Totalitarismustheorien in der jungen BRD - Joachim Gmehling - kostenlos E-Book

Totalitarismustheorien in der jungen BRD E-Book

Joachim Gmehling

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Beschreibung

Die 1948 im Auftrag der US-amerikanischen Militärregierung gegründete Zeitschrift Der Monat war ein intellektueller Brennspiegel der jungen Bundesrepublik, in dem die politischen Deutungskonflikte - mit Fokus auf den Nationalsozialismus, den Sowjetkommunismus und die Zukunft der westlichen Welt - ausgetragen wurden. Zu ihrem Renommee trug bei, dass sie zahlreiche prominente Autoren wie Hannah Arendt, Raymond Aron, Hans Kohn, Herbert Lüthy, George F. Kennan oder auch die Exkommunisten Arthur Koestler, George Orwell und Richard Löwenthal versammelte. Joachim Gmehling zeigt, welches Bild in der Zeitschrift vom nationalsozialistischen und sowjetkommunistischen Herrschaftssystem gezeichnet wurde und wie der Vergleich der beiden Diktaturen ausfiel. Dabei rekonstruiert er nicht nur den Einfluss der zeitgenössischen Totalitarismustheorien sowie die Imperative der US-amerikanischen Besatzungspolitik in Westdeutschland, sondern geht auch auf die CIA-Hintergründe des Periodikums ein. Eine Studie zu den Anfängen des Kalten Krieges, die angesichts der vielschichtigen Krise der westlichen Demokratien an Aktualität gewinnt.

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Seitenzahl: 1867

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Editorial

Die Reihe wird herausgegeben von Michael Hochgeschwender, Christof Mauch, Anke Ortlepp, Ursula Prutsch und Britta Waldschmidt-Nelson.

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Joachim Gmehling (Dr. phil.), geb. 1962, lebt in Bremen und forscht aktuell zur Entstehungsgeschichte von drei Kasernenanlagen in der NS-Diktatur im Kontext der Herstellung der »Volksgemeinschaft« in Bremen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Totalitarismus, Extremismus, Terrorismus und politische Ideengeschichte, deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (insbes. in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus), Geheimdienste sowie Intellektuelle..

Joachim Gmehling

Totalitarismustheorien in der jungen BRD

Zur Kritik des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus in der Zeitschrift »Der Monat«

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 Lizenz (BYSA). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwecke, auch kommerziell, sofern der neu entstandene Text unter derselben Lizenz wie das Original verbreitet wird. (Lizenz-Text: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ deed.de)

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Erschienen 2022 im transcript Verlag, Bielefeld © Joachim Gmehling

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld

Lektorat: Dr. Wolfgang Delseit, Köln

Satz: TIESLED Satz & Service, Köln

Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar

Print-ISBN 978-3-8376-4391-6

PDF-ISBN 978-3-8394-4391-0

EPUB-ISBN 978-3-7328-4391-6

https://doi.org/10.14361/9783839443910

Buchreihen-ISSN: 2702-8046

Buchreihen-eISSN: 2702-8054

Besuchen Sie uns im Internet: https://www.transcript-verlag.de

Unsere aktuelle Vorschau finden Sie unter www.transcript-verlag.de/vorschau-download

Inhalt

Vorwort

Einleitung

Fragestellung, Aufbau und Methode der Arbeit

Forschungsstand

Die wechselvolle Geschichte des Totalitarismusbegriffs

IDie Zeitschrift Der Monat im Kontext des Kalten Krieges

1.Die politische und ideologische Genese des Kalten Krieges. Der frühe intellektuelle und politische Antikommunismus in den Vereinigten Staaten

1.1Der Zweite Weltkrieg und das schwierige Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion

1.2Frühe Renegatenberichte und ihre Erkenntnisse über das totalitäre Herrschaftssystem für die Vereinigten Staaten

1.3Die Auseinandersetzung mit der Sowjetunion und der Spaltungsprozess in der amerikanischen politischen Linken

1.4Zum Antikommunismus der »Riga-Fraktion«

1.5Die Konfrontation mit dem Nationalsozialismus und dem Sowjetkommunismus während des Zweiten Weltkrieges und die Rolle von Intellektuellen und Wissenschaftlern in der Abteilung »Research and Analysis« des US-amerikanischen Geheimdienstes

1.6Die »Kommunismusforschung« in der US-Administration nach dem Sieg gegen den Nationalsozialismus

1.7Der ›realistische Blick‹ auf die sowjetische Außenpolitik unter Truman nach dem Ende der Anti-Hitler-Koalition

1.8Die Gründung der CIA und ihre verdeckten Operationen

2.Die Deutschlandfrage im Schatten des Kalten Krieges

2.1Grundzüge der Deutschlandpolitik bei den Alliierten während des Zweiten Weltkrieges

2.2Zunehmende Eskalation zwischen den Supermächten

2.3Unterschiedliche Vorstellungen der Besatzungsmächte bei der konkreten Deutschlandpolitik

2.4Die Genese des ›weichen‹ Kurses in der amerikanischen Besatzungspolitik angesichts der sowjetischen Herausforderung und das endgültige Scheitern der diplomatischen Zusammenarbei der ehemaligen Verbündeten

3.Berlin als Schnittpunkt der feindlichen Systeme und die Krise 1948/49

4.Die besondere Funktion des Monat im Nachkriegsdeutschland und die Rolle der Totalitarismustheorie

4.1Die Nürnberger Prozesse und die Auseinandersetzung mit der NS-Diktatur

4.2Die lange Vorgeschichte des Monat

4.3Die Gründung und die Funktion des Monat

4.4Die inhaltliche Ausrichtung des Monat unter der Ägide Laskys

4.5Die Rolle der Totalitarismustheorie in der frühen Bundesrepublik

5.Der »Kongreß für kulturelle Freiheit« in Berlin

6.Historische Zäsuren des Monat

6.1Der Tod Stalins

6.2Chruschtschows Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU

IIDas Totalitarismusphänomen im Fokus des Monat

1.Reflexionen von Hans Kohn und Hannah Arendt zu einer Archäologie totaler Herrschaft oder: vom »glücklichen 19. Jahrhundert« zum »Jahrhundert des Nationalismus«

2.Totalitäre Erfahrungen im 20. Jahrhundert: das Totalitarismusphänomen und die ehemaligen Kommunisten

2.1Die Erfahrungen von Margarete Buber-Neumann als exemplarischer Fall

3.Frühe Auseinandersetzung der Renegaten mit dem Totalitarismus vor dem Hintergrund ihrer Rolle im Monat

3.1Die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismus in den Zeitschriftenprojekten von Willi Münzenberg und Dwight Macdonald

3.2Die Totalitarismusstudien von Franz Borkenau und James Burnham

3.3Zur Bedeutung der Renegaten für die Totalitarismustheorie

3.4Die Rolle der Renegaten im Monat

4.Porträts einiger Exponenten des Monat Vorbemerkung

4.1Franz Borkenau

4.2Richard Löwenthal

4.3Arthur Koestler

4.4George Orwell

4.5François Bondy

4.6Raymond Aron

4.7Hans Kohn

4.8Hannah Arendt

4.9Peter de Mendelssohn

4.10Herbert Lüthy

5.Warum hat Franz Neumann nicht im Monat geschrieben? Ein ›Negativporträt‹

IIIExkurs

Die frühe Totalitarismusdiskussion in Frankreich. Der Krawtschenko- und Rousset-Prozess, die sowjetischen Lager und die französische Linke

IVDie qualitative und quantitative Analyse des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus im Monat

1.Analyse des Nationalsozialismus

1.1Vorbemerkung und Fragestellung

1.2Empirische Auswertung der Veröffentlichungen. Kategorisierungen der Beiträge und die Autoren

1.3Einführung zum Nationalsozialismus: Dr. Goebbels privat

1.4Die Genesis der nationalsozialistischen »Machtergreifung« oder: das »Scheitern« der Weimarer Republik.

1.5Die nationalsozialistische Herrschaftspolitik bis 1938

1.6Der Zweite Weltkrieg und der deutsche Widerstand

1.7Die Memoirenliteratur und der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder: das »Erinnerungsbuch« Ernst von Weizsäckers

1.8Die nationalsozialistischen Massenverbrechen und die »Endlösung der Judenfrage«

1.9Die NS-Experten des Monat: Hugh R. Trevor-Roper und Walther Hofer

1.10Kommentierende Zusammenfassung

1.11Analytisches Resümee (Thesen)

2.Analyse des Sowjetkommunismus

2.1Vorbemerkung und Fragestellung

2.2Die Russische Revolution als Genesis der kommunistischen Gewaltherrschaft

2.3Der Aufstieg Stalins und die »Zweite Revolution« Ende der 1920er-Jahre

2.4Das stalinistische Herrschaftssystem und der »Große Terror« in den 1930er-Jahren

2.5Der Stalinismus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges

2.6Der Nachstalinismus: das kommunistische Herrschaftssystem unter Chruschtschow

2.7Der XX. Parteitag der KPdSU und die Folgen oder: das »Jenseits des Stalinismus«

2.8Von der Entstalinisierung in Polen und der Ungarischen Revolution 1956 bis zur ›Alleinherrschaft‹ Chruschtschows

2.9Analytisches Resümee

3.Vergleichende Analyse der totalitären Herrschaftssysteme des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus

3.1Vorbemerkung und Fragestellung

3.1.1Die Veröffentlichung der Totalitarismusstudien Eric Voegelins 1938 und der 1950er-Jahre sowie ihre analytischen Definitionsmerkmale

3.2Das Phänomen des nationalsozialistischen und sowjetkommunistischen Totalitarismus und der Terrorvergleich

3.3Der Vergleich der nationalsozialistischen und stalinistischen Konzentrationslager

3.4Nationalsozialismus und Sowjetkommunismus als ›politische Religion‹

3.5Analytisches Resümee

VExkurse

1.Die Auseinandersetzung mit der Geschichte des ›Dritten Reiches‹ in den 1960er-Jahren im Monat im Kontrast zur empirischen NS-Forschung in Westdeutschland

2.Die Infragestellung der Totalitarismustheorie in der Wissenschaft im Gegensatz zur Totalitarismuskonzeption im Monat in den 1960er-Jahren

VIZusammenfassung. Historisch-politische Kontextualisierung und abschließende Bewertung

Abkürzungsverzeichnis

Quellen- und Literaturverzeichnis

 

Für Elfriede Gmehling und Hannah Heibült

Vorwort

Wir bekämpfen den Faschismus. Wie aber können wir ihm mit so vielen Konzentrationslagern im Rücken den Weg verstellen?

Victor Serge in einem Brief an André Gide 1936

Der neue Feind, dem man sich mit Beginn des Kalten Krieges zu stellen hatte, war der Kommunismus.

Norberto Bobbio

I

Meine Suche nach einem relevanten Dissertationsthema1 führte mich vor knapp zehn Jahren zu der Zeitschrift Der Monat,2 deren Namen mir bis dahin vollkommen unbekannt war. Nur einige Autorinnen und Autoren des Blattes sagten mir etwas: so zum Beispiel die Philosophin, politische Theoretikerin und Totalitarismusforscherin Hannah Arendt, der französische Soziologe und Philosoph Raymond Aron oder die zahlreichen ehemaligen Anhänger der kommunistischen und trotzkistischen Bewegungen und Ideen wie Arthur Koestler, Franz Borkenau, Margarete Buber-Neumann, George Orwell, Ignazio Silone, Manès Sperber oder Alexander Weißberg-Cybulski. Diese Renegaten3 lernte ich insbesondere durch ihre autobiografischen Bücher kennen, in denen sie ihre Erfahrungen und den Bruch mit dem Kommunismus respektive Stalinismus schilderten. Andererseits wurden die Erfahrungsberichte der Exkommunisten für mich auch deshalb wichtig, weil sie in der Regel durch den mitanvisierten Vergleich des Sowjetkommunismus und des Nationalsozialismus in gewisser Weise eine »Embryonalform der Totalitarismustheorie« (Wolfgang Kraushaar) darstellten. Da für mich seinerzeit feststand, dass meine Dissertation sich mit ›der‹ Totalitarismustheorie und dem Vergleich der beiden totalitären Systeme befassen soll, also einem Thema, das nicht nur in der Wissenschaft nach der historischen Zäsur des Jahres 1989 Hochkonjunktur hatte, war mit dem Monat mein Untersuchungsgegenstand gefunden.

Was ich allerdings zum damaligen Zeitpunkt nicht ahnte, war, worauf ich mich einließ und wie lange es bis zur Fertigstellung meines Vorhabens dauern würde. Denn erst im Laufe der Zeit wurde mir klar, dass mein Thema eine inhaltliche Dimension und Komplexität besaß, die mir angesichts des zu bewältigenden Stoffes sowie der politischen und wissenschaftlichen Verstrickungen zeitweise den Boden unter den Füßen zu entziehen drohte. Andererseits führte dies dazu, dass ich, je mehr ich mich in meinen Untersuchungsgegenstand hineinarbeitete und je größer mein Wissen darüber wurde, mich ständig neu zu meiner Arbeit stellen und verhalten musste, immer wieder aufs Neue über die verschiedenen Stränge der Arbeit nachdenken musste und wie sich die Dinge, die Institutionen und die von mir behandelten Personen zueinander verhielten. Am Ende kann ich sagen, dass ich am Anfang meiner Dissertation auch nicht im Ansatz wusste, zu welchen Untersuchungsergebnissen ich angesichts meiner zentralen Fragestellungen kommen würde, und dass diese am Ende so ausfallen würden, hatte ich mir auch im Laufe der ersten Jahre nicht vorstellen können.

Die Bedeutung des von mir behandelten Themas »Kritik des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus in der Zeitschrift Der Monat« für die Politik- und Geschichtswissenschaft kann nur schwer in einem Satz zum Ausdruck gebracht werden. Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass mein Thema die verschiedenen Teildisziplinen Totalitarismus-, Kommunismus- und Nationalsozialismusforschung, einschließlich der sogenannten Vergangenheitsbewältigung in Deutschland, also der politischen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Diktatur und ihren Folgen, Intellektuellen- und Geheimdienstforschung, Kalter Krieg und Entwicklung der US-Besatzungspolitik sowie Kulturwissenschaft behandelt und am Ende den Versuch unternimmt, anhand meiner einzelnen Untersuchungsergebnisse eine Synthese zu erarbeiten. Konkret gesprochen heißt das: Anhand der 1948 im Auftrag des US-amerikanischen Militärgouverneurs in Westdeutschland, General Lucius D. Clay, von dem Journalisten Melvin J. Lasky gegründeten Zeitschrift Der Monat kann gezeigt werden, wie speziell im Bereich der vergleichenden Analyse der beiden totalitären Systeme des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus eine Redaktionspolitik betrieben wurde, die den politischen, ideologischen und kulturellen Interessen der Vereinigten Staaten im Kalten Krieg entsprachen und in einem direkten Zusammenhang standen mit den CIA-Hintergründen der linksliberal-antikommunistisch ausgerichteten Intellektuellenorganisation »Kongreß für kulturelle Freiheit«, mit dem das Zeitschriftenorgan organisatorisch, personell, inhaltlich und funktional eng verbunden war.

Hierbei wurden über die Auswahl der Themen und Autoren, die Festlegung von Grundlinien der Berichterstattung und Kommentierung sowie vor allem durch das Ausblenden von bestimmten Themen im Vorfeld wichtige Weichen gestellt, die zudem die Frage der Instrumentalisierung von politischen und wissenschaftlichen Publikationen und Totalitarismusstudien prominenter Autoren einschloss.

Die Relevanz der vorliegenden Arbeit besteht insbesondere aus folgenden Ergebnissen:

1.Es kann gezeigt werden, dass angesichts der durch den Kalten Krieg ausgelösten Entscheidung der Vereinigten Staaten für die Westbindung und die Wiederaufrüstung des ehemaligen Kriegsgegners dahinter das politische Ziel stand, die Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Massenverbrechen zu relativieren und zu neutralisieren, die Wehrmacht als Institution zu rehabilitieren sowie die Mitverantwortung und Mitwirkung der militärischen, bürokratischen, diplomatischen, medizinischen, bildungsbürgerlichen und wirtschaftlichen Eliten zu kaschieren, was ihre Integration in die Nachkriegsgesellschaft erleichterte, und andererseits den sowjetischen Kommunismus zu delegitimieren.

Dieser Prozess der Reintegration der ehemaligen NS-Eliten in die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft koinzidierte mit einer fundamentalen Uminterpretation der Geschichte des NS-Regimes und der deutschen Massenverbrechen.

Hier kam besonders die Redaktionspolitik zum Tragen, der es um das Prinzip der indirekten, diskret gesteuerten Meinungsbildung ging. Das Ziel bestand in einer fundamentalen Uminterpretation der Geschichte des NS-Regimes und der deutschen Massenverbrechen. Entgegen dem zeitgenössischen Forschungs- und Erkenntnisstand ging es nicht mehr in erster Linie um die Aufklärung der genauen historischen, sozialen und politischen Ursachen für den Untergang der Weimarer Republik und die Genese der staatlichen Machteroberung der NS-Bewegung sowie die anschließende innenpolitische und außenpolitische Entwicklung des »Führerstaates« einerseits, den Eroberungs- und Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und das zentrale Verbrechen des NS-Systems, die Vernichtung der europäischen Juden, andererseits.

Als Haupt- und Alleinverantwortliche für die deutschen Massenverbrechen und den Holocaust wurden in erster Linie die ›bösen drei Hs.‹ ausgemacht: Hitler sowie Heydrich und Himmler als Exponenten des SS-Apparates.

Die Abstrahierung und Entwirklichung des NS-Verbrechenskomplexes führte dazu, dass die an dem tatsächlichen Tatgeschehen beteiligten NS-Institutionen und deren Personal, also die wirklichen Täter, nicht in den Fokus rückten. Für die irgendwo »im Osten« begangenen Gewaltverbrechen wurden ein »abnormer Diktator« und eine Handvoll »abnormer Helfer« verantwortlich gemacht und ein anonymer SS-Apparat, dem eine »Monopolstellung des Verbrecherischen« attestiert wurde.4

2.Es kann anhand eines für die politisch-intellektuelle Selbstverständigung und Debatte in der jungen Bundesrepublik zentralen Zeitschriftenorgans gezeigt werden, wie sich nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges in der veränderten politischen und militärischen Landschaft bei der Auseinandersetzung mit der Totalitarismustheorie ein entscheidender Paradigmenwechsel vollzog: weg von einem eher antifaschistischen und antinationalsozialistischen hin zu einem primär antikommunistisch ausgerichteten Totalitarismusverständnis, in dem für den italienischen Faschismus kaum mehr Platz war. Bildete bis dahin der Faschismus bzw. der Nationalsozialismus das Modell, an dem die kommunistische Variante gemessen wurde, übernahm fortan die stalinistische Sowjetunion diese Rolle.

Wie in der Wissenschaft wurde auch im Monat der Nationalsozialismus – im Gegensatz zur Sowjetunion – als noch nicht voll ausgereiftes Muster totalitärer Herrschaft gekennzeichnet. Auf diese Weise blieb der stalinistische Bolschewismus als eigentlicher Modellfall des Totalitarismus.5

3.Bekanntlich fand politisches Denken nach 1945 und in der frühen Bundesrepublik auch in den kulturpolitischen Zeitschriften statt.6 Auch wenn Der Monat mit durchschnittlich 25 000 Exemplaren nicht das auflagenstärkste Zeitschriftenorgan in den 1950er-Jahren war, besaß es für die Auseinandersetzung mit dem Totalitarismusphänomen nationalsozialistischer und sowjetkommunistischer Couleur in der westdeutschen Öffentlichkeit, Publizistik und Wissenschaft eine überragende Bedeutung.

Dies resultierte aus zwei Besonderheiten. Zum einen tat sie dies mit dem Nimbus einer offiziell von den US-amerikanischen Besatzungsbehörden herausgegebenen kulturpolitischen Zeitschrift. Zum anderen hatte Der Monat wie kein anderes Zeitschriftenorgan in der frühen Bundesrepublik aufgrund seines konzeptionellen Formates und der programmatisch-inhaltlichen Ausrichtung einen ganz entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Meinung.

Dies war umso wichtiger, als im hoch politisierten Klima der unmittelbaren Nachkriegszeit und der 1950er-Jahre vor allem Zeitschriften der wichtigste Ort der Produktion und Zirkulation von politisch-gesellschaftlichen Ideen und ein zentrales Forum des intellektuellen Diskurses darstellten.7 Dabei waren die Grenzen zwischen Wissenschaft, Politik, Literatur und Journalismus fließend und wurden gerade im Kontext des kulturellen Kalten Krieges immer wieder neu zur Disposition gestellt.8 Und der herausragende Stellenwert, den Der Monat hierbei einnahm, resultierte auch und vor allem aus dem Umstand, dass er den programmatischen Dialog mit der unmittelbar anvisierten Leserschaft, also der intellektuellen, wissenschaftlichen, bildungsbürgerlichen und politischen Elite der frühen Bundesrepublik, suchte, um so auf kulturelle, gesellschaftliche und politische Konzepte, Strategien und Meinungen Einfluss zu nehmen.

4.Überdies liegt die Bedeutung meiner Untersuchung auch darin, zu zeigen, dass führende Intellektuelle des Westens, darunter zahlreiche Exkommunisten, die über die CIA-Hintergründe des »Kongresses« und seiner intellektuell assoziierten Zeitschriften, namentlich den Monat, bestens informiert waren und angesichts der kommunistischen Herausforderung bereit waren, sich in dem beschriebenen Sinne zu engagieren. Dies hatte allerdings den Verzicht auf intellektuelle Redlichkeit, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit sowie den Anspruch einer grundsätzlichen Orientierung an der Wahrheit zur Folge.

5.Abschließend kann festgehalten werden – quasi als eine Bündelung der einzelnen Untersuchungsergebnisse –, dass der von der Zeitschriftenredaktion des Monat propagierte antitotalitäre Anspruch hinsichtlich der vergleichenden Beschreibung und Analyse des nationalsozialistischen und sowjetkommunistischen Herrschaftssystems in erster Linie als Antikommunismus verstanden und nicht eingehalten werden konnte; hierbei existierten Parallelen zum »Kongreß für kulturelle Freiheit«. Die beiden totalitären Herrschaftssysteme wurden einschließlich ihrer länderspezifischen Vorgeschichte, sowohl was quantitative als auch qualitative Aspekte anbelangt, mit unterschiedlichen Maßstäben untersucht. Außerdem wurden im Kontext der politisch-justiziellen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Geschichte zentrale vergangenheitspolitische Themen und Dimensionen ausgeblendet und gegen die neonazistischen und rechtsradikalen Gefährdungen in der Bundesrepublik erst in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre deutlich Position bezogen.

Insofern stand der Antitotalitarismus des Monat in einer engen Beziehung zu dem in der frühen Bundesrepublik von der Regierung und fast aller im Bundestag vertretenen Parteien immer wieder beschworenen antitotalitären Konsens. Denn dieser verknüpfte die Distanzierung des Nationalsozialismus angesichts des »drohenden Bolschewismus« geschickt mit dem außen- und innenpolitischen Kampf gegen den (sowjetischen) Kommunismus.

Im Gegensatz dazu wurde die Zeitschrift dem antitotalitären Anspruch und Selbstverständnis bei der Auseinandersetzung mit dem Phänomen, warum Intellektuelle der Faszinationskraft des Nationalsozialismus bzw. Sowjetkommunismus und ihren jeweiligen totalitären Ideologien erlagen und sie zumindest eine Zeit lang unterstützten, gerecht. Dies avancierte zum Schlüsselthema vor allem der Zeitschriftenredaktion und des engeren Mitarbeiterkreises.

II

Sollte sich ein Konservatismusforscher im Jahre 3000 einmal mit der Parteienlandschaft der frühen Bundesrepublik beschäftigen, »so dürfte er vergeblich nach erklärtermaßen konservativen Parteien suchen«, schreibt Kurt Lenk in seiner Untersuchung zur Genese und Entwicklung des deutschen Konservatismus.9 Es existierten zweifelsohne kleine konservative Sekten, zudem gab es zwei große ›Volksparteien‹, die sich sozial, freiheitlich und demokratisch nannten, allerdings dürfte er konservative Parteien, die jenen der Weimarer Republik vergleichbar wären, nicht finden. Selbstverständlich existierte unmittelbar nach dem Ende des Nationalsozialismus in den Westzonen eine Splittergruppe namens »Die Deutsche Rechtspartei – Konservative Vereinigung«, allerdings brachte es die von früheren Deutschnationalen gegründete Gruppierung 1946 in der Britischen Besatzungszone auf nur wenige tausend Wähler. Der angesprochene Konservatismusforscher, so Lenk weiter, wird zwar unter den kleinen Gruppierungen auf diverse »Bünde, Kameradschaften und Bruderschaften« stoßen, allerdings blieben diese ohne nennenswerte Wahlerfolge. Keine »dieser Splittergrüppchen« war imstande, bei einer Land- oder gar Bundestagswahl die im Wahlgesetz vorgesehene Sperrklausel zu überspringen. Angesichts seiner Verwunderung über diesen Befund wird der Konservatismusforscher auch die Entdeckung machen, dass die drei westlichen Besatzungsmächte nach dem Ende des Nationalsozialismus anfänglich nur die vier Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und KPD aufgrund ihrer Lizenzierungspolitik zuließen. Vor allem hatten sie ein Auge darauf geworfen, dass sich keine Nachfolgeorganisation der NSDAP bildete.10

Das Nichtvorhandensein ausdrücklich konservativer Parteigruppen in der unmittelbaren Nachkriegszeit erklärt sich Lenk zufolge aus der Tatsache, dass die sogenannte Machtergreifung, die für ihn allerdings tatsächlich eine Machtübertragung war, nur mit der »aktiven Hilfe« der konservativ ausgerichteten ›politischen Klasse‹ am Ende der Weimarer Republik möglich war. »Dieser Umstand war den Nachkriegsdeutschen vor dem Hintergrund der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse noch deutlich bewußt.«11

Der viele Strömungen aufweisende deutsche Konservatismus war nach der totalen Niederlage des NS-Regimes diskreditiert, in seinem Selbstverständnis getroffen und stand vor neuen Herausforderungen. Angesichts der historisch-politischen (Mit-)Verantwortung für den Untergang der Weimarer Republik, die durch die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 durch den Reichspräsidenten Paul von Hindenburg besiegelt wurde, der tiefen Verstrickung der konservativen politischen, wirtschaftlichen, militärischen, bildungsbürgerlichen und intellektuellen Eliten in den NS-Staat sowie in den deutschen Eroberungs- und Vernichtungskrieg mit Millionen von Toten und der fast vollständigen Ermordung der europäischen Juden war es insofern nicht verwunderlich, dass vor diesem Hintergrund im Laufe der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre ein Dialog, eine Auseinandersetzung unter den führenden Vertretern des Konservatismus im westlichen Teil Deutschlands einsetzte. Hierbei stand auch und vor allem die Frage im Zentrum, was der Begriff des Konservatismus angesichts der durch die absolute Niederlage des Zweiten Weltkrieges und der durch die »bedingungslose Kapitulation« geschaffenen Situation des von den drei westlichen Siegermächten besetzten Territoriums nach dem Übergang zur Gründung der Bundesrepublik 1949 im formativen ersten Nachkriegsjahrzehnt bedeutet. Im Unterschied zum verlorenen Ersten Weltkrieg entstand allerdings in der unmittelbaren Nachkriegszeit keine explizit apologetische Literatur des NS-Regimes. Und eine neuerliche »Dolchstoßlegende« konnte angesichts dieser Ausgangsbedingungen nicht entstehen, die die erste deutsche Republik vom ersten Tage an massiv unter Druck setzte und mit der der Beweis erbracht werden sollte, dass die Weimarer Demokratie ein Produkt des »Verrats« an Deutschland darstelle, da das kaiserliche Heer »im Feld unbesiegt« geblieben sei. Der gescheiterte Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 stellte einen ersten herausragenden Versuch seitens der Republikfeinde aus dem Lager der nationalistischen radikalen Rechten dar, der die von Anbeginn nur schwach ausgebildete demokratische Legitimität weiter unterminierte.12

Einen ernst zu nehmenden Versuch einer Erneuerung des Konservatismus und des konservativen politischen Denkens in der bundesdeutschen Nachkriegsdemokratie stellte die Veröffentlichung mit dem Titel Konservativ 1962 von Armin Mohler dar, der nicht zufällig in der Zeitschrift Der Monat erschien und eine kontroverse Diskussion in Gang setzte. Daraus entstand eine Aufsatzserie, an der sich unter der Frage Was ist heute eigentlich konservativ? prominente konservative Denker beteiligten: Golo Mann, Hans-Joachim von Merkatz, Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing, Klaus Harpprecht, Dietrich Schwarzkopf, Eugen Gerstenmaier, Hans Zehrer, Peter Dürrenmatt, zudem Robert Hepp, H. A. Ludwig und Hans Birkhäuser.13 Im Mittelpunkt stand hierbei die Frage, wie sich das konservative Lager in Westdeutschland angesichts der beschleunigten Modernisierung des Landes mit dem in Gang gekommenen gesellschaftlichen, kulturellen, ökonomischen und politischen Wandlungsprozess umgehen sollte. »Welche weltanschaulichen Fixpunkte galten als unumstößlich? Wo waren Flexibilität und Anpassung gefragt?«14

Im Anschluss an diese Aufsatzserie druckte die Redaktion des Monat dann zwei in kritischer Perspektive geschriebene Leserbriefe unter der Überschrift »Was ist konservativ« von Kurt Lenk und Arnhelm Neusüss sowie Hermann Glaser ab.15 So stellten Lenk/Neusüss unter anderem fest, dass die Konservatismusdiskussion auch einem ganz aktuellen politischen Bedürfnis geschuldet war:

[E]s geht letztlich um die Schuldfrage an der Katastrophe des Dritten Reiches. Es geht um die Frage: ist der Faschismus Kehrseite oder Widerpart konservativen Denkens? Und in der Konsequenz: hat es zuviel oder zuwenig Aufklärung in Deutschland gegeben?

Ihrer Auffassung nach muss(te) der Konservatismus angesichts seines eigenen Ideologiebegriffs und der daraus resultierenden Geschichtsauffassung notwendigerweise der als »Zersetzungsprozeß« gedeutete

Ablauf der Geschichte – jedenfalls seit der Französischen Revolution – der rationalistischen Bösartigkeit lebensfeindlicher Intellektueller in die Schuhe schieben. Dieser Optik erscheint die Aufklärung lediglich als gottesferner, gescheiterter Aufstand der von vornherein ohnmächtigen Vernunft gegen die ewig gültigen Seinsgesetze. Auf diese Weise kann dann der Faschismus bequem als Ausgeburt aufklärerischer Geisteshaltung interpretiert werden, als zwangsläufige Perversion menschlichen Autonomiestrebens.

Insofern sei der Konservatismus »Opfer des Nationalsozialismus«, so Lenk/Neusüss weiter mit besonderem Blick auf Mohler, Gerstenmaier und Zehrer, nicht »als der Sieg des Irrationalismus, vom Konservatismus getragen und gefördert, sondern als letzter Aufschrei der entfesselten und entfesselnden Ratio sei der Nationalsozialismus zu verstehen«16.

Vor dem Hintergrund der Mitverantwortung für den Untergang der Weimarer Republik und der erklärten historisch-ideengeschichtlichen Gegnerschaft zu den »Ideen von 1789« seitens eines Großteils des deutschen Konservatismus und der radikalen Rechten17 sowie eines weitverbreitenden Kulturpessimismus einflussreicher Intellektueller18 begann im Monat mit dieser Aufsatzserie im Grunde genommen der öffentlichkeitswirksame und grundsätzliche Versuch einer Neuverortung des Konservatismus und des konservativen Denkens in der frühen Bundesrepublik. Insofern beschritt die Zeitschrift, die in dieser Zeit einen Renationalisierungskurs einschlug, eine neue Phase der Anpassung des deutschen Konservatismus an geänderte politisch-ökonomische und soziale Rahmen- und Kontextbedingungen und hatte somit einen entscheidenden Anteil daran, dass sich innerhalb dieser »Familie« zwei Lager bildeten, die sich fortan in der Bundesrepublik gegenüberstanden: Wollte das eine Lager mit dem Monat als wichtigem Bündnispartner einen Liberalkonservatismus etablieren, knüpfte das andere Lager an die Tradition des antidemokratischen und antiliberalen Denkens der Vertreter der »Konservativen Revolution« der Weimarer Republik an.19 Hierbei erinnerte die Redaktion unmissverständlich an die historische Belastung einer ideologischen und politischen Öffnung nach »rechts«.20 Tatsächlich war es den Verantwortlichen des Monat darum zu tun, dass es bei der »Neuerfindung« des frühen bundesrepublikanischen Konservatismus in keinem Fall zu einem erneuten Bündnis mit den Akteuren der »konservativen Revolution« um Armin Mohler21 oder Winfried Martini22 kommen würde. Andererseits erschien dies angesichts der Weimarer Erfahrung und der kritischen Beobachtung zumal der US-amerikanischen und britischen Besatzungsmächte selbst den Funktionseliten in jenen Jahren als untragbar und wirkte abschreckend.

Das Zeitschriftenorgan schaltete sich gewissermaßen in eine in den USA seit den 1950er-Jahren23 und verstärkt im Übergang zu den 1960er-Jahren geführte Auseinandersetzung ein, die natürlich dort vor einem veränderten politischen, kulturellen und ideengeschichtlichen Hintergrund stattfand und an der sich zumeist moderat konservative Intellektuelle und Wissenschaftler beteiligten.24 Dies koinzidierte mit dem von Edward Shils und Daniel Bell verkündeten und auch für die weitere Geschichte des Kongresses für kulturelle Freiheit richtungsweisenden »Ende der Ideologie«, also die Vorstellung, die fortgeschrittenen Industriegesellschaften des Westens würden aus Sachzwängen heraus zugunsten einer pragmatischen Politik auf ideologische Vorgaben verzichten; wobei es um den Versuch ging, liberales Denken umzuformulieren.25

Wie zu zeigen sein wird, hatten die maßgeblichen Akteure des Periodikums um den Herausgeber und Chefredakteur Lasky einen entscheidenden Anteil an der 1950 im Anschluss an den in Westberlin veranstalteten »Kongress für kulturelle Freiheit« gegründeten gleichnamigen Organisation. Über die Kongressaktivitäten und vor allem über den Monat wurde in der frühen Bundesrepublik der Liberal consensus systematisch verbreitet. Der westliche Teil des in zwei Staaten getrennten Deutschlands bekam angesichts der Erfahrungen der Weimarer Demokratie seitens der USA eine »zweite Chance«, im »Westen« anzukommen. Hierbei stellten sich die Entscheidungsträger der US-Regierungsstellen angesichts ihres Ziels der Demokratisierung der Gesellschaft Deutschlands die besorgte Frage: »Wie westlich sind die Deutschen?«, und entwickelten auf diesem Hintergrund ihre konzeptionellen Überlegungen einer »Westernisierung« (respektive Westernization).26

Dieser Begriff bezeichnet eine Form des Kulturtransfers, der mit dem, was unter Amerikanisierung27 verstanden wird, zwar verwandt, allerdings deutlich voneinander zu unterscheiden ist.28 Die Einflüsse von Westernisierung sind zeitlich gekoppelt an die Zeitspanne von 1945 bis 1970, denn damit war der Transfer von spezifischen Ideen und Wertvorstellungen abgeschlossen, der sicherlich in erster Linie in der Bundesrepublik Deutschland und in abgeschwächter Form in Frankreich und Italien den »Wandel gesellschaftlicher Orientierung tiefgreifend beeinflusst hatte. Es ging hier um die allmähliche Hinwendung zu und Anpassung an angloatlantische Muster soziopolitischer und sozialökonomischer Ordnungsvorstellungen, die zur Überwindung faschistisch-nationalsozialistischer Orientierung und zur Immunisierung gegen kommunistische Einflüsse aus dem östlichen Block dienen sollten.«29 Die eigentlichen Anfänge des Westernisierungsprozesses30 (wie auch der der Amerikanisierung) reichen mindestens in die sogenannte Zwischenkriegszeit zurück, hatte doch gerade der »Sonderweg«, den Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingeschlagen hatte und der mit der Katastrophe des Nationalsozialismus seinen totalitären Höhepunkt fand, auch und vor allem eine Krise des Liberalismus angezeigt. Der Liberalismus zeigte sich nach dem Ersten Weltkrieg außerstande, dem Ansturm der antiliberalen und antidemokratischen Bewegungen des Bolschewismus, Faschismus und Nationalsozialismus standzuhalten.31

Insofern stand die US-Regierung unter Präsident Franklin D. Roosevelt nach Ende des Zweiten Weltkriegs bei ihren politischen Planungen für den Aufbau einer nicht ausschließlich auf die europäischen Staaten bezogenen stabilen politischen Neuordnung vor grundlegenden und komplexen Herausforderungen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Situation der Deutschen nach dem »Dritten Reich« und der Teilung des Nationalstaates speisten sich diese aus den Erfahrungen des Scheiterns Weimars und der Tatsache, dass die erste deutsche Republik eine Demokratie »ohne Demokraten« und das westliche liberale politische Denken nur in einem kleinen Kreis fest verankert und somit die politische Kultur nicht entscheidend ausgeprägt war. Als entscheidender Vorzug der US-amerikanischen Besatzungsmacht in Deutschland sowie in der gesamten Europapolitik Washingtons erwies sich die Tatsache, dass sie die sozialökonomischen und verfassungspolitischen Vorstellungen für eine zukünftige Neuordnung in einem halbwegs festen und noch während der laufenden Kriegshandlungen festgelegten Rahmen vorlegen konnte. Innerhalb dieses zukünftigen Rahmens agierten auch Frankreich und England, indes waren sie als westliche Siegermächte von den USA abhängig und angesichts der Systemkonkurrenz mit der Sowjetunion nicht mit der notwendigen Macht ausgestattet, um eigenständige Neuordnungsvorstellungen in Deutschland zur Geltung zu bringen.32

Hierbei zeichnete sich der US-amerikanische Liberalismus in langfristiger Perspektive durch eine eindrucksvolle Regenerationskraft und Anpassungsfähigkeit aus. Die Roosevelt-Regierung schuf mit dem Marshallplan das zentrale Instrument, um den wirtschaftlichen Rahmen für die US-Nachkriegspolitik abzustecken, denn die Idee, was Demokratie im US-amerikanischen Sinn ausmacht, bezog sich nicht nur auf das politische System, sondern begriff sich auch und vor allem als gesellschaftliches Ordnungsmodell. Unter Rückgriff der Erfahrungen mit dem New-Deal-Keynesianismus aus den frühen Jahren der Roosevelt-Ära konstituierte sich der die kommenden Jahrzehnte prägende US-Liberalismus. Der New Deal propagierte hierbei sowohl die Ideologie des Liberal consensus zwischen Regierung und Gesellschaft als auch innerhalb der nach unterschiedlichen Interessengruppen und Verbänden modern organisierten pluralistischen Gesellschaft (ebd. S. 65 f.).

Der Konsensliberalismus stellte eine in sich geschlossene ideologische Alternative zu den totalitären Herrschaftsmodellen des 20. Jahrhunderts dar, in dessen Zentrum der angelsächsische Liberalismus stand; also die in der lockeanischen Tradition des vernunfthaften, fortschrittsoptimistischen Individuums mit den natürlichen Rechten der persönlichen Freiheit und des privaten Eigentums (ebd., S. 75). Um dieses Zentrum herum wurden seit den 1930er-Jahren die Ordnungsvorstellungen des New Deal in Form von staatsinterventionistischer Wirtschaftspolitik, Sozialreform und das keynesianische Instrumentarium der fiskalpolitischen Globalsteuerung gruppiert. Als entscheidende Komponenten kamen die Philosophie des Pragmatismus und der liberale Internationalismus hinzu, der auf die tendenziell weltweite Ausbreitung des eigenen Systems in wirtschaftlicher, politischer und gesellschaftlicher Hinsicht gerichtet war. (Ebd.) Die ideologische Klammer, die die einzelnen Komponenten des Konsensliberalismus miteinander verband und ihn für die amerikanische Gesellschaft verbindlich machte, war der Antitotalitarismus (ebd., S. 76).

Die besondere Eigenart des Konsensliberalismus lag auf dem Gebiet der Wirtschafts- und Gesellschaftsplanung, was ihn auch besonders geeignet machte für seine Funktion in der Systemkonkurrenz des Kalten Krieges. Im Gegensatz zum frühen US-Liberalismus, der sich staatsfern verstand und das ökonomische Modell der freien Märkte anhimmelte, favorisierte der Konsensliberalismus ein explizit gemäßigtes etatistisches Modell. Das richtete sich auf die Planung wirtschaftspolitischer und gesamtgesellschaftlicher Vorgänge. Um die Freiheit des Individuums zu garantieren, war der starke Staat erforderlich (ebd., S. 76). Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise von 1929 fand in die Ideologie des US-Liberalismus die Kategorie Planung Eingang und bestimmte regierungsamtliches Handeln und die staatliche Politik. Ihre entscheidende Signatur bekam die Ideologie des Konsensliberalismus nach dem Sieg über den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalsozialismus im Hinblick auf die europäischen Verhältnisse nach dem Beginn des Kalten Krieges, diente sie hierbei doch im Kampf gegen sozialistische und kommunistische Neuordnungsansprüche.33

Jedenfalls zielte der Konsensliberalismus mit dem Angebot eines umfassend reformistischen Konzepts zur Neuordnung des Binnenverhältnisses von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat durch etatistische Eingriffe in den Markt und die Sozialplanung auf die Durchsetzung einer sozialen Demokratie in sämtlichen Staaten Westeuropas. Die entscheidende Kraft konnte aber im langsam sich ausbreitenden Kalten Krieg aus dem Antikommunismus gezogen werden, zudem blieb die Perspektive auf die soziale Demokratie stets verbunden mit dem Anspruch der amerikanischen Seite auf kulturelle Hegemonie. Der Konsensliberalismus diente hierbei als Steuerungsinstrument im Kalten Krieg, um Westeuropa und zumal Westdeutschland auf die Werteordnung in den USA zu orientieren und »den Westen« nicht nur als Wirtschaftsraum und Sicherheitspakt, sondern auch als internationales Ordnungssystem zu etablieren. Diesem Ziel diente der Kongress für kulturelle Freiheit, der aus guten Gründen als ein »Kind des Kalten Krieges« bezeichnet werden kann.34 Dessen zentrale Aufgabe bestand darin, »im Rahmen transnationaler Systempenetration als Lieferant einer eigenständigen westlichen Weltanschauung« aktiv zu werden, um vorerst die US-amerikanische und europäische Linke mithilfe von Propaganda »gegen die Einflüsse kommunistischer Infiltration zu immunisieren«. Die liberal-antikommunistische Intellektuellenorganisation beabsichtigte, die sozialistischen und sozialdemokratischen Arbeiterparteien in ideologiearme, linke Volksparteien umzuwandeln, vergleichbar dem linken Flügel der amerikanischen Demokraten. In Deutschland verfolgte der Kongress für kulturelle Freiheit zudem die Ziele, »nationalneutralistische Strömungen im Zusammenhang mit der Einbindung in die westliche Allianz zu bekämpfen und die alliierten Demokratisierungsbemühungen unter antitotalitären Vorzeichen fortzuführen«35. Insofern gehörte es zu den zentralen Aufgaben des Monat, die Theorie des Konsensliberalismus und eine westliche Spielart des antitotalitären Antikommunismus zu verbreiten. Wie zu zeigen sein wird, hatte dies Folgen bei der Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Totalitarismus, den totalitären Herrschaftsregimen und »der« Totalitarismustheorie in der frühen Bundesrepublik. Der langjährige Herausgeber und Chefredakteur Lasky stand hierbei vor speziellen Herausforderungen. Er trug die Verantwortung dafür, dass dies in einer Weise geschah, dass die Entstehung des Totalitarismus und die Logik der totalitären Herrschaft nicht aus den Ursprungsideen des Liberalismus zu verstehen waren. Insofern kam es in diesem Zusammenhang darauf an, den Liberalismus als antithetisches (Ordnungs-)Modell zum Totalitarismus darzustellen, andererseits dessen totalitäre Potenziale nicht zuletzt auf der Grundlage der klassischen Studie zu den Gefahren der »totalitären Demokratie« (Jacob L. Talmon) ausschließlich mit Blick auf den Bolschewismus in seinen aktuellen Varianten des Stalinismus und Nachstalinismus nachzuzeichnen. Zudem gehe ich von der Annahme aus, dass in der Zeitschrift ein weiterer verminter Themenkomplex gezielt ausgeblendet worden ist.

So wurde bei der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und dem Sowjetkommunismus nicht darauf eingegangen, dass das totalitäre Wesen der beiden »großen« totalitären Regime des 20. Jahrhunderts, das sich in einer bis dahin beispiellosen staatsterroristischen Politisierung sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche durch äußerste Gewalt »von oben« durchgesetzt hatte, keineswegs auf diese beschränkt werden konnte und durchaus eine offensichtliche Verwandtschaft aufwies mit dem modernen »Interventionsstaat«, wie er sich selbst in jenen politischen Gesellschaften wie den USA in den Jahren des New-Deal-Liberalismus herausbildete. Denn die staatliche Politisierung von immer mehr gesellschaftlichen Bereichen konnte keinesfalls auf die totalitären Varianten moderner Herrschaftsausübung beschränkt werden, sondern folgt(e) der Logik langfristiger Strukturentwicklungen der modernen Gesellschaft seit der Frühen Neuzeit. Die modernen Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, so der Hamburger Politikwissenschaftler Michael Th. Greven,

daß in ihnen gerade durch die Ausbreitung staatlicher Regelungsmöglichkeiten praktisch alle Bereiche politisch werden können; kein gesellschaftliches Verhältnis, keine soziale Sphäre, keine Institution und keine der zentralen sozialen Prozesse der gesellschaftlichen Reproduktion sind vor dem potentiellen Zugriff staatlicher Regelung gefeit, virtuell ist in der modernen Gesellschaft alles politisch, das macht ihren potentiell totalitären Charakter, die permanente Gefährdung der individuellen und kollektiven Freiheiten aus und rechtfertigt, daß ich dafür den Begriff politische Gesellschaft vorgeschlagen habe.36

Die »politische Gesellschaft« kennzeichnet eine Fundamentalpolitisierung und dies haben die freiheitlichen Demokratien mit den totalitären Regimen gemeinsam. Was sie trennt, ist vielmehr »der aus dem unterschiedlichen Grad an Demokratie resultierende Schutz der individuellen Rechte und der Menschenwürde der Gesellschaftsmitglieder«. Zudem äußert sich die Fundamentalpolitisierung »das eine Mal dominierend in vielfältigen Formen der Partizipation, das andere Mal in eher manipulierter, gelenkter und tendenziell erpreßter politischer Beteiligung«37.

Angesichts der politischen Hintergründe des Monat kann es im Nachhinein nicht verwundern, dass die Zeitschrift in den Zeiten der auf vielen Feldern ausgetragenen, nicht nur ideologischen Auseinandersetzungen des Kalten Krieges zwischen westlichen Demokratien und den östlichen Gesellschaften sowjetischer Couleur nicht ins Licht rücken konnte, dass es sich hier um

zwei verschiedene politische Regimeformen eines Gesellschaftstypus, nämlich der politischen Gesellschaft handelt. Nur auf dem Fundament der Fundamentalpolitisierung und der anderen geschilderten Tendenzen waren Faschismus, Nationalsozialismus und die dauerhafte Etablierung der bolschewistischen Herrschaft im sowjetischen Regime möglich. Nur wegen der gemeinsamen gesellschaftlichen Voraussetzungen kam es zu den viel und kontrovers diskutierten Gemeinsamkeiten und Ähnlichkeiten von politischen Regimen, die in anderer Hinsicht so verschieden waren.38

Insofern folgte das Zeitschriftenorgan im Hinblick auf die »Kritik des Nationalsozialismus und des Sowjetkommunismus«, so viel sei an dieser Stelle bereits vorweggenommen, den klassischen Totalitarismustheorien, die den »freiheitlichen Verfassungsstaat« den »totalen Herrschaftssystemen« dichotomisch und normativ gegenüberstellten, und bezog daraus auch sein antitotalitäres Selbstverständnis.

III

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um meine überarbeitete im September 2010 an der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg eingereichte Promotion. Sie hilft natürlich nicht automatisch dabei, Antworten zu finden auf die aktuellen totalitären Gefährdungen, die den westlichen Demokratien im 21. Jahrhundert drohen. Allerdings kann sie sehr wohl nützlich sein, die analytische Brille zu schärfen, zumal dann, wenn sich die akademischen und nichtakademischen Leserinnen und Leser39 auf die angesprochenen, nur graduell existierenden Unterschiede zwischen demokratischen sowie totalitären oder autoritären Regimen einlassen und sie sich gewahr werden, dass die totalitäre Gefahr keineswegs der Vergangenheit angehört und die freiheitliche Demokratie nicht ein für alle Mal gesichert ist. In den letzten Jahren ist in den westlichen Ländern das Bewusstsein gewachsen, dass auch in den westlichen Demokratien jederzeit eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung in Gang kommen kann, die die lange Zeit als stabil und »endgültig« gedachten Institutionen erfassen können. Dabei kommen die Gefährdungen für die westlichen Demokratien keineswegs nur von seinen erklärten Gegnern und Feinden in Form von despotischen, autoritären oder totalitären Regimen respektive Regimen, die sich in einer vermeintlichen Transformationsphase von einem autoritären zu einem totalitären Typus befinden (China, Russland, Belarus, Türkei und so weiter), oder islamistisch-fundamentalistischen (Terror-)Bewegungen (IS, Al Kaida etc.), zumal dann, wenn sie wie die Taliban (im vergangenen Jahr) in Afghanistan die Macht ergriffen haben und das Land womöglich wieder zu einer Plattform für transnational operierende Terrorgruppen wird. Diese Gefährdungen drohen auch jederzeit »von innen«. Die aktuellen Formen des antidemokratischen Populismus,40 Extremismus und Terrorismus verschiedenster Provenienz zeigen dies ebenso eindrücklich wie die Gefahren des »soften Totalitarismus«, vor dem schon George Orwell in 1984 in eindrucksvoller Weise gewarnt hatte, oder bei der Gefahr des »Sicherheitsstaates«, bei dem totalitäre Tendenzen durch den demokratischen Rechtsstaat und seine (Sicherheits-)Institutionen selbst entstehen: zum Beispiel beim Kampf gegen den (internationalen) Terrorismus oder gegen das organisierte Verbrechen, durch Maßnahmen, die immer mehr die durch die Verfassung geschützten individuellen Grundrechte unterminieren. Für die Zukunft der Demokratie bleibt für mich die zentrale Frage, ob sich genügend politisch aktive Bürgerinnen und Bürger finden, die den unterschiedlichen freiheitsgefährdenden Entwicklungen tagtäglich offensiv entgegentreten und gemeinsam für eine demokratische Erneuerung eintreten.41

Im Anschluss an meine seit dem Herbst 2010 digital veröffentliche Dissertation wurde in einigen Publikationen sowohl auf die Bedeutung des »Kongresses für kulturelle Freiheit« und seiner Zeitschriften als auch des Monat für die Geschichte des kulturellen und ideengeschichtlichen Kalten Krieges beleuchtet,42 überdies die Rolle zentraler Akteure hervorgehoben. Hierbei wurde zum Teil auf meine Untersuchungsergebnisse zurückgegriffen. Insofern konnte das (Forschungs-)Wissen über die beiden Institutionen durchaus erweitert werden, für das insbesondere einige Arbeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des »Lasky Center for Transatlantic Studies« der Ludwig-Maximilians-Universität München verantwortlich zeichnen, in denen der Scheinwerfer besonders auf die herausragende Rolle von Melvin J. Lasky43 gerichtet wird, der zu Recht als »kultureller ›Networker‹ des Kalten Krieges par excellence« (Christof Mauch) apostrophiert wird.44

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Professor Dr. Michael Th. Greven. Er hat diese Arbeit von Beginn an mit großem Interesse und stetem Zuspruch betreut und war mir von Anbeginn mit seinem Vertrauen, seiner Zuversicht eine große Stütze. Auch seine explizite Aufforderung, mein Dissertationsprojekt auch zu Ende zu bringen und nicht auf »halber Strecke« aufzugeben, war für mich ein nicht geringer Ansporn. Ich habe ihm außerdem für einige anregende Gespräche über meine Arbeit sowie diverse Hinweise und Ratschläge zu danken, die es mir ermöglichten, krisenhafte Situationen zu bewältigen. Überdies habe ich ihm zu danken dafür, dass inhaltliche, intellektuelle und politische Kontroversen im Doktorandenkolloquium in einer angstfreien Atmosphäre ausgetragen wurden, in der ich und die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht mit Sanktionen rechnen mussten. Unter dem herausragenden Wissenschaftler galt das Prinzip des besseren Arguments. Leider kann mein Doktorvater das Erscheinen meiner Arbeit nicht mehr persönlich erleben, er verstarb völlig unerwartet in der Nacht nach seiner Emeritierung am 7. Juli 2012.

Aus dem Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Doktorandenkolloquiums möchte ich besonders Delia Schindler und Veith Selk für kritische Diskussionen und Verbesserungsvorschläge an meinem Manuskript danken.

Zu Dank verpflichtet bin ich meinem Freund und ehemaligen Kollegen Wolfgang Kraushaar, der mich bei unseren zahlreichen Gesprächen in seinem Büro des Hamburger Instituts für Sozialforschung mit der Zeitschrift Der Monat vertraut machte, mich zum Schreiben meiner Dissertation ermutigte und jederzeit für Gespräche zur Verfügung stand.

Für die Gewährung eines dreieinhalbjährigen Promotionsstipendiums sowie für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Übernahme der Kosten für das Lektorat sowie der Druckkosten habe ich dem Vorstand der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, Herrn Professor Dr. Jan Phillip Reemtsma, herzlichst zu danken. Ganz zu schweigen von dem Vertrauen, das er mir entgegengebracht hat. Das gilt auch für seinen Büroleiter, Herrn Matthias Kamm, dem ich nicht genug danken kann.

Ferner habe ich einigen früheren Kolleginnen und Kollegen des Hamburger Instituts für Sozialforschung zu danken, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen. Das gilt vor allem für Klaus Naumann, Michael Wildt, Reinhard Müller, Heinz Bude, Ingwer Schwensen, Ulrike Jureit, Jutta Mühlenberg und Natalija Bašić (die leider nach schwerer Krankheit viel zu früh am 8. März 2013 verstarb). Überdies habe ich Ulrich Herbert, Alfons Söllner, Peter Reichel und Martin Jänicke für instruktive Gespräche im Anfangsstadium sowie Helmut König nach Beendigung meiner Arbeit zu danken.

Ein besonderer Dank gilt Professor Dr. Michael Hochgeschwender vom Amerika-Institut der Ludwig-Maximilians-Universität. Der ausgewiesene Kenner der Geschichte des »Kongresses für kulturelle Freiheit« und seiner Zeitschriften, zumal des deutschen Ablegers, überraschte mich während des hochklassigen Fußballspiels zwischen FC Bayern München und dem 1. FFC Turbine Potsdam der Frauen-Bundesliga am 6. Mai 2018 im altehrwürdigen Stadion an der Grünwalder Straße mit dem Vorschlag, ich solle doch bitteschön meine Dissertation veröffentlichen, weil er sie endlich auch in Buchform in den Händen halten möchte. Dafür und für sein weiteres Engagement gegenüber dem transcript-Verlag sowie zahlreiche Gespräche über »Gott und die Welt« danke ich ihm.

Abschließend möchte ich mich bei den Herren Dr. Wolfgang Delseit und Axel Petrasch für die gründliche Korrektur des Manuskriptes sowie zahlreiche Hinweise und Anregungen bedanken. Nachdem die vorgesehene Lektorin ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkam, erklärten sie sich im Frühling 2020 spontan bereit das Lektorat meines Manuskriptes zu übernehmen. Ohne ihre Arbeit wäre meine Dissertation nicht erschienen. Für sämtliche Fehler bin ausschließlich ich verantwortlich.

Das Buch widme ich meiner Mutter Elfriede Gmehling (25. Februar 1928 bis 18. März 2021) und meiner Nichte Hannah Heibült (5. Februar 1994 bis 26. August 2008).

Bremen, im Frühjahr 2022

Frontispiz der ersten Ausgabe 1948

1Bei dem folgenden ersten Teil handelt es sich um eine geringfügig überarbeite Fassung meines Vortrags, den ich im Rahmen meines Dissertationsprojekts am 27. April 2011 vor dem Disputationsausschuss der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Hamburg gehalten habe.

2Der Monat. Eine internationale Zeitschrift für Politik und geistiges Leben (1948–1971), zwölf Hefte in jedem Jahrgang, Oktober des Jahres bis September des Folgejahres. Die Jahrgänge 1948 bis 1952, 1954 und 1959 sind online in der Central and Eastern European Online Library einsehbar.

3Da der Begriff Renegat in der vorliegenden Untersuchung entgegen seiner ursprünglichen Verwendung, worauf ich noch eingehen werde, nicht als politischer Kampfbegriff und denunziatorische Vokabel verwendet wird, wird hier darauf verzichtet, ihn in Anführungszeichen zu setzen.

4Ulrich Herbert, Deutsche Eliten nach Hitler, in: Mittelweg 36, 8 (1999), H. 3, S. 66–82, hier S. 75; vgl. ders., Zweierlei Bewältigung, in: Ders./Olaf Groehler, Zweierlei Bewältigung: Vier Beiträge über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in den beiden deutschen Staaten, Hamburg 1992, S. 7–29; ders., Vernichtungspolitik. Neue Antworten und Fragen zur Geschichte des »Holocaust«, in: Ders. (Hg.), Nationalsozialistische Vernichtungspolitik 1939–1945. Neue Forschungen und Kontroversen, Frankfurt a. M. 1998, S. 9–66; vgl. auch jüngst ders., Wer waren die Nationalsozialisten?, München 2021.

5Vgl. bes. Arthur M. Schlesinger jr., The Vital Center. The Politics of Freedom, Boston 1949.

6Vgl. dazu die wichtige Studie Michael Th. Greven, Politisches Denken in Deutschland nach 1945. Erfahrungen und Umgang mit der Kontingenz in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Opladen/Farmington Hills 2007.

7Vgl. Axel Schildt, Medien-Intellektuelle in der Bundesrepublik. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gabriele Kandzora und Detlef Siegfried, Göttingen 2020, bes. S. 167–213.

8Charlotte Lerg, Melvin J. Lasky als transatlantischer Publizist, in: Charlotte A. Lerg/Maren M. Roth (Hg.), Cold War Politics. Melvin J. Lasky: New York-Berlin-London 2010, S. 31–35, hier S. 31.

9Kurt Lenk, Deutscher Konservatismus, Frankfurt a. M./New York 1989, S. 174.

10Ebd., S. 174.

11Ebd., S. 175.

12Zum Kapp-Lüttwitz-Putsch vgl. jüngst Peter Reichel, Der tragische Kanzler. Hermann Müller und die SPD in der Weimarer Republik, München 2018, S. 148–159.

13Siehe hierzu das Schlusskapitel VI. Hier befinden sich auch die genauen Angaben zu den jeweiligen Artikeln.

14Michael Hochgeschwender, Der Verlust des konservativen Denkens. Eine Facette der bundesdeutschen Westernisierung 1950–1980, in: Axel Schildt (Hg.), Von draußen. Ausländische intellektuelle Einflüsse in der Bundesrepublik bis 1990, Göttingen 2016, S. 149–190, hier S. 150.

15Dr. Kurt Lenk/Arnhelm Neusüss, in: Der Monat 15 (1962), H. 169, S. 90–94, sowie Hermann Glaser, in: Ebd., S. 94 ff.

16Lenk/Neusüss, S. 94.

17Vgl. besonders Stefan Breuer, Die radikale Rechte in Deutschland 1871–1945. Eine politische Ideengeschichte, Stuttgart 2010.

18Vgl. immer noch Fritz Stern, Kulturpessimismus als Gefahr. Eine Analyse nationaler Ideologie in Deutschland. Mit einem Vorwort von Norbert Frei, Stuttgart 2005 (amerik. Orig.: The Politics of Cultural Despair, University of California Press, Berkeley 1961).

19Vgl. Martina Streber, Die Hüter der Begriffe. Politische Sprachen der Konservativen in Großbritannien und der Bundesrepublik Deutschland, 1945–1980, Berlin/Boston 2017, S. 157–163.

20Vgl. hierzu den zeitgleich zu der laufenden Aufsatzserie in dem Zeitschriftenorgan veröffentlichten Beitrag von Kurt Sontheimer, Nationalismus und Konservative Revolution, in: Der Monat 14 (1962), H. 168, S. 22–32.; hierbei handelte es sich um das zwölfte Kapitel »Nationalsozialismus und Konservative Revolution« aus seiner bedeutenden Studie »Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik. Die politischen Ideen des deutschen Nationalismus zwischen 1918 und 1933«, Stuttgart 1962. Warum das Kapitel unter einem anderen Titel erschien, konnte Kurt Sontheimer nicht beantworten. Schriftliche Mitteilung an den Verfasser vom 28. September 1998.

21Vgl. die frühe Warnung in seiner luziden Kritik Joachim G. Leithäuser, Mythos und Dynamit, in: Der Monat 3 (1951), H. 34, S. 435–438; hierbei handelte es sich um die Rezension des Buches: Armin Mohler, Die Konservative Revolution 1918–1932, Stuttgart 1950. Zum Begriff vgl. Stefan Breuer, Anatomie der konservativen Revolution, Darmstadt 1993.

22Vgl. Fritz René Allemann, Prophete rechts, Prophete links. Winfried Martini ruft die Freiheit ab, in: Der Monat 13 (1960), H. 145, S. 83-86; hierbei handelte es sich um die Rezension des Buches: Winfried Martini, Freiheit auf Abruf. Die Lebenserwartung der Bundesrepublik, Köln 1960; vgl. auch Rudolf Augstein, Stimmzettel gegen Recht und Freiheit? Zu W. Martinis »Das Ende aller Sicherheit««, in: Der Monat 7 (1955), H. 76, S. 362–365; hierbei handelte es sich um eine Rezension des Buches: Winfried Martini, Das Ende aller Sicherheit. Eine Kritik des Westens, Stuttgart 1954.

23Vgl. Golo Mann, Was ist konservativ? Zu dem neuen Buch von Rusell Kirk, The Conservative Mind, in: Der Monat 6 (1953), H. 62, S. 183–188.

24Vgl. Michael Hochgeschwender, Konservatismus in der Nachkriegszeit. Entwicklungen in den USA und Westdeutschland, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 68 (2020), H. 4, S. 629–641; vgl. auch ders., Das Ende des Konsenses: Die Reformation des US-amerikanischen conservatism seit den 1960er Jahren, in: comparativ 16 (2006), H. 4, S. 131–166.

25Siehe hierzu im Einzelnen ders., Freiheit in der Offensive? Der Kongreß für kulturelle Freiheit und die Deutschen, München 1998, S. 466–479.

26Vgl. besonders Anselm Doering-Manteuffel, Wie westlich sind die Deutschen?, Göttingen 1999; ders., Westernisierung. Politisch-ideeller und gesellschaftlicher Wandel in der Bundesrepublik bis zum Ende der 60er Jahre, in: Axel Schildt u.a. (Hg.), Dynamische Zeiten. Die 60er Jahre in den beiden deutschen Gesellschaften, Hamburg 2000, S. 311-341, sowie unter diesem Aspekt, ders., Die deutsche Geschichte in den Zeitbögen des 20. Jahrhunderts, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 62 (2014), S. 321–348. Vgl. auch Axel Schildt, Westlich, demokratisch. Deutschland und die westlichen Demokratien im 20. Jahrhundert, in: Anselm Doering-Manteuffel (Hg.), Strukturmerkmale der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts, München 2006, S. 225–239.

27Vgl. dazu Phillip Gassert, Amerikanismus, Antiamerikanismus, Amerikanisierung. Neue Literatur zur Sozial-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte in Deutschland und Europa, in: Archiv für Sozialgeschichte 39 (1999), S. 531–561.

28Siehe im Einzelnen hierzu Anselm Doering-Manteuffel, Amerikanisierung und Westernisierung, Version: 2.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 19.08.2019.

29Ebd., S. 3.

30Zur Kritik an diesem Forschungsansatz vgl. bes. Phillip Gassert, Die Bundesrepublik, Europa und der Westen. Zu Verwestlichung, Demokratisierung und einigen komparatistischen Defiziten der zeithistorischen Forschung, in: Jörg Baberowski/Eckart Conze/Phillip Gassert/Martin Sabrow, Geschichte ist immer Gegenwart. Vier Thesen zur Zeitgeschichte, Stuttgart/München 2001, S. 67–89; Friedrich Kießling, »Westernisierung, Internationalisierung, Bürgerlichkeit? Zu einigen jüngeren Arbeiten der Ideengeschichte der alten Bundesrepublik«, in: Historische Zeitschrift 287 (2008), S. 363–383, sowie unter diesem Aspekt Peter Hoeres, Gefangen in der analytisch-normativen Westernisierung der Zeitgeschichte. Eine Kritik am Konzept der Zeitbögen, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 63 (2015), H. 3, S. 427–436, der in seinem Beitrag quasi die Hauptvorwürfe in Richtung der Westernisierungsschule bündelt. Neben der Kritik, das Doering-Manteuffel die Sonderwegsthese fortschreiben würde, zielen seine Hauptvorwürfe an dem Konzept der Westernisierung auf eine angeblich darin angelegte »analytisch-normative Verengung«, die zudem »teleologisch, anachronistisch und erkenntnishemmend sei, zu apodiktisch vorgetragenen Fehlurteilen führe und in eine whigistische Triumphgeschichte des Westens münde, die sie blind gegenüber einer Schadensbilanz der westlichen Modernisierung zeige«, so Ariane Leendertz, Zeitbögen, Neoliberalismus und das Ende des Westens, oder: Wie kann man die Geschichte des 20. Jahrhunderts schreiben?, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 65 (2017), H. 2, S. 191–217, hier S. 193, die hier auf überzeugende Weise die Hoeres-Kritik repliziert und seine Missverständnisse in Bezug auf seine Rezeption des Westernisierungskonzeptes aufzeigt, zudem auf die terminologischen Probleme hinweist, die eine undifferenzierte Lesart des Begriffs liberal im Sinne des US-Liberalismus zur Folge hat, der in den 1930er Jahren »auf eine heute noch gültige Weise umdefiniert (wurde), die in einem Gegensatz zum europäischen Verständnis von liberal im Sinne des klassischen Liberalismus steht und auch nicht identisch ist mit dem, was in der deutschen Diskussion als Sozialliberalismus im Sinne eines reformierten, postklassischen Liberalismus verstanden wird« (ebd., S. 206).

31Vgl. aus der Fülle der Forschungsliteratur Anselm Doering-Manteuffel/Jörn Leonhard, Liberalismus im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2015; Jörn Leonhard, Liberalismus. Zur historischen Semantik eines europäischen Deutungsmusters, München 2001, sowie Jens Hacke, Existenzkrise der Demokratie. Zur politischen Theorie des Liberalismus in der Zwischenkriegszeit, 2. Aufl., Berlin 2018.

32Doering-Manteuffel, Wie westlich sind die Deutschen?, S. 48.

33Angesichts der Erfahrungen mit dem Totalitarismusphänomen reagierten nicht nur liberale und konservative Kritiker des Konsensliberalismus mit Blick auf staatliche Regulierungen in den Bereich der Wirtschaft überaus sensibel, ja, zum Teil hysterisch. In diesen Kreisen wurde alles, was auch nur im Ansatz an »Sozialismus« erinnerte, als unmittelbare Bedrohung der Freiheit aufgefasst und die ein Land auf geradem Weg in den Totalitarismus abgleiten sah: Zum Beispiel England in den frühen Nachkriegsjahren unter der Labourregierung von Premierminister Clement Attlee. Ich komme im Schlusskapitel VI (Punkt 7, Fn. 146) darauf zurück.

34Hochgeschwender, Freiheit in der Offensive?, S. 17.

35Ebd., 18 f.

36Michael Th. Greven, Die Allgegenwart des Politischen und die Randständigkeit der Politikwissenschaft, in: Claus Leggewie (Hg.), Wozu Politikwissenschaft? Über das Neue in der Politik, Darmstadt 1994, S. 285–296, hier S. 290.

37Ders., Die politische Gesellschaft. Kontingenz und Dezision als Probleme des Regierens und der Demokratie, Opladen 1999, S. 140.

38Ebd., S. 58 f.

39Selbstverständlich erhoffe ich mir auch zahlreiche Leserinnen und Leser außerhalb des eigentlichen wissenschaftlichen Fachpublikums. Da ich hier zumal unter den Jüngeren nicht umstandslos voraussetzen kann, dass ihnen die Genese und Entwicklung des Kalten Krieges etc. bekannt sind, habe ich mich dazu entschieden, in einzelnen Kapiteln längere Passagen nicht zu kürzen. Das gilt auch dann, wenn ich auf einen bereits angesprochenen historisch-politischen Aspekt ein weiteres Mal eingehe, und zwar dann, wann es mir sinnvoll erscheint. Deshalb bleiben Redundanzen nicht aus.

40Vgl. aus der Fülle der Literatur zum Populismus bes. Dirk Jörke/Veith Selk, Theorien des Populismus zur Einführung, Hamburg 2017.

41In diesem Sinn auch Hans Vorländer, Demokratie. Geschichte, Formen und Theorien, 3., überarbeitete Aufl., München 2019, S. 125, dessen Schlusskapitel »Die Demokratie in der Krise« (S. 117-125) sehr luzide kritische Reflexionen zu den tatsächlichen empirischen Herausforderungen der gegenwärtigen Demokratie enthält, sowie Herfried Münkler, Populismus, Demokratismus, Cäsarismus. Die Herausforderung der liberalen Demokratie, Merkur 75 (2021), H. 863, S. 26–41. Vgl. im Gegensatz dazu die beiden aus einer liberalen Perspektive geschriebenen Beiträge von Jan-Werner Müller, Demokratie für Verlierer, in: Merkur 75 (2021), H. 863, S. 5–17, und Frank-Walter Steinmeier, Belastungen und Bewährungen von Freiheit und Demokratie, in: ebd., S. 17–25, die aus meiner Sicht den aktuellen Problemen der westlichen Demokratien nicht gerecht werden.

42Vgl. bes. Giles Scott-Smith/Charlotte A. Lerg, Campaigning Culture and the Global Cold War. The Journals of the Congress for Cultural Freedom. London: Palgrave Macmillan 2017; Anselm Franke/Nida Ghouse/Paz Guevara/Antonia Majaca, Parapolitics. Cultural Freedom and the Cold War, Sternberg Press 2011. Für eine historisch-politische und ideengeschichtliche Kontextualisierung in den deutschsprachigen Raum vgl. jüngst trotz einiger Ungenauigkeiten bes. die analytisch überzeugende Studie Schildt, Medienintellektuelle in der Bundesrepublik, S. 201–204, 483–488 und 647 f. Vgl. dagegen die eher lexikalischen Ausführungen von Peter Hoeres, Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt, München 2013, S. 94 f.

43Vgl. Melvin J. Lasky, Und alles war still. Deutsches Tagebuch 1945, Berlin 2014.

44Vgl. Lerg/Roth, Cold War Politics sowie Maren Roth, In einem Vorleben war ich Europäer – Melvin J. Lasky als transatlantischer Mittler im kulturellen Kalten Krieg, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 10 (2014), S. 139–156. Von Maren Roth erscheint demnächst eine Lasky-Biografie. In diesem Zusammenhang vgl. auch Ludwig Decke, Ungleiche Weggefährten: Hannah Arendt, Melvin Lasky und der Antitotalitarismus im kulturellen Kalten Krieg, in: Yfaat Weiss (Hg.), Jahrbuch des Dubnow Instituts/Dubnow Institute Yearbook 17 (2018), S. 117–144, sowie jüngst die eindrücklichen Ausführungen des mit Lasky befreundeten Zeitgenossen Peter Merseburger, Aufbruch ins Ungewisse. Erinnerungen eines politischen Zeitgenossen, München 2021, S. 121–127.

Einleitung

Die Zeitschrift Der Monat wurde 1948 im Auftrag des US-amerikanischen Militärgouverneurs in Westdeutschland, General Lucius D. Clay, von dem Journalisten Melvin J. Lasky gegründet. Die zeitweilig europaweit meistgelesene Kulturzeitschrift besaß für die politische und geistige »Westernisierung« (Anselm Doering-Manteuffel) der frühen Bundesrepublik eine kaum zu überschätzende Bedeutung. Sie gehörte in eine Reihe der zahlreichen politisch-kulturellen Zeitschriftenorgane (wie zum Beispiel Der Ruf, Die Wandlung oder die Frankfurter Hefte), die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter der Ägide der westalliierten Besatzungsbehörden, zumal der US-amerikanischen, im Nachkriegsdeutschland mit dem Ziel ins Leben gerufen wurden, nationalsozialistisches Gedankengut durch demokratisches zu ersetzen; diese Reeducationbezogsich sowohl auf den Bereich der Politik und politische Ideologien als auch auf den der Kultur und wurde neben den deutschen Bildungsinstitutionen insbesondere von den Medien getragen.

Gleichwohl steht Der Monat gemeinhin im Ruf, ein Kind des Kalten Krieges und ein spezielles Instrument des US-amerikanischen Geheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) im Kampf gegen den Kommunismus gewesen zu sein. Insbesondere nach der Aufdeckung, dass die international bekannte linksliberal-antikommunistisch ausgerichtete Intellektuellenorganisation »Kongreß für kulturelle Freiheit«1jahrzehntelang finanzielle Unterstützung von der CIA erhalten hatte, bekam diese Kritik neue Nahrung. Da Der Monat aber organisatorisch, personell, inhaltlich und funktional mit dem »Kongreß für kulturelle Freiheit« eng verbunden war, soll im Folgenden anlässlich der Aufdeckung der CIA-Finanzierung in nuce auf die daraus resultierenden politischen Implikationen sowie auf dessen grundsätzliche Bedeutung für die Vereinigten Staaten im Kalten Krieg eingegangen werden.

Als die New York Times in ihrer Ausgabe vom 27. April 1966 meldete, dass zwei renommierte Stiftungen vom US-amerikanischen Geheimdienst CIA finanziert würden und die einflussreiche Zeitschrift Encounter (London) ihre Gelder in erster Linie von diesen Institutionen bezöge, wurden endgültig Gerüchte bestätigt, die bereits seit Beginn des Kalten Krieges in der internationalen Öffentlichkeit grassierten. Wie in den Jahren zuvor unternahmen die Herausgeber der Zeitschrift Encounter, Melvin J. Lasky, Stephen Spender und Irving Kristol, sowie die prominenten Autoren John Kenneth Galbraith, George F. Kennan, J. Robert Oppenheimer und Arthur M. Schlesinger jr. einen erneuten Versuch, alle Vorwürfe abzustreiten, und erklärten in zwei Leserbriefen mit Blick auf den im Fokus stehenden »Kongreß für kulturelle Freiheit«,dass dieser zu jedem Zeitpunkt eine unabhängige Organisation gewesen sei und ausschließlich den »Wünschen ihrer Mitglieder und Mitarbeiter sowie den Entscheidungen ihres Exekutivkomitees verpflichtet« war.2 Indessen hatten dieses Mal die Gegendarstellungen keinen Erfolg, und die Folge war, dass es zu einem handfesten Skandal kam. Insbesondere in der amerikanischen Öffentlichkeit setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass bei der überwiegenden Zahl dieser Dementis von den Personen bewusst die Unwahrheit gesagt wurde und eine große Anzahl der Autoren es seit langer Zeit viel besser wusste. So gab Galbraith im darauffolgenden Jahr zu, dass er seit Mitte der 1950er-Jahre von den Beziehungen zwischen dem »Kongreß für kulturelle Freiheit« und der CIA Kenntnis besaß.3 Lasky wiederum musste Anfang Mai 1967 einräumen, dass er von der CIA-Finanzierung des Encounter gewusst habe, allerdings seien weder seine Mitherausgeber darüber informiert gewesen noch hätte der CIA mit seinem Engagement irgendwelche konkrete Absichten verfolgt. Gleichwohl verstummte die Kritik nicht, die in dem von Christopher Lasch geäußerten Vorwurf gipfelte, wonach der Kongress für Doppelmoral und Heuchelei stehe: »Während die Organisation philosowjetische ›fellow-travellers‹ gnadenlos verfolgt habe, hätte sie keine Bedenken gehabt, selbst mit der CIA zusammenzuarbeiten.«4

Die bisherige defensive Position des »Kongresses für kulturelle Freiheit« unter der Führung von Michael Josselson ließ sich nicht mehr aufrechterhalten, als sich dessen ehemaliger Vorgesetzter und früherer Leiter des »covert action«-Departments der CIA, Thomas Braden, zu Wort meldete. In der Ausgabe der Saturday Evening Post vom 20. Mai 1967 teilte der Ex-Geheimdienstmitarbeiter mit, dass der Kongress »eine verdeckte Operation der CIA gewesen« sei.5 Bereits eine Woche zuvor hatten Michael Josselson und John Hunt auf einer in der Pariser Zentrale stattgefundenen Generalversammlung des »Kongresses für kulturelle Freiheit« erklärt, dass er seit der Gründung der Institution im Jahre 1950 von der CIA finanziell unterstützt wurde, anfangs direkt, später über sogenannte dummy foundations (Scheinstiftungen), und traten daraufhin von ihren Leitungsposten zurück. Damit waren nicht nur die Glaubwürdigkeit und die Reputation des »Kongresses für kulturelle Freiheit« in den Grundfesten erschüttert, sondern auch die seiner zahlreichen Mitarbeiter sowie der von diesem Apparat herausgegebenen angesehenen Zeitschriften – darunter neben dem Encounter beispielsweise Preuves (Paris), Tempo Presente (Mailand) und Der Monat, der nicht zufällig in der ›Frontstadt‹ des Kalten Krieges, Westberlin, herausgegeben wurde.

Die 1950 im Anschluss an den in Westberlin veranstalteten legendären »Kongreß für kulturelle Freiheit« gegründete gleichnamige Institution war das wichtigste Instrument eines von der CIA unter ihrem langjährigen Chef Allen Dulles in der Hochphase des Kalten Krieges ins Leben gerufenen ambitionierten kulturpolitischen Projektes. Es stand ganz im Zeichen des antikommunistischen Grundkonsenses in der amerikanischen Führung, wonach angesichts der sowjetischen Herausforderung für die Vereinigten Staaten insbesondere in der Außenpolitik ein fundamentaler Paradigmenwechsel notwendig wäre, damit die auf der Basis des eigenen Wertesystems stehende Vision der neuen Weltordnung Gestalt annehmen könne. Angesichts der in den Regierungsapparaten vorherrschenden Überzeugung, dass die Vereinigten Staaten nach dem Sieg gegen den nationalsozialistischen Totalitarismus im Kampf der westlichen Demokratien gegen die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten eine Vorreiterrolle zu spielen hätten, investierte die CIA unter strengster Geheimhaltung schätzungsweise zehn Millionen Dollar in kulturelle Projekte, um die Werte des Westens gegenüber der kommunistischen Herausforderung öffentlichkeitswirksam vertreten zu können. Führende Regierungspolitiker hingen dem Glauben an die Überlegenheit des amerikanischen Wertesystems an und betrachteten es als ihre Aufgabe, eine pax americana der Nachkriegswelt zu entwickeln und zu rechtfertigen, deren wichtigster und einflussreichster Vordenker der damalige Direktor des Politischen Planungsstabes im Außenministerium, George F. Kennan, war. In diesem Zusammenhang bestand der zentrale Auftrag des »Kongresses für kulturelle Freiheit« in den Jahren von 1950 bis 1967 unter der Leitung des CIA-Mitarbeiters Michael Josselson darin, die westeuropäische Intelligenz, die in großem Ausmaß Sympathien für den Marxismus und (sowjetischen) Kommunismus zeigte, für die amerikanische ›Sache‹ zu gewinnen. Zu seinen engsten Mitarbeitern zählten neben Paradeintellektuellen wie Schlesinger jr. oder Lasky eine Gruppe ehemaliger Radikaler und linker Intellektueller wie Sidney Hook, Arthur Koestler, Franz Borkenau, James Burnham, deren Glaube an Marxismus (respektive Trotzkismus) und Kommunismus durch den Stalinismus tief erschüttert worden war. Die Namen der angeworbenen Autoren gehörten zur Crème de la Crème der intellektuellen Elite des Westens, unter anderem Hannah Arendt, Raymond Aron, Daniel Bell, Isaiah Berlin, Mary McCarthy, George Orwell, Ignazio Silone und Manès Sperber.

Der »Kongreß« veröffentlichte mehr als 20 angesehene Zeitschriften. Weltweit wurden Konzerte, Konferenzen und Kunstausstellungen, Opern, Sinfonien und Ballettvorstellungen organisiert, um explizit und implizit die Freiheitsphilosophie des Westens zu propagieren. Hierzu zählten Tourneen des international bekannten Boston Symphony Orchestra ebenso wie Ausstellungen von Künstlern, die zu den Vertretern des abstrakten Expressionismus zählten; hiermit sollte die Überlegenheit frei assoziierender westlicher Kunst über den »sozialistischen Realismus« demonstriert werden. Darüber hinaus wurden knapp 1000 Bücher veröffentlicht und zahlreichen Stipendiaten die Möglichkeit für Auslandsaufenthalte gegeben. Um den eigentlichen Auftraggeber zu verschleiern, wurden seitens der CIA vollkommen unverdächtige und aufgrund ihres öffentlichen Ansehens kaum angreifbare Institutionen eingeschaltet. Eine zentrale Rolle spielten hierbei die in den Vereinigten Staaten für den Wissenschafts- und Kulturbetrieb überaus bedeutenden gemeinnützigen Stiftungen. Rund 170 solcher Einrichtungen waren am Transfer der vom amerikanischen Geheimdienst zur Verfügung gestellten Gelder beteiligt: wie zum Beispiel die Farfield Foundation, die Kaplan Foundation, die Rockefeller Foundation und nicht zuletzt die Ford Foundation, über die auch finanzielle Mittel in den für den europäischen Wiederaufbau bedeutsamen sogenannten Marshallplan hineingesteckt wurden.6

Der weltweit ausgerichtete »Kongreß für kulturelle Freiheit« bildete im Rahmen der verdeckten CIA-Operationen einen wichtigen Bestandteil eines Netzwerkes von Gruppen und Organisationen im Kalten Krieg, ein »Geflecht höchst unterschiedlicher Agenturen mit ebenso mannigfaltigen Aufgabenbereichen innerhalb des Gesamtzusammenhanges der Auseinandersetzung zwischen den liberaldemokratischen Staaten des Westens und der kommunistischen Welt«7. Hierbei kam der Organisation sowie speziell den von der Pariser Zentrale herausgegebenen internationalen Zeitschriften eine wichtige Aufgabe zu: die aus den Ergebnissen des Zweiten Weltkrieges heraus notwendig gewordenen Versuche, das neu errichtete gleichermaßen liberaldemokratische wie kapitalistisch organisierte Hegemonialsystem der Vereinigten Staaten im Rahmen des Systemkonfliktes mit der Sowjetunion zu stabilisieren. In diesem Kontext verfolgten der »Kongreß für kulturelle Freiheit« und die Zeitschrift