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VERSUCHUNG INKLUSIVE von CAITLIN CREWS Sex? Findet sie großartig. Aber Liebe? Gegen die glaubt Lucinda vollkommen immun zu sein. Doch als die kühle Geschäftsfrau auf einer Pazifikinsel Jason Kaoki sein Hotel abkaufen soll, erlebt sie, was umwerfender Charme alles bewirken kann … GRENZENLOS WIE MEINE LUST von CARA LOCKWOOD Schon wieder Law? Seit Wochen jettet Juliana um die halbe Welt und begegnet ständig diesem Mann, mit dem sie bereits eine erotische Begegnung über den Wolken hatte. Kann das Zufall sein? Sie beschleicht der Verdacht, dass der einflussreiche Law ihr aus anderen Gründen folgt …
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Seitenzahl: 523
Caitlin Crews, Cara Lockwood
TIFFANY PURE LUST BAND 17
IMPRESSUM
TIFFANY PURE LUST erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe TIFFANY PURE LUST, Band 17
© 2019 by Caitlin Crews Originaltitel: „Untamed“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Meike Stewen Deutsche Erstausgabe 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA CLUB, Band 48
© 2018 by Cara Lockwood Originaltitel: „First Class Sin“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Olivia Kay Deutsche Erstausgabe 2021 by Harper Collins Deutschland GmbH, Hamburg,in der Reihe BACCARA CLUB, Band 58
Abbildungen: Grafvision / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 07/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751523707
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Fünf konkurrierende Hotelkonzerne hatten schon ihre Vertreter auf diese praktisch unberührte Privatinsel mitten im Pazifik gesandt. Alle mit demselben Ziel: den berühmt-berüchtigten Besitzer Jason Kaoki davon zu überzeugen, auf seinem Grund und Boden bauen zu dürfen. Kaoki hatte die Insel von seinem Vater Daniel St. George geerbt – einem international bekannten Playboy und Immobilien-Tycoon.
Ebenso schnell wie gnadenlos hatte Kaoki alle Hotelvertreter abblitzen lassen.
Lucinda Graves wollte sich auf keinen Fall als Sechste einreihen. Nicht nachdem sie in einem brutal kräftezehrenden Langstreckenflug um den halben Erdball geflogen war. Vierzig anstrengende Stunden hatte es gedauert, aus der Großstadthektik mit ihrem gräulichen Nieselwetter, das sich in London Frühling nannte, hierherzukommen: auf diese winzige, erschreckend sonnige Insel mitten im Pazifischen Ozean. Hier war sie Tausende von Kilometern von jeder Zivilisation entfernt. Bis zum Horizont erstreckte sich in alle Richtungen das Meer. Und hätte sie die Ruhe gehabt, genauer darüber nachzudenken, hätte ihr das direkt Angst gemacht.
Im Moment war sie allerdings unendlich müde. Schon während des Flugs über Nordamerika war sie von einer so heftigen Erschöpfung erfasst worden wie niemals zuvor in den bisherigen achtundzwanzig Jahren ihres Lebens. Trotzdem wollte sie sich davon nicht ausbremsen lassen.
Im Gegenteil: Sie wollte diesen Deal an Land ziehen und war sich sicher, dass sie es auch schaffen würde. Alles andere kam für sie nicht infrage, das würde sie nicht akzeptieren. Also konnte sie logischerweise nur erfolgreich sein. Das sagte sie sich jedenfalls immer wieder.
Das winzige Inselhopper-Flugzeug, das sie hergebracht hatte, war kaum groß genug für den Piloten gewesen … ganz zu schweigen von der einzigen Passagierin. Lucinda war ziemlich nervös gewesen; viel lieber saß sie mit mehreren Hundert anderen Reisenden in riesigen Jets, die einen vergessen ließen, dass man sich überhaupt in der Luft befand. Und dann war der kleine Flieger auch noch ziemlich unsanft gelandet – direkt an einer Lagune, deren Wasser türkisblau in der Sonne schimmerte.
Aber im Grunde interessierte Lucinda das alles gerade nicht, dafür hatte der Jetlag sie viel zu fest im Griff.
Sie war aus dem Flugzeug gestiegen und hatte einen kleinen Steg betreten, der sich über das Wasser zog: ja, ausgerechnet einen Steg! Nicht etwa eine Landebahn oder einen vernünftigen klimatisierten Flughafen. Entsprechend hatte die Luftfeuchtigkeit sie überwältigt, als hätte ihr jemand ein heißes, klatschnasses Handtuch übergeworfen. Und fast wäre sie hier unter den rauschenden Palmen und der gleißenden Sonne in die Knie gegangen.
Dabei hatte sie gedacht, sie wäre auf alles gefasst. Selbstverständlich war ihr klar gewesen, dass sie auf eine tropische Insel fliegen würde. Außerdem war sie nicht zum ersten Mal in ihrem Leben an einem Sandstrand im Süden: Bei ihrem letzten mehrtägigen Betriebsausflug hatte sich ihr Unternehmen an der spanischen Küste einquartiert. Dort hatte sie ihre Geschäfte am Pool abwickeln sollen, während sie in einem albernen, bunt bedruckten Tuch an ebenso bunten Drinks nippte, die jemand ausgiebig mit Grünzeug ausstaffiert hatte. Eigentlich war sie davon ausgegangen, dass sich ihr jetziger Aufenthalt ähnlich gestalten würde, auch wenn der Pazifik ein ganzes Stück weiter von London entfernt lag als Spanien. Trotzdem war für sie ein Strand immer noch ein Strand – das hatte sie sich jedenfalls gesagt, als sie vor einer gefühlten Ewigkeit aufgebrochen war.
Nun stellte sich jedoch heraus, dass sie für diesen Ort doch nicht gewappnet war. Die Insel war so klein und abgelegen, dass sie auf den meisten Landkarten gar nicht verzeichnet war; sie hatte nicht mal einen amtlichen Namen. Vielleicht war es aber auch grundsätzlich unmöglich, sich für diese Art von Tropenhitze zu wappnen, die einem so schwer und heftig entgegenschlug.
Automatisch berührte Lucinda ihr Haar. Sie hatte sich schon oft für ihre knallrote Mähne geschämt – besonders wenn sie sich bei dem geringsten Anlass wild kräuselte. Normalerweise verbrachte sie viel Zeit damit, ihr Haar ordentlich zu glätten und zu einem strengen Knoten im Nacken zusammenzustecken. So hatte sie es immerhin unter Kontrolle, selbst wenn das nichts an der schrecklichen Farbe änderte. Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht, es zu einem unauffälligen Braun umzufärben … Allerdings hätte sie es dann immer wieder aufwändig nachfärben müssen, was sie letztendlich davon abgehalten hatte. Stattdessen hatte sie sich darauf konzentriert, sich ihren schottischen Akzent abzutrainieren: Zu den Kreisen, in denen sie sich jetzt bewegte, passte es nicht so gut, wenn man ihr anhörte, dass sie ursprünglich aus einem Arbeiterviertel in Glasgow stammte.
Bisher hatte Lucinda noch alles geschafft, was sie sich vorgenommen hatte – weil Scheitern für sie eben nicht infrage kam. Das war von Anfang an keine Option gewesen. Dadurch, dass sie in einem berüchtigten Problemviertel in Glasgow aufgewachsen war, hatte sie keinen leichten Start gehabt. Inzwischen war sie stellvertretende Geschäftsführerin der Londoner Niederlassung ihres Unternehmens, und das kam schließlich nicht von ungefähr. Da ließ sie sich doch von so ein bisschen Tropenhitze nicht aus dem Gleichgewicht bringen!
Wenngleich die Hitze alles durchaus schwieriger machte. Es fühlte sich an, als würde sie ihr erst unter die Kleidung kriechen und dann direkt in sie hinein … um schließlich langsam von ihr Besitz zu ergreifen. Lucinda versuchte, nicht daran zu denken, während sie sich umsah und den Blick über den unberührten weißen Sandstrand und den wilden Dschungel dahinter schweifen ließ, der sich über die grünen, steil ansteigenden Hügel erstreckte.
„Sind Sie ganz sicher, dass ich hier richtig bin?“, erkundigte sie sich bei dem Piloten, der inzwischen aus dem Cockpit geklettert war und vor ihr auf dem Steg stand – und sie dabei breit angrinste, als würde sie in einer Tour Witze machen.
Dabei war Lucinda alles andere als eine Komikerin – im Gegenteil: Sie war kompetent und perfekt organisiert. Außerdem war sie es gewohnt, dass man sie entsprechend wahrnahm: als ernste, gewissenhafte Person, die keine faulen Kompromisse einging. Einer ihrer ersten Arbeitgeber hatte sie einmal „so geradlinig wie ein Lineal“ genannt und sie damit beleidigen wollen. Aber Lucinda hatte das als tolles Kompliment aufgefasst und sich seitdem immer bemüht, dieser Bezeichnung gerecht zu werden.
„Sie wollten doch zu Jason Kaoki, oder?“, erwiderte der Pilot, immer noch grinsend. „Und der wohnt genau hier. Ob das bedeutet, dass Sie hier richtig sind, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen.“
Lucinda zwang sich zu einem Lächeln, brachte umständlich ihren kleinen Handgepäck-Rollkoffer in Position und ging über den Steg … der direkt auf den blendend weißen, unberührten Sandstrand führte. Hier fühlte sie sich sogar noch unwohler als in Gegenwart des grinsenden Piloten, den sie auf den Fidschi-Inseln angeheuert hatte. Etwas anderes war ihr nicht übrig geblieben, schließlich gab es keine regulären Flüge auf diese winzige Insel, die sich mitten im Pazifik versteckte, irgendwo zwischen Hawaii und Fidschi.
Der Sand war selbst dann noch heiß, wenn man Schuhe trug. Außerdem gab er unter ihren Füßen nach, und das brachte sie aus dem Konzept. Lucinda fühlte sich auf hartem Asphalt zu Hause: Wenn sie den betrat, blieb er immer, wo er war, egal bei welchem Wetter. Der Sandstrand wiederum hatte seine eigenen Gesetze, und zusammen mit der hohen Luftfeuchtigkeit machte ihr das ganz schön zu schaffen.
Natürlich hatte sie sich vernünftigerweise flache Schuhe angezogen, doch davon abgesehen war sie für einen Strandspaziergang nicht passend gekleidet: Sie trug ihr gewohntes Business-Outfit. Und das, obwohl sie eine insgesamt vierzigstündige Reise hinter sich hatte, die sich aus mehreren Langstreckenflügen zusammensetzte und Zwischenstopps an viel zu hellen, viel zu lauten Flughäfen beinhaltete. Allerdings fühlte sie sich in dieser Kleidung als besonders toughe Geschäftsfrau. Und wenn sie die Sache professionell und mit kühlem Kopf anging, konnte sie den Deal auch abschließen, davon war sie überzeugt.
Jetzt, da sie dagegen ankämpfte, nicht bis zu den Knien in dem heißen, blendend weißen Sand zu versinken, wünschte sie sich allerdings doch, sie hätte sich vorgestern in London nicht gerade ein strenges Bürokostüm angezogen, sondern etwas Bequemeres. Etwas, das besser auf diese warme, sonnige Insel passte.
Normalerweise gab Lucinda nicht so einfach auf … eigentlich fast nie. Aber diesmal musste sie sich schon nach etwa zehn Schritten eingestehen, dass sie so nicht weiterkam. Dafür war es viel zu heiß. Außerdem lief sie ernsthaft Gefahr, sich unter der gleißenden Tropensonne die schottisch-blasse Haut zu verbrennen. Dabei fühlte sie sich so unwohl, dass sie inzwischen weniger über ihre Ziele nachdachte als über ihr eigenes Befinden. Und das war für sie untragbar. Also blieb sie stehen, versank dabei noch ein Stück tiefer im Sand und streifte sich den schwarzen Blazer und die passenden flachen schwarzen Schuhe ab. Jetzt trug sie nur noch ihre knitterfreie Bluse und einen schmalen Rock. Schnell lief sie weiter, bis sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Neben einer der vielen malerischen Palmen blieb sie erst einmal stehen, um sich den halben Strand aus den Schuhen zu kippen und sie wieder anzuziehen. Und um erst einmal durchzuatmen und sich damit abzufinden, dass sich wahrscheinlich gerade Hitzepickel an ihrem ganzen Körper ausbreiteten.
Wenn sie der Landkarte auf ihrem Smartphone trauen konnte – und ihren bisherigen Erkundigungen zufolge sah das ganz danach aus –, gab es auf dieser Insel so gut wie nichts. Abgesehen von dem weitläufigen Anwesen, das Daniel St. George hier hatte erbauen lassen, und einem heruntergekommenen Hotel aus den 1950er-Jahren. Letzteres ging auf einen australischen Ölmagnaten zurück, der damals in seinem Größenwahn die Weltherrschaft angestrebt hatte.
Lucinda schob ihre völlig unzureichende Sonnenbrille ein Stück höher und blickte den Strand hinunter, bis sie besagtes Hotel erblickte. Am Ende einer elegant geschwungenen, palmenbewachsenen Bucht hob es sich gegen den strahlend blauen Himmel ab. Mit seiner flachen, schnörkellosen Kastenform erinnerte es Lucinda auf unangenehme Weise an die hässlichen Mietshäuser, in denen sie aufgewachsen war. Und die ihrer Meinung nach spätestens zur Jahrtausendwende hätten abgerissen werden sollen.
Wenn es nach ihr ginge, würde das trübe alte Hotel diesen Sommer nicht überleben.
Zu dem Gebäude führte ein von Unkraut überwucherter Weg aus rotem Schotter den Strand entlang – dort, wo der Sand langsam in den Dschungel überging. Lucinda folgte dem Pfad und betrachtete dabei weiter das Hotel, das nicht gerade ansehnlicher wurde, je näher man ihm kam … Aber jeder Schritt über den viel zu heißen Schotter beflügelte ihre Fantasie, was sich daraus eventuell machen ließ.
Vielleicht ein exklusives privates Resort, das nur den wohlhabendsten Klienten zur Verfügung stand? Ein Inselparadies, von dem die meisten Menschen nur träumen konnten? Das könnte sie hier Wirklichkeit werden lassen! Und während in ihrem Kopf die ersten Pläne entstanden, vergaß sie die brennende Sonne und die überwältigende Luftfeuchtigkeit. Ebenso wie die Gewissheit, dass sich ihr Make-up, das sie zuletzt am Flughafen von Los Angeles aufgefrischt hatte, inzwischen völlig aufgelöst haben musste.
Der Weg vom Steg zum Hotel schien nicht weit, aber statt der erwarteten fünf Minuten war Lucinda letztlich doppelt so lange unterwegs. Vor dem Gebäude angekommen, stellte sie fest, dass das Hotel sogar noch schlimmer aussah als befürchtet. Gut, in Los Angeles tat man gerade so, als wäre alles, was in den 1950er-Jahren entstanden war, hip und aufregend. Sie selbst fand diese bemüht moderne Geradlinigkeit eher überholt und deprimierend. Für sie war der sehr funktionale Stil an diesem wunderschönen Ort fehl am Platz. Wer auf diese Privatinsel reiste, wollte verzaubert werden, wollte Geheimnisse und ungeahnte Schönheit entdecken … und die hatte der schlichte Hotelklotz nun wirklich nicht zu bieten. Im Gegenteil, er erinnerte eher an ein osteuropäisches Gefängnis.
Dabei sah es hier doch aus wie im Märchen! Wenn man also diesen hässlichen Klotz abreißen würde, um stattdessen einige Bungalows mit privatem Meerzugang zu bauen …
Lucinda ging die ehemalige, inzwischen völlig überwucherte Auffahrt hoch und betrat die Hotellobby. Im Gebäudeinneren war es dunkel und sehr still. Sie blinzelte und wartete, bis sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten und sie erkennen konnte, wie schlimm es hier wirklich aussah.
Hier und da standen Pflanzen herum, die in ihren Augen künstlich wirkten – eine Schande, wo doch draußen die schönsten und exotischsten Gewächse in den prächtigsten Farben blühten. Eingerichtet war der Empfangsraum mit schweren dunklen Möbeln, die sich kaum von den ebenso dunklen Hotelwänden abhoben. Unwillkürlich musste sie an Männer mit dicken Goldketten und üppiger Brustbehaarung denken, die hässliche Hawaii-Hemden über ihren Bierbäuchen trugen. Und dabei hatte dieser Ort das Potenzial, ein echtes Luxus-Reiseziel in den Tropen zu werden.
Gerade hatten sich ihre Augen einigermaßen an die Dunkelheit gewöhnt, da zuckte Lucinda zusammen.
Sie war nicht allein.
Auf einem der alten Sofas saß ein Mann. Die nackten Füße hatte er auf den heruntergekommenen Korbtisch vor sich gelegt, sein Rücken war der Fensterfront zugewandt, die zum Strand hinausging.
In diesem Moment wurden Lucinda gleich zwei Dinge bewusst: Erstens war er die einzige Person, die sie auf dieser Insel bisher wahrgenommen hatte, seit sie aus dem Flieger gestiegen war und sich von dem grinsenden Piloten verabschiedet hatte. Bisher hatte nichts darauf hingewiesen, dass sich hier irgendwo Menschen aufhielten. Offenbar war sie wirklich auf einer einsamen Insel gelandet.
Und so gründlich sie bisher über ihre Reise nachgedacht hatte – sie hatte dabei außer Acht gelassen, was es bedeuten würde, hier mit einer fremden Person allein zu sein. Noch dazu mit einem Mann.
Und nicht nur mit irgendeinem Mann, sondern mit diesem hier.
Damit war sie bei ihrer zweiten Erkenntnis angelangt: nämlich, dass besagter Mann in natura alles übertraf, was sie bisher von ihm gesehen hatte. Und weil sie ein durch und durch gründlicher Mensch war, hatte sie bestimmt alle seine Fotos im Internet gefunden.
Und trotzdem war sie für diesen Anblick nicht gewappnet.
Der Mann, der sich da gerade vor ihr auf dem Sofa ausstreckte und sie gleichzeitig intensiv fixierte, war einfach … zu viel für sie.
Bei seinem Anblick stieß sie unwillkürlich die Luft aus, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt.
Da räkelte sich Jason Kaoki direkt vor ihren Augen auf der Sitzgarnitur der unscheinbaren Hotellobby, als würde er genauso hierhergehören wie die Plastikpflanzen um ihn herum. Dabei war er selbst alles andere als unscheinbar.
Lucinda führte ihre heftige Reaktion auf den Mann darauf zurück, dass sie ihm nun endlich gegenüberstand – nachdem sie ihm monatelang hinterhertelefoniert und ihm eine E-Mail nach der anderen geschrieben hatte, ohne je eine Antwort zu erhalten. Woran sollte es sonst liegen, dass sie erschauerte, als ihre Blicke sich trafen?
Unfassbar, wie trocken ihr Mund plötzlich war. Und wie sehr sie auf einmal zitterte: Jason Kaoki, der unter den St.-George-Erben als besonders öffentlichkeitsscheu galt, war ein großer Mann.
Ein ausgesprochen großer Mann sogar. Besonders beunruhigend fand sie, dass er gerade seinen beeindruckenden Körper vollständig zur Schau stellte.
Das hieß … nicht ganz vollständig. Aber so weit, dass sie erkennen konnte, wie durchtrainiert er war und dass er weder Bierbauch noch eine üppige Brustbehaarung hatte oder dicke Goldketten trug. Unter seinem Bauchnabel verjüngte sich eine schmale Haarspur und verschwand unter dem Bund seiner Shorts. Ansonsten war sein Oberkörper erstaunlich … glatt. Das brachte die ausgeprägte Brustmuskulatur und den beeindruckenden Waschbrettbauch umso stärker zur Geltung. Natürlich gab es keinen Grund, warum Lucindas Blick dort verharren sollte … oder sogar noch tiefer gleiten sollte – über die tiefsitzenden Shorts und die kräftigen Oberschenkel. Es gab wirklich absolut keinen Grund, warum sie diesen beeindruckenden Mann so intensiv anschauen sollte, der ausgestreckt vor ihr lag und dessen kräftiger Körper hier und da mit geschmackvollen Tätowierungen verziert war. Er kam ihr vor wie die Hauptfigur aus einem dieser Superheldenfilme, für die Lucinda natürlich keine Zeit hatte, weil sie immer viel zu stark ausgelastet war.
Der Mann ist gefährlich, warnte eine innere Stimme sie leise. Es ist dumm von dir, ihm so nah zu kommen.
Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, überzog eine Gänsehaut ihre Arme und ihren Nacken.
Trotzdem betrachtete Lucinda ihn weiter und hoffte dabei, ihm würde ihre heftige Reaktion auf ihn nicht auffallen. Und eigentlich kannte sie seine Eckdaten ja bereits: Sie wusste, dass er einen Meter dreiundneunzig groß und athletisch gebaut war. Ob er an öffentlichen Sportveranstaltungen teilnahm oder aber privat surfte, auf Berge kletterte oder aus Flugzeugen sprang und damit seine Fans in den sozialen Medien begeisterte: Dass sie hier einem attraktiven Mann begegnen würde, der auf eine typisch amerikanische Weise auch extrem sportlich war, damit hatte sie schon gerechnet.
Damit, dass er so unfassbar anziehend auf sie wirken würde, allerdings nicht. Mit seiner Ausstrahlung füllte er die heruntergewirtschaftete Hotellobby komplett aus – so intensiv, dass Lucinda noch heißer wurde. Als wäre er der männlichste Mann, dem sie je begegnet war. Als würde seine Aura sie durchdringen und sie dabei fast ersticken. Und das Verrückteste daran war, dass sie sich nicht einmal daran störte.
Dieser Mann war viel mehr als nur „attraktiv“. Es gab einfach kein Wort, das ihn ausreichend hätte beschreiben können. Seine Haut glänzte bronzefarben, als wäre er gerade erst der Brandung entstiegen und hätte noch keine Zeit gefunden, sich abzutrocknen. Sein schwarzes Haar war leicht zerzaust, so als hätte er es sich mit seinen großen Händen achtlos aus dem Gesicht gestrichen. Und er hatte die ebenmäßigen Züge und die dunklen Augen eines gefallenen Engels.
Genau so stellten sich andere Frauen wahrscheinlich den Liebhaber ihrer Träume vor. In deren Fantasie würde er aus dem Meer steigen und auf sie zukommen – auf einer Insel wie dieser, mit erloschenen Vulkanen und tropischen Regenwäldern. Und dann würde er sie ein Leben lang verwöhnen.
Lucinda erschrak über diese Vorstellung. Unfassbar, was sie sich da für einen Schund zusammengereimt hatte! Auch wenn niemand etwas davon mitbekommen hatte …
Oder doch? Der Mann grinste sie an, als wüsste er genau, was gerade in ihr vorging.
„Lassen Sie mich raten“, sagte er gedehnt und klang amüsiert und gleichzeitig ein bisschen schläfrig, als würde er sich auf einem Bett räkeln …
Jetzt ist es aber gut! ermahnte Lucinda sich erneut.
„Sie sind extra um die halbe Welt gereist, um mir irgendetwas zu verkaufen“, fuhr er fort. „Tut mir leid, Süße, aber ich habe kein Interesse.“
„Woher wollen Sie wissen, wo ich herkomme?“, erwiderte sie automatisch. Als wollte sie sich damit beweisen, dass sie überhaupt noch sprechen konnte. „Wer sagt, dass ich nicht von einer Nachbarinsel stamme?“
„Die nächste Insel liegt mehrere Flugstunden entfernt“, gab er zurück. „Und niemand, der dort lebt, ist so blass wie Sie.“
Natürlich wäre es schön gewesen, wenn Lucinda mehr Zeit gehabt hätte, sich auf dieses Zusammentreffen vorzubereiten. Dann hätte sie sich zuallererst um ihre Haare gekümmert. Die waren wegen der feuchten Hitze wahrscheinlich inzwischen klitschnass und kräuselten sich wild. Nur zu gern hätte sie sich ordentlich zurechtgemacht, so wie vor allen besonders wichtigen Geschäftsbesprechungen.
Allerdings hatte sie schon damit gerechnet, dass der Mann ihr Schwierigkeiten machen würde. Diese Information hatte die Konkurrenz ihr längst zukommen lassen. Alle, die bereits vergeblich mit Jason Kaoki gesprochen hatten, hatten ihr nur zu gern bei einem Drink erzählt, dass sie bei ihm keine Chance haben würde, nachdem sie selbst schon kläglich gescheitert waren. „Der Mann findet sofort deine Schwachstelle“, hatte einer ihrer fünf gescheiterten Vorgänger erklärt, während er an einem Martini genippt hatte. „Und dann beißt er zu. Wie ein Hai.“
Entsprechend versuchte sie es jetzt gar nicht erst mit Smalltalk oder gestammelten Entschuldigungen. Stattdessen erwiderte sie einfach so kühl und unbewegt wie möglich Jason Kaokis Lächeln – als hätte er sie nicht weiter beeindruckt. Als hätte sie nicht etwa vierzig Stunden für die Reise hierher gebraucht, sondern vierzig Sekunden. Und als wäre sie ausgeruht und entspannt. Schnell rief sie sich noch einmal alles ins Gedächtnis, was sie über diesen nervenaufreibenden und außergewöhnlich menschenscheuen Erben vom berühmten Daniel St. George herausgefunden hatte. Drei Söhne und eine Tochter hatte der alte Playboy hinterlassen, das hatte sein Testament offenbart – in dem er jedem von ihnen eines seiner Luxusanwesen vermacht hatte.
Jason Kaoki war auf der Inselkette Hawaii aufgewachsen und mit seiner Mutter und deren Familie immer wieder zwischen der Hauptinsel und der Insel Oahu hin- und hergezogen. Dann hatte er auf dem US-Festland studiert und eine Footballkarriere begonnen, erst in der College-, dann in einer Profimannschaft. Es folgten mehrere gewinnbringende Werbeverträge, einige davon liefen bis heute. Den Großteil seiner Einkünfte gab er angeblich für verschiedene wohltätige Zwecke auf den Pazifischen Inseln aus, die ihm offenbar sehr ans Herz gewachsen waren. Er investierte das Geld in Schulen, aber auch in Einrichtungen für Kriegsveteranen, hielt aber die Höhe der jeweiligen Spenden streng geheim.
In den sozialen Medien gab sich Kaoki als guter Entertainer, dabei blieb er viel lieber für sich. Für die Öffentlichkeit war er schwer erreichbar, und es war so gut wie unmöglich, ein Treffen mit ihm zu vereinbaren. Dann wurde das Testament seines Vaters, Daniel St. George, verlesen, und die Insel, auf der sie sich gerade befanden, war zur Sprache gekommen. Darauf waren auch verschiedene Hotelkonzerne aufmerksam geworden, darunter der, in dem sich Lucinda einen gehobenen Posten erkämpft hatte. Die anderen Unternehmen hatten Jason alle davon überzeugen wollen, einen weiteren Standort ihrer Hotelkette auf seiner Insel errichten zu dürfen – ohne Erfolg.
Er hatte das Geld nicht nötig, und berühmt war er in gewisser Weise auch schon. Überhaupt war es so gut wie unmöglich, ein Geschäftsgespräch mit ihm zu führen, wie Lucindas Kontaktpersonen ihr erzählt hatten. Überzeugen konnte man ihn schon gar nicht.
Allerdings hatte Lucinda etwas zu bieten, womit ihre Vorgänger nicht hatten aufwarten können. Erstens war sie nicht im Namen einer langweiligen Hotelkette hier. Und zweitens war sie eine Frau. Noch besser: Sie hatte keinerlei Hemmungen, ihre weiblichen Reize einzusetzen, um zu bekommen, was sie wollte. Wozu hatte sie die schließlich? Sie hatte noch nie verstanden, warum so viele Menschen darauf so schockiert reagierten. Wahrscheinlich hatten sie alle so viele Möglichkeiten zur Verfügung, dass sie sich ihr Vorgehen frei aussuchen konnten. Dieser Luxus war ihr jedoch fremd.
Und sie hatte nicht erst groß recherchieren müssen, um zu erfahren, dass Jason Kaoki weiblichen Reizen durchaus zugetan war. Ihre Internetrecherchen hatten das nur noch bestätigt: Tausende von Bildern aus drei Kontinenten zeigten ihn mit schmollmündigen Models am Arm. Ganz zu schweigen davon, dass er den neugierigen Klatschreportern gegenüber immer wieder Kommentare zu seinen Liebschaften fallen ließ.
Und jetzt spürte sie sein Interesse am eigenen Leib. Wie Feuer brannte es auf ihrer Haut, durchdrang sie bis ins Innerste. Sie sah, dass etwas in seinen dunklen Augen aufloderte, dass er die schwarzen Brauen hob. Und dass er seine verboten sinnlichen Lippen zu einem Lächeln hochzog, als er zu ihr hochschaute.
Das konnte sie sich zunutze machen.
Also setzte sie selbst ihr verführerischstes Lächeln auf, strich sich über den Rock, um ihre Hüften zu betonen, und fand es dabei sehr günstig, dass ihre Bluse immerhin ein kleines bisschen durchscheinend war und ihre Brüste erahnen ließ. Ja, sie wollte alle Waffen einsetzen, die ihr zur Verfügung standen, sogar ihren ganzen Körper, wenn nötig.
Lucinda hatte sich fest vorgenommen, erfolgreich von ihrer Reise zurückzukehren. Koste es, was es wolle.
Jason Kaoki starrte die Frau an, die da urplötzlich vor ihm aufgetaucht war. Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet und sah damit aus wie Gevatterin Tod. Als hätte ihn hier, auf dieser Insel, der Geist aller Lebensentwürfe aufgesucht, die für ihn nicht infrage kamen.
Immer wieder hatte er sich gegen diese Lebensstile aufgelehnt.
„Wollen Sie mich jetzt den ganzen Tag anstarren?“, fragte er sie und setzte dabei ein träges Grinsen auf, das er bevorzugt Menschen in Business-Kleidung schenkte. „Interessante Verkaufstechnik, das muss ich zugeben. Aber nicht besonders zielführend.“
Normalerweise schlug sein Grinsen diese Leute sofort in die Flucht, erst recht, wenn er auch noch in diesem bissigen Ton mit ihnen sprach. Jason hatte sich noch nie große Mühe gegeben, seine unangenehmen Seiten vor anderen zu verbergen.
Davon ließ sich diese Frau allerdings nicht beirren. Sie wirkte weder erschrocken noch nervös, und sie machte auch keinerlei Anstalten, sich bei ihm zu entschuldigen, so wie die Besucher vor ihr. Stattdessen stellte sie ihren kleinen Rollkoffer neben der Eingangstür ab, um dann über den Fliesenboden zu ihm herüberzukommen und sich ihm gegenüber auf die tiefgelegte Couch zu setzen.
Da saß sie jetzt so selbstverständlich, als würde das ganze Anwesen ihr gehören und als wäre er ihr Angestellter. Ganz schön dreist! Als Nächstes schlug sie ein wohlgeformtes Bein über das andere, soweit ihr enger Rock das überhaupt zuließ. Diesen Aufzug konnte sie in ihrem sterilen Konzernbüro tragen, das wahrscheinlich einige Tausend Kilometer nördlich von hier lag. Dann faltete sie die blassen, schmalen Hände wie zum Gebet und blickte ihn betont geduldig an, als würde sie ihm gerade einen Gefallen tun.
Eigentlich hätten sich ihm bei ihrem Verhalten die Zehennägel aufrollen müssen, immerhin erinnerte sie ihn damit an die vielen Lehrer und Sozialarbeiter, die vergeblich versucht hatten, einen zivilisierten Menschen aus ihm zu machen. Andererseits wirkte sie so ganz anders als die arroganten Buchhaltertypen, die ihn hier schon aufgesucht und sich eingebildet hatten, sie könnten ihn von oben herab behandeln.
Einer Sache war er sich jedenfalls sicher: Wenn er sie nur von ihren vielen unpassenden schwarzen Stoffschichten befreien könnte, käme darunter bestimmt eine richtig heiße Frau zum Vorschein. Heiß und süß … ein netter, kleiner Leckerbissen für einen unersättlichen Mann. Außerdem hatte sie feuerrotes Haar, und Feuer war sein liebstes Element. Wie gern würde er ihr Haar jetzt aus der viel zu strengen Frisur lösen und mit den Händen hindurchfahren. Und dann wollte er den Duft einatmen, herausfinden, wie es roch, nachdem die Sonne darauf geschienen und der Meereswind es durcheinandergewirbelt hatte. Er wollte das Gesicht in den vollen Locken vergraben und spüren, wie hart er dabei wurde.
Oder so ähnlich …
Ob sie wohl wusste, wie heiß sie war? Das konnte er ihr so schnell nicht ansehen. Falls ja, hatte sie sich etwa absichtlich dieses Trauer-Outfit angezogen? Weil sie meinte, dass sie ihre Reize darunter verstecken konnte?
Weit gefehlt. Ihre prallen, runden Brüste zeichneten sich deutlich unter dem durchscheinenden Blusenstoff ab und würden seine großen Hände perfekt ausfüllen. Für eine Frau war sie ganz schön groß, wenn auch lange nicht so groß wie die Models, zu denen es ihn normalerweise hinzog: Frauen mit endlos langen Beinen, die sie ihm um die Schultern schlangen, während sie fickten. Und obwohl diese Frau ihn gerade ganz schön verkniffen ansah, war ihm die leichte Röte auf ihren hohen Wangenknochen nicht entgangen. Gut, wahrscheinlich hatte die eher mit der Tropensonne als mit ihm zu tun, aber er war sich sicher, dass er sie noch viel intensiver zum Erröten bringen konnte. Auch ihre vollen, weichen Lippen waren ihm gleich aufgefallen. Wenn sie damit seinen prallen Schwanz umschloss … das musste sich grandios anfühlen!
Die Vorstellung gefiel ihm.
Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er sich bei einem Business-Besuch zuletzt so gut amüsiert hatte.
Offenbar hatte man es aufgegeben, ihm einen Langweiler nach dem anderen auf die Insel zu schicken und auf ihn einreden zu lassen, bis er ihn wieder verscheuchte. Bravo! Stattdessen wollte man ihn jetzt mit einem heißen Geschenk aus der Reserve locken. Einem Geschenk, das er auch noch selbst auspacken durfte. Das war sogar noch viel besser als eine Frau, die ganz offensichtlich leicht zu haben war.
Während sie sich weiter anstarrten, breitete sich eine angespannte Stille zwischen ihnen aus, die nur von dem leisen Meeresrauschen durchbrochen wurde.
Jason grinste. Mit der Anspannung konnte er durchaus umgehen. Die Menschen vom Festland hingegen hielten das selten lang aus.
Bei der Frau ihm gegenüber war das nicht anders. Immerhin gelang es ihr, sich ihr kühles, geschäftsmäßiges Lächeln zu bewahren. „Jedenfalls freue ich mich, Sie endlich kennenzulernen, Mr. Kaoki“, sagte sie. Ihr Akzent klang englisch, gleichzeitig schwang aber noch etwas anderes mit, eine Art besondere Würze. Es war ein schönes Gefühl, wie ihre Stimme ihn umfing, seinen ganzen Körper zu streicheln schien – bis hinunter zu seinem Schwanz. Und er hätte nichts dagegen, wenn sie das Gleiche mit ihren Händen tun würde …
„Freut mich, dass ich Sie jetzt auch ohne Termin sprechen kann“, fuhr sie fort. „Obwohl ich mehrfach versucht habe, einen mit Ihnen zu vereinbaren.“ Ihre Stimme klang sogar noch förmlicher, als sie aussah – mal abgesehen von dem etwas rauen Timbre.
Jason hatte schon immer eine Schwäche für wilde, ungezähmte Typen gehabt, die mit seiner Art mithalten konnten. Doch je länger er sich mit dieser unglaublich blassen Frau befasste, die ihr wunderschönes Haar so gnadenlos zu einer strengen Frisur zusammengesteckt hatte, desto stärker wuchs in ihm eine Vermutung: Vielleicht waren diejenigen, die sich darum bemühten, besonders kultiviert aufzutreten, in Wahrheit die wildesten? Eine Frage, der er nur zu gern auf den Grund gehen wollte … und dabei wurde er nicht nur von seinem Schwanz getrieben.
„Mr. Kaoki?“, wiederholte er. „Wer soll denn das bitte sein? Hört sich nach jemandem an, dem man mal einen kräftigen Tritt in den Hintern verpassen sollte. Ich heiße Jason.“
Sie zuckte nicht mit den Wimpern, sondern lächelte ihn weiter höflich an. Das beeindruckte ihn. Allen verweichlichten Männern, die ihm schon nervös und schweißüberströmt in dieser Lobby gegenübergestanden hatten, hatte man spätestens jetzt ansehen können, wie schrecklich unsicher sie sich in seiner Gegenwart fühlten. Die Deppen gingen immer davon aus, einen solch großen, dummen Surfertypen wie ihn locker um den Fingern wickeln zu können … um dann zu ihrer Überraschung festzustellen, dass sie mit ihm doch kein leichtes Spiel hatten.
Nicht so die überkorrekte Rothaarige, die ihm so kerzengerade auf dem Sofa gegenübersaß, als hätte sie die Wirbelsäule an ihrem strengen Haarknoten festgezurrt. „Ich heiße Lucinda Graves“, stellte sie sich vor.
„Graves – wie Gräber. Der Name passt.“
Sie runzelte die Stirn, aber er zuckte nur demonstrativ mit den Schultern. Dabei fiel ihm auf, wie fasziniert sie seinen muskulösen Oberkörper fixierte. „Vielleicht haben Sie vor lauter Jetlag noch nicht mitbekommen, dass Sie sich gerade auf einer Südseeinsel befinden. Hier stecken wir uns ein paar Blumen ins Haar und hüllen uns in Tropenflair, andere Kleidungsstücke kennen wir nicht. Aber Sie sehen aus, als wollten Sie zu einer Beerdigung.“
Und schon wieder lächelte sie, jetzt sogar noch höflicher als vorhin. War das vielleicht ihre persönliche Waffe?
Eigentlich ganz süß, fand er.
„Tut mir leid, wenn Sie sich durch mein professionelles Auftreten angegriffen fühlen“, gab sie kühl zurück. „Ich wollte Ihnen bloß angemessen gegenübertreten – Ihrer Position entsprechend.“
„Es geht Ihnen wohl eher um mein Geld als um meine Position. Wenn ich Ihnen nicht gerade im Weg wäre, würden Sie sich für meine Position nicht weiter interessieren. Und mir auch erst recht nicht angemessen gegenübertreten wollen.“
„Im Gegenteil, Mr. Kaoki. Ich halte Höflichkeit grundsätzlich für sehr wichtig, gerade in schwierigen Situationen.“
Wollte sie ihn damit etwa in seine Schranken weisen? Offenbar schon. Seltsamerweise fand Jason das irgendwie erregend – was auch immer das über ihn aussagte, aber das wollte er nicht weiter analysieren.
Er rutschte ein Stück zur Seite … und spürte dabei deutlich, wie sich sein eigenwilliger Schwanz regte. Geistesabwesend rieb er sich über die Seite, und erneut folgte ihr Blick seiner Bewegung. Sie betrachtete das Tattoo, das er sich hatte stechen lassen, als sein Football-Stipendium bewilligt worden war. Damit er nie seine Wurzeln vergaß.
Jason war sich ziemlich sicher, dass diese Frau nicht viel mit Körperkunst anfangen konnte.
„Ich will ehrlich zu Ihnen sein, Lucinda.“ Jede einzelne Silbe ihres Namens zog er genussvoll in die Länge … als würde er von einem besonders köstlichen Essen sprechen, auf das er großen Appetit hatte. „Ich glaube nicht, dass Ihnen bewusst ist, wie anstrengend es hier für Sie werden kann. Sagen Sie einfach Bescheid, wenn Sie es gern etwas lockerer hätten.“
Sie blinzelte kurz, ging aber nicht darauf ein. Clever von ihr.
„Ich bin im Namen eines international agierenden Hotelkonzerns angereist“, begann sie erneut, dabei wirkte ihr Lächeln allerdings angespannter als vorher. Also kam er durchaus voran. „Wir haben uns darauf spezialisiert, Immobilien in ganz besonderen Lagen für unsere anspruchsvollen Klienten zu finden, die sich nur mit dem Besten zufriedengeben … und sich das auch leisten können. Bestimmt ist Ihnen bewusst, welch unfassbares Entwicklungspotenzial diese Insel als Erholungsort bietet … und ich bin bestimmt niemand, der zu Übertreibungen neigt.“
„Das mit dem unfassbaren Entwicklungspotenzial gilt wohl für alle Anwesen, deren Eigentümer sich nicht von irgendwelchen schmierigen Business-Idioten in hässlichen Anzügen einwickeln lassen.“ Langsam ließ Jason den Blick über ihre hohen Wangenknochen, die leicht gerötete blasse Haut und die Sommersprossen auf ihrem Nasenrücken gleiten. „Wahrscheinlich wissen Sie längst, dass ich absolut keine Lust darauf habe, sich hier irgendetwas entwickeln zu lassen. Jedenfalls sehen Sie aus wie eine Frau, die sich genau informiert, bevor sie um die halbe Welt fliegt und einer fremden Person eine Geschäftsbesprechung aufdrängt. Aber wie kommen Sie darauf, dass Sie mich überzeugen können, wenn alle anderen vor Ihnen gescheitert sind?“
Erneut blinzelte sie, dann sah sie ihn mit ihren beunruhigend blauen Augen intensiv an. Jason wusste, dass er auf den ersten Blick wie ein Wilder wirkte. Schließlich hatte er selbst dafür gesorgt, dass genau dieses Bild von ihm entstand: unzivilisiert, laut und oberflächlich. Sollte man ihn ruhig unterschätzen, das passte ihm gut. Tatsächlich aber hatte er schon immer eine Schwäche für intelligente Frauen gehabt. Das machte das Leben für ihn natürlich viel komplizierter … aber gleichzeitig auch interessanter.
„Ich hoffe, dass ich Sie umstimmen kann.“ Unbeirrt erwiderte sie seinen Blick. „Was muss ich tun, um das zu schaffen? Sagen Sie es mir.“
Jason lachte – laut und schallend, und sein Lachen erfüllte die Hotellobby. Eine seiner Exfreundinnen hatte das Phänomen einmal mit einem Vulkanausbruch verglichen. Als jemand, der auf einer vulkanischen Südseeinsel aufgewachsen war, hatte ihm dieser Vergleich ganz ausgezeichnet gefallen.
Und wenn er die verkniffene Business-Frau damit ärgern konnte, die sich jetzt merklich versteifte, umso besser.
„Ich unterhalte mich mit Ihnen bestimmt nicht über irgendwelche Deals, Süße“, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. „Soll ich Ihnen mal was verraten? Wenn jemand sich auf eine namenlose Insel mitten in der Südsee zurückzieht, dann bestimmt nicht, weil er von irgendwelchen Hotelfuzzis aufgesucht werden will. Das scheint ihr bloß alle nicht zu kapieren. Stattdessen fallt ihr hier ein wie die Heuschrecken und macht mir alles kaputt.“
„Ich will Ihnen bestimmt nichts kaputtmachen“, brachte sie hervor, ohne dabei ihr höfliches Lächeln zu unterbrechen. „Im Gegenteil, ich kann dafür sorgen, dass Sie richtig reich werden.“
„Ich bin aber schon richtig reich.“
„Durch mich können Sie noch reicher werden.“
Auch darüber musste er lachen. Da stand sie mit ihren feuerroten Haaren und ihrer weißen Haut und trug dazu auch noch diese strengen schwarzen Klamotten, die in ihrem verregneten Heimatland wahrscheinlich an der Tagesordnung waren.
„So sind sie, die Weißen. Sie wollen immer noch reicher werden“, bemerkte er. „Dabei ist das doch nur Geld, Lucinda.“
„Das kann nur von jemandem kommen, der bereits viel zu viel davon hat, Jason“, gab sie zurück.
In diesem Moment durchschaute er die Frau, die er da vor sich hatte, sah die wahre Lucinda Graves, die sich hinter ihrem steifen, überkorrekten Auftreten verbarg. Und diese Frau war unglaublich klug, unbändig und wild. Und gefährlich. Jason wollte sie packen und an sich ziehen, ihre Zähne und Klauen spüren und herausfinden, welche Spuren sie bei ihm hinterlassen würde.
Ihm wurde heiß.
„Wenn Sie kein Geld wollen …“, begann Lucinda nach einer kurzen Pause. Dabei sprach sie langsam und bedächtig, als würde sie sich dazu zwingen müssen, sich ihm zu unterwerfen – dabei hätte Jason sie zu gern selbst bezwungen. „… was wollen Sie dann?“
„Überhaupt nichts. Sonst würde ich es mir einfach nehmen. Dafür brauche ich keine Hilfe von irgendwelchen Business-Spinnern.“
Kurz wirkte sie verärgert, doch das war im nächsten Moment schon wieder vorbei. „Jeder will doch irgendetwas, Mr. Kaoki. Sie müssen es mir nur sagen.“
Oh ja, er wollte sehr wohl etwas. Das spürte er heiß und brennend am ganzen Körper. Er machte auch keine Anstalten, sein Begehren vor ihr zu verbergen, und stellte mit Genugtuung fest, dass sich ihre Wangen verräterisch rot färbten.
„Ich habe keine Lust, mir irgendwelche öden Baupläne anzugucken. Und langweiliges Geschwafel über verträumte Buchten, Sonnenterrassen und Fackeln im Abendwind will ich mir auch nicht anhören“, sagte er gedehnt. Daran, dass sie immer stärker errötete, merkte er, wie richtig er mit seinen Vermutungen lag. Er konnte in ihr lesen wie in einem Buch, und das war ihr wohl nicht klar. Das machte die Sache noch unterhaltsamer. „Mich machen Sie nicht glücklicher, wenn Sie hier ein Schickimicki-Resort hinsetzen. Also erklären Sie mir mal, warum ich da mitmachen soll? Hawaii haben Ihre Leute ja schon besetzt. Warum reisen Ihre versnobten Klienten nicht einfach dahin und machen dort alles kaputt? Wenn sie sich unbedingt irgendwo wie die Könige aufführen müssen.“
Wow! Diese Frau brachte wirklich nichts aus der Ruhe. Ihre Augen schimmerten in einem kühlen, unergründlichen Blau, das ihn an seinen geliebten Ozean an einem stürmischen Tag erinnerte. Irgendetwas daran berührte ihn auf eine seltsame, beunruhigende Weise. Schnell versuchte er, das Gefühl zu verdrängen und sich stattdessen auf ihre Antwort zu konzentrieren.
„Es muss ja nicht darum gehen, dass Sie glücklicher werden“, gab sie zu bedenken. „Wenn Sie in diese Insel investieren und hier Arbeitsplätze entstehen lassen, können Sie sehr viele andere Menschen sehr glücklich machen.“
„Ich weiß ja nicht, was Sie über mich gelesen haben, Schätzchen … aber mir geht es nur um mein eigenes Glück.“
„Wirklich? Soweit ich weiß, spenden Sie mehr Geld an Wohltätigkeitsorganisationen, als die meisten Menschen in der Südsee in ihrem ganzen Leben verdienen.“
„Das ist doch bloß ein Gerücht“, erwiderte Jason leichthin. „Die meisten Menschen sehen andere in einem viel zu positiven Licht. Weil sie nicht mit der Wahrheit umgehen können.“
„Wie bitte? Die meisten Menschen sollen andere viel zu positiv sehen?“ Diesmal lachte sie laut auf, und das machte ihn nervös. „Das ist doch wohl Quatsch.“
„Egal, jedenfalls bin ich ein egoistischer Mann. Ich tue nur das, was mir Spaß macht, Punkt. Und die Vorstellung, dass hier jemand noch so eine Urlaubsanlage hinsetzt und die Natur zerstört, macht mir überhaupt keinen Spaß.“
„Ich wusste gar nicht, dass Sie ein so großer Umweltschützer sind.“
„Das bin ich auch nicht, ich bin Egoist, wie gesagt. Ich möchte hier meinen einsamen Strand, meinen wilden Dschungel und meine freien Straßen behalten. Dafür hat man doch schließlich eine Privatinsel – damit man da seine Ruhe haben kann.“
„Stimmt.“ Lucinda Graves kniff die Augen zusammen und musterte ihn intensiv, als suchte sie nach einer Schwachstelle. Er erwiderte ihren Blick geradeheraus. „Und trotzdem“, fuhr sie fort. „Auch egoistische Männer wollen irgendetwas.“
„Schon, aber ich kann alles haben, was ich will, Lucinda. Dafür muss ich nicht erst mit fremden Frauen verhandeln. Eigentlich müsste ich mich jetzt noch nicht mal mit Ihnen unterhalten. Aber so bin ich eben: viel zu nett für diese Welt.“ Er grinste ihr mitten ins Gesicht … und sie hielt seinem Blick stand, was ihn nicht sonderlich überraschte. Diese Frau war deutlich zäher als die Männer, die vor ihr hier gewesen waren. Oder zumindest entschlossener.
Eigentlich müsste ihn das kaltlassen. Andererseits hatte er Frauen, die wussten, was sie wollten, schon immer gemocht.
„Aber klar“, murmelte sie. „Sie sind so richtig nett. Das Wort trifft den Nagel auf den Kopf.“
„Wenn Ihnen noch ein besseres einfällt – immer raus damit.“
Darauf ging sie nicht ein, stattdessen veränderte sich etwas an ihrer Körpersprache.
Fasziniert beobachtete Jason sie. Einerseits wurde sie nicht nervös, flirtete ihn nicht an, spielte auch nicht mit den Knöpfen ihrer Bluse, um ihm einen noch besseren Blick auf ihre perfekten Brüste zu gewähren. Stattdessen saß sie ihm weiterhin kerzengerade gegenüber. Und trotzdem war er sich sicher, dass etwas anders war als vorher.
Er konnte die Anspannung zwischen ihnen deutlich spüren … als wäre die Luft elektrisch aufgeladen. Versuchte sie ihn etwa gerade mit ihren weiblichen Reizen zu beeinflussen? Darüber kann ich doch nur lachen, sagte er sich. Allerdings reagierte sein Schwanz gerade so deutlich, dass ihm dabei gar nicht zum Lachen zumute war.
Faszinierend … und unglaublich erregend. Inzwischen hatte er sein Verlangen kaum noch unter Kontrolle. „Wollen Sie mir etwa gerade ein Angebot machen?“, erkundigte er sich.
Gedankenverloren blickte sie ihn an. Dann neigte sie leicht den Kopf zur Seite – auf eine Art und Weise, die erneut das Blut in sein bestes Stück schießen ließ. „Bisher haben Sie doch jeden, der Sie hier aufgesucht hat, innerhalb weniger Stunden von der Insel geworfen, wenn ich das richtig mitbekommen habe.“
„Tja, mein Kumpel wartet unten am Steg“, stimmte Jason ihr freundlich zu. „Damit er Sie wieder mit auf die Fidschi-Inseln nehmen kann. Wenn Sie wollen, können Sie gleich losfliegen.“
Daraufhin lächelte sie auf eine ganz eigene Weise. Nicht höflich, professionell und distanziert wie zu Beginn, als sie in die Hotellobby gekommen war, nein, diesmal erfasste das Lächeln ihr ganzes Gesicht. Es fühlte sich an, als würde plötzlich die Sonne eine dichte Wolkendecke durchbrechen und alles mit ihrer Helligkeit und Wärme erfüllen. Jason spürte ein Engegefühl in der Brust und konnte nur noch an eins denken: Er wollte sich der Wärme hingeben, sich von den heißen Flammen verschlingen lassen und Lucindas Begierde entfachen, bis sie laut aufschrie.
Da sie offenbar gerade davon ausging, dass sie ihre Spielchen mit ihm treiben konnte, wartete Jason erst einmal ab.
„Ich würde lieber hier bei Ihnen bleiben“, sagte sie schließlich zuckersüß.
Jason grinste. Ihn hatten schon so viele schöne Frauen angegraben, dass er bereits vor seinem Studium mit dem Zählen aufgehört hatte. Und weil er Hawaiianer war, hatte er in Sachen Schönheit verdammt hohe Ansprüche. Na ja, zumindest war er zur Hälfte Hawaiianer, obwohl er den dämlichen Touristen, der seine Mutter verführt und dann einfach hatte fallen lassen, ganz bestimmt nicht als seinen Vater sah. Jedenfalls gab er sich normalerweise nicht mit Geschäftsfrauen ab. Stöcker im Hintern fand er ziemlich abtörnend.
In Lucindas Fall würde er allerdings eine Ausnahme machen …
„Und warum sollte ich Sie hierblieben lassen?“, erkundigte er sich und grinste, auch um damit sein Verlangen zu verstecken. „Was hätte ich denn davon?“
Zu seiner eigenen Überraschung lehnte er sich zurück und wartete gespannt, wie sie ihn überzeugen würde.
Was tue ich da eigentlich gerade? fragte Lucinda sich.
Eigentlich hatte sie doch immer einen genauen Plan, den sie vorher minutiös durchdacht hatte und an den sie sich auch hielt – was auch immer passierte. Zuerst stellte sie Nachforschungen an, dann bereitete sie sich genau vor, und schließlich führte sie ihren Plan aus, ohne sich spontan umzuentscheiden. Das war nämlich gefährlich. Bisher war sie mit dieser Strategie sehr gut gefahren … aber irgendetwas an dieser Insel verleitete sie dazu, von ihren gewohnten Mustern abzuweichen. Hier fühlte sie sich wie ein anderer Mensch, aufgewühlt und gleichzeitig seltsam schutzlos.
Das liegt nur am Jetlag, sagte sie sich. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, dass es eher mit diesem Mann zusammenhing, der sich ihr gegenüber auf dem Sofa räkelte und sie dabei so angriffslustig ansah.
Und obwohl sie keinerlei Vorbehalte hätte, ihre Reize an Jason Kaoki auszuprobieren, war sie sich nicht sicher, ob sie dadurch überhaupt das bekommen würde, was sie wollte.
Schließlich war er so ganz anders als andere Männer.
Ganz anders als alle, die sie bisher kennengelernt hatte.
Offenbar war er eine Nummer zu groß für sie, in jederlei Hinsicht. Zunächst einmal wegen seines beeindruckenden Körpers … Und dann hatte er auch noch dieses Lachen, dieses schelmisch-boshafte, herausfordernde Grinsen. Und mit seinem düsteren, unbeirrbaren Blick gab er ihr deutlich zu verstehen, dass er nicht auf andere Menschen angewiesen war. Er hatte sie einfach nicht nötig.
Aber wenn ihm jemand von sich aus ein interessantes Angebot machte … dann ging er vielleicht darauf ein.
Na los, sagte sie sich und hielt dabei seinem glühenden Blick stand. Schlag es ihm doch vor, hier und jetzt.
Bei diesem Gedanken erschauerte sie und wagte es kaum, sich zu bewegen – aus Angst, er würde sie dann durchschauen und erkennen, was sie ihm anzubieten bereit war.
Jetzt musste sie sich so schnell wie möglich überlegen, wie sie weiter vorgehen sollte.
Denn eins war klar: Sie musste diesen Auftrag erfolgreich abschließen – allein schon, um sich zu beweisen, dass sie sich behaupten konnte. Lucinda hatte die Nase voll davon, sich alles mühsam erkämpfen zu müssen. So ungern sie es sich eingestand: Nachdem sie sich ihr bisheriges Leben lang abgemüht hatte, war sie ganz schön erschöpft. Und sie fand, dass sie es sich nach all diesen Anstrengungen verdient hatte, auch mal den Hauptgewinn zu landen. Um sich dann ein Weilchen zurückzulehnen und auf ihren Lorbeeren auszuruhen. Zu wissen, dass sie endlich, endlich ihren Platz in dieser Welt gefunden hatte.
Das alles wäre in greifbarer Nähe, wenn es ihr nur gelänge, den Deal mit Jason Kaoki und seiner wunderschönen Insel an Land zu ziehen. Das wäre sozusagen ihr Ritterschlag. Danach könnte sie den Hotelkonzern mit Glanz und Gloria verlassen und ihr eigenes Ding machen. Sich vielleicht erst einmal in einem der Luxushotels einquartieren, die durch ihre harte Arbeit entstanden waren.
In London hatte niemand daran geglaubt, dass sie es schaffen würde.
„Damit verschwendest du bloß deine Zeit“, hatte ihr direkter Vorgesetzter gesagt. Dann hatte er laut geseufzt, um ihr zu verstehen zu geben, was er von ihren Plänen hielt. Außerdem erwähnte er noch den berühmten Geschäftsführer einer Luxus-Boutique-Hotelkette, der Lucinda erst in der Woche davor bei einem Treffen in einem hippen Pub vermittelt hatte, dass alle Hotelbetreiber sich die Kaoki-Insel getrost von der Backe schmieren konnten. „Wenn sogar er es nicht geschafft hat, den Mann zu überzeugen, dann schafft es keiner“, betonte Lucindas Vorgesetzter.
„Doch, ich schaffe das“, erwiderte sie selbstbewusst und mit fester Stimme – und das war nur ein kleines bisschen geschauspielert.
Schließlich hatte sie sich vorher genauestens mit Jason Kaoki befasst, und zwar nicht nur mit seinen Geschäften und den harten Zahlen und Fakten, so wie ihre Vorgänger. Nein, darüber hinaus hatte sie sich auch intensiv mit seinen Auftritten in den sozialen Medien auseinandergesetzt, hatte sich alte Interviews mit ihm angesehen und Artikel über seine frühere Karriere als Footballspieler gelesen.
Und sie war überzeugt davon, dass sie ihn durch und durch kennengelernt hatte.
„Wenn du das schaffst, bist du eine echte Heldin“, erwiderte ihr Chef und lachte, weil er ihren Erfolg für völlig unwahrscheinlich hielt. Denn sosehr er ihre harte Arbeit schätzte – eine Heldin sah er offenbar nicht in ihr.
Allerdings hatte sich die Frau aus den berühmt-berüchtigten Hochhäusern im sozialen Brennpunkt von Glasgow in den Kopf gesetzt, genau das zu werden: eine Heldin. Und was für eine! Sie wollte endlich ihr eigener Boss sein und sich niemandem mehr unterordnen müssen. Er verhielt sich ihr gegenüber zwar recht anständig, gab aber trotzdem gern ihre besten Ideen als seine eigenen aus … und lachte bloß, wenn sie ihn um eine Beförderung bat.
Ja, sie wollte hier unbedingt punkten.
Genau darum hatte sie jetzt ihren gesamten Jahresurlaub genommen und die Reise hierher von ihrem eigenen Geld bezahlt – um auf ihre Weise zur Legende zu werden.
Jetzt musste sie allerdings feststellen, dass Jason Kaoki genauso schwierig war, wie alle erzählt hatten. Dazu kam, dass er ihr auch auf eine andere, noch schlimmere Weise zu schaffen machte: In seiner Gegenwart erkannte sie sich plötzlich selbst nicht mehr.
Wahrscheinlich liegt das an der Hitze, sagte sie sich erneut. Das Klima in den Tropen war ganz schön erdrückend und machte sich auch hier in der offenen Hotellobby bemerkbar. Selbst wenn sich hin und wieder eine leichte Brise regte, brachte sie kaum Kühlung, sondern verwirrte sie nur noch mehr. Gleichzeitig wurde sie dadurch auf Dinge gestoßen, die sie viel lieber verdrängt hätte.
Zum Beispiel, dass ihre Oberschenkel aneinanderrieben. Dass ihr ganzer Körper glühte. Dass sich der warme Luftzug auf ihrer Haut anfühlte, als würde jemand sie erregend sanft streicheln.
„Dann nennen Sie mir bitte Ihre Bedingungen“, sagte sie erneut. „Sagen Sie mir, was Sie wollen, damit ich es Ihnen geben kann.“ Sie fixierte Jason Kaoki, konzentrierte sich dabei ganz auf das, was sie erreichen wollte.
Der Mann wirkte teuflisch und gefährlich. Vor allem gefährlich, sehr sogar. Er brachte alle ihre Alarmglocken zum Schrillen, eine nach der anderen, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht vor lauter Unbehagen zu erschauern … oder was auch immer das für ein Gefühl war, das sie gerade ergriffen hatte und sich anfühlte, als würde sie von innen verbrennen. Mitten in diesem hässlichen, verlassenen Hotel.
„Vielen Dank für Ihr Angebot“, erwiderte Jason mit seiner gedehnt-anzüglichen Stimme, die sie umfing wie heiß lodernde Flammen und noch tiefer in sie eindrang als die tropische Hitze. „Aber ich glaube nicht, dass Sie mir etwas Entsprechendes bieten können.“
Wahrscheinlich lag es an der Sonne und den ungewohnten Temperaturen, dass sie sich so benommen fühlte. Schließlich stammte sie aus Schottland und wohnte in London, war also eher graue und verregnete Tage als weiße Sandstrände und einen strahlend blauen, wolkenlosen Himmel gewöhnt. Auf dem Weg vom Landesteg zu dem heruntergekommenen Hotel war sie intensiver Sonneneinstrahlung ausgesetzt gewesen. Das war eine blasse Person wie sie einfach nicht gewohnt. Ja, das musste die Erklärung sein: Dass sie gerade so durcheinander war, hatte eindeutig mit dem Wetter zu tun.
Alles andere wäre völlig verrückt.
„Ich führe grundsätzlich keine Geschäftsverhandlungen“, informierte Jason sie und grinste sie herausfordernd an. Erneut überkam sie das schwindelerregende Gefühl von eben: Ihr wurde heiß, und ihr gesamter Körper prickelte – und diesmal hatte es bestimmt nichts mit dem Wetter zu tun. „Ich kann mit Präsentationen in Besprechungsräumen nichts anfangen“, fuhr er fort. „Ich hasse Banker, Geschäftsangebote und Vertragsverhandlungen. Und wenn ich diese Marketingfuzzis schon reden höre, würde ich am liebsten um mich schlagen. Außerdem finde ich Business-Outfits schrecklich.“ Er nickte ihr zu, um ihr klarzumachen, dass das auch für ihre Kleidung galt. „Menschen, die so etwas tragen und für solche Banditen arbeiten, vertraue ich schon mal grundsätzlich nicht.“
Eigentlich gab es keinen Grund, warum Lucinda sich dadurch angegriffen fühlen sollte, als hätte er ihr einen Schlag ins Gesicht verpasst. Was kümmerte es sie, was er von ihrem Outfit oder ihrem Job hielt? Was wussten so verboten reiche Männer wie er schon vom Leben? Bei ihnen drehte sich doch sowieso alles nur um sie selbst und ihr Vermögen.
Lucinda zwang sich zu einem Lächeln, das wohl leider nicht so gelangweilt ausfiel wie beabsichtigt. „Vielen Dank für Ihr Feedback. Sagen Sie mir doch gern, welche Art Besprechung Ihnen vorschwebt, wo Sie sie gern abhalten würden und wie sich die Teilnehmer dafür am besten anziehen sollten. Dann organisiere ich das für Sie, ganz ohne Schurkereien.“
In Jasons dunklen Augen funkelte es gefährlich, und er grinste sie herausfordernd an – wie ein Verbrecher, der gerade einen teuflischen Plan ausheckte.
Ihr stockte der Atem.
„Es kann gut sein, dass Ihnen meine Anregungen nicht gefallen“, bemerkte er gedehnt, düster und anzüglich zugleich.
„Das müssen sie auch nicht“, gab Lucinda schroff zurück. „Hier geht es ja schließlich um Sie. Da spielt es keine Rolle, was mir gefällt oder nicht.“
„Wenn Sie das sagen.“
Lucinda hatte Menschen schon immer schnell durchschaut, darauf war sie besonders stolz. Nicht zuletzt deshalb war es ihr gelungen, ihrer ärmlichen Herkunft zu entkommen. Ja, sie konnte in anderen lesen wie in einem Buch, und das blitzschnell. Nur so hatte sie sich rechtzeitig vor ihrem trinkenden, gewalttätigen Vater zurückziehen können – ebenso wie vor den verletzenden Bemerkungen ihrer verbitterten Mutter. Sie hatte schon früh gelernt, den finsteren Typen aus dem Weg zu gehen, die in ihrer Hochhaussiedlung herumlungerten. Und hatte schnell feststellen können, ob ein bedrohlich wirkender Teenager einfach nur Langeweile hatte oder ihr tatsächlich gefährlich werden konnte. Von klein auf hatte sie diese Fähigkeiten trainiert, und davon profitierte sie jetzt noch immer.
Je besser sie ihre Vorgesetzten und ihre Klienten durchschaute, desto genauer konnte sie einschätzen, wie sie am besten auf ihre Bedürfnisse einging. Und je mehr sie das tat, desto unentbehrlicher machte sie sich dadurch. Auf diese Weise hatte sie sich von einem Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen zu der Vizepräsidentin eines internationalen Hotelkonzerns hochgearbeitet … während die meisten ehemaligen Nachbarskinder es nie aus der deprimierenden Wohnsiedlung hinausgeschafft hatten.
Dass Lucinda durch ihr Leben im sozialen Brennpunkt so gewieft geworden war, war normalerweise einer ihrer größten Pluspunkte in diesem Beruf.
Bei Jason Kaoki kam sie mit ihrem „Gassenwissen“ allerdings nicht weiter, das wusste sie. Er war ihr nach wie vor ein Rätsel, gab sich wahrscheinlich mit Absicht rätselhaft. Da räkelte er sich in diesen tiefsitzenden Badeshorts vor ihr auf dem Sofa und zeigte ihr dabei jede Menge kunstvoll tätowierte gebräunte Haut. Sein dunkles Haar war für konservative Geschmäcker viel zu lang, außerdem grinste er viel zu breit und lachte beim geringsten Anlasse viel zu laut auf. Kurzum: Alles an ihm vermittelte den Eindruck, dass er ein offener, umgänglicher und unkomplizierter Typ war.
Allerdings hatte er vor ihrem Besuch schon fünf Männer von seiner Insel geworfen, und das ließ darauf schließen, dass dieser erste Eindruck täuschte. Selbst wenn er gern laut und viel lachte, war er bestimmt kein umgänglicher Typ – in keinerlei Hinsicht.
Aber wie kam es, dass ein Mann, der alles erreicht hatte und schwerreich war, sich hier vor der Welt versteckte? Das fragte Lucinda sich jetzt unwillkürlich. Schließlich hatte Jason Kaoki sich im Gegensatz zu ihr nicht erst verzweifelt und mit viel Cleverness hochkämpfen und – arbeiten müssen.
Natürlich ging sie das eigentlich nichts an. Außerdem war sie aus ganz anderen Gründen hier, nämlich wegen des Luxus-Resorts, das hier entstehen sollte.
Nicht zum ersten Mal saß Lucinda lächelnd da und zwang sich dazu, ruhig zu bleiben, während ihr Gegenüber nach Belieben über ihre Zukunft entschied. Und wenn alles so lief wie erhofft, dann war das hoffentlich das letzte Mal.
„Also gut“, sagte er schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit und betrachtete sie wieder mit seinem durchdringend düsteren Blick, als wollte er sie damit zu Boden drücken. Das Bild, das dabei vor ihren geistigen Augen erschien, war durchaus erregend … angenehm erregend … und ihr Körper reagierte unwillkürlich. Schnell versuchte sie es wieder zu verdrängen. „Also gut?“, wiederholte sie seine Worte.
„Also gut“, sagte Jason erneut. Sein unglaublich sinnlicher Mund verzog sich zu einem Lächeln, und sein Blick wirkte nachdenklich … oder herausfordernd? „Ziehen Sie sich um. Wir gehen jetzt surfen.“
„Surfen?“
„Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?“
Erneut musste Lucinda darum kämpfen, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Ihre Handinnenflächen schmerzten – und als sie an sich hinabsah, stellte sie fest, dass sie gerade ihre Fingernägel hineinkrallte. Schnell öffnete sie die Hände.
„Doch, sehr deutlich sogar. Aber ich kann gar nicht surfen.“
„Dann wird’s Zeit, dass Sie es lernen“, gab er ihr resolut zu verstehen. Es klang anzüglich, herausfordernd und verriet gleichzeitig eine gewisse Vorfreude. „Ich vertraue nämlich niemandem, der nicht Wellenreiten kann. Mit solchen Leuten verhandle ich grundsätzlich nicht.“
Lucinda hingegen hatte herzlich wenig Lust auf das Meer. Zu Hause ging sie äußerst selten schwimmen. Sie hatte es zwar als Teenager gelernt, allerdings nur aus rein praktischen Gründen. Schließlich war sie auf einer Insel geboren worden und das Wasser damit nie besonders weit weg. Also hatte sie den Schwimmkurs als eine Notwendigkeit angesehen – wie so viele andere Dinge in ihrer Kindheit und Jugend und während ihrer Karriere, die ihr den sozialen Aufstieg ermöglicht hatte.
Das Surfen gehörte für sie allerdings in eine ganz andere Welt. Dabei hatte sie sofort schlaksige blonde Männer vor Augen, die an kalifornischen Stränden herumhingen und sich gegenseitig mit „Dude“ ansprachen.
„Ich bin aber nicht zum Schwimmen hergekommen“, informierte sie Jason kühl. „Und ich habe auch nicht viele Kleidungsstücke eingepackt. Erst recht nichts, was sich für Wassersport eignet.“
Jason lag immer noch auf seiner Couch und wirkte dabei wie ein selbstgefälliger Herrscher, der von hier aus sein Reich überwachte. Vielleicht war der Vergleich ihm gegenüber nicht fair, aber das Bild war ihr automatisch in den Sinn gekommen.
„Kein Problem“, gab er zurück – und wieder schwang etwas Verführerisches in seinem Tonfall mit, so süß und heiß wie die Tropen …
Ruhig bleiben, ermahnte sie sich, und die strenge Stimme in ihrem Kopf erinnerte sie stark an ihre Mutter. „Hoffentlich wollen Sie mir damit nicht sagen, dass ich mich nackt ausziehen und einfach so in die Wellen springen soll“, erwiderte sie trocken. Sofort bereute sie, was ihr da gerade herausgerutscht war. Es war … einfach nicht klug, einem Mann wie ihm zu erzählen, dass sie sich nackt ausziehen würde. Damit hatte sie einen großen Fehler gemacht: Die Atmosphäre zwischen ihnen war ja schon vorher erotisch aufgeladen gewesen, aber jetzt kam es ihr so vor, als stünde sie in Flammen. Und als würde irgendeine unsichtbare Macht sie immer weiter zueinander hinziehen.
Lucinda stockte der Atem. Tränen schossen ihr in die Augen, als wäre sie der Spannung nicht mehr gewachsen. Jetzt konnte sie sich nichts mehr vormachen: Dass ihr am ganzen Körper heiß war, lag bestimmt nicht an der brennenden Sonne oder am Tropenklima. Schließlich gab es hier in der Hotellobby nur eine einzige Wärmequelle, und das war Jason.
Seine Miene veränderte sich, plötzlich wirkte er sogar noch wilder und verruchter als vorher. Und so, wie er dalag, zeigte er fast seinen ganzen nackten, athletischen Körper …
Ob er ihr wohl ansah, wie heiß ihr geworden war? Sie musste sich schnellstmöglich abkühlen, lange hielt sie es sonst nicht mehr aus.
„Grundsätzlich finde ich es immer gut, wenn sich jemand auszieht.“ Jasons tiefe Stimme klang so anzüglich, wie sein Blick auf sie wirkte. „Aber keine Sorge, Süße, ich habe ein paar Sachen für Sie da.“ Dann stand er schwungvoll und mühelos auf und jetzt aufrecht und in voller Größe vor ihr.
Bei seinem Anblick wurde Lucinda flau im Magen. Plötzlich hatte sie eine Erkenntnis: So, wie er sich bis eben noch präsentiert hatte – das war alles nur Show gewesen. Dass er sich vor ihr auf der Couch geräkelt hatte, sie herausfordernd angegrinst, anzügliche Bemerkungen gemacht und sie „Süße“ genannt hatte. Damit hatte er ihr bloß etwas vorspielen wollen. Um zu verbergen, was sie längst hätte wissen müssen. Schließlich war er ein weltbekannter Sportler.
Und, grob gesprochen, ein menschliches Raubtier, das hier vorübergehend mit dem abgewetzten Inventar verschmolzen war, um auf seine Beute zu lauern.
Jason Kaoki war ein großer, sehr gefährlicher Mann, und jetzt erhob er sich hier in der schummrigen Hotellobby über ihr. Noch nie hatte Lucinda ihren Puls so deutlich gespürt. Er pochte in ihren Handgelenken, ihrem Hals, ihren Brüsten … und im selben Takt auch in ihrer Pussy.
Es hatte keinen Sinn mehr, so zu tun, als könnte sie normal weiteratmen – es war unmöglich.
Immer noch fixierte Jason sie mit seinem Blick, und sie war wie erstarrt – aber nicht vor Kälte, nein, es war eher umgekehrt. Sie brannte so heiß, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Automatisch hob sie das Kinn und starrte ihn an, während ihre Fantasie mit ihr durchging und sie sich vorstellte, dass er sie an sich riss und mit seinen starken Händen ihren Körper streichelte. Und dann …
Jason grinste – sinnlich, herausfordernd und wissend zugleich. Als wollte er ihr damit sagen, dass sie nicht die Einzige war, die die Fähigkeit besaß, andere schnell zu durchschauen.
Dann durchquerte er ohne ein Wort die Hotellobby und verschwand in einem Zimmer hinter dem dunklen, zerkratzten Empfangstresen – wahrscheinlich eine Art Büro.
Ohne ihn war es still in der Lobby. Jetzt gab es hier nur noch die trüben Fünfzigerjahre-Möbel, fragwürdiges Unternehmensdesign und als einzige Geräuschkulisse das Rauschen der Wellen draußen am Strand. Lange Zeit war Lucinda nicht klar, ob es sich dabei überhaupt um die Wellen handelte … oder um ihren eigenen Herzschlag.