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Astrid Lehmann präsentiert stimmungsvolle und reich bebilderte Porträts alter Handwerksberufe, die untrennbar mit dem Schwarzwald verbunden sind. Maskenschnitzer, Trachtenschneiderin und Bürstenmacher, Kachelofenbauer, Kuckucksuhrmacher, Orgelbauer, Kunstschmied, Glasmacher, Zapfensteiger oder Strohschuhmacherin sind nur einige der hier vorgestellten Berufe mit langer Tradition. Ein Muss für alle, die sich für den Schwarzwald interessieren.
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Seitenzahl: 126
Die Autorin
Astrid Lehmann ist eine französische Schwarzwälderin. Nach einer kurzen Kindheit in Frankreich und einer etwas längeren Jugend im Schwarzwald hat Astrid jahrelang auf drei Kontinenten in großen Metropolen gelebt und gearbeitet. Fremde Kulturen, grandiose Naturlandschaften und landestypische Speisen haben sie auf ihren Reisen fasziniert. Vor über zehn Jahren ist Astrid in den Schwarzwald zurückgekehrt und wohnt heute mit ihrer Familie im wunderschönen Wolftal, wo sie ihre ganz persönliche Heimat gefunden hat. Nach Stationen in der Vertriebswelt und dem Tourismus hat Astrid heute als Autorin und Wildpflanzenpädagogin ihre Erfüllung gefunden. Naturverbunden und abenteuerlustig genießt sie die einzigartige Naturlandschaft des Schwarzwalds und ist begeistert von seinen Traditionen, Bräuchen und Sagen.
Zuletzt erschien von ihr »55 Gründe, den Schwarzwald zu lieben« (2021) im Silberburg Verlag.
ASTRID LEHMANN
HANDWERKSKÜNSTLER IM SCHWARZWALD
Impressum
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1. Auflage 2021
© 2021 Silberburg-Verlag GmbH,
Schweickhardtstraße 5a, D-72072 Tübingen.Alle Rechte vorbehalten.Umschlaggestaltung, Satz und Layout:Björn Locke, Nürtingen.Lektorat: Michael Raffel, Tübingen.
ISBN 978-3-8425-2357-9
eISBN 978-3-8425-2369-2
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Bildnachweis:
Adolf Herr e. K.: Coverbild, S. 3. Frank Gehring: S. 18.Christoph Schlegel: S. 61. Heinz Jäger & Wolfgang Brommer:S. 106, 107. Kay Busemann: S. 118–121.Alle anderen Fotografien: Astrid Lehmann.
Literaturangaben:
Reinhard Jarczok und Margit Bachfischer: AlteHandwerkskunst. Dort-Hagenhausen-Verlag, 2014Ingeborg Krummer-Schroth: Alte Handwerkskunst undGewerbe im Schwarzwald. Verlag Karl Schillinger, 1976Nikolaus Reiter: Uriger Schwarzwald. Verlag Rombach, 1987Heimatmuseum Resenhof, Gemeinde Bernau,MBM Druck Team, 2020Häuptling Seattle: Wir sind ein Teil der Erde. Walter Verlag, 1982www.aphorismen.de
Das Buch ist allen Handwerkern gewidmet, die mit ihrer Hände Arbeit Schönes erschaffen und uns Betrachtern Freude schenken. Sie modellieren unsere einzigartige Kulturlandschaft seit Generationen. Auf dieser handwerklichen Reise habe ich wunderbare Menschen und ihr faszinierendes Können kennengelernt.Meine große Bewunderung und meine ganze Anerkennung gelten ihnen: den Handwerkskünstlern im Schwarzwald.
Einleitung
Zum Hof Ufrichte
Zimmermann
Schindelmacher
Ofenbauer
Kunstschmied
Steinbildhauer
Zum Hus Ufhübsche
Drechsler
Tischler
Bürstenmacher
Kuckucksuhrenhersteller
Weidenflechter
Seifensiederin
Lackschilduhrmalerin
Fürs Esse Richte
Küfer
Messerschmied
Töpfer
Glasmacher
Fürs Mädle Schmücke
Trachtenstickerin und -schneiderin
Spinnerin
Weberin
Weißstickerinnen
Strohschuhmacherin
Gerber
Sattler
Gold- und Silberschmiedin
Fürs Feschtle
Orgelbauer
Maskenschnitzer
Im Wald Schaffe
Pferderücker
Zapfenpflücker
Der Schwarzwald mit seinem Waldreichtum und seinen kristallklaren Gewässern, mit seinen kargen Bergrücken und engen Tälern, mit seiner Pflanzenvielfalt und seinen mineralischen Gesteinen prägt die Menschen und ihr Schaffen seit Generationen. Der Schwarzwald ist eine bezaubernde Landschaft, in der die Bäume regieren, eine Landschaft mit ihrer ganz eigenen Identität und einem besonderen Menschenschlag. Hier werden noch Lebensweisen gelebt, Bräuche gefeiert und traditionelle Handwerksberufe ausgeübt, die andernorts schon längst verschwunden sind. Schindelmacher und Trachtenschneiderin, Strohschuhmacherin und Kuckucksuhrenhersteller, Lackschilduhrmalerin und Maskenschnitzer, sie alle geben unserem Landstrich seinen unverwechselbaren Charakter.
Das größte Meisterstück der Schwarzwälder Handwerkskunst steht majestätisch auf den Höhen in Alleinlage. Es ist der monumentale Eindachhof, aus heimischem Holz gezimmert, der Wohnteil und Wirtschaftsteil unter seinem schützenden Dach vereint und sich kräftigen Windstürmen und schweren Schneelasten widersetzt. Früher oft mit Roggenstroh bedeckt, wurden in den kargen Höhenlagen des Schwarzwalds für die Bedachung Holzschindeln verwendet, die in den langen Winterabenden am Schniedesel gefertigt wurden. In der Einsamkeit der Bauernhöfe sind in Heimarbeit noch viele andere Werkstücke aus Meisterhand entstanden: Gegenstände des täglichen Gebrauchs, wie Teller, Schüsseln, Bürsten, Körbe, Seifen. Es wurde gezimmert, gesägt, geschnitzt, gebohrt, genäht, gestickt, geflochten, gedreht. Und das nicht nur aus Freude am Herstellen, sondern auch aus der Not. Viel Schönes, über das wir uns heute freuen, ist aus der Armut der ländlichen Bevölkerung des Schwarzwalds heraus entstanden. Wandernde Handwerker, die von Hof zu Hof zogen, »auf der Stör« waren, erledigten Arbeiten, die die Bauersleute nicht selber verrichteten. Gegen Kost, Logis und einen bescheidenen Handwerkerlohn schleiften sie Messer, flickten Kessel, schneiderten Kleider, stellten Schuhe und Körbe her. Träger mit ihren hölzernen Krätzen trugen Kuckucksuhren, gläserne Gegenstände oder ganz andere Waren weit über die Landesgrenzen des Schwarzwalds hinaus.
Viele der früheren Handwerksberufe wie Wagner, Küfer, Spanschachtelhersteller und Weißnäherin sind heute ausgestorben oder bestenfalls im Rahmen einer Vorführung in einem Museum oder auf einem Kunsthandwerkermarkt zu sehen. Einige Handwerker können sich von ihrer traditionellen Arbeit schlicht nicht mehr ernähren, ihre Kunst ist zur Passion geworden und wird als Nebentätigkeit oder Hobby ausgeübt. Andere traditionelle Handwerksberufe haben sich gewandelt und der heutigen Zeit angepasst. Manche Künstler plagen die Sorge, traditionelle Techniken vor dem Vergessen zu bewahren oder die Zukunftsängste vor dem ausbleibenden Nachwuchs. Viele in diesem Buch porträtierte Menschen sehen die Zukunft des Handwerks dennoch positiv. Seit einigen Jahren erfahren sie eine zunehmende Wertschätzung für ihre Arbeit und ihre Produkte, die für Regionalität, Qualität und Nachhaltigkeit stehen. Gerade in einer Zeit des schnellen Konsums, der internationalen Vernetzung und der Loslösung von der händischen Arbeit geht eine ungebrochene Faszination von dem Handwerk und den Künstlern, die dahinterstehen, aus.
Unsere Schwarzwälder Handwerker sind erfrischend authentisch, herrlich bodenständig, fest verwurzelt und die Hüter einzigartiger Traditionen und historischer Techniken. Sie sind Menschen, bei denen ein Händedruck noch voller Bedeutung ist. In ihnen vereinen sich Schwarzwälder Tüftlertum, Präzision, Fleiß und Beständigkeit. Sie sind Unikate. Was sie antreibt, ist ihre Leidenschaft, mit der sie ihr uraltes Handwerk ausüben. Und ihre Liebe zur Heimat.
Meister, Gesellen und ehrbare Leut,nach Wochen schwerer Arbeit ist Richtfest heut,zum Rohbau gefügt, von kundiger Hand,steht stolz dieses Haus aus Meisterhand.«(Auszug aus Pauls Richtspruch)
Schwalbenschwanz, Kopfband, Andreaskreuz, Pfette – Paul, der erfahrene Zimmermann, kennt sie alle, die Verzapfungen und Verbindungen, die in den historischen Bauten des Schwarzwalds verwendet wurden. Seit 48 Jahren ist Paul mit Leib und Seele Zimmermann.
In seiner langen Laufbahn hat er so alles gebaut, was es mit Holz zu zimmern gibt: aufwendige Sanierungen alter Schwarzwaldhöfe mit der Errichtung eines neuen Dachstuhls, mit Altholz wiederhergestellte Altaraufsätze in einer Kapelle, der Neubau eines Brunnenhäusles aus alten Materialien, ein Backhäusle auf alt getrimmt, eine diffizile Treppe oder auch die Restaurierungsarbeiten an einer Mühle – seine Kunstwerke füllen einige Fotobücher. Es ist faszinierend zu entdecken, dass man mit wenigen Verzapfungen monumentale Bauwerke errichtet hat, und das zu einer Zeit, in der es außer Manneskraft nur wenige Hilfsmittel gab. So ist der Spaziergang mit Paul in der historischen Ölmühle in Simonswald ein Ausflug in die Baugeschichte des Schwarzwalds.
Malerisch umrahmt von der wilden Gutach und dem Mühlenkanal, schmücken rote Geranien die 300 Jahre alte historische Ölmühle. Innen erwartet die Besucher ein liebevoll eingerichteter Wohnteil mit Stube und einem hübschen Kachelofen mit Eckbank. Von der schrägen Tür der Stube, die durch die Neigung automatisch zufällt, bis über den Schub, ein Brett, das an der Außenwand herausragt, konisch zugeschnitten ist und dem Anziehen der Holzdielen im Inneren dient, sind viele simple und gleichzeitig hoch raffinierte Bauelemente zu entdecken, die sich unsere Vorfahren ausgedacht haben. Auch im größten Meisterwerk der Schwarzwälder Volkskunst, dem monumentalen Eindachhof, sind viele solcher Finessen zu sehen. Mit einfachen Hilfsmitteln hat man versucht, sich das Leben und die Arbeit leichter zu gestalten. Je nach Region und Wetterlage entstanden unterschiedliche Haustypen; sie sind alle aus Holz gezimmert, im Kinzigtal mit einem gemauerten Untergeschoss. Traditionell wurde das hölzerne Skelett aus Pfosten und Riegeln auf einem Schwellenkranz aufgestellt, nur wenige Verzapfungen und hölzerne Nägel halten das tragende Gerüst zusammen, auf dem der monumentale Dachstuhl aufgerichtet wird. An der Hanglage gebaut, ermöglicht die Hocheinfahrt den direkten Zugang zur Tenne, auf der das Heu und die landwirtschaftlichen Geräte aufbewahrt wurden. Markant sind die tief heruntergezogenen Dächer in den Höhenlagen des Hochschwarzwalds, die die Bewohner gegen schwere Schneemassen und kräftige Windstürme schützen. Ein Speicher, ein Brenn- und Backhäuschen, ein Milchhäuschen und der bunte Bauerngarten vervollkommnen das Bild und verleihen dem Schwarzwald seinen unvergleichlichen Charme.
Pauls Leben hätte einfacher beginnen können. Tragischerweise wird sein Vater im Alter von nur 29 Jahren bei der Arbeit im Stall vom Blitzschlag getroffen. Die zu dieser Zeit üblichen genagelten Schuhe leiten den Blitz vom Verteilerkasten in die Erde ab, er ist augenblicklich tot – sechs Wochen vor Pauls Geburt. Die junge Mutter hat nun ein Kleinkind, Pauls ältere Schwester, und den Säugling zu versorgen. Früh lernt Paul, was es heißt, der Mann im Haus zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Für ihn stand auch ganz früh fest: »Ich schaff in der Nähe, dann ist die Mutter nicht alleine.« In der Verwandtschaft wird ein Haus umgebaut, und so entdeckt Paul zufällig den Beruf des Zimmermanns, an dem der handwerklich versierte Jugendliche gleich Gefallen findet. Das Arbeiten an der frischen Luft, die einzigartige Haptik des Materials Holz und die Möglichkeit, tagtäglich zu sehen, was man an dem Tag verrichtet hat, gefallen ihm nach den vielen Jahrzehnten im Beruf immer noch. Dabei stellt der erfahrene Zimmermann hohe Ansprüche an sich selbst und führt in aller Bescheidenheit aus: »Wenn’s mir gefällt, dann ist es okay.«
Viele Bräuche und Rituale, die seit Jahrhunderten bestehen, verlieren heute an Bedeutung, so verhält es sich auch im Handwerk. Bei den Zimmerleuten hingegen werden die jahrhundertealten Traditionen heutzutage noch gelebt. Die Bekannteste ist sicherlich die Walz, auf die sich der frisch gelernte Geselle begibt, um auf der Wanderschaft Erfahrungen zu sammeln und Fertigkeiten zu erwerben, vorausgesetzt er ist schuldenfrei, ledig und kinderlos. Auf der Walz und zu anderen feierlichen Anlässen tragen die Zimmerleute ihre Kluft, eine stolze Tracht, die unter anderem aus dem Zimmermannshut, einer schwarzen Weste mit Perlmuttknöpfen, einem kragenlosen weißen Hemd, einer Hose mit weitem Schlag und schwarzen Schuhen besteht. Wenn der Rohbau eines Hauses fertiggestellt und der Dachstuhl errichtet sind, wird das Richtfest gefeiert. Hoch oben auf dem Dach, traditionell geschmückt mit einem Richtbaum, spricht der Zimmermann den Richtspruch, stößt auf das Wohl der Hausbesitzer an und wirft das Glas zu Boden, denn Scherben bringen Glück. Anschließend wird gefeiert, und mit ein bisschen Glück erlebt man den Zimmermannsklatsch, eine traditionelle Vorführung der Zimmerleute. Rhythmisch singen und klatschen sie im Takt, je zwei Zimmerer stehen oder sitzen einander gegenüber. Vergnüglich ist es anzuschauen, aber es ist doch ein ernstes Lied, das Zimmerleute mahnt, ein sorgfältiges Gerüst zu bauen und füreinander Sorge zu tragen: »Früh morgens um halb sechse steh’n wir auf und steigen aufs Gerüst hinauf. Darum aufgeschaut, fest Gerüst gebaut, und auf seinen Kamerad vertraut! Holz her!« Für den Beruf des Zimmermanns spielen Vertrauen und Kameradschaft eine wichtige Rolle, neben Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. »Und Ehrfurcht vor dem Gewitter, das ist bei mir geblieben«, fügt Paul hinzu.
Tipp
Wer nicht in den Genuss der Zimmermannsrituale kommt, der kann sich immer noch an der historischen Ölmühle im Simonswald erfreuen. Eine Getreidemühle, ein Backhäusle und eine Trachtenausstel-lung runden das Angebot ab. Seit über 20 Jahren betreut der Brauchtumsverein die historische Ölmühle samt Areal und bietet neben dem Lohnmühlen auch kaltgepresstes Walnussöl an, aus handverlesenen Simonswälder Nüssen. Dafür hat sich der aktive Brauchtumsverein Großartiges überlegt: Alle Rentner des ländlichen Simonswalds werden aktiv rekrutiert und zum Nüsseknacken eingeteilt. So kommt keine Langeweile auf und die Kameradschaft der Zimmerleute wird auch bei den Senioren der Ölmühle aktiv gelebt.
Kontakt
Zimmerei-Holzbau Helmle
Am Häuslerain 10
79263 Simonswald
Tel.: 07683 337
E-Mail: [email protected]
www.holzbau-helmle.de
Mir machet Schindeln,kei Speckbrettle!«
Ein würziger Harzduft erfüllt die Schindelmacher-Werkstatt von Ernst Karle und katapultiert jeden Besucher mitten in den dichten Tannenwald des Schwarzwalds. Mitten in der Werkstatt thront der Schniedesel, auf dem bereits der Großvater Schindeln abgezogen hat. Das ist der Arbeitsplatz von Ernst, es sei denn, er steht auf einem Dach in luftiger Höhe mit Fernsicht in unendliche Weite und legt die Schindeln dicht an dicht. Ernst hat ohne Frage zwei der schönsten Arbeitsplätze im Schwarzwald.
Seine Arbeit als Schindelmacher fängt im Wald an, auf der Suche nach dem passenden Baum. Für seine Schindeln verwendet er ausschließlich die heimischen Fichten und Weißtannen. Schön gerade sollte der Stamm gewachsen sein, nicht drehwüchsig, wie er betont. Idealerweise sollte der passende Kandidat in der Nähe seines neuen Einsatzortes gedeihen, da er dann den Witterungsbedingungen optimal angepasst ist. Je höher die Höhenlage des Baums ist, desto langsamer wächst er. Seine Jahresringe liegen eng aneinander, er ist fest und widerstandsfähig. »Geschlagen wird der Baum nur im Winter, wenn er nicht mehr im Saft ist«, kommentiert Ernst. Der Stamm wird noch vor Ort in Rollen von 40 bis 60 Zentimeter Breite gesägt, bis zu den ersten Ästen. Nur der untere Teil des Nadelbaums wird also verwendet. Der Rest der Arbeit geschieht in der gemütlichen Stube eines alten Schwarzwaldhofs in Muggenbrunn. Dort erlebt man die Wandlung des Baumstamms zur isolierenden Schindel, ganz nach alter Manier, ohne moderne Technik und Strom. Auf einer Holzbank wird die Rolle mit der Spaltaxt in Keile gehackt, dabei entstehen große Kuchenstücke aus Fichte oder Weißtanne. Das Splintholz, die weiche Schicht unter der Rinde, wird mit der Axt entfernt. Nur das härtere Holz in der Mitte wird zu einer Schindel verarbeitet. Die Tortenstücke werden dann mittig mit einem Spaltlommel, einem speziellen Holzhammer, und einem Metallkeil quer zu den Jahresringen immer wieder geteilt, bis Ernst 11 Zentimeter breite Rohschindeln hat. Aus einem Holzkeil hat er ungefähr 8 bis 12 Rohschindeln geschlagen.
Jetzt folgt der Feinschliff auf dem Schniedesel. Auf der speziellen Schnitzbank werden die Rohschindeln an einer Klemmvorrichtung, der Backe, fixiert. Steuern lässt sich die Klemmvorrichtung mit einem Fußpedal. So hat Ernst beide Hände frei, um das Schindelmesser, ein Ziehmesser mit beidseitigem Griff, gekonnt zu führen. In Sekundenschnelle wird die Schindel mit wenigen präzisen und kräftigen Handgriffen glatt abgezogen, die Späne fliegen umher. Den letzten Schliff gibt Ernst an der sichtbaren Kante, der Schnauz. Entstanden ist ein dünnes Brettchen, das perfekt auf die Wetterbedingungen seines Einsatzortes abgestimmt ist, denn »mir machet kei Speckbrettle«, merkt der Schindelmacher verschmitzt an. Ganze 600 bis 700 Schindeln schafft er am Tag, wenn er schnell ist und sich von der Fernsicht nicht zu lange verleiten lässt. Seinen Schniedesel hat er vor dem Fenster platziert: Ernst thront auf den Höhen des Schwarzwalds, die kleine Ortschaft Muggenbrunn liegt ihm zu Füßen, am Horizont das waldige Mittelgebirge.
Zum Legen der Holzbretter benötigt Ernst genauso wenige Werkzeuge wie beim Schnitzen der Schindeln. Ein Schindelbeil, Nägel, Hammer und eine Schnur, und schon kann er auf einem Schwarzwaldhof die Schindeln fixieren. Für einen Quadratmeter benötigt Ernst 144 Dachschindeln, die versetzt verlegt werden. Genauigkeit ist bei seiner Arbeit relevant, denn die Schindeln müssen sich perfekt überlappen, vor allem auf der Wetterseite ist das wichtig. Auf dem Dach halten die Schindeln dann, je nach Witterungsbedingungen, 30 bis 40 Jahre, an einer Hauswand sogar bis zu 100 Jahre. Dank ihrer Langlebigkeit und ihrer sehr guten Beständigkeit gegenüber Schnee, Regen und Sturm kommt die traditionelle Schindeltechnik heute wieder vermehrt zum Einsatz.