Tod in Schottland - Lyn Hamilton - E-Book
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Tod in Schottland E-Book

Lyn Hamilton

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Beschreibung

Wird sie ihren Ruf retten – und allen Gefahren trotzen? Der packende Kriminalroman »Tod in Schottland« von Lyn Hamilton jetzt als eBook bei dotbooks. Wenn ein skrupelloser Killer die Jagd eröffnet ... Die Kunstexpertin Lara McClintoch hat einen ihrer Kunden bei einer Auktion beraten – und muss danach zu ihrem Erstaunen feststellen, dass das Schreibkabinett, das er gekauft hat, nur eine Fälschung ist. Als der Verkäufer, der damit eine Million Dollar verdient hat, bald darauf auf bestialische Weise ermordet wird, ist Lara alarmiert: Sie weiß, dass sie diesen Fall lösen muss, um den Käufer vor Verdacht zu schützen und ihren guten Ruf wiederherzustellen. Lara folgt der Spur der Fälschung bis auf die Orkney-Inseln im Norden Schottlands, wo sie hofft, in Ruhe Nachforschungen anstellen zu können – doch es scheint, als hätte der Axtmörder noch nicht sein letztes Opfer gefunden ... »Lyn Hamilton hat sich zu einer der erfolgreichsten Krimiautorinnen Kanadas entwickelt.« The Globe and Mail Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Kriminalroman »Tod in Schottland« von Lyn Hamilton ist der sechste und abschließende Band der Lara-McClintoch-Reihe; alle Romane können unabhängig voneinander gelesen werden. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 406

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Über dieses Buch:

Wenn ein skrupelloser Killer die Jagd eröffnet ... Die Kunstexpertin Lara McClintoch hat einen ihrer Kunden bei einer Auktion beraten – und muss danach zu ihrem Erstaunen feststellen, dass das Schreibkabinett, das er gekauft hat, nur eine Fälschung ist. Als der Verkäufer, der damit eine Million Dollar verdient hat, bald darauf auf bestialische Weise ermordet wird, ist Lara alarmiert: Sie weiß, dass sie diesen Fall lösen muss, um den Käufer vor Verdacht zu schützen und ihren guten Ruf wiederherzustellen. Lara folgt der Spur der Fälschung bis auf die Orkney-Inseln im Norden Schottlands, wo sie hofft, in Ruhe Nachforschungen anstellen zu können – doch es scheint, als hätte der Axtmörder noch nicht sein letztes Opfer gefunden ...

»Lyn Hamilton hat sich zu einer der erfolgreichsten Krimiautorinnen Kanadas entwickelt.« The Globe and Mail

Über die Autorin:

Lyn Hamilton (1944–2009) wuchs in Etobicoke, Toronto auf und studierte Anthropologie, Psychologie und Englisch an der University of Toronto. Obwohl sie hauptberuflich in der Öffentlichkeitsarbeit tätig war, galt ihre Leidenschaft der Mythologie und Anthropologie. Ein Urlaub in Yucatán inspirierte sie dazu, ihren ersten Kriminalroman »Die Toten von Mexiko« zu schreiben.

Die Website der Autorin: www.lynhamiltonmysteries.com

Bei dotbooks erscheinen von Lyn Hamilton folgende Romane:

»Die Toten von Mexiko«

»Todesfurcht auf Malta«

»Totentanz in Peru«

»Ein Mord in Irland«

»Todesklage in Italien«

»Tod in Schottland«

***

eBook-Neuausgabe September 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2006 unter dem Originaltitel »The Orkney Scroll« bei The Berkley Publishing Group, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Das Vermächtnis der Wikinger« bei Weltbild.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2006 by Lyn Hamilton

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Steinerne Furt, 86167 Augsburg

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Jule_Berlin, Hoika Mikhail, Christoph Rabhausl

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)

ISBN 978-3-98690-255-1

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Lyn Hamilton

Tod in Schottland

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Christa Hohendahl

dotbooks.

Meinem Vater, den ich sehr vermisse,

JOHN BORDEN HAMILTON

16. Mai 1913-24. November 2005

Prolog

Bevor er wahnsinnig wurde, versteckte Bjarni der Wanderer den Kessel im Grab der Orcs.

Dies ist zugegebenermaßen eine verblüffende Aussage, die der Erklärung bedarf. Zudem ist es eine etwas irritierende Art und Weise, eine Geschichte abzuschließen. Für manche ist es allerdings eher ein Beginn als ein Ende, eine Art Verheißung, mit der Hoffnungen und Träume verbunden sind, als ob allein der Glaube daran sie wahr werden ließe. Um zu entscheiden, ob Sie zu den Träumern oder zu den Zweiflern gehören oder irgendwo dazwischen stehen, müssen Sie auf den Anfang zurückblicken, also auf die Zeit vor mehr als neunhundert Jahren.

Ich weiß nicht, ob Bjarnis Saga wahr ist. Mein Großvater pflegte zu sagen, dass sie zumindest den Tatsachen nicht widerspricht. Sie werden dies vielleicht nicht für einen schlagkräftigen Beweis halten, aber schließlich kannten Sie meinen Großvater nicht. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Erzählung in meiner Familie länger weitergegeben wurde, als irgendjemandes Erinnerung zurückreicht. Mein Großvater glaubte, die Überlieferung sei anfangs mündlich erfolgt. Die Balladenform und der Rhythmus seien dabei eine Stütze für das Gedächtnis gewesen, sodass die Geschichte stets richtig erzählt wurde. Irgendwann, niemand weiß den genauen Zeitpunkt, wurde sie niedergeschrieben – möglicherweise auf Altnordisch, aber noch wahrscheinlicher zuerst auf Latein, da die Kleriker des zwölften Jahrhunderts offenbar an Schilderungen dieser Art Gefallen fanden – und dann von einer Generation an die nächste tradiert. Mein Großvater übersetzte sie schließlich aus dem Lateinischen. Auf dieseWeise erlernte ich das Schreiben: indem ich die Aufzeichnungen in ein Heft übertrug, genau genommen in mehrere Hefte. Mein Großvater beaufsichtigte das Ganze, um sicherzustellen, dass ich keinen Fehler machte und nichts aussparte. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum wir die Erzählung heute noch kennen: Sie wurde immer wieder von nachfolgenden Geschlechtern abgeschrieben. Ich glaube, für einige von uns wurde der Erhalt von Bjarnis Saga zu einer fast heiligen Aufgabe.

Vermutlich nahm man sich im Laufe der Jahrhunderte ein paar Freiheiten, ließ versehentlich etwas weg oder fügte etwas hinzu, in so großem Ausmaß, dass die ursprüngliche Bedeutung vielleicht verloren ging. Vielleicht aber auch nicht. Möglicherweise bin ich ihr letzter Hüter. Meine Söhne haben kein Interesse an ihr. Der eine versteht sie nicht, der andere hält sie für wertlos. Aber ich hege Hoffnungen in Bezug auf eine meiner Enkelinnen. Sie ist ein unruhiger Geist, doch damit erweist sie sich geradezu als echter Abkömmling von Bjarni dem Wanderer. Früher hatte sie es sehr gern, wenn ich ihr die Geschichte erzählte, und sie bat mich, sie mit ihr zusammen laut zu lesen. Wenn ich sterbe, werde ich ihr die Hefte überlassen.

Jetzt, da Sie die nötigen Einschränkungen vernommen haben und ich versucht habe – wenn auch nicht besonders eindringlich –, Sie dazu zu ermutigen, alles, was ich sage, mit einem gewissen Misstrauen zu betrachten, frage ich Sie: Wollen Sie die Geschichte von Bjarni Haraldsson immer noch hören? Natürlich wollen Sie das. Wer könnte einer Erzählung widerstehen, die mit den Worten endet: »Bevor er wahnsinnig wurde, versteckte Bjarni der Wanderer den Kessel im Grab der Orcs«?

Kapitel 1

Über Trevor Wylie sagte man, dass er ein Gauner sei und dass man sein Portemonnaie gut festhalten solle, wenn er in der Nähe ist, aber auch, dass man ihm nicht lange böse sein könne. Irgendjemand war ihm schließlich jedoch lange genug böse, um ihn zu ermorden.

Trevor verlor sein Leben wegen eines Möbelstücks. Zumindest sah es anfangs aus, als sei es so gewesen – obwohl keiner von uns lange brauchte, um zu merken, dass im Zusammenhang mit Trevor vieles nicht so war, wie es zunächst schien. Das fragliche Objekt war ein Sekretär, genauer gesagt ein Schreibschrank, der für kurze Zeit einem Anwalt namens Blair Baldwin gehörte. Trevor war der Antiquitätenhändler, der ihn an Blair verkauft hatte. Anders als bei dem charmanten Trevor fiel es einem bei Baldwin nicht leicht, ihn zu mögen. Er war arrogant und von einem Jähzorn, der bei der leisesten Provokation zum Vorschein kam, üblicherweise vor einer Fernsehkamera. Ab einem bestimmten Zeitpunkt betrachtete Blair mich jedoch vermutlich als Freundin.

Ich traf Blair das erste Mal während meiner Anfänge als Antiquitätenhändlerin, als er mit einem Objekt aus Kameenglas, das sorgfältig in Papier eingewickelt war, im Eingang von McClintoch & Swain auftauchte. Es war eine Vase, deren Erwerb er sich einiges hatte kosten lassen, in dem Glauben, sie sei von Emile Gallé, dem Meister der Jugendstilglaskunst. Blairs Anwaltskanzlei lag auf derselben Straße wie mein Geschäft. Ich nehme an, er kam einesteils vorbei, weil er seine Errungenschaft jemandem zeigen wollte, der sie zu würdigen wusste, aber auch weil ich die Echtheit seines Fundes bestätigen sollte. Baldwins Ruf, ein schwieriger Zeitgenosse zu sein, war ihm vorausgeeilt, weshalb ich ihm nur widerwillig klarmachte, dass irgendjemand auf dem Weg zwischen der Fabrik in Rumänien, wo die Vase hergestellt worden war, und seinen Händen die Buchstaben TIP weggeschliffen hatte, die darauf hingewiesen hätten, dass das Stück im Stil von Gallé angefertigt worden war, aber nicht von Gallé stammte.

Ich war etwas angespannt, doch Baldwin reagierte erstaunlich gelassen. Er hörte interessiert zu, als ich ihm zeigte, worauf man achten musste, blickte aufmerksam durch das Vergrößerungsglas, das ich ihm anbot, und fragte, ob es Bücher zu dem Thema gäbe, die ich empfehlen könnte. Am Ende seines Besuchs waren wir nicht länger Mr Baldwin und Ms McClintoch, sondern Blair und Lara, und später wurde daraus Blair und »Babe«. Nicht dass ich besonders begeistert über das »Babe« gewesen wäre, mitnichten, aber Blair war ein richtig guter Kunde. An diesem ersten Tag hatte er vorgeschlagen, ich solle ihn anrufen, wenn ich irgendetwas sähe, das ihm meiner Ansicht nach zusagen könnte. Baldwin war dem Jugendstil geradezu verfallen, und ich hatte viele Jahre lang das Glück, mich seiner Vorliebe annehmen zu dürfen. Ich sage »Glück«, weil er das nötige Kleingeld besaß, um ziemlich viele von den Dingen zu kaufen, die ihm gefielen, denn er hatte äußerst erfolgreich als Verteidiger einiger mächtig widerwärtiger Gestalten gewirkt. Er wohnte in einem eindrucksvollen Haus, das groß genug war, um alles unterzubringen, was er kaufte, und zahlte Unsummen für Objekte, die ihm gefielen. Wir nannten ihn Blair Billionär bei McClintoch & Swain. Im Laufe der Jahre entwickelte ich gemischte Gefühle in Bezug auf Baldwin. Viel zu oft hatte ich gesehen, wie er vor einem Gerichtsgebäude vor den Kameras mit seinen Erfolgen prahlte – die Finger unter seinen Hosenträgern eingehakt, als wollte er jeden Moment abheben – und sich damit brüstete, dass er irgendwelchen Abschaum wegen eines Formfehlers freibekommen hatte. Natürlich nannte er die Typen nicht »Abschaum«. Damit bringe ich nur meine persönliche Meinung ein. Ich glaube, er verwendete den Ausdruck »mein zu Unrecht angeklagter Klient«.

Doch wenn die Geschäfte bei McClintoch & Swain nicht gut liefen, wobei ich »nicht gut« als Euphemismus für »am Rande des Bankrotts« verwende, schien Baldwin es zu wissen und kaufte kurz vor Monatsende immer irgendetwas Spektakuläres, egal ob er es brauchte oder nicht. Er empfahl mich seinen wohlhabenden Freunden, von denen viele Stammkunden wurden. Als seine Frau Betsy ihn verließ, hätte er sie als Anwalt wirklich fertigmachen können, was die rechtliche Seite anging, aber er tat es nicht. Sie schienen sich einigermaßen freundschaftlich getrennt zu haben, zumindest aus meiner Sicht, da Betsy für meine Begriffe mit einem kleinen Vermögen aus der Angelegenheit hervorging. Blair Billionär hatte offensichtlich auch eine andere Seite.

Was Antiquitäten betraf, so entwickelte er im Laufe der Zeit ein recht gutes Auge. Nach jenem ersten unglücklichen Vorfall wurde er nicht mehr oft hereingelegt. Er hatte seinem durch die Gallé-Vase verursachten Unmut Luft gemacht, indem er sie in meinen Papierkorb warf. Dieser war glücklicherweise voll, sodass ich sie heil wieder herausholen konnte, nachdem er gegangen war. Ich besitze sie immer noch. Sie ist wirklich hübsch, egal wer sie gemacht hat, aber schließlich habe ich auch kein Vermögen dafür bezahlt, so wie Baldwin. Bei teuren Anschaffungen zog er mich immer als Gutachterin hinzu, und das war auch der Grund, warum ich in Trevor Wylies Antiquitätengeschäft Scot Free gebeten wurde. Ich sollte mir ein besonderes Stück ansehen, das Blair zu kaufen beabsichtigte.

Ich war spät dran, weil ich unerwarteterweise ein oder zwei Stunden bei der örtlichen Polizei verbracht hatte. Es stellte sich heraus, dass ich nur das letzte Opfer einer ganzen Serie von Einbrüchen in Antiquitätengeschäften der Umgebung war, die der Constable auf die Eröffnung einer Grufti-Bar am Ende der Straße zurückführte. Ich war da nicht so sicher. Zum einen war meine Quasi-Stieftochter Jennifer Stammkundin in der Bar, und nach ihrer Aussage war es nur ein Haufen von Leuten, die gern Schwarz trugen und über sich selbst redeten. Und zweitens wirkte das Ganze auf mich wie Diebstahl auf Bestellung: Jemand wollte ein Paar Kerzenleuchter aus dem achtzehnten Jahrhundert und schickte eine ziemlich professionelle Mannschaft, um sie zu holen. Die Diebe waren mithilfe von Glasschneidern durch die Hintertür gekommen, an allen möglichen teuren Waren vorbeigestiefelt und hatten lediglich die Leuchter mitgenommen. Bevor die Sicherheitsfirma in der Lage gewesen war zu reagieren, waren sie wieder draußen gewesen. Ich war ziemlich schlecht gelaunt.

Die Verabredung mit Blair und Trevor fing nicht gut an. Als Erstes musste ich mich an einem riesigen Dobermann in Trevors Eingang vorbeizwängen. Mit »riesig« meine ich, dass wir fast auf gleicher Augenhöhe waren – ein recht einschüchternder Empfang. Der Besitzer des Hundes, der fast genauso breit wie hoch war und zu dem es besser gepasst hätte, wenn er an der Tür der oben erwähnten Grufti-Bar den Pöbel ferngehalten hätte und nicht vor einem Antiquitätengeschäft, betrachtete einen nicht besonders ansprechend aussehenden, bronzenen Laternenpfahl und lauschte offenbar gleichzeitig.

Blair trommelte ungeduldig mit den Fingern auf Trevors Ladentheke herum und sah aus, als wollte er mir wegen meiner Verspätung gleich den Kopf abreißen. Trevor hingegen wirkte so selbstzufrieden wie ein Kater, der gerade einen Kanarienvogel verspeist hat, und ich wusste genau, dass er gleich mit seiner Entdeckung prahlen würde, was auch immer es war.

»Du bist spät dran, Babe«, sagte Baldwin eben mit zusammengepressten Zähnen, als sich ein ziemlich schmuddelig aussehendes Individuum in einem zerknitterten beigefarbenen Anzug mit Fahrradklammern an den Hosenbeinen an dem Dobermann vorbei ins Geschäft drängte. Der neue Besucher wirkte ebenso wenig wie der Rausschmeißer, als gehörte er hierher. Angesichts meines Aufenthalts auf der Polizeistation, den ich wegen der Einbrüche gerade hinter mich hatte bringen müssen, betrachtete ich ihn ein wenig misstrauisch.

»Das hier wird dich umwerfen, Hen«, sagte Trevor und küsste mich auf beide Wangen. Trevor kam aus Schottland. Seine Stimme und sein Aussehen erinnerten an den jungen Sean Connery, was wahrscheinlich der Grund dafür war, dass ich ihn ertrug. »Hen« ist Glasgow-Slang für jegliche Art von weiblichen Wesen, glaube ich. Dieses ständige »Hen« und »Babe« war widerlich. »Hier entlang«, sagte er und zeigte auf den hinteren Raum. Der Mann mit den Fahrradklammern stolperte bei dem Versuch, lässig zu wirken, über ein Plätteisen und fiel beinahe hin.

»Sind wir bereit für etwas wirklich Beeindruckendes?«, fragte Trevor, wobei er seine Hand auf einem Leinentuch ruhen ließ, das einen ziemlich großen Gegenstand bedeckte, der etwa 1,20 Meter hoch und 90 Zentimeter breit war. Baldwin schluckte kräftig und nickte.

»Lara?«, fragte Trevor.

Dieses ganze Theater ging mir allmählich auf die Nerven. »Nun mach schon, Trevor«, sagte ich. »Es sei denn, du möchtest vielleicht die Tür schließen?« Ich konnte sehen, dass sowohl Mr Dobermann als auch Mr Fahrradklammer langsam Richtung Büro vorrückten. Als Trevor auf die Tür zuging, trampelte Mr Fahrradklammer die Treppe hinauf in die erste Etage des Geschäfts.

»Es ist niemand da, der auf die Waren aufpasst, fürchte ich. So … etwas Licht«, sagte er und betätigte einen Schalter, woraufhin das geheimnisvolle Objekt von einem kleinen Scheinwerfer angestrahlt wurde. »Handschuhe«, fügte er hinzu und reichte mir und Blair je ein Paar.

»Voilà«, rief Trevor, als er die Decke wegzog.

Nach all dem Getue hatte ich nicht erwartet, besonders ergriffen zu sein, aber dieses Teil warf mich schlichtweg um. In dem Lichtkegel stand ein einzelnes Möbelstück, ein Schreibtisch, oder vielmehr ein Schreibschrank. Er war exquisit, aus schwarz gebeiztem Holz, Mahagoni, und wenn man die Türen öffnete, was Trevor mit schwungvoller Gebärde tat, waren eine hübsche bleigefasste Glasplatte und makellose Intarsien zu sehen. Es gab Schlitze, Ablagefächer für Papiere, und Schubladen, die sich wunderbar leicht herausziehen ließen. Neben mir machte Baldwin leise quiekende Geräusche.

»Das kann nicht sein, oder?«, fragte ich und drehte mich zu Trevor um.

»Ich war mir nicht ganz sicher, als ich ihn fand«, antwortete er. »Ich habe es darauf ankommen lassen, aber nun bin ich überzeugt, dass er echt ist.«

»Babe?«, brachte Baldwin heraus.

»Er stammt offenbar aus der richtigen Zeit«, sagte ich vorsichtig. »Der Stil ist definitiv Glasgower Schule. Ich müsste ein paar Nachforschungen anstellen.«

»Das habe ich bereits getan«, sagte Trevor und reichte mir eine Mappe. »Sieh es dir an.« Baldwin lehnte sich ungeduldig über meine Schulter, als ich die Akte öffnete.

Darin lag nur ein einzelnes Blatt Papier. Es war eine Zeichnung des fraglichen Schreibschranks, ergänzt durch genaue technische Beschreibungen. Und sie war mit den Initialen CRM/MMM versehen. »Großer Gott«, stieß Baldwin hervor und sank in einen Stuhl.

»Charles Rennie Mackintosh«, sagte Trevor. »Margaret Macdonald Mackintosh.«

»Alles in Ordnung, Blair?«, fragte ich. »Du stehst doch jetzt nicht etwa unter Schock?«

»Ich mache uns einen Tee«, sagte Trevor. »Und werde ihn ein wenig hiermit aufpeppen.« – »Hiermit« war eine Flasche ausgezeichneter Single Malt Whisky. Trevor fühlte sich ziemlich sicher.

»Ich weiß, das wirkt überzeugend«, sagte ich. »Aber es ist keine Garantie.«

»Ich habe noch mehr«, sagte Trevor, während er ein Buch von einem Regal über seinem Schreibtisch holte und es aufschlug. »Hier ist etwas Ähnliches. Lass dir Zeit.«

»Wie viel?«, fragte Baldwin.

»Blair!«, rief ich warnend. Das betreffende Buch war eine sehr gute Abhandlung über den Jugendstil, eine internationale Kunstrichtung, die um 1890 aufkam und höchst populär war, bis sie sich etwa 1904 totlief. Die großen Namen, die aus ihr hervorgegangen sind, sind heute noch berühmt, wie Tiffany und Lalique. Mehrere hervorragende Künstler gehörten zu dieser Stilrichtung, unter anderem Charles Rennie Mackintosh aus Glasgow. Obwohl Mackintosh in Großbritannien zu seiner Zeit nicht besonders gefragt war, hatte er großen Einfluss auf europäische Designer wie Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätte. Seine Arbeit, ebenso wie der Jugendstil selbst, war nur eine Art ›Strohfeuer‹, ist jedoch heute, nach ein paar Jahrzehnten der Geringschätzung, äußerst gesucht. Nur sehr vereinzelt kommt ein Stück auf den Markt. Eine Seite des Buches hatte Trevor mit einem gelben Klebezettel markiert, und dort befand sich eine Fotografie eines ähnlichen Schreibschranks, der jedoch nicht völlig identisch mit demjenigen war, der vor mir stand.

»Ich glaube, Mackintosh stellte zwei Exemplare in dieser Machart her«, sagte Trevor. »Das war schließlich kein Einzelfall. Manchmal machte er ein zweites Stück für sich selbst, wenn er den Auftrag erhalten hatte, etwas für einen Kunden zu entwerfen.«

»Wo hast du ihn gefunden?«, fragte ich und machte eine Kopfbewegung in Richtung des Sekretärs.

»Bei meiner üblichen Schottlandreise«, sagte Trevor. »Einer meiner Sammler erzählte mir, dass eine alte Dame am Wochenende einen Räumungsverkauf veranstalten würde und möglicherweise ein paar interessante Sachen haben könnte. Ich fuhr früh hin, sah mir alles an und bewegte sie mit meinem Charme dazu, mir das Stück zu verkaufen, genauer gesagt, zwei Stücke. Das andere hat sich nicht bezahlt gemacht. Dieses hier schon. Ich hatte Glück. Andernfalls hätte ich mächtig dumm dagestanden. Ich habe eine Menge dafür hingeblättert, viel zu viel, wenn mein Verdacht sich nicht bestätigt hätte. Aber so ist das in unserer Branche, nicht wahr, Hen?«

»Vermutlich. Wo hast du die Zeichnung gefunden?«

»In der rechten Schublade! Ist das zu glauben? Sie lag unter einem etwa hundert Jahre alten Einlegepapier. Ich habe sie erst im Nachhinein entdeckt.«

»Es könnte sich trotzdem um eine Kopie handeln«, sagte ich. Trevors Überschwang war nervtötend, aber vielleicht war ich auch einfach neidisch.

»Könnte sein, aber es ist keine«, sagte Trevor. »Davon bin ich überzeugt. Charles hat das Möbelstück entworfen und gebaut. Seine Frau Margaret hat das Buntglas gemacht. Ihre Handschrift ist genau zu erkennen. Du siehst sicher, dass er in bemerkenswertem Zustand ist, nur eine der Schubladen und die Beine sind etwas abgenutzt.«

»Wie viel?«, wiederholte Baldwin.

»Ein ganz ähnlicher wurde bei einer Auktion in den späten Neunzigern für ungefähr 1,5 Millionen US-Dollar versteigert«, sagte Trevor. »Aber ich bin bereit zu verhandeln.« Als er »1,5 Millionen« sagte, war über uns ein Poltern und ein Schlurfen zu hören. Offensichtlich war Mr Fahrradklammer wieder über etwas gestolpert. Ich wäre sofort die Treppen hinaufgerannt. Trevor ignorierte es.

»Babe?«, fragte Baldwin.

»Ich weiß nicht, Blair«, sagte ich. »Alles, was ich im Moment sagen kann, ist, dass mir nichts Verdächtiges daran auffällt.«

»Ich bin sicher, dass wir uns irgendwie einigen werden«, sagte Trevor und zwinkerte mir zu. Genau in diesem Augenblick klingelte das Telefon. »Entschuldigung«, sagte Trevor. »Ich sollte besser drangehen. Ihr zwei könnt ein wenig plaudern. Dez!«, sagte er in den Telefonhörer. »Hast du meine Nachricht bekommen?« Blair wurde blass. Es mag eine Menge Menschen mit dem Namen Dez geben, aber nur einen, der Trevor genau in dieser Minute anrufen würde. Desmond Crane war ebenfalls Anwalt, und Crane und Baldwin fanden sich häufig auf den entgegengesetzten Seiten in diversen Gerichtsverfahren wieder. Es ging die Mär, dass die gegenseitige Antipathie, die sie bei Gericht an den Tag legten, durch und durch echt war: Sie konnten einander überhaupt nicht leiden. Mir kam es ein wenig zu passend vor, dass Dez ausgerechnet diesen Augenblick gewählt hatte, um anzurufen, aber vielleicht hatte Trevor die Zeit vorgeschlagen – alles ein Teil des Plans, Blair dazu zu verleiten, an Ort und Stelle zuzuschlagen.

»Meinst du, dass er authentisch ist?«, fragte Blair ruhig.

»Es könnte sein«, sagte ich, wenn auch widerwillig. Eigentlich wollte ich mehr Zeit.

»Er ist vielleicht noch zu haben«, sagte Trevor und sah Baldwin direkt an. »Ich spreche genau in diesem Augenblick mit Blair.«

»Ich nehme ihn!«, rief Blair.

Trevor nickte und lächelte in unsere Richtung. »Ich rufe dich zurück, Dez«, sagte er. »Tut mir leid.«

»Ich gehe dann mal«, sagte ich. Ich wollte nicht wissen, was Blair für seine Passion bezahlen würde, und mit Sicherheit wollte ich in einer Auseinandersetzung zwischen Baldwin und Crane nicht zwischen den Fronten stehen. Schließlich waren sie beide meine Kunden.

»Ich werde später im Stane sein«, rief Trevor, als ich mich wieder an dem Dobermann vorbeidrückte. »Wenn du mir Gesellschaft leistest, Hen, spendiere ich dir einen oder mehrere Single Malts.«

Trevors Angebot, einen Whisky im Stane zu trinken – der vollständige Name seiner Lieblingsbar lautete The Dwarfie Stane –, nahm ich nicht an, denn so viel hämische Freude an einem Tag kann ich nicht ertragen. Ich sah ihn jedoch ein paar Tage später wieder. Baldwin, der nicht zu den Leuten gehört, die einen Sieg über einen Konkurrenten für sich allein genießen, veranstaltete eine recht imposante Cocktailparty in seiner Villa Rosedale, um mit seiner Anschaffung zu prahlen. Trevor kam mit seiner neuesten Freundin, irgendeine Willow. Es gab keinen triftigen Grund, sich ihren Nachnamen zu merken. Wenn die Beziehung ihren normalen Lauf nahm, würde sie nicht lange genug da sein, als dass es sich lohnte. Sie sah aus wie jede andere Gefährtin von Trevor: lange dunkle Haare, noch längere Beine und ein unschuldiger Gesichtsausdruck. Wie die meisten hatte sie einen ungewöhnlichen Namen. McClintoch & Swain war sowohl durch mich als auch durch meinen Geschäftspartner – und Exmann – vertreten, Clive Swain. Ich hatte meinen Lebenspartner, Rob Luczka, als Begleitung mitgebracht, und Clive seine Partnerin, meine beste Freundin Moira Meller.

Blairs Haus war ein wahrer Reliquienschrein des Jugendstils. Es war ein wenig übertrieben eingerichtet, aber ich möchte keineswegs daran herumkritteln, denn ich hatte ihm ja dabei geholfen, vieles davon zu erwerben. Selbst die Badezimmerwände waren mit authentischem Jugendstil-Stoff tapeziert. Keine Nachbildung, alles echt. Jedes Zimmer war ein kleines Museum und mit so vielen Dingen ausgeschmückt, dass es fast nicht zu ertragen war. Blair besaß Arbeiten von diversen Jugendstil-Meistern, einschließlich einiger hübscher Möbel von Josef Hoffmann, Carlos Bugatti, Henry van de Velde, Victor Horta und anderen, und nun hatte er natürlich auch einen Charles Rennie Mackintosh. An kleinen Objekten hatte er eine Menge von Steuben, Tiffany, Sevres und Meißen und viele weniger bekannte, aber dennoch bedeutende Stücke aus der Epoche, und selbstverständlich ein paar echte Gallés, denn Blair war entschlossen, seinen ersten Fehler wiedergutzumachen. Alles war sorgfältig platziert und kunstvoll beleuchtet, jedoch nichts war präsentiert wie der Mackintosh-Schreibschrank, der allein auf einem erhöhten Absatz in einer Nische im Wohnzimmer stand. Er war, um die Analogie des Reliquienschreins fortzuführen, das heiligste aller Heiligtümer in Blairs Wohnstätte, dem Ort, wo er seine derzeit besonders geschätzten Besitztümer untergebracht hatte.

Ich fragte mich insgeheim, was mit den Gegenständen geschehen war, die früher dort ausgestellt gewesen waren. Einst hatte die Nische eine Anrichte mit Walnuss-Furnier von Josef Hoffmann beherbergt, ein anderes Mal einen recht ungewöhnlich verzierten Holzstuhl von keinem Geringeren als Antoni Gaudí Seit geraumer Zeit hatte ich keines dieser Möbelstücke mehr gesehen und fragte mich, ob er Dinge, deren er überdrüssig wurde, verkaufte, oder ob er sie einfach im Keller lagerte, was bedauerlich gewesen wäre. Blair hatte etwas mehr als hunderttausend Dollar für diesen Stuhl bezahlt, ein gutes Geschäft, wenn man bedachte, wie einzigartig er war. Er hatte ihn für ein paar Tausend Dollar weniger erstanden, als der übliche Preis gewesen wäre, weil sich auf der Sitzfläche ein winzig kleiner Zigarettenbrandfleck befand. Wirklich eine Schande, und vielleicht war das der Grund dafür, dass der Stuhl nirgendwo mehr zu sehen war. Der Mackintosh-Schreibschrank war, wenn nicht seine prächtigste, so doch vielleicht seine extravaganteste Anschaffung. Blair war ein echter Sammler.

»Magst du dieses Zeug?«, fragte Rob, als wir von Zimmer zu Zimmer schlenderten. »Mit all diesen geschwungenen Ornamenten?«

»Ja, aber nicht alles an einem Ort. Mir ist es lieber, wenn ein Zuhause etwas gemütlicher ist«, antwortete ich. »Konsequenz kann natürlich eine Tugend sein, aber es ist vielleicht keine besonders gute Idee, streng an einer bestimmten Gestaltungsästhetik festzuhalten, wenn man damit leben muss. Es gibt einen Punkt, an dem es einfach zu viel wird, und beim Jugendstil kommt dieser Punkt möglicherweise eher früher als später. Das habe ich Blair natürlich nicht erzählt. So dumm bin ich nicht. Oder vielleicht doch. Am Anfang habe ich ihm tatsächlich gesagt, dass er doch mal darüber nachdenken könnte, die Möbel ein wenig zu mischen. Ich glaube, alles, was er dazu sagte, war ein gequältes: ›Babe‹.«

»Ich persönlich denke, es zeugt von einer Geisteskrankheit, wenn man sein Zuhause ausschließlich in einem Stil einrichtet«, bemerkte Clive. Und das glaubt er tatsächlich. In einem Haus wie diesem wurde Clive, dem Inneneinrichter unseres Teams, geradezu übel. Angesichts der Tatsache, dass er sich bei diesem speziellen Anlass in einer solchen Umgebung aufhalten musste, hielt er sich noch recht gut.

»Ich glaube, hier muss ich dir recht geben, Clive«, sagte Rob. Das war etwas Besonderes. Rob und Clive waren sich ungefähr einmal pro Jahr einig. »Dieses Schreibtischding sieht allerdings gut aus. Es wirkt klarer im Design.«

»Ja, Mackintoshs Möbel sind angenehmer, geometrischer als die meisten anderen Stücke aus der Epoche.«

»Das Getier auf den ganzen Sachen finde ich etwas merkwürdig«, wandte Moira ein.

»Aber das ist doch das Besondere«, gab ich zu bedenken. »Der Jugendstil kam Ende des neunzehnten Jahrhunderts auf, als Reaktion auf die Industrialisierung, auf die sich ausbreitende Massenproduktion. Die Leute, die sich dieser Stilrichtung verschrieben, waren der Ansicht, dass Gegenstände von Hand gemacht sein sollten, von Künstlern und echten Handwerkern, und die Motive griffen auf die Natur zurück, auf Ranken, Blätter, Insekten und Krustentiere, organische Elemente eben.«

»Na gut, aber wer möchte von Servierplatten essen, auf denen irgendwelche herumkrabbelnde Wesen zu sehen sind?«, fragte Rob.

»Offensichtlich fast jeder«, sagte Clive. »Hast du gesehen, wie die Leute sich auf die Berge von Shrimps, Austern und Hummer stürzen, ganz zu schweigen von dem echten Champagner, der literweise hinuntergeschüttet wird? Du magst vielleicht an Blairs Einrichtungsgeschmack herumnörgeln, aber du kannst dich nicht über das Essen beklagen.«

Er hatte recht. Die Party war eine verschwenderische Veranstaltung. Blair schien nicht zu wissen, wie man etwas auf bescheidene, unauffällige Art tat. Ich gebe zu, dass ich derartige Feiern nicht besonders genieße, aber sowohl Blair als auch Trevor waren so begeistert von dem Mackintosh, dass es unhöflich gewesen wäre, nicht zu kommen, und außerdem, wie Clive immer betont, ist es gut fürs Geschäft, wenn wir in einer solchen Gesellschaft gesehen werden. Jeder, aber auch wirklich jeder war da: Medientypen, Filmstars, die üblichen Hofschranzen, Industriebosse, diverse lokale Politiker einschließlich des Bürgermeisters und sogar der Polizeipräsident. Letzteres war ein wenig überraschend, wenn man bedachte, dass er sich über eine beträchtliche Anzahl von Blairs gerichtlichen Erfolgen geärgert haben musste und dass viele von Blairs Klienten, von denen einige so aussahen, als wollten sie für eine Rolle bei den Sopranos vorsprechen, ebenfalls unter den Gästen waren.

»Habe ich diesen Typen dort nicht einmal wegen irgendetwas verhaftet?«, fragte Rob. Er ist ein Mountie, ein Mitglied der Royal Canadian Mounted Police, weshalb er sich solche Fragen erlauben kann.

»Verhaftet, wen?«

»Den Kerl am anderen Ende des Buffets, der sich die ganzen Shrimps reinschaufelt. Was hat der hier zu suchen? Ich bin sicher, dass ich ihn wegen irgendeiner Sache festgenommen habe.«

»Falls du es nicht getan hast, hättest du es tun sollen. Jeder, der einen solchen grünen Anzug trägt, verdient es, für alle Ewigkeit in einem Kerker zu schmachten«, entgegnete Clive.

»Du bist vielleicht ein Design-Snob, Clive«, bemerkte Moira spitz. – »Ja, das bin ich. Jemand muss doch versuchen, irgendwelche ästhetischen Standards für unsere bedeutende Stadt zu setzen. Schwieriger Job, das kann ich dir sagen. Ah, Trevor, da bist du ja. Ein netter Verkauf. Wir von McClintoch & Swain vergehen vor Neid.«

»Was? Oh, vielen Dank, Clive«, sagte Trevor, bevor er hastig in den nächsten Raum weitereilte.

»Was ist dem denn über die Leber gelaufen?«, wunderte sich Clive. »Schließlich teile ich nicht täglich Komplimente aus. Ich habe erwartet, dass er entsetzlich gut gelaunt ist wegen der ganzen Sache oder zumindest eine triumphierende Miene aufsetzt, dabei wirkt er eher nervös. Vielleicht hat er Streit mit seiner Freundin. Die ist ja ganz attraktiv. Wie heißt sie noch? Balsam oder so ähnlich?«

»Willow, wie Weide, du Blödmann«, sagte Moira und versetzte ihm einen Rippenstoß.

»Ah ja, ich wusste, es hatte irgendwas mit einem Baum zu tun.«

»Ist das Desmond Crane?«, fragte Rob. »Der Anwalt, der mit Baldwin darum wetteifert, wer die meisten Schurken aufgrund von Verfahrensfehlern freibekommt? Es ist doch Crane, nicht wahr?«

Er war es. Arm in Arm mit seiner Frau Leanna, die wie üblich beschwipst war. Die Gegnerschaft der beiden Anwälte, sowohl vor Gericht als auch außerhalb, hielt Blair nicht davon ab, seinen Kontrahenten einzuladen, und Dez nicht davon, hier aufzukreuzen.

»Ich kann es einfach nicht fassen, dass du mich hierhergeschleppt hast«, klagte Rob. Normalerweise freut er sich immer darüber, wenn ich ihn bitte, mich zu gesellschaftlichen Ereignissen zu begleiten, da er immer etwas Interessantes findet, über das er sich später auslassen kann. Jetzt klang er allerdings missmutig.

»Ich bin zu dieser Weihnachtsfeier bei einem deiner Polizeifreunde mitgekommen, weißt du noch? Die, bei der mir der Gastgeber die ganze Zeit in den Ausschnitt gestarrt hat und irgendein Teenager so betrunken war, dass er mir fast auf die Wildlederschuhe gekotzt hätte. Dachtest du vielleicht, ich würde dieses Jahr noch einmal so etwas über mich ergehen lassen?«

»Großartige Party«, sagte er und kniff mich sanft in die Taille. »Ich glaube, ich hole mir ein paar Shrimps, falls dieser Widerling welche für uns übrig gelassen hat.«

Dez führte seine Frau zu dem Schreibschrank, und sie begutachteten ihn beide ausgiebig, oder zumindest er tat es. »Hübsch«, sagte er zu Trevor und winkte dabei fröhlich zu mir herüber. Aus irgendeinem Grund erwartete ich noch mehr, denn Dez war fast so arrogant und darauf bedacht, die Konkurrenz auszustechen, wie Blair. Vielleicht war er entschlossen, seine Enttäuschung, von Baldwin übertroffen worden zu sein, nicht zu zeigen. Dez war in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Mackintosh in den Händen seines Rivalen befand, so gelassen, dass ich mich tatsächlich fragte, ob der Telefonanruf bei Trevor genau in dem Moment, in dem Blair überlegte, ob er den Schrank kaufen sollte oder nicht, vorgetäuscht war und nicht jemand völlig anderes am Apparat gewesen war. Fingiert oder nicht, die Aktion hatte die gewünschte Wirkung bei Blair erzielt. Offenbar gab es keine Möglichkeit, Dez danach zu fragen, und es machte ohnehin keinen Unterschied. Blair hätte den Schreibschrank an diesem Tag gekauft, egal was er gekostet hätte. Außerdem brannte ich darauf zu erfahren, was Blair für ihn bezahlt hatte, doch auch bei dieser Frage wusste ich nicht, wie ich sie ohne Umschweife stellen sollte, und meine subtilen Versuche, es von Trevor oder Blair zu erfahren, wurden schlichtweg ignoriert.

In Wirklichkeit schenkten die meisten Leute dem Sekretär wenig Aufmerksamkeit, denn sie waren mehr am Essen, an den Getränken und den anderen Gästen interessiert. Mein Blick schweifte jedoch häufig zu ihm hinüber. Irgendetwas störte mich an ihm, ein Gefühl, für das ich meine zwiespältigen Ansichten über die Eigentumsrechte an einem solch schönen Stück verantwortlich machte. Auch wenn ich gerne aller Welt eine Antiquität verkaufen würde, aus welchem Grund auch immer jemand sie sich wünscht, werde ich, wenn man mich fragt, immer antworten, dass man etwas kaufen sollte, was einem gefällt und was man auch braucht. Glauben Sie mir, Sie würden mich niemals dabei ertappen, dass ich meinen Laptop und meine Kaffeetasse auf einen 1,5 Millionen teuren Schreibschrank stelle. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Auch wenn Blair offensichtlich vollkommen hingerissen war, was ich ihm ja gönnte, ich habe immer das Gefühl, dass etwas von einer solchen Qualität, das von der Hand eines Meisters wie Mackintosh geschaffen wurde, im Grunde allen gehört und nicht nur einem »Billionär«. Ich hoffte, dass Blair sich dazu überreden lassen würde, das Möbelstück einem Kunstmuseum zu stiften, wenn es eine Weile in seinem Besitz gewesen war. Ich war sicher, dass es viele gab, die es sehr geschätzt hätten.

Zu denjenigen, die offensichtlich nicht nur interessiert waren, sondern deren Begehrlichkeit geweckt war, zählte der Kurator der Möbelgalerien des Cottingham Museums. Entweder gefiel es Blair, Stanfield Roberts zu triezen, weil das Cottingham wahrscheinlich darauf erpicht war, ein solches Stück in seiner Sammlung zu haben. Oder er freute sich ernsthaft, seine Erwerbung einem Mann zu zeigen, der mir sicher zustimmen würde, dass der Mackintosh in ein Museum gehörte. Stanfield hatte sich kaum Zeit genommen, in der Eingangshalle die gebotenen gesellschaftlichen Artigkeiten von sich zu geben, bevor er geradewegs auf den Schreibschrank zueilte. Er warf sich in Positur, ein anderer Begriff trifft es nicht, und sah dabei ungemein kunstverständig und interessiert aus. Sein Kinn ruhte auf seiner linken Hand, während der Ellbogen von seiner rechten gestützt wurde. Nachdem er den Schrank ein paar Minuten lang nachdenklich betrachtet hatte, trat er schließlich noch näher heran und begutachtete ihn eingehender. Als er ihn gründlich untersucht hatte, trat er ein paar Schritte zurück und lächelte leicht. Ich konnte nicht einschätzen, ob das bedeutete, dass er entzückt war, in Gegenwart eines so wunderbaren Stückes zu sein, oder ob es auf etwas anderes schließen ließ. Ich weiß lediglich, dass Trevor jede seiner Bewegungen und Gebärden beobachtete.

»Ich würde ihn mir sehr gern noch genauer ansehen, und zwar ungestört«, sagte Stanfield zu Blair, der auf ihn zuging. »Ich würde nicht im Traum daran denken, es jetzt zu tun, mit all den Leuten hier, aber dürfte ich irgendwann diese Woche vorbeikommen?«

»Natürlich«, sagte Blair. »Sie und Ihre Kollegen vom Cottingham sind stets willkommen, meine Sammlung zu begutachten.« Für einen Mann wie Blair, der es aus eigener Kraft zu etwas gebracht hatte, musste dies ein ziemlich bedeutender Augenblick gewesen sein.

»Ich freue mich schon«, sagte Stanfield, doch aus irgendeinem Grund wirkte er eher amüsiert als erfreut.

Irgendwann im Laufe des Abends gelang es Leanna, die zu diesem Zeitpunkt völlig blau war, sich ihren Zickzackweg zu Blair zu bahnen. Sie schüttete sofort etwas Champagner über sein Jackett, was ihn offensichtlich verärgerte. Ich kann nicht behaupten, dass ich Leanna jemals völlig nüchtern erlebt hätte, aber schließlich habe ich sie immer nur bei Anlässen wie diesen gesehen. Es mag gut sein, dass sie bei zahlreichen Gelegenheiten nüchtern ist, doch diese hier gehörte nicht dazu. Clive nannte sie gern »die lustige Leanna« – natürlich nicht, wenn sie anwesend war.

Als Blair versuchte, sein Jackett mit einer Serviette abzuwischen, beugte sich Leanna vor, flüsterte ihm etwas ins Ohr und begann, an seinem Arm zu zerren. Blair schüttelte den Kopf, aber sie blieb beharrlich und führte ihn schließlich zu dem Sekretär. Sie beäugte alles, öffnete und schloss die Türen und Schubladen, bis Dez kam und sie wegzog. Nachdem sie verschwunden war, stand Blair regungslos da, starrte beinahe eine ganze Minute lang auf das Möbelstück und ging dann mit finsterem Gesichtsausdruck zu Stanfield Roberts vom Cottingham und sprach mit ihm. Beide Männer gingen hinüber zu dem Schreibschrank, um sich kurz zu beraten, bis Blair hastig den Raum verließ und die Feier ohne ihn weiterlief.

Ich stand mit Rob, Clive und Moira in der Menge, nicht weit von dem Objekt, als Blair zurückkehrte. Er hatte eine Axt in der Hand. Er ging zu dem Schreibschrank, holte mit der Axt aus und hatte ihn binnen weniger Sekunden in mehrere Teile zerhackt. Kinnladen fielen herab, Hände wurden vors Gesicht geschlagen, und mehrere Leute begannen, auf die Tür zuzueilen. »Wylie!«, rief Blair und sah sich im Raum um. »Wo bist du, du Schwein?«

Trevor war jedoch nirgendwo zu sehen. Jetzt wandte Blair seine Aufmerksamkeit jemand anderem zu. »Du!«, er zeigte direkt auf mich, »bist entweder auch eine Betrügerin oder unfähig. In jedem Fall bin ich mit dir fertig, Babe!« Einen Moment lang sah es so aus, als würde er direkt auf mich zukommen und die Axt schwingen, aber Rob stellte sich zwischen uns. Stattdessen hob Blair das größte der Trümmerstücke auf, ging auf die Glastüren zu, die auf eine Terrasse hinausführten, und begann, die Möbelteile Stück für Stück hinauszuwerfen.

»Nichts wie raus hier!«, flüsterte Clive.

»Ich bin dabei«, erwiderte Rob.

»Einen Moment noch …«, sagte ich und sah den Teilen nach, die zur Tür hinausflogen, aber Clive packte mich an einem Arm und Rob an dem anderen, und gemeinsam zerrten sie mich zur Eingangstür hinaus.

Als wir rund um meinen Wohnzimmertisch saßen und ein großartiges Abendessen zu uns nahmen, das Rob gekocht hatte, waren wir uns alle darüber einig, dass diese Party nicht zu den besonders gelungenen zählte. Alle – Rob, Moira und selbst Clive – versuchten, mich aufzumuntern, indem sie so liebenswürdig wie immer waren. Sie gaben sich große Mühe, aber mich nervte es eher. »Man kann nicht immer alles richtig machen, Schatz«, sagte Rob in beruhigendem Ton, als ich nicht aufhörte zu reden. Was mir am meisten Sorgen bereitete, war, wie ich ihnen mindestens hundertmal erzählte, dass mehrere unserer Kunden auf der Party gewesen waren. Ich fragte mich, was sie denken würden.

»Er hat dir nicht genügend Zeit gelassen, um ein richtiges Urteil fällen zu können«, sagte Moira. »Du hast ihm gesagt, dass du nicht sicher bist.«

Überraschenderweise kam ausgerechnet von Clive, der normalerweise mein Sargnagel ist, obwohl ich immer noch seine Geschäftspartnerin bin, und der fast seine ganze Zeit damit verbringt – davon bin ich überzeugt –, sich Dinge auszudenken, mit denen er mich ärgern kann, etwas ansatzweise Tröstendes. »Ich würde gern ein Stück von dem Holz sehen«, sagte er nach ein paar Gläsern Wein.

»Aus welchem Grund denn das?«, fragte Moira.

»Bei der Party hatte ich keine Gelegenheit, ihn mir näher anzusehen, unter anderem, weil alle so von dem Teil fasziniert waren. Ich wundere mich nur«, sagte er.

»Worüber wunderst du dich?«, fragte Moira. »Außerdem war keiner an dem Schreibschrank interessiert. Alle waren scharf auf die Austern und den Champagner und haben versucht, sich eine günstige Position in der Nähe der Promis zu verschaffen, genau wie du.«

»Stanfield Roberts war fasziniert. Meiner Ansicht nach trifft Lara nicht oft falsche Entscheidungen, außer vielleicht, als sie sich von mir hat scheiden lassen. Ich würde mir das Holz einfach gern selbst ansehen.« Wenn man bedachte, dass Clive, gesetzt den Fall, dass sich unsere Kunden von Baldwins Anschuldigung abschrecken ließen, mit Sicherheit ebenso viel verlieren würde wie ich, hielt ich diese Bemerkung für sehr großzügig.

»Glaubst du, dass Baldwin das ganze Ding zerhackt hat, weil er dachte, es sei eine Fälschung?«, fragte Rob. »Das wäre ein schwerer Fehler, nicht wahr? Ich meine, ich kenne mich mit antiken Möbeln nicht aus, aber der Schrank sah doch gut aus.«

»Es war ein schönes Stück, selbst wenn es eine Fälschung gewesen sein sollte. Blair hätte das nicht tun dürfen. Und sofern es ein echter Charles Rennie Mackintosh war, müsste er dafür bestraft werden, dass er ihn zerstört hat, meinst du nicht?«, fragte Moira. Sie hatte ihre Frage an Rob gerichtet, der sich als Mountie mit solchen Dingen auskennen musste.

»Ich bin nicht sicher«, überlegte Rob. »Das Teil gehörte ihm, und mir ist kein Gesetz bekannt, dass es unter den gegebenen Umständen schützen würde. Er könnte allerdings auch reingelegt worden sein, dann wäre Lara entlastet. Dessen müssten wir uns vergewissern. Aber war es das, worauf du hinauswolltest, Clive?«

»Ich weiß nicht, worauf ich hinauswollte«, sagte Clive. »Ich glaube, ich meinte, wir waren etwas voreilig, als wir Lara da rausgezerrt haben, bevor sie sich den Sekretär näher ansehen konnte. Ich würde einfach nur gern selbst ein Stück davon sehen.«

Ich beschloss, dass es auf jeden Fall eine gute Idee war, das Holz in Augenschein zu nehmen, weshalb ich mich früh am nächsten Morgen versteckt in einer Lücke in der Zedernhecke, die Blair Baldwins Zuhause umgibt, wiederfand. Ich war bereits dort, als Baldwin unter seinen sechs Autos eines für den Tag aussuchte. Er hatte in seiner riesigen Garage eine Drehscheibenvorrichtung, sodass er nur einen Knopf zu drücken brauchte, bis der richtige Wagen erschien. Das Ganze erinnerte mich an einen Flugzeugträger, und es liegt außerhalb meiner Vorstellungskraft, wie viel das alles gekostet haben mochte. Jedenfalls wählte er einen silbernen Porsche und fuhr mit quietschenden Reifen davon. Ein paar Minuten später hatte das Dienstmädchen die Terrasse gefegt, auf der in der Nacht zuvor die großen Möbelteile gelandet waren. Jetzt war nichts mehr davon zu sehen. Das Gelände bot einen Anblick, der gründliche Gartenpflege vermuten ließ. Es gab keinen Grashalm, der nicht an Ort und Stelle war, und keine noch so geringe Chance, dass der Gärtner ein Restchen übersehen hatte.

Ganz hinten war jedoch ein großer Müllcontainer, und ich arbeitete einen Plan aus, der im Wesentlichen darin bestand, quer über das Gelände zu rennen oder vielleicht von dem dahinterliegenden Weg aus hinzuschleichen und dann athletisch auf den Container zu klettern, woraufhin ich ganz oben ein Stück des Schreibschranks finden und mich davonmachen würde. Es war eine lächerliche Idee, ich weiß, und ich fühlte mich wie eine komplette Idiotin, als ich dort im Gebüsch kauerte. Davon abgesehen hatte ich keine Ahnung, was ich sagen würde, wenn mich jemand vom Haus aus sehen und die Polizei rufen würde.

Während ich so dastand und versuchte, mich davon zu überzeugen, dass ich es auf diese Weise schaffen könnte, kam ein großer Müllwagen die Auffahrt hinauf, packte den Container und entleerte ihn in seinen Laderaum. Ich hörte, wie die Presse ansprang, und verzweifelte. Ich würde nie erfahren, ob Trevors Schreibschrank eine Fälschung gewesen war oder nicht. Ich hätte heulen können. Stattdessen stand ich geduckt zwischen den Zweigen und beobachtete, wie der Container wieder in die Auffahrt zurückgestellt wurde.

Und dann entdeckte ich es: ein Holzstück, das heruntergefallen war, vielleicht als der Container ausgekippt worden war. Ich bahnte mir einen Weg durch die Hecke, sprintete zur Auffahrt, packte meinen Fund und trat wenige Minuten später durch die Hintertür von McClintoch & Swain.

»Ist das ein neues Parfum? Du duftest wie ein Weihnachtsbaum«, sagte Clive. »Weißt du, dass dein Gesicht zerkratzt ist?« – »Der Schreibschrank«, sagte ich und hielt meinen Schatz in die Höhe.

»Gut gemacht!«, sagte er. »Ein Stück von idealer Größe, und dazu noch mit dem Schloss. Mach mal die Lampe dort an!«

»Mahagoni«, sagte ich.

»Ja«, stimmte er zu. »Altes Holz. Wunderbare Oberfläche. Alles Handarbeit. Ziemlich gut gemacht.«

»Ja. Ein Meister seines Faches, das ist sicher.«

»Das mit dem Schloss ist zu schade«, sagte er.

»Ja, das stimmt«, pflichtete ich ihm bei.

»Was schätzt du, wann es hergestellt wurde? Vor fünfzehn Minuten vielleicht?«

»So was in der Art.« Ich versuchte, unbeschwert zu klingen, aber in Wahrheit fühlte ich mich zutiefst gedemütigt.

»Ich wundere mich, dass du das nicht gesehen hast«, sagte er. »Du musst wirklich von Blair Billionär unter Druck gesetzt worden sein, oder warst du eher verzaubert von Trevor, dem Gauner?«

»Ich habe das Schloss überprüft«, erwiderte ich. »Ich weiß nicht, warum mir das entgangen ist.«

Clive sagte einen Moment lang nichts. »Es ist in Ordnung«, sagte er schließlich und klopfte mir auf die Schulter. »Wir werden es überleben.«

Ich hasse es geradezu, wenn Clive nett zu mir ist, und die einzige Person, die mir einfiel, an der ich mich rächen konnte, war Trevor, der es sicherlich verdiente. »Trevor hatte eine Menge Zeit, sich das Schloss anzusehen. Ich werde dies hier mit ins Scot Free nehmen und mich ein wenig mit ihm unterhalten.«

»Wirst du ihn damit schlagen?«

»Möglicherweise. Danach werde ich dafür sorgen, dass Blair sein Geld zurückbekommt, da ich annehme, dass Trevor es nicht freiwillig herausrücken wird und Blair zu stolz ist, um darum zu bitten.«

»Sei vorsichtig«, sagte er. »Es ist alles schon schlimm genug.«

Die Tür zum Scot Free war offen, und die Glocke ertönte, aber Trevor zeigte sich nicht. Vielleicht hatte er mich kommen sehen und ganz richtig vermutet, dass ich nicht gerade gut gelaunt war. Ich ging ein Stück die Treppe in den ersten Stock hinauf und rief seinen Namen, aber mir schlug nur Stille entgegen.

Ich ging geradewegs ins Büro, sah mich kurz um, um sicherzugehen, dass ich allein war, und durchsuchte Trevors Schreibtisch. Hier musste etwas sein, das mir Aufschluss darüber geben würde, was ich wissen wollte. Man konnte Trevor nicht als ordentlichen Menschen bezeichnen oder als besonders effizienten Buchhalter, aber wenigstens bewahrte er seine Zollformulare und Versandpapiere in einem Ordner auf, und sein Kalender schien auf dem neusten Stand zu sein. Als ich die Daten seiner Schottlandreise mit ein paar späteren Frachtbriefen verglich, fand ich die Dokumente für einen umfangreichen Schiffstransport aus Glasgow. Dutzende von Positionen waren aufgelistet, und ich wollte gerade anfangen, sie alle durchzugehen, als ich einen unfrankierten, an mich adressierten Briefumschlag entdeckte. In dem Moment, als ich ihn öffnen wollte, hörte ich ein Knarren in der Decke über meinem Kopf.

»Trevor, du kleiner Wurm!«, sagte ich und lief auf die Treppe zu. Aber es war nicht Trevor. Es war Mr Fahrradklammer, der über das Geländer spähte. Seine Brille wurde jetzt über dem Nasenrücken von etwas zusammengehalten, das wie Gewebeklebeband aussah. »Warum schleichen Sie hier herum?«, fragte ich.

»Aus dem gleichen Grund wie Sie«, erwiderte er aggressiv.

»Und was könnte das für ein Grund sein?«, fragte ich.

»Herumschnüffeln«, sagte er. »Ich konnte von hier oben aus beobachten, wie Sie das Zeug auf dem Schreibtisch durchgesehen haben.«

»Ich habe hiernach gesucht«, sagte ich und hielt den Briefumschlag hoch. »Er ist an mich adressiert. Ich habe Trevor gesagt, dass ich ihn holen würde.«

Der Mann war so gnädig, zumindest verlegen zu wirken. »Es hat lange gedauert, bis Sie ihn gefunden haben«, sagte er schließlich.

»Weil Trevor ihn woanders hingelegt hat, als er mir angekündigt hat«, antwortete ich und verlieh meiner Lüge ohne jegliche Skrupel Nachdruck. »Also, wo ist Trevor, und warum schnüffeln Sie hier herum?«

»Ich habe keine Ahnung, wo er ist«, sagte der Mann. »Ich sehe mich nur um. Dieses Geschäft gefällt mir.«

»Sie haben schon gelauscht, als ich das letzte Mal hier war«, sagte ich. »Ich glaube Ihnen nicht.«

»Ich glaube Ihnen auch nicht«, erwiderte er.

»Ich rufe die Polizei«, sagte ich, drehte mich um und ging auf das Büro zu.

»Ich versuche nur, meiner Großmutter zu helfen«, sagte er.

»Ihrer Großmutter?«, fragte ich in einem Tonfall, der vor Misstrauen triefte.

»Ehrlich«, antwortete er. »Er gehörte – gehört! – meiner Großmutter. Sehen Sie«, fügte er hinzu und zog seine Geldbörse heraus. »Ich habe ein Foto von ihr mit dem Ding.« Ich blickte auf das Foto, das er mir hinhielt. Es war der Mackintosh, und daneben stand eine sehr nett aussehende ältere Frau. »Sie war nicht mehr ganz in Ordnung, wissen Sie – sie litt an Demenz, und dieser schleimige Trevor Wylie hat sie durch Schmeicheleien dazu gebracht, ihn zu verkaufen, bevor jemand sie davon abhalten konnte. Sie wollte gar nicht verkaufen und erinnerte sich nicht mehr daran, was sie alles besaß. Trevor ließ innerhalb von einer Stunde einen Lastwagen vor ihrer Tür vorfahren. Er wusste genau, was er haben wollte, und hat ihr wesentlich weniger gezahlt, als das Stück wert war. Sie hatte keine Quittung oder so was, und er bezahlte bar, aber sie dachte, er sei aus Toronto, obwohl er wie ein Schotte klang, und sie wusste, dass er Trevor hieß. Wir können uns keinen Privatdetektiv leisten, also bin ich hierhergeflogen, und da bin ich nun. Ich dachte, wenn ich das mit meiner Großmutter erkläre, würde er es sich noch einmal überlegen. Sie braucht das Geld. Damit sollte ihre Pflege bezahlt werden. Ich weiß nicht, ob Sie bei dieser Gaunerei mit Wylie unter einer Decke stecken, aber wenn ja …« Er sah aus, als würde er gleich anfangen zu weinen.

»Nein, das tue ich nicht«, sagte ich. »Und das mit Ihrer Großmutter tut mir leid. Die Wahrheit ist jedoch, dass sie bei dem Geschäft wahrscheinlich sowieso mehr als angemessen bekommen hat. Es war eine Fälschung. Ich nehme an, das wissen Sie.«

»Eine Fälschung?«, fragte er. »Das stimmt nicht.«

»Doch«, sagte ich. »Das war es.«

»Ist!«, rief er. »Was meinen Sie mit ›war‹? Meinen Sie nicht ›ist‹?«

»Ich meine, dass der Schrank weg ist. Er wurde zerstört. Was auch immer er war, er ist nicht mehr da.«

»Nein!«, schrie er. »Das kann nicht Ihr Ernst sein!«

»Ich fürchte doch. Das mit Ihrer Großmutter bedaure ich. Trevor hätte das nicht tun sollen, aber das Stück war nicht echt.«