Tintoretto - Gerhart Hauptmann - E-Book

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Gerhart Hauptmann

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Beschreibung

Gerhart Johann Robert Hauptmann (geboren 15. November 1862 in Ober Salzbrunn (Szczawno-Zdrój) in Schlesien; gestorben 6. Juni 1946 in Agnetendorf (Agnieszków) in Schlesien) war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.

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Seitenzahl: 29

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Tintoretto

TintorettoImpressum

Tintoretto

Tintoretto (1518 – 1594) Selbstportrait. ca. 1588

Im Künstlerlexikon von Nagler beginnt die Mitteilung über Jacopo Robusti mit der Feststellung, daß dieser Maler ein großer und eigentümlicher, aber leider sehr ungleicher Meister gewesen sei. Leider sehr ungleich – das ist ein Tadel. Robusti war eine Zeitlang in der Werkstatt Tizians. Als er sich selbständig zu machen begann, sollen über der Tür seiner ärmlichen Werkstatt die Worte zu lesen gewesen sein: »Il disegno di Michelangelo e il colorito di Tiziano.« Solche Bekenntnisse oder Grundsätze oder Richtlinien zeigen das Streben des Werdenden. Zwar läßt sich unschwer in den Zeichnungen Robustis das Michelangeleske feststellen, sie enthalten sogar selbst, wie aus dessen gigantischer Hand hervorgegangen, Studien nach Michelangelos Plastiken. Aber Robusti kennt oder ahnt sich vielleicht zu jener Zeit noch nicht und noch nicht die Schöpfung, die aus ihm wie aus der Macht eines Halbgottes hervorbrechen sollte.

Er lebte beinahe das ganze Cinquecento hindurch. Man mag sich die Kräfte vorstellen, die jenes Jahrhundert gewaltig aufdringen ließ. Der Sohn eines Färbers – darum Tintoretto genannt – schien sie alle gleichsam in feuerflüssigen Magmen zu vereinen und wie der Ätna gen Himmel zu schleudern. Dieser Meister, wird gesagt, soll mit dreierlei Pinseln gemalt haben: solchen von Eisen, solchen von Silber und solchen von Gold. Man hat die Bedeutung dieser symbolischen Charakteristik seiner Kunst bisher nur in sehr banalem Sinne entziffern können.

Will man zu dem mächtigen Heiligtum des Tintoretto durchdringen, so windet man sich zunächst durch viele Winkelgäßchen, gefüllt mit kleinen Händlern und Schulmeistern. Er hat sich, sagt der eine, ohne tiefere Studien in die Praktik geworfen und die venezianische Schule zuschanden gemalt. Er hat ein schönes Talent, sagt der andere, aber ein übertriebenes Streben nach Ostentation. Der dritte sagt: Man wird ihm die Achtung trotzdem nicht versagen. Freilich, seine Richtung war unglücklich. Da aber war eine Gruppe Maler, die nannten ihn »Il furioso Tintoretto« und »Fulmine di penello«, was dem Phänomen Robusti schon näherkommt.

Mit achtundsiebzig Jahren hat der Meister noch einmal sein Selbstporträt gemalt, ein Werk, vor dem man erschüttert steht. »Jacobus Tentoretus pictor Ventius ipsius f.« ist darauf zu lesen. Wir ahnen zugleich die furchtbaren Bedingungen, wie Goethe sagt, unter denen ein solches Genie zu schaffen berufen ist.

Dieser Tintoretto, ein menschliches Urweltwesen, ist ausgehöhlt. Er hat als Medium länger als ein halbes Jahrhundert im Dienste einer gnadenlosen Naturkraft gestanden. Er ist ein Helot der Götter, ein Zwangsarbeiter des Purgatoriums. Seine beiden aufgerissenen Augen, die zwei Kratern gleichen, sind vom Sehen nach innen und außen gleichsam verkohlt. Das furchtbare Ecce homo! wäre die rechte Unterschrift. Ja, in diesem Manne hat das Feuer seiner Berufung gerast. Hier bin ich! So bin ich! Das bin ich! sagt zu uns sein Altersporträt. Kommt alle herzu, mich anzusehen!

Ich habe meine Augen in meine Augen gebohrt! Seht mich an! Ich habe nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu suchen, nichts mehr zu wollen! Selbst auf die Beantwortung einer letzten Frage verzichte ich. Ich bin und war kein Genießer, kein Tizian! Ich bin ein von der Gottheit auserlesener und verbrauchter Arbeiter! Diese sprechende, von meinem unabwendbaren Berufe zeugende Maske ist übriggeblieben. Sie ist mein Führungszeugnis vor der Menschheit und vor Gott. Ruhe habe ich nie gekannt.

Aber wir werden uns mit diesem Resultat ohne das Mirakel nicht zufriedengeben, das damit verbunden ist. Schon allein dieses Selbstbildnis hat uns der banalen Gasse so weit entrückt, daß wir ihre Akteure kaum noch mit dem schärfsten Fernrohr zu sehen vermögen. Was für Aufgaben haben sich diesem Auserwählten aufgedrängt! Was für magische Strömungen sind durch ihn hindurchgegangen! Welche Mächte schöpferischer Gestaltungen haben in ihn hinein- und aus ihm herausgedrängt! Es ginge in jeder Beziehung über Menschenkraft, diese Fragen befriedigend zu beantworten.