Titel. Thesen. Tatsachen - Christian Casutt - E-Book

Titel. Thesen. Tatsachen E-Book

Christian Casutt

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Beschreibung

Der Autor entfaltet seine humanistische, kapitalismuskritische und kosmopolitische Welt- und Lebensauffassung in Kurztexten und Essays zu 160 alphabetisch angeordneten Stichworten (Miszellen-ABC). Thematisch geht es im Buch um ein Potpourri von allerlei 'Nebensächlichkeiten', von der Weltpolitik, Politik im Kleinen (Deutschland!), über Geschichte, Philosophie, Theologie, Mathematik, bis hin zu Arbeit und Freizeitaktivitäten. Es geht um Themen und Gedanken, die den Autor seit geraumer Zeit begleiten und die so 'nebensächlich' sind, dass er sie einfach aufschreiben muss, damit sie nicht dem Weg aller Nebensächlichkeiten folgend, im Restmüll verschwinden.

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Seitenzahl: 223

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Für Angelika, Verena, Chatrina und Charlotte

Beipackinformationen

Dies ist mein bisher persönlichstes Buch. Persönlich sind Bücher natürlich fast immer, die Person eines Autors ist meist in allen seinen Texten erkennbar, selbst in seinem nüchternsten Essay. Aber dennoch unterscheiden sich die Texte dieses Buches von meinen anderen Büchern. Und dies nicht nur in formaler Hinsicht – ich versuche hier, weitgehend auf Fußnoten zu verzichten – what a relief! ... für Leser:innen und (!) den Schreiber1. Auch bemühe ich mich um einen etwas lockereren Stil, der einem Sachbuch zumindest bei einigen Themen nicht so gut bekäme.

Ultimativ begebe ich mich hiermit vielleicht sogar auf den Fußweg zu meinem ersten Roman, den ich mir mit meiner Hobbyschreiberei seit langem als Krönung und Endpunkt vorstelle. Wir sehen einmal ...

Thematisch geht es im Buch um ein Potpourri von allerlei „Nebensächlichkeiten“, von der Weltpolitik, Politik im Kleinen (Deutschland!), über Geschichte, Philosophie, Theologie, Mathematik, bis hin zu Arbeit und Freizeitaktivitäten. Es geht um Themen und Gedanken, die mich seit geraumer Zeit begleiten und die so „nebensächlich“ sind, dass ich sie einfach aufschreiben muss, damit sie nicht dem Weg aller Nebensächlichkeiten folgend, im Restmüll verschwinden. Die Themen Sex and Crime sowie Intimate personal matters bleiben ausgespart, ich werde sie wohl dem vielleicht kommenden Roman überlassen ...

Die Texte des Buches sind unterschiedlich lang, vom Aphorismus, Textschnipsel, Einseiter bis hin zum Essay ist alles vertreten. Im Durchschnitt handelt es sich um, gelegentlich als Miszellen bezeichnete, Kurztexte. Manches ist mit einer persönlichen Anekdote (kursiv gesetzt) versehen. Als systematischer Mensch habe ich die Texte alphabetisch angeordnet (Miszellen-ABC). Die alphabetische Reihung richtet sich nach dem wesentlichen Stichwort in der Überschrift. Anstelle eines Inhaltsverzeichnisses gibt es im Folgeabschnitt eine Übersicht über die behandelten Themen.

Die Texte sind auf manchmal spontane, launige, ab und an ironische oder vielleicht auch etwas schräge Art und Weise niedergeschrieben. Manche sind auch ein gutes Stück ernsthafter bzw. gründlicher durchdacht („gerader“). Zur letzten Kategorie zählen die Essays „Deutschland – Staat ohne Nation“, „Holocaust/Shoa – eine nicht heilende Wunde“ und „Die Klimakrise ... ist anders“. Dieses Dreigestirn bildet, zusammen mit meiner Kapitalismus-, Wachstums- und Religionskritik (vgl. die gleichnamigen Stichworte), den Aussagekern des Buches. Die anderen Texte gruppieren sich um sie herum.

Ja, es gibt einige (wenige) Wiederholungen von Aussagen in den Texten, aber sie sind beabsichtigt. Und ja, einige Aussagen widersprechen sich auch. Aber das sollte niemanden verwundern. Denn, alles ist selbstredend subjektiv gefärbt – also Obacht! – und es gibt dem aufmerksamen Leser, der aufmerksamen Leserin einen tiefen Einblick in mein bewegtes Inneres. Und wenn es sich sehr vorteilhaft zuträgt, wird es vielleicht auch die ein oderandere Anregung zum Weiterdenken für die wohlmeinende Leserschaft bereithalten.

„Schräge Gedanken in geraden Gängen“, wollte ich ursprünglich als Buchtitel wählen. Auf diesen bin ich durch den Spielfilm In den Gängen aus dem Jahr 2018 gekommen. In dem großartigen, angenehm stillen Film spielen Franz Rogowski, Sandra Hüller und Peter Kurth ein Drama von schüchterner Liebe und Perspektivlosigkeit in der Kulisse der Gänge eines Supermarktes. Der Kontrast von Konsumtempel und Verlust an Selbstbewusstsein ist so stark wie der zwischen schräg und gerade. Und auch die Themen Konsum und Selbstbewusstsein werden im Buch angeschnitten. Letztlich erschien mir „Titel Thesen Tatsachen“ als Buchtitel aber griffiger und auch treffender.

Zu weiteren Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ...

Nicht allen Leser:innen werden meine gerade formulierten schrägen Gedanken in den folgenden Miszellen zusagen. Zusagen kann ich nur, dass ich ernstgemeinte Kommentare und Kritiken gerne entgegen nehme (diese bitte adressieren an: [email protected]) und womöglich (!) auch beantworte ...

Christian Casutt Mainz, im September 2024

1 Die sich dennoch ergebende zweistellige Anzahl von Fußnoten war leider nicht vermeidbar.

Stichworte-Übersicht

Abtreibung

Agnostizismus

Ahnenforschung

Ambiguitätstoleranz

Amon Düül II

Amtseid

Antisemitismus

Astrologie

Atheismus

Aufklärung

Autobahn

Banken

Barry Lyndon

Bayern

Beethoven, L. v.

Berlin

Beruf

Betriebswirtschaft

Bibel

Biller, Maxim

Brandt, Willy

Breaking Bad

Brecht, Bertold

Bücher

Bundeswehr

Burschenschaften

Cancel Culture

Casutt

Cazis

CDU/CSU

Chabrol, Claude

Christentum

Corona

DDR und Osten

Degrowth

Demokratie

Deutschland

Deutschland / Israel

Düsseldorf

Emanzipation

England / UK

Englisch

Erinnerungskultur

Europa

Existentialismus

Exorzismus

Eyes Wide Shut

FDP

Finanzmärkte

Frankfurt

Frauen

Freiheit

Geburt

Glauben

Gott

Grundschule

Heimat

Heldentum

Hessen

Holocaust

Homeland

Humanismus

Humor

Ich

Identität

Individualismus

Informatik

Innenstadt

Israel

IT-Beratung

Jerusalem

Jesus

Judentum

Kapitalismus

Kelkheim

Kelly, Petra

Kirche

Klimakrise

Kommunalpolitik

Körper und Geist

Korpsgeist

Kubrick, Stanley

Künstliche Intelligenz

Laufen

Leipzig

Leitkultur

Letzte Generation

Linkssein

Luther, Martin

Mainz

Mann, Thomas

Mathematik

Metaphysik

Migration

Monty Python

Musik

Nation

Nationalsozialismus

Onomastik

Ontologie

Oppermann

Parteien

Patriotismus

Pazifismus

Philosophie

Polen

Politik

Programmieren

Projektmanagement

Promotion

Provinz

Qualia

Querdenken

Rassismus

Religion

Religionsunterricht

Rheinland-Pfalz

Russland

Sankt Petersburg

Schreiben

Schweiz

Seele

Selbstbehauptung

Sinn (des Lebens)

Sozialismus

SPD

Staat

Staatsleistungen

Stanwyck, Barbara

Stettin

Studium

Sudoku

Suizid

Surrealismus

Tauben

Tel Aviv

Theater

Theologie

Tischtennis

Tod

Ukrainekrieg

Universum

Unorthodox

USA

Vaterland

Verantwortung

Void

Volk

Volkswagen

Wachstum

Wagenknecht, Sahra

Wagner, Richard

Wehrmacht

W.E.I.R.D.

Welt

Wissenschaft

Wokeness

Wolken

Zehn Gebote

Zielgerade

A

Abtreibung, ein Frauenrecht

Zum Einstieg ein recht schwieriges Thema, aber es ist unvermeidlich, mich dazu zu positionieren ... Schon der Begriff „Abtreibung“ ist problematisch, da er erkennbar negativ konnotiert ist. Es ist zu wünschen, dass sich andere Begriffe durchsetzen; Vorschläge wären: „Beendigung oder Einstellung der Schwangerschaft“. Vielleicht finden sich noch besser geeignete Begriffe.

Das Thema ist, wie die meisten politischen Themen, männlich dominiert. Hier ist ganz klar zu fordern, dass sich in Zukunft Männer in der weiteren Auseinandersetzung deutlich zurücknehmen. Das Recht auf Beendigung einer Schwangerschaft ist ein Frauenrecht. Es hat im Strafrecht überhaupt nichts verloren.

Wenn es nach mir ginge – aber siehe das vorstehend Gesagte –, müsste der § 218 Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen werden. Schwangerschaften könnten ohne Zwangsberatung mindestens bis einschließlich der zwölften Woche beendet werden. Gegebenenfalls kann diese Frist auch verlängert werden bis vor den Zeitpunkt, an dem der Fötus außerhalb des Körpers der Mutter lebensfähig ist. Aber das wäre eine medizinische bzw. medizin-ethische Frage.

Agnostizismus

Was ist ein Agnostiker? Ein Agnostiker ist ein Atheist in Ausbildung.

Ahnenforschung

Ein schönes Hobby, das mich eine Zeitlang beschäftigt hat. Bei der Recherche nach meinem Nachnamen bin ich bis an die Grenze zu den Obereltern (Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großeltern) gleichen Namens in Graubünden vorgestoßen (vgl. auch den Text zum Stichwort „Cazis“). Leider waren die Ergebnisse meiner Nachforschungen bei den anderen Teilen des Stammbaums nicht so fruchtbar.

Warum befasst man sich mit Ahnen- oder Familienforschung? Darüber habe ich als notorischer Systematiker offen gestanden bisher überhaupt nicht nachgedacht. Für andere ist Familienforschung allerdings eine Art religiöse Pflicht. Gemeint ist hier die „Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage“. Diese religiöse Gemeinschaft, größte Gruppe innerhalb der „Mormonen“, unterhält im Staat Utah (USA) das weltweit bedeutendste genealogische Archiv. Die auf Mikrofilm und digital gespeicherten Dokumente aus Kirchenbüchern und weiteren Quellen stehen auch allen anderen an der Familienforschung Interessierten zur Verfügung.

Als ich in Chur (Schweiz) im Kantonsarchiv nach den Casuttschen Vorfahren suchte, staunte ich nicht schlecht. Die dort verfügbaren Mikrofilme stammten aus Utah, es waren keine vor Ort erstellten Abzüge aus Kirchenbüchern, wie ich es erwartet hatte. Offensichtlich wurden die Originale der Kirchenbücher aus der Schweiz, so wie auch aus Deutschland und vielen anderen Ländern, nach dem Zweiten Weltkrieg nach Utah zur Verfilmung gesandt und sind dort verblieben.

Ambiguitätstoleranz

In einem Katastrophenfall braucht man schnelle Entscheidungen, und, ja, auch den einen oder die andere, die autoritär Anweisungen und Aufträge erteilen. So wie im Fall der Hamburger Sturmflut (1962), bei der der damalige Polizei- und Innensenator Helmut Schmidt dem Hochwasser befahl: „Weiche!“, und das Hochwasser gehorchte.

In den meisten anderen (Nicht-Katastrophen-) Fällen ist es klug, alle Handlungsoptionen ruhig und geduldig abzuwägen, bis man – auch im Konsens mit anderen – zu einer Entscheidung kommt. Da dieser Prozess mitunter länger dauern kann, als es vielen an der Entscheidung Beteiligten genehm ist, braucht es die Tugend der Ambiguitätstoleranz, bei der man die zwei, drei möglichen Alternativen über einen gewissen Zeitraum nebeneinander bestehen lässt, ohne sich für eine der Alternativen zu entscheiden. Dabei besteht die Toleranz darin, die Offenheit der Entscheidung, auch über eine gewisse Dauer, „entspannt“ ertragen zu können.

Amon Düül II

Krautrockband, die sich 1968 formierte und bis weit in die 2000er Jahre existierte. Vielleicht gibt es sie heute noch? Die Band war u. a. auch in UK erfolgreich, was nicht zuletzt an ihrer Sängerin Renate Knaup (oder Renate Knaup-Krötenschwanz) lag. Meine drei Alben „Yeti“, „Wolf City“ und „Vive La Trance“ habe ich lange in Ehren gehalten.

Immer noch beeindruckend der verfremdete Songtext des Lieds „Deutsch Nepal“ (vom Album „Wolf City“), der seine Wirkung natürlich erst mit der Musik entfalten kann:

Ein General stand an meiner Wiege,

Sprach: „Es ist ein schönes Kind

Es wird ein Mann wie ich ihn liebe,

Gouverneur vielleicht, in Deutsch Nepal!“ ---

Ich bin geboren

Im Land der Krieger, äh – Krieger,

Bemühe mich ein Held zu sein.

Doch die Siege – äh –

Lassen auf sich warten, äh – warten! ---

Vielleicht irrte sich der

General – General – General!

Der Amtseid und die Moraltheologie

Deutschlandfunk am 9. Februar 2022, 6:35 Uhr. Die tägliche Morgenandacht, zu einer für viele noch nachtschlafenden Zeit, diesmal redaktionell von der katholischen Kirche verantwortet, spricht Pfarrer Thomas Steiger aus Tübingen. Er thematisiert das Weglassen der Formel „So wahr mir Gott helfe“ bei der Vereidigung der Bundesregierung im Dezember 2021. Der Bundeskanzler, alle Ministerinnen und Minister der Grünen sowie zwei der Sozialdemokrat:innen verzichteten bei ihrer Vereidigung im Dezember 2021 bekanntlich auf den „traditionellen Gottesbezug“. Steiger kritisiert das insbesondere bei Kanzler Scholz, da dieser ja eine große Verantwortung trage und durch das Absehen von der Eidesformel mit Gottesbezug leider den Eindruck verwische, dass der „Mensch nicht das Maß aller Dinge“ sei.

Als Olaf Scholz bereits im Spätsommer 2021 ankündigte, bei einer möglichen Wahl zum Bundeskanzler den Amtseid ohne Gottesformel zu leisten, brach in den christlichen Kirchen – und einigen konservativen Medien – der Furor aus. Man befürchtete wieder den Untergang des Abendlandes. Beispielhaft das Interview des Paderborner Moraltheologen Peter Schallenberg mit dem Kölner domradio.de von September 2021, in dem er das Grundgesetz und dessen Präambel – „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, ...“ – ganz im Sinne der Kirche interpretiert: „Dies ist nicht umsonst so formuliert worden und hat große Bedeutung für unser Grundgesetz, für unser gesamtes staatliches Leben.“ Ja, mehr noch: „Der Amtseid, den die Politikerinnen und Politiker leisten, will mit der Zusatzformel ‚So wahr mir Gott helfe‘ im Grunde in etwas anderer Formulierung nur nochmal zum Ausdruck bringen, dass wir uns vor einer anderen Instanz verantworten und verantworten wollen, als vor einer demokratischen Mehrheit und schon gar vor etwas anderem als nur vor uns selbst und dem eigenen Interesse.“ Ah, klar. Demokratische Mehrheiten, vor denen sich unsere Repräsentanten zu verantworten haben, zählen wenig, da es ja eine noch höhere Instanz gibt, vor der Rechenschaft abzulegen ist. Ein sehr interessantes, aber deutlich abzulehnendes Demokratieverständnis, welches hier zum Ausdruck kommt. Und die Bedeutung der Gottes-Nennung in der Präambel ist ein Relikt aus einer anderen Zeit. Der Staatsrechtler Leisner führt im Kompakt-Kommentar zum Grundgesetz hierzu aus: „Dieser Invocatio Dei [Anrufung Gottes], eines allmächtigen, personalen Wesens, spricht die h.L. [herrschende Lehre] wegen der staatlichen Neutralität in religiösweltanschaulichen Dingen im Ergebnis rechtliche Bedeutung ab: eine solche könne ihr nicht als einer ‚Demutsklausel‘ zukommen – die ihrerseits religiösen Inhalt hätte – und ein Bezug auf höheres Recht wäre nicht fassbar.“

Wer bringt unseren Kirchenvertretern die Grundsätze der Demokratie näher? Wer veranstaltet mit Ihnen ein Einführungsseminar in das Grundgesetz und seinen Neutralitätsanspruch in weltanschaulichen Dingen? Ach, vermutlich würde auch das nicht helfen.

Aber was möchte die (katholische) Kirche mit der skandalisierenden medialen Aufblähung eines selbst verständlichen, grundgesetzlich ausdrücklich vorgesehenen (Art. 56 GG), aber im Grunde trivialen Vorgangs erreichen? Nun, es geht ihr um nicht weniger als die Aufrechterhaltung eines überkommenen Staat-Kirche-Verhältnisses, in dem die Kirche auf Augenhöhe mit dem Staat agiert und im Wesentlichen für den „moralischen Zusammenhalt“ der Gesellschaft Verantwortung trägt. Dass diese Zeiten vorbei sind, weiß die Kirche natürlich auch. Aber, da die staatlichen Institutionen sie in ihrer Auffassung, die zum Teil sogar als „vordemokratisch“ bezeichnet werden muss (siehe oben), nicht deutlich korrigieren und die „hinkende“ Trennung von Staat und Kirche zu einem klaren Abschluss bringen, werden die Kirchen weiterhin ihr „moralisierendes Süppchen kochen“, nicht nur bei einem eher zweitrangigen Thema wie dem Amtseid des Bundeskanzlers.

Antisemitismus

Antisemitismus gab es zwar auch bereits vor dem Erscheinen der jüdischen Sekte, aus der sich dann das Christentum entwickelt hat. Aber so richtig in Fahrt kam der Antisemitismus doch erst mit diesem. Es beginnt mit der Bibel und den Schmähungen des Paulus und geht weiter über den Kirchenphilosophen Augustinus, der gegen die Juden hetzte und sie als „Wölfe“ und „Mörder Christi“ titulierte. Die Spur des Antisemitismus lässt sich über die Spätantike, das gesamte Mittelalter bis in die Neuzeit verfolgen2. Martin Luther war nicht nur Reformator, sondern insbesondere auch fanatischer Antisemit. Berüchtigt seine Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“. Seinen Wunsch, ihre Hütten anzuzünden, haben dann die Nazis millionenfach in die Tat umgesetzt. Der heutige Antisemitismus kommt von rechts und (leider) auch von links sowie von muslimischer Seite. Oft versteckt er sich in der Verkleidung der Israelkritik.

Beschämend, dass die katholische Kirche noch bis in die 2000er Jahre hinein an ihrer „Judenmission“ festgehalten hat. Im Jahr 2008 führte der damalige Papst Benedikt XVI (Kardinal Joseph Ratzinger) eine Neufassung der Karfreitagsfürbitte ein, in der er für die Juden beten lassen wollte, dass sie „Jesus Christus als den Heiland aller Menschen“ erkennen sollten.

Astrologie

Ein Geständnis: Vor einigen Jahren habe ich mich ernsthaft mit Astrologie befasst. Zunächst gar nicht so sehr inhaltlich – das kam später, sondern schwerpunktmäßig mit der Berechnung und Zeichnung von Horoskopen. Das war in den späten 1980er Jahren nicht so komfortabel wie heute, wo man ein großes Angebot von Smartphone-Apps zur Verfügung hat, bei denen aus dem Geburtsdatum im Handumdrehen ein fertiges Horoskop erzeugt werden kann. Damals gab es dicke Bücher, in denen die sogenannten Ephemeriden verzeichnet waren, aus denen man die Positionen von Sonne und Planeten zu einem bestimmten Tag ablesen konnte. Da diese Positionen aber nur jeweils für null Uhr des Tages angegeben waren, musste man im Hinblick auf die genaue Geburtszeit die Werte zwischen zwei Tagen interpolieren. Nachdem alle Daten berechnet waren, ging es dann an die Zeichnung des Horoskops. Hierfür gab es DINA4-Plotter (tatsächlich gab es einmal sowas!), die man zudem noch programmieren musste, damit da so etwas herauskam, was wie ein Horoskop aussah. Eine alte Geschichte ...

Astrologie hat tatsächlich zwei Gesichter. Das eine ist das profane Gesicht der Tageshoroskope, die einem in allen möglichen Boulevardblättern angeboten werden. Dieses Gesicht beschreibt die „Schrottseite“ der Astrologie, die man getrost vergessen kann. Bei der anderen Seite ist es nicht so, und man kann sich tatsächlich ernsthaft mit dem Thema befassen. Diese sogenannte symbolische Astrologie basiert auf dem Grundsatz der Synchronizität, ein Begriff, der auf den Psychoanalytiker Carl Gustav Jung (1865 – 1961) zurückgeht. Er bedeutet die Gleichzeitigkeit von Ereignissen, ohne, dass diese ursächlich miteinander verknüpft sind. Wenn im Frühjahr die Natur aufwacht, Vögel ihr Nest bauen und Menschen (manche) an den Frühjahrsputz gehen, sind das gleichzeitige Geschehnisse, die aber untereinander nicht kausal verknüpft sind. Analog dazu kann man sich vorstellen, dass man aus den planetarischen Konstellationen in unserem Sonnensystem auf andere Geschehnisse schließen kann, ohne sich auf physikalische Wirkungen zu beziehen, denn diese gibt es praktisch nicht. Die Astrologie geht nun von der Annahme aus (Hypothese!), dass aus den planetarischen Konstellationen zum Zeitpunkt der Geburt eines Menschen auf bestimmte Charaktermerkmale dieses Menschen geschlossen werden kann. Wie gesagt und ganz wichtig: das ist die (Arbeits-)Hypothese der symbolischen Astrologie, die man weder glauben kann noch darf, sondern die im Rahmen der ernsthaften Astrologie mit möglichst wissenschaftlich nachprüfbarer Methodik getestet wird. Hierzu gibt es viel Literatur. Wen es interessiert, kann u. a. nach Werken der folgenden Autoren recherchieren: Peter Niehenke, Carl Gustav Jung, Liz Greene, Michel Gauquelin, Gunter Sachs, u. a. m.

Atheismus

Was ist ein Atheist? Ein Atheist ist ein Mensch, der die Menschen mehr liebt als die Götter.(Quelle unbekannt, vielleicht von mir)

Mit dem Begriff „Atheist“ habe ich meine Schwierigkeiten. Denn er ist ein Negativbegriff. Ein A-Theist ist jemand, der wörtlich „ohne Gott“ auskommt / handelt / lebt. Damit unterstellt der Begriff per se, dass es so etwas wie Gott oder Götter überhaupt gibt. Ein Beweis für diese göttlichen Phänomene ist bekanntlich bisher nicht gelungen. Daher kann man an Gott / Götter nur glauben, oder man tut es nicht. Anstelle des Begriffs Atheist halte ich den Begriff „Allmensch“ – mit Betonung auf der ersten Silbe – für geeigneter, um auszudrücken, worum es geht: Es geht darum, sich als Mensch um die Belange von Menschen zu kümmern, und das Übersinnliche sich selbst zu überlassen. Der erste Satz unter Überschrift dieses Themas muss also vollständig lauten:

Ein Atheist ist ein Mensch, der die Menschen mehr liebt als die Götter, weil die Menschen real und die Götter Phantasieprodukte sind.

Aufklärung

Man kann es nicht oft genug wiederholen, und – wie weiland Klosterfrau Melissengeist – nie war es so wertvoll wie heute: Nach Kant bedeutet Aufklärung den Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Dabei besteht für Kant Unmündigkeit im Unvermögen, sich seines Verstandes ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Diese Unmündigkeit sei selbstverschuldet, wenn ihr Grund nicht ein Mangel an Verstand sei, sondern die Angst davor, sich seines Verstandes ohne die Anleitung eines anderen zu bedienen.

Kann man noch mehr dazu sagen? Inhaltlich vielleicht nicht, aber möglicherweise zu den Anwendungsbereichen, in denen der eigene Verstand ohne Anleitung eines anderen zur Geltung kommt. Zwei Bereiche fallen mir spontan ein: Wahlen und der Umgang mit Social Media. Unsere Demokratie mag nicht perfekt sein, aber vor einer Wahlentscheidung gründlich nachdenken, kann helfen. Und beim Umgang mit Social Media, der bei vielen Zeitgenossen doch ein arges Abhängigkeitsverhältnis erkennen lässt, scheint die (selbstverschuldete) Anleitung des Denkens durch andere gerade das suchtmachende Element zu sein ...

Lesenswert: Marcus Willaschek, Kant: Die Revolution des Denkens, München 2024.

Autobahn, die deutsche

Die deutsche Autobahn, oder besser: Die Deutsche Autobahn ist der kultige Pilgerort des deutschen Autofahrers (männlich). Hier kann er seinem nicht unterdrückbaren Drang zum schnellen Fahren freien Lauf lassen. Zumindest manchmal, wenn nicht Verkehrsbehinderungen, Baustellen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, und die vielen „Schleicher“ die schiere Lust am Dahingleiten des Kilowatt-starken Boliden eintrüben. Wenn es also glatt läuft auf der Autobahn, ist das Glück fast vollkommen. Natürlich fragt sich unser Pilger, nach dem er das Pedal bis unten durchgedrückt hat, warum der blöde Hersteller den Wagen so gebaut hat, dass er schon bei 250 Stundenkilometer einfach abregelt. Da ginge doch noch mehr! Aber, was soll‘s, der Spaß ist auch so groß. Und wie die Schleicher im Rückspiegel in wenigen Sekunden so klein, kaum noch erkennbar sind, wunderbar! Glücklicherweise scheren sich die Politiker nicht darum, was alle Verkehrsforscher seit Jahren predigen: Dass der Ausbau der Autobahnen immer mehr Verkehr anzieht als weniger. Und unser Pilger freut sich schon auf den zehnspurigen Ausbau der A5 bei Frankfurt. Dass dies ohnehin einer der Autobahnabschnitte mit der höchsten gefahrenen Durchschnittsgeschwindigkeit ist, zeigt doch, dass es eine große Nachfrage nach Rennbahnen, äh.. Autobahnen, für uns ganze Testosteron-Kerle gibt ...

2 Lesenswert: Peter Schäfer, kurze Geschichte des Antisemitismus, München 2020.

B

Banken

Sind die Banken kriminelle Vereinigungen? Wahrscheinlich nicht (in Gänze), wenngleich die Cum-Ex- und Cum-Cum-Skandale zahlreicher Institute durchaus kriminelle Energie vermuten lassen. Cum-Cum-Geschäfte laufen derzeit auch munter weiter, weil Politik und Justiz bisher noch keinen Hebel gefunden haben, um dieser Unsitte der Steuervermeidung (um keinen anderen Begriff zu verwenden) beizukommen.

Sind die Banken Zockerbuden? Betrachtet man das Investmentbanking der Banken, das einen wesentlichen Teil zum Ertrag der Institute beisteuert, und dem ich aus IT-Sicht in meinem beruflichen Werdegang häufig sehr nahegekommen bin, könnte man diese Meinung vertreten. Und dies gilt insbesondere für den Bereich der sogenannten „strukturierten Produkte“. Diese funktionieren prinzipiell immer auf eine annähernd gleiche Weise. Kunden der Banken haben bestimmte Risiken (Zins-, Währungs-, Preisrisiken), die sie absichern möchten. Die Banken unterbreiten ihnen hierzu Angebote, die eine bestimmte „Markterwartung“ der Kunden abbilden. Markterwartung bedeutet hier die Annahme, dass sich Preise, Zinsen, Währungen in einer bestimmten Weise in der Zukunft entwickeln werden. Nicht alle Angebote sichern das Kundenrisiko komplett ab. Manche lassen den Kunden am Markt „mitspielen“. Zum Beispiel, wenn das Währungsverhältnis EUR/USD eine bestimmte Bandbreite verlässt, „verliert“ der Kunde und die Bank gewinnt. Wohlgemerkt, der Kunde hat sich auf das „Spiel“ freiwillig eingelassen. Der Clou ist nun aber, dass die Bank praktisch nie verliert. Denn die Bank sichert sich das Risiko des Geschäfts mit dem Kunden auf ihrer Seite vollständig ab und hat hierfür den gesamten Kapitalmarkt zur Verfügung. Dieses Absichern („Hedgen“ im Fachjargon) ist das vornehmste Instrument des Investmentbanking und sorgt dafür, dass die Bücher der Bank „sauber“ bleiben. Manchmal klappt das aber auch bei einigen Banken nicht, wenn es andere Marktteilnehmer gibt, die noch ein wenig brutaler vorgehen, wie das Beispiel der Subprime-Kredite zeigte, die zur Finanzkrise im Jahr 2008 geführt hatten. Ich schätze, dass es heute immer noch überaus viele „Schrott-Investitionen“ aus der Zeit der Finanzkrise in den Finanzinstituten gibt, die diese gerne loswerden möchten, was durch Verkauf naturgemäß nicht immer funktioniert. Die wertlosen Papiere werden dann mitunter in „Bad Banks“ ausgelagert.

Vielleicht sind nicht alle Banken, die über ein Investmentbanking verfügen, Zockerbuden. Die Finanzmärkte in Summe sind es aber sicherlich, denn merke: Bei jedem Geschäft auf diesem Markt gibt es immer einen (oder mehrere) Gewinner und einen (oder mehrere) Verlierer.

Barry Lyndon

Ein Film-Meisterwerk von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1975. Wenn ich mich aus dem umfangreichen Werk von Kubrick für einen Film entscheiden müsste, dann wäre es dieser. Dies obwohl er von der Kritik nicht so gut aufgenommen wurde.

Zwei Elemente zeichnen diesen Film ganz besonders aus. Da ist zum einen die vielfach prämierte Filmmusik, die die Handlung in beeindruckender Weise untermalt, aber auch für sich selbst steht. U. a. sind enthalten: die Sarabande von Händel, der Marsch aus Idomeneo, das Cello-Konzert in e-Moll von Vivaldi und (mein Favorit) das Klavier-Trio in Es-Dur von Schubert.

Das zweite Element stellen die Aufnahmen bei Kerzenlicht dar – es wurde für die Innenaufnahmen vollständig auf Kunstlicht verzichtet –, wodurch eine ungemein dichte Atmosphäre erzeugt wurde. Und Ryan O’Neal, der mir schauspielerisch ansonsten nicht so zusagt, brilliert in der Rolle des „Redmond Barry“ bzw. Barry Lyndon.

Kubrick ist ein Meister-Regisseur, der in diesem Film seine besondere Gabe als Durch-die-Kameralinse-Blicken-der eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Bayern

Bayern ist ein schönes Land. Fährt man auf München zu und nimmt an einem sonnigen Tag in der Ferne die Berge der Alpen wahr, kommt Urlaubsstimmung auf, ob man möchte oder nicht. Ich bin nicht sicher, ob das die Bayern auch so wahrnehmen, vielleicht stumpft der Anblick auch im Laufe der Zeit einfach ab. Und die andere, bedrohliche Seite der Berge kann man z.B. in Bad Reichenhall bestaunen, wenn an einem gewittrigen Tag der Watzmann so beängstigend nahe zu kommen scheint, dass man rasch davonrennen möchte. Empfinden das die Bad Reichenhaller auch so? Keine Ahnung. Überhaupt weiß ich nicht, wie es ist, ein Bayer – respektive eine Bayerin – zu sein. Zu sehr ist mir die bayerische Mentalität fremd. Schuld ist hier sicher auch die CSU, die wie eine überdimensionale Käseglocke (Kuhglocke?) auf dem Land sitzt und im nichtbayerischen Restdeutschland nicht den Hauch einer Wahlchance hätte – so jedenfalls meine unbescheidene Hoffnung. Auch die bayerischen Ministerpräsidenten tragen zu dieser Antipathiehypothek kräftig bei. Da gab es Franz Josef Strauß, den die freie Presse so genervt hatte, dass er sie einfach abschaffen wollte („Spiegel-Affäre“). Und da gibt es den gegenwärtigen Markus Söder, bei dem man nicht sicher zu sagen weiß, ob er hauptberuflich primär politisches Kabarett betreibt oder ein öffentliches Amt bekleidet. Aber für politisches Kabarett ist er eigentlich viel zu unstet, da er seine Meinung ja bekanntlich bei jedem Föhn, den es in München sehr oft gibt, wechselt.

Aber Bayern ist schon sehr speziell. Kaum ein Windrad beeinträchtigt die schöne Landschaft. Aber man möchte doch bitte mit dem Strom aus der norddeutschen Windkraft versorgt werden, und das zu norddeutschen Erzeugerpreisen. Aber bitte die Stromtrassen nicht über Land verlegen, das sieht „halt net schee“ aus. Wenn alle Stricke mit der Stromversorgung reißen, könnte man auch wieder ein paar Atomkraftwerke bauen. Den Müll, der dabei anfällt, der sollte „halt bittschön net“ in Bayern bleiben, der strahlt ja so „derb“, den könnte man auch nach Niedersachsen schieben ...

Außerdem müsste der Schlendrian in Berlin endlich aufhören. Und das Geld aus dem Länderfinanzausgleich sollte bitteschön auch wieder zurück nach Bayern fließen. Man kann doch nicht die Geldverschwender in der Hauptstadt so weitermachen lassen. Aber die 100 Millionen Euro an Staatsleistungen an die Kirchen, die sollen natürlich weiterfließen, denn man ist ja ein vorbildlich christliches Land. Und man hat ja auch die Kruzifixe ganz ordentlich in den staatlichen Schulen angebracht, da hatte selbst der Ministerpräsident mit Hand angelegt. (... die guten Taten ließen sich fortsetzen ...)

Ich weiß nicht, mich beschleicht seit Jahren das Gefühl, dass es in Deutschland besser laufen würde ohne Bayern. Das einzige Problem wäre, dass der Freistaat als unabhängiger Staat nach seiner Aufnahme in die UNO vermutlich eine Maut für Auto- und Bahnfahrten einführen würde, sodass der Weg nach Italien dann entweder über die Schweiz führen oder unterbleiben müsste ...

Beethoven, Ludwig van

Größter deutschsprachiger Komponist, 1770 – 1827. Beethoven war ein Perfektionist. Sagenumwoben ist der Umfang der Menge an kompositorischen Entwürfen, die im Laufe seiner Arbeit in den Papierkorb wanderten. Andere, auch nicht untalentierte Komponistenkollegen (Mozart, Haydn) hätten vermutlich aus dem von Beethoven verachteten Rohmaterial noch einige beachtenswerte Werke geschaffen.

Der Musiklehrer am Gymnasium war auch ein Beethovenanhänger und sein Kopf war auch ein wenig „beethovenhaft“. Das gab seinem Klaviervorspiel im großen Musiksaal eine besondere Note.

Berlin