skeptische Weisheit

Literatur

2.8.3 Die späte Weisheit: Qohelet, Jesus Sirach, Weisheit Salomos

2.8.4 Didaktische Lehrerzählungen in weisheitlichem Kontext

Literatur

2.9 Theologische Strömungen in der hebräischen Bibel

Literatur

3. Alttestamentliche Theologie als polyphone Rede von Gott

3.1 Monotheismus

3.1.1 Phase 1: Die Frühgeschichte

3.1.2 Phase 2: Der Weg zum Nationalkult

3.1.3 Phase 3: Die assyrisch-babylonische Zeit

3.1.4 Phase 4: Die exilische und persische Zeit

3.1.5 Phase 5: Die hellenistische Zeit

Literatur

3.2 Bilderverbot

3.2.1 Die historische Entwicklung der Bildlosigkeit JHWHs

3.2.2 Begründungen des Bilderverbots

3.2.3 Tora statt Kultbild (1Makk 3,48)

Literatur

3.3 Bedeutung und Verwendung des Gottesnamens

3.3.1 Der Ursprung der Scheu vor dem Gottesnamen

3.3.2 Maßnahmen zum Schutz des Gottesnamens

3.3.3 Was bedeutet es, den Namen Gottes zu heiligen?

Literatur

3.4 Königtum und Eschatologie

3.4.1 Das irdische Königtum und die Königsideologie

3.4.2 Die Eschatologisierung des gesalbten Königs („Messias“)

3.4.3 Raum- und Zeitdimensionen der göttlichen Herrschaft

3.4.4 Kosmotheologie

Literatur

3.5 Israels Geschick

3.5.1 Israel und sein Land

3.5.2 Israels Zuwendung zu Gott

3.5.3 Israels Hadern mit Gott

Literatur

3.6 Der Bezugsrahmen der „Heiligen Schrift“

3.6.1 Die Entstehung des alttestamentlichen Kanons

3.6.2 Kanonhermeneutik

3.6.3 Die Bezogenheit von Altem und Neuem Testament („Biblische Theologie“)

3.6.4 Gottes Wort in der Schrift

Literatur

Anhang

Anhang 1: Alttestamentliche Themen und Texte in der Perikopenordnung

Anhang 2: Alttestamentliche Themen und Texte in den curricularen Standards der Lehrpläne

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Register

Personen-, Orts- und Sachregister

Stellenregister

Vorwort

Angestoßen durch den neutestamentlichen Kollegen Lukas Bormann, um die Modularisierung der Studiengänge studierendengerecht zu begleiten, nahm dieses Lehrbuch einen langen Weg. In verschiedenen Seminaren an der Universität Koblenz-Landau wurde ein Grundgerüst geschaffen, die Verschriftlichung erfolgte in Auseinandersetzung mit aktuellen Positionen zu den jeweiligen Themen. Einen wichtigen Ausgangspunkt bildete der Grundriß der alttestamentlichen Theologie von Walther Zimmerli im Bezug auf ein seinem Werk implizites Offenbarungsverständnis, das die vorliegende Darstellung begrifflich prägt. Im Sinne der kulturgeschichtlichen Öffnung habe ich das Konzept hermeneutisch geerdet mit Einsichten Paul Ricœurs. Er hat den Begriff der Offenbarung (révélation) aufgenommen, um die Besonderheit biblischer Literatur und ihre Relevanz aufzuzeigen. Ziel des Buches ist es weiterhin, religionsgeschichtliche Einsichten für die Rekonstruktion alttestamentlicher Theologie(n) fruchtbar zu machen, eine in vielen Darstellungen alttestamentlicher Theologie eher stiefmütterlich behandelte Perspektive. Doch fand ich in der 2015 erschienenen Theologie des Alten Testaments von Jörg Jeremias einen hervorragenden imaginären Gesprächspartner.

Dieses Lehrbuch brauchte Erstleser. Da sind an erster Stelle meine Studierenden zu nennen, die insbesondere Teil II über die Semester rezipiert und durch ihr kritisches Fragen und Nachhaken zu dem Buch beigetragen haben. Ihnen sei gedankt! Zu danken ist außerdem einer Reihe von Kolleginnen und Kollegen, die Teile des Buchs gelesen und kommentiert haben. Ihnen verdanke ich Rückfragen zu Aufbau und Konzept, zu Begriffen und Detailfragen sowie zur hermeneutischen Zugangsweise, die für meine weitere Arbeit äußerst dienlich waren. An dieser Stelle seien vor allem genannt mein Koblenzer Kollege in der systematischen Theologie, Jürgen Boomgaarden sowie Bernd Janowski (Universität Tübingen), Klaus Koenen (Universität Köln), Daniel Krochmalnik (Universität Potsdam), Annette Schellenberg (Universität Wien), Andreas Schüle (Universität Leipzig) und meine Doktorandin, Martina Weingärtner (Universität Augsburg). Ihnen wie auch weiteren Kollegen, mit denen ich hie und da über mein Projekt sprach, sei sehr herzlich gedankt.

Modularisierung der Studiengänge ist das eine, Praxisorientierung das andere aktuelle Stichwort, um universitäre Lehre, lebenslanges Lernen und die praktische Umsetzung für (zukünftig) lehrende, predigende und liturgisch tätige Menschen miteinander zu verbinden. So entstanden in Kooperation mit dem Wissenschaftlichen Mitarbeiter am Institut Ev. Theologie in Koblenz, Pfr. Dr. Jochen Wagner, und der ehemaligen Doktorandin und im Schuldienst tätigen Dr. Lilli Ohliger zwei Anhänge, in denen die beiden den Lehrstoff mit den alttestamentlichen Themenfeldern in den Perikopenreihen bzw. den Curricularen Standards aus verschiedenen Bundesländern zur Darstellung gebracht haben. Für diese sehr aufwändige Arbeit sei Ihnen an dieser Stelle besonders herzlich gedankt.

Last but not least, danke ich Bruno Biermann für die umsichtige Erstellung der Druckformatvorlage und eine Reihe redaktioneller Arbeiten.

Zuletzt geht mein Dank für die gute Kooperation an den Herausgeber der Reihe „Basiswissen Theologie und Religionswissenschaft“, Lukas Bormann (Universität Marburg), sowie an den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, dessen Mitarbeiter Christoph Spill, Dr. Bernhard Kirchmeier, Elisabeth Hernitscheck und Miriam Espenhain verschiedene Stadien des Lehrbuchs zielführend und kompetent begleitet haben.

Koblenz, den 11. März 2018

Michaela Bauks

1. Zur Einführung

Dieses Buch ist ein Lehrbuch, das die zentralen theologischen Themen des Alten Testaments/der hebräischen Bibel zusammenstellt. Darin folgt es verschiedenen Voraussetzungen, die an dieser Stelle kurz dargelegt werden.

Der rote Faden einer solchen Darstellung ließe sich entweder – historisch vorgehend – literaturgeschichtlich knüpfen, indem die alttestamentlichen Texte entsprechend ihrer rekonstruierten Entstehungsund Überlieferungsgeschichte zur Darstellung kommen und das chronologische Nacheinander theologischer Strömungen in den Blick kommt. Alternativ dazu ließe sich die Darstellung systematisch ausrichten und z. B. ausgehend von der Frage nach einer theologischen Mitte entwerfen, welche die alttestamentlichen Texte dominiert. Oder aber sie fragt ausgehend von der kanonischen Endgestalt nach den Erzählblöcken, anhand derer eine Erinnerungskultur entstanden ist, die nachhaltig Wirkung entfaltet und die jüdisch-christliche bzw. abendländische Kultur der Gegenwart prägt.

Die vorliegende Darstellung wird die drei möglichen Herangehensweisen berücksichtigen, ohne die Idee einer „theologischen Sach- oder Wirkmitte“1 aufzugeben. Sie verfolgt ihr Anliegen unter besonderer Berücksichtigung der altorientalischen Traditionsgeschichte wie auch bibelhermeneutischer Überlegungen zur Wirkungsgeschichte der biblischen Texte.

1.1 Die Entstehung der Theologie des Alten Testaments als Disziplin und die Frage nach seiner Mitte

Erst das Aufkommen der historischen Bibelkritik (J.G. Eichhorn) sowie die Aufspaltung der theologischen Disziplinen in Dogmatik und Bibelwissenschaft (J.P. Gabler) hat seit dem 18. Jh. die Entstehung der historisch-kritischen sowie im 19. Jh. die religionsgeschichtliche Forschung vorbereitet. Anfangs war die hebräische Bibel (Altes Testament) als theologische Vorstufe des Neuen Testaments begriffen (z. B. B. Stade)2, so dass sich erst allmählich ein Bewusstsein für den Eigenwert ihrer theologischen Themen entwickelt hat. Neben der Literarkritik, die sich der literaturgeschichtlichen Entstehung der Bibel widmet, entsteht gleichzeitig ein Interesse an den genuin alttestamentlichen Formen und Themen der Bibel (J.G. Herder, „Vom Geist der Ebräischen Poesie; 1782/83). Die Historisierung der Forschung führt die Bibelwissenschaft zwar zuerst einmal von theologischen und hermeneutischen Fragen weg und vertieft den Graben zwischen Exegese und Dogmatik. Doch bewirkte die in dieser Zeit einsetzende Erschließung der altorientalischen Nachbarreligionen mit der Entdeckung ihrer archäologischen wie literarischen Quellen, dass die Frage nach der theologischen und kulturellen Bedeutung der biblischen Texte neu kontextualisiert, die Frage nach dem Exklusivitätsanspruch biblischer Literatur erneut gestellt wurde und die Bezogenheit der beiden Testamente aufeinander („Biblische Theologie“) wieder in den Blick kam.3 Lässt sich das Zentrum des Neuen Testaments in der Figur Jesus Christus gut bestimmen, ist die Mitte des Alten Testaments komplizierter zu definieren. Aus der ersten Hälfte des 20. Jh. sind insbesondere zwei wirkungsgeschichtlich wichtige Konzepte zur Mitte des Alten Testaments beispielhaft zu erwähnen (W. Eichrodt, 1933; L. Köhler, 1936), bevor mit dem Entwurf W. Zimmerlis ein Entwurf vorgestellt wird, der noch heute einen gangbaren Ansatz bietet.4

Die „Mitte“ des Alten Testaments

Bundesmotiv

Während L. Köhler seinen Entwurf einer Theologie des Alten Testaments an den Topoi der evangelischen systematischen Theologie ausrichtet, versucht W. Eichrodt die diversen alttestamentlichen Texte durch das eine Reihe von Büchern bestimmende Bundesmotiv theologisch zu strukturieren. Somit setzt die Beschäftigung mit der Theologie des Alten Testaments die Frage nach der inhaltlichen Mitte seiner Texte voraus. Während im Neuen Testament Jesus Christus im Mittelpunkt steht5, erweist sich die Konzentration im Alten Testament auf ein Hauptthema oder eine Figur als Sinn- oder Sachmitte als weitaus schwieriger.6 Denn die verschiedenen Bücher sind zu vielgestaltig, um auf ein einziges Konzept oder Motiv hin definiert zu werden. Pentateuch/Tora, Prophetische Bücher und Schriften sind formal wie inhaltlich wenig vergleichbar und verhindern es geradezu, einen Einzelaspekt als zentrales alttestamentliches Thema zu bestimmen.

Gerhard von Rad

Nacherzählung

Deshalb schaut in der Mitte des 20. Jahrhunderts der Heidelberger Alttestamentler G. von Rad kritisch auf die Vorschläge zurück, die Mitte des Alten Testaments z. B. im Bundesmotiv zu sehen. Er betont (Theologie II, 386), dass zahlreiche Texte in ein solches Schema nicht hineinpassen (Hohelied, Ester, Hiob u. a.). Schließlich zieht er es vor, seine Theologie des Alten Testaments als eine Geschichte der alttestamentlichen Literatur zu konzipieren und auf theologische Systematisierung weitgehend zu verzichten: „Die legitimste Form theologischen Redens vom Alten Testament ist die Nacherzählung“ (Theologie I, 134 f.). Allerdings setzt er zugleich einen thematisch-theologisch fundierten Zugang voraus, wenn er feststellt, „daß der Glaube Israels grundsätzlich geschichtstheologisch fundiert ist“ und die alttestamentlichen Literaturwerke sich darauf beschränken, „das Verhältnis Jahwes zu Israel und zur Welt eigentlich nur in einer Hinsicht darzustellen, nämlich als ein fortgesetztes göttliches Wirken in der Geschichte“ (Theologie I, 118). Dass die Identität Israels sich anhand geschichtlicher Wandlungen und Umbrüche konstruieren lässt, ist zwar richtig, lässt aber zugleich weite Teile des dritten Kanonteils (Ketubim) wie die theologisch bedeutsamen Weisheitsschriften Sprüche, Hiob und Kohelet außer Betracht. Ihnen hat von Rad dreiundzwanzig Jahre später eine eigene Untersuchung gewidmet.

Walther Zimmerli

Offenbarungsgeschichte JHWHs als perspektivischer Fluchtpunkt

Seinem Kollegen W. Zimmerli war dieses Vorgehen theologisch zu unbestimmt. Deshalb schlägt er vor, das Alte Testament als eine „Offenbarungsgeschichte JHWHs“ zu beschreiben, die in besonderer Weise in der Selbstvorstellung JHWHs zum Ausdruck kommt und deren Mitte in der inneren, von Israel geglaubten Kontinuität mit seinem Gott JHWH besteht, die über Themen wie Schöpfung, Exodus, Bund, Gericht immer wieder anders artikuliert wird. Es geht ihm also nicht um die Bestimmung eines zentralen theologischen Themas oder Buchs, sondern um die Fixierung eines perspektivischen Fluchtpunkts hinter den Texten.7 Er betont außerdem, „dass es bei dieser ‚Mitte‘ nicht um ein statisch zu erfassendes ‚Gottesbild‘ geht“, in das die Menschen Gott bannen wollen, sondern um ihr anhaltendes Ringen (Grundriß, 11). Charakteristisch ist für seinen Entwurf die Rede vom „Glauben an die Selbigkeit Gottes“ in den alttestamentlichen Schriften, wobei „Selbigkeit“ nicht bedeutet, dass das Gottesbild keinen Wandlungen unterliegt.8 Zwar lassen sich charakteristische Grundzüge in der JHWH-Vorstellung ausmachen (z. B. Schöpfergott). Doch gibt es zugleich auch dynamische Momente (z. B. Gerichtsgott; Retter), eschatologische Züge oder die Tendenz einer zunehmenden Universalisierung des Gottesbildes (s. u. „Monotheismus“). Zu dem Verhältnis von Kontinuität und Wandel tritt zudem die Frage nach den Eigenarten des JHWH-Glaubens, seiner inhaltlichen oder auch literarischen Mitte sowie die nach dem Erbe des Alten Testaments im Neuen. Andere schlugen vor, als literarische Mitte – die unterschieden ist von der Suche nach einer theologischen „Sinnmitte“ wie z. B. Bund oder Heilsgeschichte – die Tora als Gründungsurkunde des Judentums oder auch das Buch Deuteronomium zu bestimmen.9

Rudolf Smend

JHWHs Bund mit Israel

Die Konzentration auf JHWH als „Fluchtpunkt“ oder „Mitte“ des Alten Testaments führte zu der Kritik, dass der Bezugsrahmen Gott-Mensch nicht fehlen dürfe. Deshalb hat R. Smend ein stark an deuteronomistischer Sprache und Theologie orientiertes Konzept entworfen :

„So sehr das in der ‚Selbstvorstellungsformel‘ ‚Ich bin Jahwe (dein Gott)‘ grundlegend Gesagte die ‚bestimmende Kraft für die Gemeinschaft des Alten Testaments‘ bildet [Zimmerli] – es verlangt mit der Notwendigkeit, die dieses Gottes Gabe und Gebot mit sich bringt, die in dem Satz ‚Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein‘ ausgesprochene Fortsetzung. Ist Jahwe der erste Gegenstand des alttestamentlichen Zeugnisses, so ist Israel der zweite, keiner von beiden ist es ohne den anderen.“10

Selbstvorstellungsformel s. u. 2.1

Bundesformel s. u. 2.5.1.2

Smend stellt deshalb anstelle der Selbstvorstellungsformel bei Zimmerli erneut die Bundesformel ins theologische Zentrum. „Gegenstand der Theologie des Alten Testaments wäre danach: Jahwe der Gott Israels in seiner Offenbarung, seinen Handlungen und Setzungen; Israel wie es das Volk Jahwes ist in der Anrufung seines Gottes und im Leben nach seinem Gebot; die große Störung, durch die die beiden Israels auseinandergetreten und Israel gegen Jahwe steht und Jahwe gegen Israel – Sünde und Gericht also, angesagt durch die Propheten; die Versuche, das Scheitern des Verhältnisses zwischen Gott und Volk zu überwinden: Restauration, kultische Konzentration, die theologischen Entwürfe der Exilszeit, die um der Gegenwart willen in die Vergangenheit blicken“ (80). Sein Fazit lautet: Wir können auch als Christen über diesen Partikularismus „Israel als erwähltes, besonders hervorgehobenes Volk“ nicht einfach hinweggehen, indem wir die Inhalte universalisieren. Denn „in der Mitte des Alten Testaments steht nicht der jüdische Weltgott, der die partikularen Bindungen abstreifen kann, sondern dieser eine Gott mit dem fremdartigen Namen und sein ihm gehorsames und nicht gehorsames Volk“ (83). Neuerdings wird wieder auf die vorrangige theologische Bedeutung des Bundesmotivs wenigstens für den Pentateuch hingewiesen. Mit Rekurs auf J. Assmann stellt z. B. M. Konkel fest:

„Die Beziehung zwischen Gott und Mensch ist nicht einfach eine ‚natürliche‘, durch die Schöpfung gegebene, sondern das Resultat einer Entscheidung – sowohl des Menschen, der sich für oder gegen Gott entscheidet, aber auch einer Entscheidung Gottes, der sich in verlässlicher Weise an den Menschen bindet.“11

Problematisch bleibt an diesem Vorschlag die Zentriertheit auf die deuteronomistische Theologie, die nur in einer begrenzten Anzahl der biblischen Bücher begegnet, wodurch zahlreiche Aspekte, wie z. B. Schöpfungsglaube, Zionstraditionen oder weisheitliches Denken, ausgespart bleiben. Auch lassen sich im Alten Testament durchaus Tendenzen einer Universalisierung des Gottesbildes finden (z. B. Gen 37–50; Hiob; Rut).

Jüdische Reaktionen

Die Bestimmung einer theologischen wie literarischen Mitte der hebräischen Bibel steht im Gegensatz zu jüdischen Auslegungstraditionen, in denen

Unterschiedliches Theologieverständnis

„[n]icht das System, sondern der Kommentar […] die legitime Form [ist], unter der die Wahrheit entwickelt werden kann. […] Die Wahrheit muß an einem Text entfaltet werden, in dem sie vorgegeben ist. […] Ein Blick auf eine Seite des babylonischen Talmud vermittelt […] den wahren Charakter ihres Lehrgesprächs über die Jahrhunderte weg: eine Zeile Text in der Mitte der großen Folienseite, die rechts und links von Kommentaren aus allen Zeiten überrandet ist. Der Möglichkeiten, die Tora zu interpretieren, waren viele, und der Anspruch der Tradition war es, alle auszuschöpfen.“12

Abb. 1: Miqraot Gedolot13

B. Levinson hat herausgestellt, dass die Liebe zum Widerspruch in den Traditionen bereits ein innerbiblisches Phänomen ist: „Der Bruch mit der Tradition drückt sich in der Sprache der Tradition aus“. Es geht also nicht darum, innere Kohärenz und Eindeutigkeit zu schaffen, sondern die Vielstimmigkeit der Traditionen zu bewahren, die auch mit der Kanonisierung nicht etwa zum Abschluss kam, sondern „Tora grundlegend […] umformt durch die Interpretation der Tora“ und sie so für die Gegenwart anwendbar macht.

„In der göttlichen Erzählstimme des biblischen Rechts und der biblischen Prophetie zeigt sich in Wahrheit die menschliche Erzählstimme mit ihrer Kraft zum Wandel: Die Stimme von Autoren, Denkern und Schriftstellern, die sich leidenschaftlich mit der Tradition auseinandersetzen.“14

Das Interesse rabbinischer Theologie („mündliche Tora“) zielt im Rückverweis auf die „schriftliche Tora“ der hebräischen Bibel auf Themen wie die Gottesfrage, Theodizee, Gottesfurcht, Erwählung und Bund, Gottes Offenbarung an Israel und die Propheten, Israel und sein Land, der Tempel, seine Opfer und Rituale, Festkalender, Reinheitsvorschriften, Beschneidung, Judentum und fremde Völker, Exodus und Exil, Eschatologie und Messias.15 Insbesondere die Fest- und Speiseverordnungen sind in der hebräischen Bibel nur kurz behandelt und erhalten erst in den rabbinischen Schriften zahlreiche Halachot. Deutlich wird anhand der Themenliste, dass jüdische und christliche Auslegung mitunter sehr unterschiedliche Aspekte in den Blick nehmen.

Rolf Rendtorff

Zweifache Nachgeschichte

Der jüdische Vorbehalt hat R. Rendtorff veranlasst, das von Rad’sche „literaturgeschichtliche“ Modell als Vorstufe einer „kanonischen Theologie“ anzusehen, die den Verzicht auf zentrale theologisch-systematisierende Begriffe voraussetzt und stattdessen die Nacherzählung in der (hebräischen) Buchreihenfolge bevorzugt (Bd. 1), an die sich dann eine Darstellung der zentralen Themenkomplexe (wie z. B. Schöpfung,; Bund – Erwählung; Land etc.) sowie hermeneutische Überlegungen zur zweifachen Nachgeschichte der hebräischen Bibel in Judenund Christentum anschließen (Bd. 2). Innerhalb der drei Kanonteile gebührt der Tora/dem Pentateuch ein besonderer Rang, auf den sich die beiden anderen Teile (Prophetische Bücher und Weisheitsschriften) rückbeziehen. Zugleich verkörpern diese Teile für ihn drei verschiedene Weisen von und mit Gott zu reden: „Im ersten Kanonteil handelt Gott, im zweiten Kanonteil spricht Gott, im dritten Kanonteil sprechen die Menschen zu Gott und von Gott“ (6; Hervorhebung im Original). Wichtiges Anliegen ist die Vergegenwärtigung dessen, dass die hebräische Bibel den Christen nicht „gehört“, sondern mit der – in vielerlei Hinsicht unterschiedlich verlaufenden – jüdischen Auslegungsgeschichte zu teilen ist. Sie hat Anspruch auf respektvolle Wahrnehmung, und der Dialog mit der jüdischen Auslegungstradition ist zu suchen und für die christliche Auslegung fruchtbar zu machen.

W.H. Schmidt

Historische Vielfalt des Gottesverständnisses

Die vielleicht meistrezipierte theologische Darstellung der letzten Jahrzehnte ist W.H. Schmidts Buch „Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte“ (112011), das die Entwicklung des alttestamentlichen Gottesverständnisses in seinen sachlichen und geschichtlichen Zusammenhängen von der nomadischen Vorzeit bis in die Königszeit nachzeichnet. Der Aufriss ist sowohl an der erzählten Buchreihenfolge orientiert (Tora – Nebi’îm – Ketubîm), als auch und vor allem am literarischen Aufkommen und Alter der jeweiligen Bekenntnisse und Überlieferungen. Im Dialog mit religionsgeschichtlichen Beobachtungen geht es sowohl um die theologischen Einsichten des Alten Testaments (§ 1) als auch um die Verbindungslinien zum Neuen Testament (§ 20 „Biblische Theologie“). Bezüglich der Frage nach der Mitte des Alten Testaments gibt Schmidt angesichts der Beobachtung, dass die meisten vorgelegten Theologien auf das Gottesverständnis abzielen, Folgendes zu bedenken:

„Ein ‚Begriff‘ vermag nicht das Ganze zu erfassen. Entweder verdeckt die systematische Darstellung die historische Vielfalt, oder der systematische Ansatz wird bei der Besprechung der Einzelphänomene in den wechselnden Bereichen recht bald verlassen. Die alttestamentlichen Aussagen lassen sich auf Grund ihrer Verschiedenartigkeit und Geschichts- wie Situationsbezogenheit nicht oder nur höchst behutsam systematisieren.“ (18)

Jörg Jeremias

Denkformen des Glaubens und implizite Theologiebildung

Auch der zuletzt erschienene Entwurf einer Theologie des Alten Testaments (2015) möchte weder eine systematische Gliederung implantieren, die nicht der alttestamentlichen Literatur im Kontext des altorientalischen Erbes entnommen ist, noch sich mit einer Nacherzählung der verschiedenen Überlieferungsblöcke zufrieden geben. Er knüpft an Denkformen des Glaubens Israels an, wie sie Paul Ricœur (s. u.) und Isaak Leo Seligmann unabhängig voneinander beschrieben haben, die sich als erzählende, prophetische, Rechts-, hymnische und weisheitliche Texte definieren lassen. Anhand dieser Denkformen wird eine Art „impliziter Theologisierung“ sichtbar, deren verschiedene Strömungen nicht nur zu beschreiben, sondern auch zueinander in Beziehung zu setzen sind. Ein äußerliches Bezugssystem stellt der kanonische Rahmen dar, aber auch die zahlreichen innerbiblischen Rückverweise, wie sie sich in den (nach-)exilischen Werken zuhauf finden, tragen zur Theologiebildung bei, da sie die älteren Traditionen anhand der genannten Denkformen ausgedeutet bzw. rekontextualisiert haben (5 ff.).16

Bezugsrahmen der „Heiligen Schrift“ s. u. 3.6

Im Rückblick auf die virulente Debatte um eine Mitte des Alten Testaments ist einerseits der Rezeptionsrahmen zu berücksichtigen, in dem vor allem die protestantische, den Traditionsbegriff mitunter reduzierende Theologie steht.17 Andererseits fordert die funktionale Bestimmung der Bibel (Predigt, Katechese, Bibeldidaktik und Religionspädagogik; s. u. Anhang) eine Auseinandersetzung, die über eine rein literargeschichtliche Darstellung hinausgeht und die Überlieferungen bibelhermeneutisch reflektiert. Insofern ist es hilfreich, für die Formulierung einer Mitte „nicht die begriffl. fixierbare Mitte einer pluriformen Textsammlung (AT), sondern die Sachmitte eines Geschehens (JHWH-Israel-Verhältnis)“18 hervorzuheben, und dieses in seiner Bedeutung für die jeweilige Gemeinschaft zu analysieren.

Wichtig ist zugleich, den antiken Texten keine modern gewachsene „systematische“ Theologiebildung aufzustülpen, sondern darauf bedacht zu sein, aus der historisch-kritischen Lektüre heraus in Kombination mit hermeneutischen und rezeptionsgeschichtlichen Überlegungen zu einem theologischen Verständnis zu kommen, das zwischen dem historischen und gegenwärtigen Wahrheitsgehalt unter Berücksichtigung der untereinander divergierenden Glaubensgemeinschaften zu vermitteln sucht.

Literatur

Die einschlägigen Werke der Theologie des Alten Testaments

Brueggemann, Walter: Theology of the Old Testament: Testimony, Dispute, Advocacy, Minneapolis 1997.2012.

Childs, Brevard S.: Die Theologie der einen Bibel. Bd. 1 Grundstrukturen; Bd. 2: Hauptthemen, Freiburg/Basel/Wien 2003.

Eichrodt, Walter: Theologie des Alten Testaments, 3 Bde, Leipzig 1935.

Feldmeier, Reinhard/Spieckermann, Hermann: Der Gott der Lebendigen. Eine biblische Gotteslehre, Tübingen 2011.

Gerstenberger, Erhard S.: Theologien im Alten Testament. Pluralität und Synkretismus alttestamentlichen Gottesglaubens, Stuttgart 2001.

Jeremias, Jörg: Theologie des Alten Testaments, Göttingen 2015 (GAT 6).

Kaiser, Otto: Der Gott des Alten Testaments. Theologie des Alten Testaments I, Göttingen 1993 (utb 1747).

Köhler, Ludwig: Theologie des Alten Testaments, Tübingen 31953.

Preuß, Horst-Dietrich: Theologie des Alten Testaments, Bd. 1–2, Stuttgart/Berlin/Köln 1991.

Rendtorff, Rudolf: Theologie des Alten Testaments. Ein kanonischer Entwurf, Bd. 1: Kanonische Grundlegung, Neukirchen-Vluyn 1999.

–: Theologie des Alten Testaments. Ein kanonischer Entwurf, Bd. 2: Thematische Entfaltung, Neukirchen-Vluyn 2001.

Sanders, James A.: Torah and Canon, Philadelphia 1972.

Schmidt, Werner H.: Alttestamentlicher Glaube in seiner Geschichte, Göttingen 112011.

Smend, Rudolf: Die Mitte des AT, in: Ders., Die Mitte des Alten Testaments. Gesammelte Studien, Bd. 1, München 1986, 40–84.

von Rad, Gerhard: Theologie des Alten Testaments, Bd. 1: Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, München 41982.

–: Theologie des Alten Testaments, Bd. 2: Die Theologie der prophetischen Überlieferungen Israels, München 81984.

–: Weisheit in Israel, Neukirchen 31985.

Westermann, Claus: Theologie des Alten Testaments in Grundzügen, Göttingen 1978.2011 (GAT 6).

Zimmerli, Walther: Grundriß der alttestamentlichen Theologie, Stuttgart (1972) 41982 (ThW 3).

Weitere Literatur

Dalferth, Ingolf: Die Mitte ist außen. Anmerkungen zum Wirklichkeitsbezug evangelischer Schriftauslegung, in C. Landmesser u. a. (Hg.), Jesus Christus als Mitte der Schrift. Studien zur Hermeneutik des Evangeliums (FS O. Hofius), Tübingen 1997 (BZNW 86), 173–198.

Frankemölle, Hubert: Art. Mitte, in: Angelika Berlejung/Christian Frevel (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe zum Alten und Neuen Testament, Darmstadt 52015, 339–340.

Grohmann, Marianne: Rezeption und Übersetzung. Jüdische und christliche Transformationen der Hebräischen Bibel, in: Dies./U. Ragacs (Hg.), Religion übersetzen. Übersetzung und Textrezeption als Transformationsphänomene von Religion, Göttingen 2012, 13–30.

Hartenstein, Friedhelm: JHWHs Wesen im Wandel. Vorüberlegungen zu einer Theologie des Alten Testaments, in: ThLZ 137 (2012), 4–20.

Herrmann, Siegfried: Die konstruktive Restauration. Das Deuteronomium als Mitte biblischer Theologie (1971), in: Ders. Gesammelte Studien zur Geschichte und Theologie des Alten Testaments, München 1986, 163–178 (TB 75).

Janowski, Bernd: Der eine Gott der beiden Testamente, in: ZThK 95 (1998), 1–36.

Janowski, Bernd/Welker, Michael: Art. Biblische Theologie I. Exegetisch; II. Fundamentaltheologisch, in: RGG4 1 (1998), 1544–1553.

Jeremias, Jörg: Hauptprobleme einer Theologie des Alten Testaments, in: Ders., Studien zur Theologie des Alten Testaments, Tübingen 2013 (FAT 99), 47–64.

–: Neuere Entwürfe zu einer ‚Theologie des Alten Testaments‘, in: Ders., Studien zur Theologie des Alten Testaments, Tübingen 2013 (FAT 99), 15–46.

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Schwienhorst-Schönberger, Ludger: Einheit und Vielheit. Gibt es eine sinnvolle Suche nach der Mitte des Alten Testaments?, in: F.-L. Hossfeld (Hg.), Wieviel Systematik erlaubt die Schrift. Auf der Suche nach einer gesamtbiblischen Theologie, Freiburg 2001 (QD 185), 48–87.

Smend, Rudolf: Beziehungen zwischen alttestamentlicher und neutestamentlicher Wissenschaft, in: ZThK 92 (1995) 1–12.

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Zimmerli, Walther: Erwägungen zur Gestalt einer alttestamentlichen Theologie, in: Ders., Studien zur alttestamentlichen Theologie und Prophetie. Gesammelte Aufsätze 2, München 1974 (ThB 51), 9–26.

1.2 Das Verhältnis von Theologie und Religionsgeschichte

Beschwichtigungsformel s. u. 2.6

Alttestamentliche Theologiebildung im Kontext

Entdeckungen und Ausgrabungen antiker Stätten und Artefakte des Alten Orients und Ägyptens seit dem 19. Jahrhundert haben verdeutlicht, wie sehr das Alte Testament von dem kulturellen Großraum, in dem es entstand, abhängig ist. Für zahlreiche Themen, Motive, wie Metaphern und (form)sprachliche Anleihen (z. B. das häufig zitierte „Fürchte Dich nicht […]“ in prophetischen Texten) finden sich direkte Parallelen und Analogien in den Nachbarkulturen Israels. Folgerichtig kann auch die Rekonstruktion einer Theologie des Alten Testaments diese Parallelen im Zuge eines angemessenen Verständnisses der biblischen Texte nicht außer Acht lassen. Zwar hat sich die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Forschung der Religionsgeschichtlichen Schule (H. Gunkel u. a.) anfangs kaum durchsetzen können, sondern ist stattdessen – insbesondere in den exegetisch-theologischen Entwürfen – Einflüssen gewichen, die stark von der systematischen Theologie (z. B. durch die Theologie Karl Barths) geprägt waren. Doch treten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts komparatistische Untersuchungen biblischer Texte mit altorientalischem Material neu ins Blickfeld und arbeiten heraus, wie eng die alttestamentlichen Welt-, Menschen- und Gottesbilder mit denen des Alten Orients verwandt sind.19 Parallel zu dieser Entwicklung findet die Rede von „Theologie“, die bislang für den jüdisch-christlichen Kontext reserviert war, auch auf andere alte Kulturen Anwendung, was die Relevanz religionshistorischer Fragestellungen unterstrichen hat.20 Diese Tendenz hat aber auch dazu geführt, dass das Unterfangen, eine „Theologie des Alten Testaments“ zu verfassen, kritisch diskutiert und die Ersetzung durch eine rein religionsgeschichtlich vorgehende Darstellung gefordert wird: Sie soll (1.) konsequent historisch und ohne jegliche dogmatische Gliederungs- und Auswahlkriterien verfasst sein („emisch-etisch“); (2.) als offener Prozess mit doppeltem Ausgang dargestellt sein (Judentum und Christentum); (3.) methodisch aus der historischen Perspektive des Menschen im alten Israel konzipiert sein; (4.) in Auseinandersetzung mit sozialgeschichtlichen und politischen Prozessen und Transformationen stehen, die die Geschichte Israels geprägt haben; (5.) diskursiv die verschiedenen religiösen Aussagen und Entwürfe der biblischen und außerbiblischen Zeugnisse miteinander ins Gespräch bringen; (6.) religionsvergleichend und nicht im (apologetischen) Dienst des Partikularitätsnachweises von israelitischer Religion argumentieren.21 Nun sind diese Kriterien zwar methodisch zwingend und richtig, dürfen aber nicht dazu führen, Theologie im Alten Testament nicht mehr zu thematisieren (zur Kritik B. Janowski; H. Spieckermann; F. Hartenstein). Denn die religionsgeschichtliche Forschung untersucht zwar die religiösen Rahmenbedingungen in Verknüpfung der jeweiligen archäologischen, epigraphischen und ikonographischen Daten und rekonstruiert die Genese des historisch nachvollziehbaren Überlieferungsbestands. Doch möchten die Studien zur alttestamentlichen Theologie über das religiöse Symbolsystem hinaus seine Bedeutung für die Gegenwart erheben. Und dazu bedarf es hermeneutisch kontrollierter Zugangsweisen.22 Die Ausweitung des Theologiebegriffs auf andere Religionen als die jüdisch-christliche zeigt zudem an, dass Theologiebildung ein typisches Merkmal sekundärer Religionserfahrung ist, die um die Differenzierung in Wahrheit und Lüge, richtige und falsche Religion streitet („Mosaische Unterscheidung“). Nach J. Assmann ist es ein Merkmal aller sekundären Religionen, „im Widerspruch und in der produktiven Spannung zwischen einer synkretistischen Religion bzw. Praxis und einer mehr oder weniger orthodoxen Theologie bzw. Theorie“ zu stehen, weshalb die ägyptische Religion zwar Theologie aber keine eigene Apologetik ausgebildet habe.23 Daraus ergibt sich aber auch, dass Theologieschreibung und die historische Daten sammelnde, religionsgeschichtliche Darstellung nicht in Konkurrenz zu setzen sind.

Theologische Strömungen s. u. 2.9

Hinzukommt, dass – anders als in den Nachbardisziplinen, die den Begriff der Theologie im Kontext wissenschaftlich und historisch nachvollziehbarer Rekonstruktionen von aktuell nicht mehr gelebten Religionen begreifen – die historische Rekonstruktion der alttestamentlichen Wissenschaft auf ein angemessenes Verständnis der alten Religion für die Gegenwart zielt. Sie will die weiterhin auf diesen Traditionen fußenden religiösen Gemeinschaften kritisch begleiten und die Inhalte für die Gegenwart aktualisieren. Denn letztlich bleibt „die wahre Herausforderung der theologischen Auslegung […] Grund und Gegenstand der Theologie: Gott selbst“.24 Weiterhin ist die Ausweitung des Theologiebegriffs auf religionsgeschichtliche Beobachtungen auch angesichts des anstehenden Trialogs der drei monotheistischen Religionen praxisrelevant. In diesem Kontext hat zuletzt K. Schmid die Unterscheidung in explizite und implizite Theologie aufgegriffen und unterstrichen, dass zwar die Rede von „Theologie“ in den Texten der Hebräischen Bibel fehlt und erst im Kontext der antiken griechischen Philosophie vorkommt, dennoch aber Theologie als ein implizit vorhandenes Phänomen begegnet, das der reflektierenden Prüfung und Interpretation religiöser Phänomene dient. Und dieser Vorgang einer impliziten Theologisierung der Texte bestimmt nicht nur den Redaktionsprozess im Zuge der Zusammenführung älterer Überlieferungen und die Kanonbildung, sondern begegnet bereits bei der Abfassung von Werken wie des Deuteronomiums, der Priesterschrift, Deutero-Jesajas oder der Chronik-Bücher in Form von innerbiblische Exegese. Besonders deutlich lässt sich der einsetzende Prozess von Theologisierung in der prophetischen und in der Rechtsliteratur rekonstruieren.25

Literatur

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Janowski, Bernd/Norbert Lohfink (Hg.): Religionsgeschichte Israels oder Theologie des Alten Testaments, Jahrbuch für Biblische Theologie, Neukirchen-Vluyn 1995 (JBTH 10).

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Zgoll, Annette: Die Kunst des Betens. Form und Funktion, Theologie und Psychagogik in babylonisch- assyrischen Handerhebungsgebeten an Ischtar, Münster 2004 (AOAT 308).

1.3 Die Rekonstruktion alttestamentlicher Theologie(n) – literarische und materiale Zeugnisse

Bundesvorstellungen s. u. 2.5.1.2 und 2.5.1.4

Bezugsrahmen der „Heiligen Schrift“ s. u. 3.6

Bundes vorstellungen s. u. 2.5.1

Königsideologie s. u. 3.4

Ein Resultat der Debatten, inwiefern es überhaupt zuträglich ist, von einer „Theologie des Alten Testaments“ zu sprechen, ist die Voraussetzung eines methodischen Plurals; d. h. die alttestamentliche Theologie gibt es de facto nicht, da es sich um ein Konglomerat von Glaubenserfahrungen handelt (Gerstenberger, Theologie, 9).26 Stattdessen ist von einer Reihe theologischer Strömungen und Traditionen auszugehen, welche sich in den biblischen Texten wiederspiegeln und Wandlungen des Gottesbildes implizieren.27 Diese können zeitlich und räumlich verschieden, ja sogar widersprüchlich zueinander sein und lassen sich nach „Schulrichtungen“ gliedern (z. B. die Bundeskonzepte bei P oder im DtrG). Sie lassen aber auch Kontinuitäten erkennen, welche sich durch die Jahrhunderte der Literaturgeschichte Israels ziehen (z. B. Gottkönig- und Zionstheologie im Psalter; die mehrteilige Jesajarolle). So komplex und z. T. umstritten einerseits die rekonstruierte Literargeschichte der alttestamentlichen Einzeltexte ist (s. die Entwürfe von K. Schmid und D. Carr), so offensichtlich ist doch zugleich die Kontinuität bestimmter Figuren, Motive und Konzepte über die jeweilige Einzelschrift sowie die drei einzelnen Kanonteile hinaus, die bis in die Literatur des Neue Testaments und die antik-jüdische Rezeption reicht. Dennoch sind diese Traditionen nicht genuin „jüdisch“, d. h. in Israel-Palästina entstanden. Zahlreiche theologische Themen verdanken sich – wenn auch z. T. umfassend modifiziert – Anleihen aus dem Alten Orient (Bund als Vasallenvertrag), die bereits in der innerbiblischen Exegese einen größeren kulturgeschichtlichen Vermittlungs- und Aneignungsprozess erfuhren. So lassen sich einschlägige theologische Aussagen wie z. B. die Gottebenbildlichkeit des Menschen ohne die altorientalische Königsideologie nicht erklären. Allerdings sind es nicht nur die literarischen Texte der Nachbarkulturen, die biblische Konzepte rekonstruieren helfen, sondern auch archäologische Materialien, Inschriften oder Bildträger, die wichtige Informationen für ein historisch angemessenes Verständnis liefern.

Othmar Keel

Seit den 70er Jahren des 20. Jh. hat insbesondere die „Freiburger Schule“ (Schweiz) wichtige Grundlagenforschung zu den ikonographischen Quellen Palästinas geliefert28, die die alttestamentliche Exegese in vielerlei Hinsicht verändert und prägt. Die außerbiblischen, aber dennoch aus der Region Palästinas und Nordsyriens stammenden Quellen haben theologische Grundvoraussetzungen wie z. B. den Monotheismus, das Namensverbot oder das Bilderverbot beträchtlich relativiert bzw. in eine historische Entwicklungslinie gestellt, die Veränderungsprozesse innerhalb der Religionsgeschichte Israels beispielhaft nachvollziehbar werden lassen.

Literatur

Carr, David: Einführung in das Alte Testament. Biblische Texte – imperiale Kontexte, Stuttgart 2013.

Frevel, Christian: Medien im antiken Palästina? Materielle Kommunikation und Medialität als Thema der Palästinaarchäologie, Tübingen 2005 (FAT II/10).

Gunkel, Hermann: Die israelitische Literatur (1906), Darmstadt 1963.

Hartenstein, Friedhelm: Altorientalische Ikonographie und Exegese des Alten Testaments, in: S. Kreuzer u. a. (Hg.), Proseminar I. Altes Testament. Ein Arbeitsbuch, Stuttgart 2005, 173–186.

Keel, Othmar/Christoph Uehlinger: Göttinnen, Götter und Gottessymbole. Neue Erkenntnisse zur Religionsgeschichte Kanaans und Israels aufgrund bislang unerschlossener ikonographischer Quellen, Freiburg i. Br. 72012.

Keel, Othmar/Schroer, Silvia: Die Ikonographie Palästinas/Israels und der Alte Orient (IPIAO). Eine Religionsgeschichte in Bildern, Bd. 1: Vom ausgehenden Mesolithikum bis zur Frühbronzezeit, Freiburg/Schweiz 2005.

Kratz, Reinhard G.: Die biblische Tradition, in: Ders., Historisches und biblisches Israel. Drei Überblicke zum Alten Testament, Tübingen 2013, 79–179.

Levin, Christoph: Das Alte Testament, München 32006 (Beck’sche Reihe 2160).

Leuenberger, Martin: Gott in Bewegung. Religions- und theologiegeschichtliche Beiträge zu Gottesvorstellungen im Alten Israel, Tübingen 2011 (FAT 78).

Römer, Thomas: How To Write a Literary History of the Hebrew Bible? A Response to David Carr and Konrad Schmid, in: Indian Theological Studies 50 (2013), 9–20.

Schmid, Konrad: Literaturgeschichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt 2008.

Schniedewind, William M.: How the Bible Became a Book. The Textualization of Ancient Israel, Cambridge 2004.

1.4 Der hermeneutische Bezugsrahmen

Paul Ricœur

Am Ende dieser Einleitung stehen Überlegungen, wie diese Perspektivierungen zentraler theologischer Themen in der vorliegenden Darstellung aufzunehmen sind und welchen hermeneutischen Prämissen sie folgen. P. Ricœur hat darauf hingewiesen, dass im Unterschied zu anderen literarischen Texten die Besonderheit der Bibel in der „Sache des Textes“ bzw. in der „Welt des Werkes“ liegt, d. h. in „der Welt, die der Text [= die Bibel] vor sich entfaltet.“29 Die zentrale Differenz zwischen „Bibel“ und „Literatur“ ist folglich nicht die Fiktion, der beide unterliegen. Der Unterschied liegt im Folgenden: Während die Textwelt in der Belletristik einen in sich geschlossenen Weltentwurf schafft, der sich in dichterischer Form von der alltäglichen Wirklichkeit entfernt, entwirft die Bibel hingegen eine „Wirklichkeit des Möglichen“, in der die Gottesbeziehung und die Aneignung durch den Leser eine zentrale Stellung einnimmt (41–43). Als kanonischer Text ist die Bibel „ein umgrenzter Raum für die Interpretation […], in dem die theologischen Bedeutungen in einer Wechselbeziehung zu den Formen der Rede stehen“ (39). Dennoch ist der Text nicht statisch, sondern lebt von der Bewegung der Interpretation, die im Wechselspiel der Aneignung der verschiedenen Redeformen geschieht, die das „Glaubensbekenntnis“ und die ihm zugrunde liegende göttliche Offenbarung in seiner von der jeweiligen Rede abhängigen Form zum Ausdruck bringen. Dabei schaffen die überlieferten Redeformen theologisch bedeutungsvolle Spannungen und Gegensätze, wie sie z. B. in der Erzählliteratur der Tora neben den Sprüchen der Prophetie, d. h. dem Gegensatz von historischem Bericht und Weissagung bestehen, oder in dem Gegensatz von Gesetzgebung und Weisheit oder Hymnus bzw. Spruch. Der theologische Gehalt jeder einzelnen Form ergibt sich aus dem Ganzen der verwendeten Redeformen, so dass die „religiöse Sprache […] dann als eine von dem Zirkel der Formen getragene polyphone Sprache erscheinen“ kann (39). Es liegt somit nicht nur ein Kanon von Texten, sondern zugleich auch ein fixes Korpus von sprachlichen Umsetzungen in den jeweiligen Redeformen vor, in dem „die theologischen Bedeutungen in einer Wechselbeziehung zu den Formen der Rede stehen. Von nun an ist es unmöglich, die Bedeutungen zu interpretieren, ohne den langen Umweg einer strukturalen Erklärung der Formen zu machen“ (39). Angesichts des hohen Alters der Texte tritt zu der Formanalyse die historische hinzu, die dazu beiträgt, den durch die Verschriftlichung autonom gewordenen Text in seiner ursprünglichen Textwelt zu (re)kontextualisieren. Struktur und Intention des (historischen) Textes bezeichnen den Sinn; die Welt des Textes, die sich aus dem Vorgang seiner Verschriftlichung und der Kanonisierung ergibt, bezeichnet nicht das, was gesagt wird, sondern worüber etwas gesagt wird. Und darin liegt die offenbarende Funktion des poetischen Diskurses der Bibel und ihre nachhaltige Wahrheit, die den gesamten Kanon (AT und NT) umfasst, der in Rückbindung an die jeweilige Interpretationsgemeinschaft beansprucht, Zeugnis von den Manifestationen Gottes zu geben.30

Die obenstehenden Ausführungen machen deutlich, dass die theologischen Überlegungen einerseits mit literargeschichtlichen bzw. literaturwissenschaftlichen Überlegungen („Einleitungswissen“) und andererseits mit historischen, d. h. an politischen, sozial- und religionsgeschichtlichen Fragen orientierten Erkenntnissen zu konfrontieren sind. Folgende Graphik soll das nötige Zusammenspiel der Methoden verdeutlichen:

Tab. 1: Zusammenspiel der methodischen Zugänge

Die Nebeneinanderstellung der drei Zugänge verdeutlicht, dass die in der dritten Spalte aufgeführten Zielsetzungen theologischen Arbeitens ohne den Rückgriff auf historische und literarische Überlegungen nicht zu erreichen sind. Einerseits ist die Bibel kein Buch aus einem Guss, d. h. kein Text, den man wie den abgeschlossenen Entwurf einer (fiktiven) Textwelt (z. B. eines Romans) interpretieren könnte, andererseits stellt sie auch kein stringentes theologisches System dar. Vielmehr handelt es sich um eine gewachsene Bibliothek („biblia“) z. T. historisch divergierender Traditionen, die sich zudem aus einem jüdischen und einem christlichen Teil zusammensetzt.

Zum einen sind die alttestamentlichen Einzelerzählungen bzw. -texte und die Buch- bzw. literarischen Kontexte (Tora; Propheten; Schriften) synchron, das heißt in der vorliegenden Gestalt zu untersuchen. Welche literarischen Formen und Gattungen finden sich in welchem Kontext? Welche Themen und Motive? Dass neben dem Exodusbuch auch Prophetenbücher und Psalmen den Exodus thematisieren, oder dass Psalmen sich nicht nur im Psalter, sondern auch in der Erzählliteratur und in prophetischen Texten finden (z. B. Ex 15 oder Jon 2), sind gleichfalls Beobachtungen, die auf synchroner Ebene die Frage nach der jeweiligen theologischen Funktion aufwerfen.

Theologische Strömungen s. u. 2.9

Zum anderen sind diachrone Überlegungen wichtig. Sie konzentrieren sich auf die Wachstumsgeschichte einer Einzelerzählung oder eines ganzen Buches. So sind das Buch Genesis oder Exodus nicht einem einzigen Autor zuzuschreiben. Erzählungen wie der dreifache Bericht von der entführten Ahnfrau (Gen 12; 20; 26) oder die zweifach berichtete Mose-Berufung (Ex 3; 6) rekurrieren auf ein und dasselbe Ereignis in verschiedenen (theologisch motivierten) Varianten. Bearbeiter und Redaktoren, die die Überlieferungen zusammengeführt haben, suchen nicht die Vereinheitlichung und Vereinfachung. Sie verzichten vielmehr bewusst auf Eindeutigkeit zugunsten der Weitergabe einer Mehrzahl von Überlieferungen, die Eingang in den Kanon fanden. Die Überlieferungen göttlicher Offenbarung unterliegen einer gemeinsamen Perspektivierung, die wir mit W. Zimmerli in die Fluchtlinie der „Selbigkeit JHWHs“ stellen. Diese Linie ist in sehr unterschiedlichen Traditionen, Text- und Bildwelten ausgestaltet und in diachroner Hinsicht in verschiedene religiöse Strömungen und Schulen zu unterteilen.

Anders als die Theologengenerationen der hellenistisch-römischen Zeit, die explizite theologische Reflexionen in Form von Kommentarliteratur produzierten (z. B. die Pescharim unter den Texten vom Toten Meer/Qumran), findet theologische Reflexion in der hebräischen Bibel in Form innerbiblischer Fortschreibungen – und somit implizit – statt. Folglich sind (theologisch) kommentierende Passagen in die vorgegebene Überlieferung mitunter fast nahtlos integriert. Deutlicher wahrnehmbar sind Neuansätze im Fall der Priesterschrift, des Deuteronomiums, Deuterojesajas (Jes 40 ff.) oder der Chronikbücher, sofern die theologischen Werke mit Buch(rollen)anfängen übereinstimmen oder aber – wie in Jes 40 ff. – einen solchen inmitten einer Schriftrolle deutlich markieren. Entgegen der sonst üblichen Einschätzung der biblischen Überlieferung als Sekundärquelle, von der sich die archäologischen, epigraphischen und ikonographischen Zeugnisse qualitativ unterscheiden, sind auch Bibeltexte gleichermaßen zu den Primärtexten zu zählen. Sie sind zwar in ihrer Fortschreibungsgeschichte wegen fehlender materieller Zeugnisse (Manuskripte) nicht exakt rekonstruierbar, geben aber durchaus Einblick in den Prozess durch Nahtstellen der verschiedenen Bearbeitungsstufen.31 Aus der literarischen Genese resultiert, dass es bereits im Alten Testament Theologie bzw. theologische Reflexion gibt, deren Initialphase in der Überarbeitung der Traditionen des Nordreichs nach dessen Zusammenbruch zu Beginn des 8. Jh. zu vermuten ist, um schließlich in der nachexilischen Zeit seit dem 6. Jh. weitere Explikationsgrade zu erfahren (s. die theologisierenden Fortschreibungen in Deutero-Jesaja).

Literatur

Janowski, Bernd: Theologie des Alten Testaments. Zwischenbilanz und Zukunftsperspektiven, in: Ders. (Hg.), Theologie und Exegese des Alten Testaments/der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2005 (SBS 200), 87–124, bes. 118 ff.

–: Der eine Gott der beiden Testamente. Grundfragen einer biblischen Theologie, in: ZThK 95 (1998), 1–36.

Klein, Johannes: Gottes Offenbarung, in: Walter Dietrich (Hg.), Die Welt der Hebräischen Bibel. Umwelt – Inhalte – Grundthemen, Stuttgart 2017, 399–412.

Levinson, Bernard M.: Der kreative Kanon. Innerbiblische Schriftauslegung und religionsgeschichtlicher Wandel im alten Israel, Tübingen 2012.

Ricœur, Paul: Philosophische und theologische Hermeneutik, in: Ders./Eberhard Jüngel, Metapher. Zur Hermeneutik religiöser Sprache, München 1974 (EvTh. Sonderheft), 24–45.

–: Hermeneutik der Idee der Offenbarung, in: Ders., An den Grenzen der Hermeneutik. Philosophische Reflexionen über die Religion, München 2008, 41–83.

Schmid, Konrad: Gibt es Theologie im Alten Testament? Zum Theologiebegriff in der alttestamentlichen Wissenschaft, Zürich 2013 (ThSt 7).

–: Schriftgelehrte Traditionsliteratur. Fallstudien zur innerbiblischen Schriftauslegung, Tübingen 2011 (FAT 77).

Die vorliegende Darstellung der zentralen theologischen Themen des Alten Testaments orientiert sich an der erstmals von W. Zimmerlis angeregten Beschreibung der hebräischen Bibel als Offenbarungsgeschichte JHWHs, deren „Mitte“ in der Kontinuität Israels mit Gott, der Selbigkeit JHWHs, besteht. Die acht Unterkapitel von Teil 2 präsentieren die zentralen Narrative der Begegnung mit JHWH orientiert an den fünf großen Redeformen Erzählung und Recht im Pentateuch, Prophetie, Kult und Weisheit:

1.Der Gott Israels offenbart sich in seinen Namen

2.JHWH offenbart sich in der Befreiung aus Ägypten

3.JHWH offenbart sich in den Verheißungen an die Erzeltern

4.JHWH offenbart sich als Schöpfer und König der Welt

5.JHWH offenbart sich als Gott am Sinai/Horeb: Bund und Gesetz

6.JHWH offenbart sich in Gericht und Heil: die prophetische Literatur

7.Israels Klage und Lob im Psalter: Spiegelungen der Gottesoffenbarungen

8.Traditionelle Weisheit und weisheitliche Skepsis: Kosmotheologie als Gottesoffenbarung.

An die Darstellung dieser unterschiedlichen Offenbarungsweisen JHWHs schließt sich in einem neunten Kapitel ein Überblick über die theologischen Strömungen an, der die literarischen und theologischen Themen und ihre jeweiligen Redeformen in ihrer literarischen Genese rekonstruiert und die innerbiblische Traditions- und Auslegungsgeschichte nachvollzieht.

Teil 3 greift sich einige theologische Einzelthemen heraus, die im Zuge der gegenwärtig exegetisch und religionsgeschichtlich wie auch bibelhermeneutisch geführten Diskussionen von großer Bedeutung sind:

1.Monotheismus

2.Bilderverbot

3.Bedeutung und Verwendung des Gottesnamens

4.Königtum und Eschatologie

5.Israels Geschick

6.Der Bezugsrahmen der „Heiligen Schrift“

Der abschließende Anhang gibt einen Überblick über die Aufnahme der jeweiligen Themen in den Predigt- und Perikopenreihen bzw. in den geläufigen Schulcurricula unter besonderer Berücksichtigung des jeweiligen thematischen Kontexts.

Die zitierten Bibelstellen sind, sofern nicht anders angegeben, der Neuen Zürcher Bibel entnommen. Auf die oben genannten Theologien wird im gesamten Buch mit einem Kurztitel, gefolgt von der Seitenzahl, verwiesen (s. Literaturverzeichnis S. xy). Darüber hinausführende Literatur ist in den Literaturverzeichnissen im Anschluss an die Teilkapitel genannt. Da ein Lehrbuch wenig Raum für Forschungsdiskussion lässt, finden sich in den thematischen Literaturverzeichnissen nur wenige, einschlägige Titel neben regelmäßigen Verweisen auf Artikel in WiBiLex in den Anmerkungen. In diesem im open access publizierten Lexikon kann sich jede Leserin und jeder Leser ohne große Umstände einen Überblick über Thema und Forschungsstand verschaffen. Wegen des ständigen Zuwachses sei der Leserschaft die Prüfung des Erscheinens neuer Artikel empfohlen.

1Janowski, Der eine Gott, 29; vgl. bereits Zimmerli, Zur Gestalt.

2Vgl. Reventlow, Epochen der Bibelauslegung 4, 216; Kraus, Geschichte, 283 ff.; Smend, Beziehungen und Ders., Epochen, 11–32.

3Vgl. Janowski/Welker, Biblische Theologie.

4Ein knapper Überblick über vierzig gängige „Theologien“ des Buchmarkts findet sich bei Oeming, Ermitteln und Vermitteln, 18–38; vgl. auch Jeremias, Neuere Entwürfe, 15–46.

5Vgl. dazu Dalferth, Mitte, 186: „Jesus Christus ist der Orientierungs- und Zielpunkt evangelischer Schriftauslegung, weil er auch der Orientierungs- und Zielpunkt christlicher Selbst-, Welt und Gottesauslegung ist.“ Und darin wird die Frage nach der Mitte der Schrift als AT und NT zur Frage nach dem rechten Verständnis des Wortes Gottes aus der Schrift. Sie gilt nicht der „Sinnmitte einer Textsammlung, sondern der Sach- und Wirkmitte eines Geschehens.“

6Vgl. Westermann, Theologie, 5 f., der anstelle einer Mitte die „Geschehensstruktur“, die „das Ganze des Redens von Gott bestimmenden Linien“ (das ankündigende Wort, das weisende Wort, das kultische Wort) und „die Antwort der diese Geschichte Erfahrenden“ als gemeinsame Grundstruktur voraussetzt.

7Vgl. Schwienhorst-Schönberger, Einheit und Vielheit, 57 f. und Janowski, Der eine Gott, 27–29.

8Vgl. Hartenstein, JHWHs Wesen im Wandel, 12 ff. Leuenberger, Gott in Bewegung, 3 f. und Janowski, Der eine Gott, 29, der im Rekurs auf I. Dalferth die Sach- und Wirkmitte eines Geschehens voraussetzt, das mit JHWHs Gegenwart in Israel zu tun hat.

9Vgl. Schmidt, Frage, 171 mit Hinweis auf Kaiser, Theologie I, 329 ff. (Tora als Mitte) bzw. Herrmann, Die konstruktive Restauration (Deuteronomium als Mitte); kritisch Perlitt, Bundestheologie, 1–6.

10Smend, Die Mitte des AT, 75.

11Konkel, Vergebung, 60.

12Scholem, Offenbarung, 101 f.; vgl. zur Debatte Levenson, Warum Juden; einvernehmlicher Kalimi, Religionsgeschichte Israels; vgl. A. Martini/S. Talabardon, Art. Jüdische Bibelauslegung, www.wibilex.de.

13Zu Abb. 1 vgl. H. Liss, Art. Rabbinerbibel, www.wibilex.de, Abb. 1; vgl. Grohmann, Rezeption, 18 f.

14Der kreative Kanon, 101.103.

15Vgl. Kalimi, Models, 128 f.

16Vgl. Ders., Hauptprobleme, 59 f.; s. auch Hartenstein, JHWHs Wesen, 6 f.

17Stellvertretend für einen Neuansatz im Denken seien genannt Leonhardt/Rösel, Reformatorisches Schriftprinzip und gegenwärtige Bibelauslegung; Lauster, Schriftauslegung; Nüssel, Schriftauslegung.

18Janowski, Biblische Theologie, 1547; vgl. Ders., Der eine Gott, 29.

19Vgl. Keel, Welt der altorientalischen Bildsymbolik und Hartenstein, Altorientalische Ikonographie, 173–186.

20So z. B. Meissner, Babylonien, Bd. 2, der das 15. Kapitel „Kosmologie und Theologie“ tituliert, vgl. Assmann, Ägypten – Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur oder auch Zgoll, Die Kunst des Betens. Form und Funktion, Theologie und Psychagogik in babylonisch- assyrischen Handerhebungsgebeten.

21Albertz, Religionsgeschichte I, 30–33.

22Janowski, Theologie, 110–113.

23Assmann, Theologie und Weisheit, 66 f., und zum Ganzen Wagner, Primäre/sekundäre Religion.

24Spieckermann, Bild, 279.

25Schmid, Theologie, 57–63; vgl. Jeremias, Theologie, 7–10; eingeführt wurde die Unterscheidung von impliziter und expliziter Theologie durch Assmann, Ägypten, 21–23.

26Ähnlich Brueggemann, Theology, XVII, der Zeugnis (testimony), Auseinandersetzung (dispute) und Interessenvertretung (advocacy) als Charakteristika theologischer Wahrheitsfindung hervorhebt, die die Texte, Methoden und Interpretationsgemeinschaften gleichermaßen prägen.

27Hartenstein, JHWHs Wesen im Wandel; Leuenberger, Gott in Bewegung.

28J. Eggler/O. Keel/S. Schroer/C. Uehlinger, Art. Ikonographie, www.wibilex.de.

29Ricœur, Philosophische und theologische Hermeneutik, 40; ausführlich Ders., Hermeneutik der Idee der Offenbarung, 43–61, zu den fünf charakteristischen Redeformen des Alten Testaments.

30Ricœur, Hermeneutik der Idee der Offenbarung, 66–69. S.u. 3.6.2.

31Vgl. Schmid, Theologie, 57 f.; Janowski, Theologie, 103 f.

2. Theologische Themen in ihren biblischen Kontexten

Lässt sich für das Alte Testament ein „Oberthema“ bestimmen, das es seinen Leser(inne)n und Hörer(inne)n zu vermitteln sucht? In welche Leserichtung und Perspektive lässt sich die Gesamtheit der alttestamentlichen Texte bestimmen? Der Alttestamentler Walther Zimmerli hat diese Frage folgendermaßen beantwortet:

Das AT „hält durchgehend fest an dem Glauben an die Selbigkeit des Gottes, den es unter dem Namen Jahwe kennt. Es glaubt durch allen Wandel hindurch, daß dieser Gott Jahwe es mit seinem Volke Israel zu tun haben will“ (Grundriß, 11).

Monotheismus s. u. 3.1

Wir streifen hier ein Problem, das gegenwärtig vor allem unter dem Thema Monotheismus diskutiert wird. Es geht bei der „Selbigkeit“ nämlich zuerst um die Einzigkeit des Gottes Israels im Kontext einer Kultur, die unterschiedliche Götter kennt und voraussetzt. Es geht aber auch um verschiedene „Gottesbilder“ im Sinne von theologischen Konzepten; es geht um den „irreduziblen Kern des Gotteskonzepts“.1 Innerhalb der bestehenden Gottesbilder ist der Gedanke, dass sich die Offenbarung des Gottes Israels im Zuge der Offenbarung seines Namens vollzieht, von besonderer Bedeutung. Diese Besonderheit erklärt auch, warum das vorliegende Buch nicht gemäß der kanonischen Reihenfolge mit der Urgeschichte einsetzt, sondern mit dem Buch Exodus, wo sich mit Ex 3 und 6 zwei Erzählungen finden, die die Namensoffenbarung eigens thematisieren. Mit ihnen beginnt die Darstellung, die dann über die Großerzählungen von Exodus und Erzeltern als Gründungsmythen Israels, umrahmt von Urgeschichte und Sinaierzählung, den Aspekt der Selbigkeit Gottes narrativ entfaltet und dem jeweiligen Gottesbild in diesen – theologisch sehr unterschiedlich gewichteten – Kontexten nachgeht. In dem Wandel ist die historische Dimension angedeutet, die sich geradezu aufdrängt: Die politische Geschichte Israels bringt zahlreiche Veränderungen, Brüche und Neuanfänge mit sich, die sich im Verlauf der Literaturgeschichte in unterschiedlichen theologischen Akzentuierungen niederschlägt. Davon bleibt gerade die Gottesvorstellung nicht unberührt. Auch sie unterliegt einem stetigen Wandel. Die Rekonstruktion dieses Wandels hat nun aber die Schwierigkeit, dass die meisten der alttestamentlichen Texte und Bücher selbst im Zuge einer länger andauernden Überlieferungs- und Redaktionsgeschichte gezielt theologische Überarbeitung erfahren haben. Das hat zur Folge, dass die Gottesvorstellungen in ein und dem selben Buch oder sogar innerhalb eines Einzeltexts divergieren können und darin eine innerbiblisch geführte theologische Auseinandersetzung sichtbar wird.

Aus diesem Grund haben viele Theologen ihre Darstellung nicht gemäß der kanonischen Buchreihenfolge, sondern anhand von – wenn auch umstrittenen – literarhistorischen Rekonstruktionen konzipiert: Welches sind die ältesten Texte, die uns überliefert sind, welche theologischen Grundeinsichten und Gottesvorstellungen lassen sie erkennen und wie verändern sich diese im Laufe der sich anschließenden Etappen der Textüberarbeitung? Welche Themen kommen erst spät auf? Diesem Duktus folgt z. B. die Theologie von G. von Rad. Alternativ kann sich die Darstellung an einem Dreischritt zu orientieren: 1) die sich durch die verschiedenen Bücher hindurch ziehenden bleibenden Züge der Gottesvorstellung im Wandel, 2) dynamische Züge und Veränderungen des Gottesbildes und 3) die anhaltend offenen Fragen bezüglich des Gottesbildes.2

Der Nachteil beider Darstellungsformen liegt für ein Lehrbuch darin, dass die Buchzusammenhänge soweit aufgelöst sind, dass die Übersichtlichkeit schwindet. Deshalb wird das vorliegende Lehrbuch an den narrativen Großerzählungen des Pentateuch/Tora () bzw. an den Propheten/Nebi’îm () und Schriften/Ketubîm () in ihren jeweiligen Buchkontexten weitgehend festhalten (Ausnahme Jesaja). In Kapitel 2.9. folgt schließlich überblickshaft die historische Rekonstruktion der heute noch identifizierbaren theologischen Strömungen.

2.1 Der Gott Israels offenbart sich in seinen Namen

Monotheismus s. u. 3.1

Der religionsgeschichtliche Befund zeigt für das Alte Testament eine Reihe von Gottesnamen bzw. Appelativen an: El, Eloah, Elohim, (El) Schaddai, Eljon, Adonaj und JHWH sind die wichtigsten Bezeichnungen für den Gott Israels in biblischen und epigraphischen Texten.3 Dank seines Namens wird ein Gott erkennbar, erfahrbar und von anderen Göttern unterscheidbar. Ein besonderer Akt der Offenbarung besteht in der Preisgabe des Namens.

Die exponierteste Erwähnung der Beziehung zwischen Israel und seinem Gott verbunden mit einer Namensvorstellung findet sich in der Präambel des Dekalogs:

Ex 20,2 f. (vgl. Dtn 5,6 f.)

Ich bin der HERR [JHWH], dein Gott, der dich herausgeführt hat aus dem Land Ägypten, aus einem Sklavenhaus. 3 Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Bundesvorstellung s. u. 2.5.1

Der Beginn des Dekalogs begründet die Beziehung zwischen Gott und Israel mit dem Rettungshandeln Gottes aus der Knechtschaft Ägyptens und verknüpft sie mit dem Anspruch der Alleinverehrung. Eingebettet ist der Dekalog in die Erzählung von der Gabe des Gesetzes bzw. in das Sinaigeschehen (Ex 19–Num 22; vgl. Dtn 5,1–5): Auf synchroner Ebene geht es in dieser Erzähleinheit darum, dass sich im Anschluss an den Auszug aus Ägypten JHWH den Israeliten auf dem Berg Sinai zu erkennen gibt, indem er ihnen durch Mose vermittelt einige Gesetze gibt (Ex 20–23), bevor er mit dem Volk einen Bund schließt (Ex 24).

Wichtig ist die Wendung: „Ich bin der Herr“ bzw. wörtlich „Ich bin JHWH“ (hebr. ’anokî JHWH/), die sogenannte Selbstvorstellungsformel. In ihr gibt Gott sich zu erkennen und stellt sich vor mit seinem Namen. Das bedeutet: Der Gott Israels offenbart sich in seinen Namen.

Exkurs: Der Gottesname JHWH

Gottesname s. u. 3.3

Das Tetragramm JHWH begegnet in der Bibel seit dem zweiten Kapitel der Genesis, allerdings zumeist als Zitationsform bzw. Gottesbezeichnung. Bis Ex 6 begegnet es in kontinuierlichem Wechsel mit der allgemeineren Gottesbezeichnung ’Elohîm. Beide Verwendungen lassen auf traditionelle bzw. redaktionelle Unterschiede im Gebrauch des Gottesnamens schließen und gelten als ein wichtiges Argument für die Quellenscheidung. Das Tetragramm wird von dem hebräischen Verb /hajah „sein, werden“ abgeleitet.4 In Gen 2–3 liegt die seltene Kombination beider Bezeichnungen vor: JHWH ’Elohîm (in deutscher Übersetzung oft: Gott der HERR). Im poetischen Teil des Hiobbuches (Hi 3–37) und in einem Teil des Psalters (Ps 42–83) fehlt das Tetragramm ganz. In jüngerer Zeit wurde der JHWH-Name sogar für unaussprechlich erachtet und deshalb in der jüdischen Tradition rezitiert als Adonaj („Herr“) oder „der Heilige“ u. a.5 Infolge der Tabuisierung der Aussprache des Gottesnamens findet sich in den meisten Übersetzungen als Wiedergabe des Tetragramms die Übersetzung „HERR“. Eigens thematisiert als Gottesname ist JHWH erstmals in Gen 4,26 „Und auch Set wurde ein Sohn geboren, und er nannte ihn Enosch. Damals fing man an, den Namen des HERRN (JHWH) anzurufen.“

Diese kurze Notiz im Kontext einer Genealogie, die sich an die Geschichte von Kain und Abel (Gen 4) anschließt, verweist darauf, dass Enosch (hebr. „[Ur-]Mensch“) als Erster einen Gott namens JHWH verehrte. Diesem Vers nach wird Israel also von den frühesten Anfängen her mit einem Gott dieses Namens verbunden, und darin die Bedeutsamkeit des Gottes durch sein hohes Alter hervorgehoben.

Dem läuft auf der literarischen Ebene die Beobachtung zuwider, dass in den Texten Gen 1 – Ex 6 JHWH und ’Elohîm episodisch im Wechsel als Gottesbezeichnungen begegnen und ursprünglich wohl unverbunden nebeneinander verwendet worden sind. Aus dem Parallelgebrauch von zwei Gottesnamen lässt sich schließen, dass einige literarische Überlieferungen Israels das Tetragramm bevorzugt haben, während andere dieses zumindest für die Urund Erzelternzeit aussparten. Demnach präsentiert die sogenannte Priesterschrift einen Entwurf, in der sich der Gott Israels erstmals Mose unter seinem Namen JHWH zu erkennen gibt (s. u. Ex 6).

2.1.1 Die Offenbarung im brennenden Dornbusch (Ex 3)

Der Bericht von der Offenbarung des JHWH-Namens findet sich im Exodusbuch also gleich zweimal. Die erste Geschichte schließt sich unmittelbar an Moses Flucht aus Ägypten an. Als Schwiegersohn des midianitischen Priesters (2,16 ff. Reguel; 3,1 Jitro) offenbart JHWH sich ihm auf dem Gottesberg, der hier Horeb und nicht Sinai genannt ist.6 Gott erscheint ihm in einem brennenden Dornbusch und gibt ihm den Auftrag, nach Ägypten zurückzukehren und das Volk aus der Knechtschaft herauszuführen.

Ex 3,1–17

1 Und Mose weidete die Schafe seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Und er trieb die Schafe über die Wüste hinaus und kam an den Gottesberg, den Choreb.

2 Da erschien ihm der Bote des HERRN in einer Feuerflamme mitten aus dem Dornbusch. Und er sah hin, und sieh, der Dornbusch stand in Flammen, aber der Dornbusch wurde nicht verzehrt.

3 Da dachte Mose: Ich will hingehen und diese grosse Erscheinung ansehen. Warum verbrennt der Dornbusch nicht?

4 Und der HERR sah, dass er kam, um zu schauen. Und Gott rief ihn aus dem Dornbusch und sprach: Mose, Mose! Und er sprach: Hier bin ich.

5 Und er sprach: Komm nicht näher. Nimm deine Sandalen von den Füssen, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden.

6 Dann sprach er: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Angesicht, denn er fürchtete sich, zu Gott hin zu blicken.

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen, und ihr Schreien über ihre Antreiber habe ich gehört, ich kenne seine Schmerzen.

8 So bin ich herabgestiegen, um es aus der Hand Ägyptens zu erretten und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes und weites Land, in ein Land, wo Milch und Honig fliessen, in das Gebiet der Kanaaniter und der Hetiter und der Amoriter und der Perissiter und der Chiwwiter und der Jebusiter.

9 Sieh, das Schreien der Israeliten ist zu mir gedrungen, und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie quälen.

10 Und nun geh, ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, heraus aus Ägypten.

11 Mose aber sagte zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten herausführen könnte?

12 Da sprach er: Ich werde mit dir sein, und dies sei dir das Zeichen, dass ich dich gesandt habe: Wenn du das Volk aus Ägypten herausgeführt hast, werdet ihr an diesem Berg Gott dienen.

13 Mose aber sagte zu Gott: Wenn ich zu den Israeliten komme und ihnen sage: Der Gott eurer Vorfahren hat mich zu euch gesandt, und sie sagen zu mir: Was ist sein Name?, was soll ich ihnen dann sagen?

14 Da sprach Gott zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und er sprach: So sollst du zu den Israeliten sprechen: Ich-werdesein hat mich zu euch gesandt.

15 Und weiter sprach Gott zu Mose: So sollst du zu den Israeliten sprechen: Der HERR [= JHWH], der Gott eurer Vorfahren, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer, und so soll man mich anrufen von Generation zu Generation.

16 Geh und versammle die Ältesten Israels und sprich zu ihnen: Der HERR, der Gott eurer Vorfahren, ist mir erschienen, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, und hat gesagt: Ich habe auf euch geachtet und auf das, was euch angetan wird in Ägypten.