Wie wissenschaftlich ist die Theologie? - Christian Casutt - E-Book

Wie wissenschaftlich ist die Theologie? E-Book

Christian Casutt

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Beschreibung

Seit es Theologie gibt, stellt sich die Frage nach ihrer Wissenschaftlichkeit. Kann eine Disziplin, die sich nicht nur thematisch mit dem Glauben befasst, sondern auf dem Glauben gründet, Wissenschaft sein? In einer Zeit rasanter Fortschritte auf dem Gebiet der Natur- und Technikwissenschaften fragt sich, wie sich die Theologie mit ihrer zweitausendjährigen Tradition im Konzert der Wissenschaften heute behaupten kann. Das Buch führt eine Bestandsaufnahme durch, in der die Ausgangsfrage aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet wird. Neben Positionen führender Theolog:innen zur Frage der Wissenschaftlichkeit der Theologie werden vor allem inhaltliche fundamentaltheologische Argumentationslinien in den Blick genommen. Die Vielfalt der Ansätze, Stile und Schulen der (Fundamental-)Theologie kommt ebenso zur Sprache wie die durchaus grundsätzlichen Zweifel vieler ihrer aktiven Vertreter:innen. Die Bestandsaufnahme zur Wissenschaftlichkeit der Theologie führt naturgemäß nicht zu einer abschließenden Beantwortung der Ausgangsfrage. Die Intention des Buches liegt vielmehr darin, eine Diskussion innerhalb und außerhalb der Theologie anzustoßen, die zu einer vertieften Reflexion über die Wissenschaftlichkeit des Faches beitragen soll. Das Buch mit seinem Blick von außen (der Autor ist kein Theologe) richtet sich an Theologe:innen und interessierte Laien.

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Inhalt

Formalia

Vorwort

Einleitung

1. Theologie als Glaubenswissenschaft?

2. Gibt es eine theologische Wissenschaftstheorie?

3. Ansätze, Stile, Schulen theologischen Denkens

4. Auch Theolog:innen zweifeln ...

5. Zwischenreflexion: Theologie und Naturwissenschaft

5.1 Der methodische Atheismus

5.2 Anfragen an die Theologie aus naturwissenschaftlicher Perspektive

6. Der Gott der Philosophen

6.1 Philosophisches Nachdenken über Gott

6.2 Der Gott der Philosophen heute

6.3 Die Inkompatibilität der Götter

6.4 Ein Theodizee-Aspekt

7. Offenbarung und Trinität

7.1 Offenbarung

7.2 Biblisch-Geschichtliches

7.3 Trinität und Zweinaturenlehre

8. Fazit

8.1 Systemische Probleme

8.2 Methodische Probleme

8.3 Strukturelle Probleme

8.4 Inhaltliche Probleme

8.5 Sprache und Diskurs

8.6 Lösungsansätze

8.7 Zusammenfassung und Bewertung

Literatur

Personen

Formalia

Im Text werden keine besonderen (fremden) Abkürzungen verwandt.

Zitatbelege in Fußnoten sind entweder vollständige Belege (i. d. R. bei nur einmaliger Verwendung), oder sie werden als Kurzbelege angegeben und verweisen dann auf die vollständigen Belege im Literaturverzeichnis.

Längere Zitate ohne Anführungszeichen werden kursiv und mit Einzug vom umgebenden Text abgesetzt. Der leichteren Lesbarkeit wegen sind Zitate gelegentlich an die heutige Orthografie angepasst.

Zitate aus dem Kompendium von Denzinger-Hünermann (Denzinger, Heinrich/Hünermann, Peter, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, 45. Aufl., Freiburg 2017) werden in der Regel als Sekundärbeleg angeführt, in Ausnahmefällen auch direkt als Kurzbeleg in der Form „DH nnn“).

Bibelzitate entstammen der „Einheitsübersetzung“: Die Bibel. Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Gesamtausgabe, Stuttgart 2016.

Vorwort

Vorurteile sind pflegeleicht: ab und an einen sympathischen Menschen mit übereinstimmender Ansicht getroffen, oder einen passenden Artikel zum Thema gelesen, schon ist das Vorurteil wieder ‚wie neu‘. Mein Vorurteil bestand in der festen Überzeugung, dass Theologie keine Wissenschaft ist. Dieses Vorurteil ist weit verbreitet und mit vielen bekannten und weniger bekannten Namen verbunden. Richard Dawkins und Daniel C. Dennett gehören sicher zur ersten, Peter Riedesser eher zur zweiten Kategorie.

Professor Dr. Peter Riedesser, dessen Name und die ihn betreffende Anekdote ich dem Buch „Kirchenrepublik Deutschland“ von Carsten Frerk entnehme1, war ebenso wie ich von der Unwissenschaftlichkeit der Theologie überzeugt. Er plante, nach seiner Emeritierung (als Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf) Geld für eine Anzeigenaktion zu sammeln, in deren Mittelpunkt die Forderung nach einer Entfernung der theologischen Fakultäten von den Universitäten stand. Aus Rücksicht auf seine Mitarbeitenden und deren Zukunft, die er wegen des möglichen Versiegens von Geldmitteln vor dem Hintergrund der geplanten Kampagne in Gefahr sah, verzichtete Riedesser schlussendlich auf die Anzeigenaktion.

Mir ist nicht bekannt, wie tiefgehend sich Riedesser, Dawkins, Dennett und all die anderen Religions- und Christentumskritiker mit dem Fach Theologie befasst haben, um ihr Vorurteil fundiert zu stützen, und möglicherweise zu einem Urteil auszubauen. Ich vermute aber, dass sie es eher so wie ich gehalten haben, das Vorurteil als Vorurteil weiter ‚blühen‘ zu lassen. Etwa Mitte letzten Jahres – ein konkreter Anlass lässt sich nicht mehr rekonstruieren – genügte mir meine diesbezügliche Haltung nicht mehr. Und da ich mich schon seit längerem mit Fragen von Philosophie, Religion und Christentum befasst hatte, war ein Entschluss gefasst: „Ich will [genauer] verstehen“ (Hannah Arendt)2.

Ich wollte genauer verstehen, wie die Theologie in ihrer Methodik, in ihrem Erkenntnisprozess, in ihrem Verständnis von Wissenschaftlichkeit verfasst ist, wie sie argumentiert, wie sie – ihrem eigenen Anspruch nach – „den Glauben vor der Vernunft verantwortet“ (ein Zitat, das uns im Folgenden noch mehrfach begegnen wird). Aus dieser Motivlage heraus und nach einigen Monaten der Lektüre einschlägiger theologischer Literatur ist keine Anzeigenaktion wie bei Riedesser in Planung, sondern dieses Buch entstanden.3

Ob ich dem genannten Ziel des „Verstehens“ ganz nahegekommen bin, müssen die Leserinnen und Leser entscheiden. Dass ein Verstehen theologischer Argumentation, gerade im Bereich der Systematik – dem ‚Maschinenraum‘ der Theologie – , nicht gerade leicht fällt, liegt u. a. daran, dass die Theologie in ihrem Werkumfang deutliche Ähnlichkeit mit Hilberts Hotel aufweist, dem Hotel mit den (abzählbar) unendlich vielen Zimmern. Selbst wenn man eine bestimmte (endliche) Zahl an Zimmern betreten hat, bleiben leider immer noch unendliche viele Zimmer unbetreten zurück. So geht es einem mit der theologischen Fachliteratur; auch nach noch so weitschweifender und intensiver Lektüre bleibt ein unbestimmtes Gefühl, Wichtiges noch nicht gesichtet zu haben.

Dennoch, ein Anfang ist gemacht, und ich lade Theolog:innen und interessierte Laien ein, sich zu vergewissern, ob das Buch nicht nur Fragen aufwirft, sondern auch in Bezug auf die Ausgangsfrage – wie wissenschaftlich ist die Theologie? – Antworten gibt, die Anlass und Grundlage für weitere Diskussionen bilden können.

Über Fragen, Anregungen und Kommentare (bitte an meine Mail-Adresse: [email protected]) freue ich mich!

Christian Casutt

Mainz, im Juni 2024

1 Frerk, C., Kirchenrepublik Deutschland, 24 f.

2 Ludz, Ursula (Hrsg.), Hannah Arendt – Ich will verstehen, München 2005.

3 Der ‚Fall‘ Peter Riedesser zeigt natürlich auch, wie diffizil es in Deutschland selbst heute noch ist, gegen die großen Kirchen, in deren ‚Obhut‘ sich auch die Theologie befindet, kritisch Stellung zu beziehen, zumal, wenn man in einer Position ist, bei der man Nachteile für sich und andere befürchten muss. Dieses Thema kann im vorliegenden Buch allerdings nicht weiterverfolgt werden. Bei Interesse verweise ich auf mein Buch über die Staatsleistungen sowie die Werke von Carsten Frerk (s. Literatur).

Einleitung

Anforderungen an die Theologie als Wissenschaft

Wie wissenschaftlich ist die Theologie? Die titelgebende Ausgangsfrage erfordert zwei Erläuterungen. Zum einen ist zu erklären, was mit „der Theologie“ gemeint ist, zum anderen muss klargestellt werden, welcher Begriff von ‚Wissenschaftlichkeit‘ hier zugrunde gelegt wird.

Beginnen wir mit der Theologie. „Im deutschen Wissenschaftssystem wird der Begriff ‚Theologie‘ traditionell mit den christlichen Theologien verknüpft.“4 Ich beschränke mich in der vorliegenden Arbeit ebenfalls nur auf diese und grenze die Themenstellung weiter ein: Im Fokus steht die katholische systematische Theologie und darin schwerpunktmäßig Fundamentaltheologie und Dogmatik. Dass ich mich für die katholische Ausprägung der Theologie entschieden habe, hat primär den Grund einer selbst auferlegten inhaltlichen und zeitlichen Begrenzung, erweist sich aber auch aus einem anderen Grund als sinnfällig: Befasst man sich mit der katholischen Theologie, erhält man signifikante Anteile der Theologie der evangelischen ‚Schwester‘ quasi ‚kostenfrei‘ mit – die Rezeption evangelischer Literatur in der katholischen Theologie ist beachtlich –, was in umgekehrter Richtung deutlich weniger ausgeprägt ist („Catholica non leguntur“ – „Katholisches liest man nicht“5). Dennoch werde ich auch im vorliegenden Text auf einige wenige Zitate evangelischer Theologen nicht verzichten.

Der systematischen Theologie als einer der Teildisziplinen der Theologie, und hier insbesondere Fundamentaltheologie und Dogmatik, kommt in Bezug auf die Beurteilung der Wissenschaftlichkeit der gesamten Disziplin eine besondere Bedeutung zu, weil sie „der Ort [ist], an welchem die aus der christlichen Tradition stammenden Glaubenssätze und Glaubensüberzeugungen zusammenkommen und dadurch das Charakteristikum katholischen Glaubens ad extra wie ad intra philosophisch greifbar machen.“6 Für die anderen theologischen Teildisziplinen – biblische, historische und praktische Theologie, in gewissem Sinne auch für die übrigen systematischen Fächer Moraltheologie und christliche Sozialethik – gilt, dass ihr wissenschaftstheoretisches Repertoire jeweils aus ihren säkularen Schwesterdisziplinen, u. a. Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Pädagogik, etc., entlehnt ist. In wieweit die Theologie als „Glaubenswissenschaft“ die Arbeit dieser theologischen Teilbereiche in einer Weise ‚formt‘ (oder ‚überformt‘), die ihrem Anspruch an Wissenschaftlichkeit nicht (mehr) gerecht wird, soll im Weiteren nicht verfolgt werden.7

Der Vollständigkeit halber sei angefügt, dass mit der Theologie die derzeit an staatlichen Universitäten praktizierte Theologie gemeint ist.8

Fundamentaltheologie und Dogmatik unterscheiden sich in ihrer Aufgabenstellung, wenngleich es Überschneidungen gibt, z.B. im Bereich von Erkenntnis- und Prinzipienlehre. Der Dogmatik kommt die Aufgabe zu, die Glaubensüberzeugungen der Kirche, basierend auf Credo, Dogmen und Lehrsätzen, zu reflektieren, auszulegen und in ihrer Gesamtheit auf Kohärenz und Anschluss an das vorausgesetzte Offenbarungsgeschehen („erlösende Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus“9) zu prüfen. Die Fundamentaltheologie befasst sich mit der Plausibilität und Rechtfertigung zentraler Glaubensannahmen (Existenz Gottes, Wahrheit der Offenbarung, Auftrag der Kirche) und legt damit das Fundament der Glaubenslehre sowohl binnentheologisch als auch nach außen (Fundamentaltheologie als ‚Außenamt der Theologie‘). Beide Disziplinen bearbeiten ihre jeweiligen Themen in Form von „Traktaten“10, die Fundamentaltheologie kennt drei (mit der theologischen Erkenntnislehre vier), die Dogmatik je nach Zählweise sieben11 bis zwölf Traktate12 (vgl. Abbildung 1).

Zum Thema „Wissenschaftlichkeit“. Die Ausgangsfrage („Wie wissenschaftlich ist die Theologie?“) unterscheidet sich von einer ebenfalls möglichen – und immer wieder gestellten – Frage, nämlich: „Ist die Theologie eine Wissenschaft?“, oder noch prinzipieller: „Ist eine theologische Wissenschaft denkbar?“, dadurch, dass der Theologie offenbar eine gewisse ‚Wissenschaftlichkeit‘ unterstellt wird. Dies geschieht in voller Absicht, bin ich doch überzeugt, dass es bei dieser Frage kein schwarz-weiß gibt bzw. geben kann. Vordergründig könnte man ein Indiz für Wissenschaftlichkeit daraus ableiten, dass das betreffende Fach an staatlichen Universitäten vertreten ist.

Abbildung 1: Traktate von Dogmatik und Fundamentaltheologie

Ein deutlich stärkerer Hinweis ist m. E. dem Umstand zu entnehmen, dass Theologie seit Aufkommen der Universitäten immer schon mit der kritischen Nachfrage nach ihrem wissenschaftlichen Status konfrontiert war, und aus dieser Konfrontation ihre wissenschaftstheoretische ‚Selbstoptimierung‘ fortentwickelt hat. Nicht zuletzt versteht sich die Fundamentaltheologie – neben ihrer christologischen Begründungsaufgabe – auch als eine „theologische Wissenschaftslehre“13. Ich unterstelle der Theologie hier zunächst also grundsätzlich Wissenschaftlichkeit, deren Substanz, Qualität und Diskursfähigkeit im Weiteren zu untersuchen sein wird.

Welchen Maßstab möchte ich an die Theologie in Bezug auf ihre Wissenschaftlichkeit anlegen? – Es ist nicht der Raum, im Rahmen dieser Arbeit eine neue oder modifizierte Wissenschaftstheorie vorzulegen. Vielmehr sollen hier nur ein paar Stichworte gegeben werden, die erstens vermutlich breite Zustimmung erfahren und zweitens im Verlauf der Arbeit an den Stellen ergänzt werden sollen, an denen in einer theologischen Argumentation eine Abweichung von einem Wissenschaftsbegriff meiner Vorstellung besonders virulent erscheint.

Was ist Wissenschaft? Eine erste Orientierung gibt das Philosophie-Lexikon: „Wissenschaft, die rationale, operable und lehrbare Gesamtdarstellung aller Einzelerkenntnisse eines definierbaren Gegenstandsbereichs mit dem Ziel steter Wissensvermehrung, -erweiterung und -korrektur.“14 Den wesentlichen Elementen dieser Definition – (1) definierbarer Gegenstandsbereich, (2) Gesamtdarstellung aller Einzelerkenntnisse, die (3) rational (begründet), operabel und lehrbar sein sollen – füge ich zunächst noch die nachstehenden Anforderungen an Wissenschaft hinzu:

(4) Wissenschaft soll systematisch und methodisch vorgehen.

(5) Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen untereinander widerspruchsfrei sein.

(6) Wissenschaftliche Erkenntnisse sollen offen gegenüber Überprüfungen innerhalb und außerhalb der eigenen Disziplin sein.

(7) Wissenschaft macht die eigenen Voraussetzungen explizit und überprüft diese selbstkritisch.

Diese Aufzählung erhebt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie soll zunächst auch nur als Arbeitshypothese für die weiteren Ausführungen dienen.

Vernunft und Glaube. Theologie als „Glaubenswissenschaft“ – nicht Wissenschaft des Glaubens, sondern Wissenschaft im Glauben15 – versucht die Spannung zwischen Vernunft und Glauben aufzulösen, oder, Theologie soll sich vergewissern, dass „der christliche Glaube [...] vor dem Forum der Vernunft und der Wissenschaft bestehen könne.“16 Noch einmal anders gewendet: Theologie prüft und argumentiert, wie weit die Vernunft die Glaubensüberzeugungen der Kirche, die diese als zu glauben vorlegt, rational nachvollziehen kann. Dazu nimmt die Theologie eine Vermittlungsfunktion ein (Abbildung 2).

Abbildung 2: Vermittlungsfunktion der Theologie

In der theologischen Tradition wird dies mit dem auf Anselm von Canterbury (1033-1109) zurückgehenden Satz fides quaerens intellectum (Glaube, der nach Einsicht sucht) umschrieben. Dass die Vernunft den Glauben nicht in Gänze ‚erreichen‘ kann, ist unmittelbar einsichtig, denn sonst wäre er kein Glaube mehr. Andererseits darf der Glaube in dem Bereich, in dem er rational nachvollziehbar ist, der Vernunft auch nicht widersprechen, ‚unvernünftig‘ werden.

Die Arbeit untersucht die Fragestellung unter verschiedenen Perspektiven. Im Fokus der ersten beiden Kapitel steht die Wissenschaftlichkeit der Theologie, so wie die Theologie Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit für ihre Disziplin definiert und reflektiert. Kapitel 1 behandelt Begriff und Begründung der Theologie als „Glaubenswissenschaft“ und stützt sich ausschließlich auf die entsprechenden Ausführungen von Max Seckler im Handbuch 4 der Fundamentaltheologie.17 Kapitel 2 beleuchtet einige theologische Wissenschaftstheorien (u. a. von Helmut Peukert18 und Jürgen Werbick19). Außerdem kommen Überlegungen zeitgenössischer Theologen und Philosophen zum Thema zu Wort, hier referiert und kommentiert aus der ‚Wissenschaftlichkeitstrilogie‘ unter Herausgeberschaft von Benedikt Göcke et al.20

Die beiden folgenden Kapitel ändern die Perspektive. Aus der fast unübersehbaren Menge an Ansätzen, Stilen und Schulen von Fundamentaltheologie (und Dogmatik) werden einige Diskurslinien und auch (selbst-)kritische Ausführungen präsentiert, die die große Heterogenität der systematischen Teilgebiete der Theologie aufzeigen. Kapitel 3 widmet sich vor allem den Themen „Subjekt und Offenbarung“ sowie Ansätzen zu „Letztbegründungen“. Kapitel 4 macht deutlich, dass auch Theolog:innen zweifeln, und das nicht nur an Quisquilien. Auch hier geht es um Grundsätzliches.

In einer Zwischenreflexion (Kapitel 5) betrachte ich den „methodischen Atheismus“ der Naturwissenschaften und füge einige Gedanken sowohl zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaften sowie zu auch in der Theologie kontrovers diskutierten Themen „Kosmologie“, „Evolution“ und „Neurowissenschaft/Bewusstseinsphilosophie“ an.

In den beiden sich anschließenden Kapiteln findet ein erneuter Perspektivenwechsel in Form einer kritischen Auseinandersetzung mit inhaltlichen Fragen der systematischen Theologie statt. Kapitel 6 befasst sich mit dem Verhältnis des ‚Gottes der Philosophen‘ zum biblischen ‚Gott der Offenbarung‘. Kann man gegebenenfalls auf den ‚Philosophen-Gott‘ ganz verzichten? Mit den zentralen Konzepten von Offenbarung, Trinitätslehre und der Zweinaturenlehre Jesu befasst sich Kapitel 7.

In einem Fazit (Kapitel 8) fasse ich die Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln zusammen und komme zu einer (vorläufig) abschließenden Bewertung der Wissenschaftlichkeit der Theologie.

Es bleibt bei der Komplexität des Themas und der verschiedenen Perspektiven seiner Behandlung nicht aus, dass es im Text zu Wiederholungen – Argumente und Zitate – kommt. Diese sind beabsichtigt, da sie in dem jeweiligen unterschiedlichen Kontext eine entsprechende Rolle spielen.

Bei aller Eigen- und Fremdkritik an der Wissenschaftlichkeit der Theologie hat zumindest der Wissenschaftsrat der Disziplin bescheinigt, dass sie die ‚universitas‘ in einer besonderen Weise bereichert:

Zudem reflektieren Theologien im Wissenschaftssystem die Grenzen einer rein wissenschaftsförmigen Selbstdeutung des erkennenden Menschen, insbesondere indem sie ein Bewusstsein von der Kontingenz menschlichen Handelns aufrechterhalten und der Frage nach den Bedingungen für ein Gelingen oder Scheitern menschlicher Existenz einen Ort geben. So fördern Theologien in Universitäten die kritische Reflexivität der wissenschaftlichen Weltsicht und bieten Deutungsmöglichkeiten menschlicher Existenz.21

Kann es sein, dass der Wissenschaftsrat mit dieser Formulierung der Wissenschaftlichkeit der Theologie keine volle ‚Satisfaktionsfähigkeit‘ zugestehen möchte? Denn die „kritische Reflexivität der wissenschaftlichen Weltsicht“ ist nun einmal idealerweise mit einem ‚Blick von außen‘, also außerhalb der wissenschaftlichen Weltsicht und der „rein wissenschaftsförmigen Selbstdeutung“ stehend, zu leisten ...

Das Buch möchte hier einen erhellenden Beitrag leisten.

4 Wissenschaftsrat, Empfehlung zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen, Berlin/Köln 2010, https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.html, 51, abgerufen am 29.12.2023.

5 Geflügeltes Wort, das aus der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert stammt und dem „Modernismusstreit“ um die rigide Position des römischen Lehramts zuzuordnen ist, bei dem das Lehramt das Betreiben der Theologie mit den Mitteln zeitgenössischer Wissenschaften untersagte.

6 Göcke, B. P., Wissenschaftlichkeit I, 147 f.

7 Ein Beispiel für eine mögliche ‚Überformung‘ aus Glaubenssicht wäre eine exklusive (Re-)Lektüre des Alten Testaments aus dem bevorzugten Blickwinkel des Neuen Testaments im Rahmen der biblisch-exegetischen Theologie. Dies im Kontrast zur Würdigung, dass es sich bei den Schriften der beiden „Testamente“ um jeweils völlig verschiedene (verschieden in jeglicher Hinsicht) Textsammlungen handelt.

8 Die Fakultäten in diözesaner und in Trägerschaft von Ordensgemeinschaften sowie die katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt sind hier mitgemeint.

9 Vgl. Müller, G. L., Dogmatik, 2016, 35.

10 Auch wenn der Traktatbegriff heute zunehmend durch andere Begriffe („Thema“, „Frage“, u. Ä.) ersetzt wird, soll er hier beibehalten werden. In der Theologie wird vorwiegend die maskuline Form („der Traktat“) verwendet; ich werde es im Folgenden bei der im außertheologischen Bereich eher anzutreffenden neutralen Form („das Traktat“) belassen.

11 Hofmann, P., Dogmatik, 2008, 161.

12 Müller, G. L., ebd., 43; inkl. „Offenbarungstheologische Erkenntnislehre“, „Gnadenlehre“ und „Mariologie“.

13 So der Titel eines Werkes des Fundamentaltheologen Jürgen Werbick: ders., Einführung in die theologische Wissenschaftslehre, Freiburg 2010.

14 Metzler-Philosophie-Lexikon, 1999, 665.

15 Vgl. hierzu das Kapitel 1.

16 Böttigheimer, C., Fundamentaltheologie, 2012, 86.

17 Seckler, M., Theologie als Glaubenswissenschaft, 1988.

18 Peukert, H., Wissenschaftstheorie, 1976.

19 Werbick, J., Wissenschaftslehre, 2010 und ders., Methodenlehre, 2015.

20 Göcke, B. P. et al. (Hrsg.), Wissenschaftlichkeit I-III, 2018-2019.

21 Wissenschaftsrat, ebd., 58.