Treacle Walker - Alan Garner - E-Book

Treacle Walker E-Book

Alan Garner

0,0
15,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Knochen, Lumpen und Papier! Reibstein und Geschirr, das gibt der Lumpensammler dafür!« Als der junge Joseph diesem Ruf vor seinem Fenster folgt, findet er vor seiner Tür einen fahrenden Händler mit dem Namen Treacle Walker, sowie seinen Karren, auf dem er mit eine Kiste voller mysteriöser Gegenstände durch die englischen Lande zieht. Und so beginnt ein phantastisches Abenteuer voller magischer Begegnungen. Joseph Coppock, ein kleiner Junge, lebt allein in einem alten Haus an einer Eisenbahnstrecke im Nordwesten Englands. Er hat ein schwachsichtiges Auge, liest gerne Comics und spielt mit Murmeln, vor allem mit seinem heißgeliebten Bucker. Eines Tages taucht ein Lumpensammler namens Treacle Walker auf, der ein leeres Töpfchen allheilender Medizin und einen Reibstein gegen Josephs alten Schlafanzug und den Knochen einer Lammschulter eintauscht, woraufhin zwischen den beiden eine außergewöhnmliche Freundschaft entsteht. Treacle Walker bringt Mythen, Magie, Wunder und jene Geschichten, die wir für uns selbst erfinden. Eine bemerkenswerte Erkundung des Vergehens der Zeit und ihrer Auswirkung auf einen in sich gekehrten Jungen, der versucht, sich einen Reim auf die Welt um ihn herum zu machen. »Garner ist unbestreitbar der wichtigste britische Fantasyautor seit Tolkien« Philip Pullman »Spielerisch, bewegend und ganz und gar bemerkenswert« Guardian »Diese scheinbar kurze Geschichte ist ein hypnotisches Wunder, das die Grenzen von Zeit und Geist verschwimmen lässt... Ein glorreiches Wunder auf seine Art und Weise. Hier gibt es echte Magie zwischen harten Buchdeckeln« Erica Wagner, New Statesman »Sparsam und doch meisterhaft... Ein fesselndes Volksmärchen, bei dem jedes Wort zählt« Literary Review "Wenn die Felsen, Höhlen, Seen, Pflanzen und Moore Englands eine Stimme hätten, würden sie klingen wie eine Geschichte von Alan Garner. " Philipp Pullman

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 76

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Cover for EPUB

Alan Garner

Treacle Walker

Der Wanderheiler

Aus dem Englischen von Bernhard Robben

Klett-Cotta

Impressum

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Hobbit Presse

www.hobbitpresse.de

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

»Treacle Walker« bei 4th Estate an Imprint of HarperCollins Publishers, London GB/Dublin Ireland 2021

© 2021 by Alan Garner

Für die deutsche Ausgabe

© 2023 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Cover: Klett-Cotta-Design unter Verwendung der Daten des Originalverlags

Coverdesign: © Tristan Offitt; Abbildungen: © getty/Cavan Images (Silhouette), © mauritius images/Alamy Stock Photos (Radierung)

Gesetzt von Dörlemann Satz, Lemförde

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-98732-4

E-Book ISBN 978-3-608-12212-1

Für MGS

Il tempo è ignoranza

Carlo Rovelli, L’ordine del tempo

I

»Knochen, Lumpen und Papier! Reibstein und Geschirr, das gibt der Lumpensammler dafür!«

Joe blickte von seinem Comic auf und lüpfte die Augenklappe. Der High Noony ratterte am Haus vorbei. Dieselqualm wehte über den Hof. Es war Mittag. Der Himmel glänzte.

»Knochen, Lumpen und Papier! Reibstein und Geschirr, das gibt der Lumpensammler dafür!«

Schnell, Joe. Jetzt, Joe.

Joe zog die Klappe runter, sprang von seiner Matratze auf dem Kaminschrank und stellte sich ans breite Fenster.

Noonys letzte Rauchfahne kräuselte sich durchs Tal. Joe sah niemanden auf Barn Croft, Pool Field, Big Meadow oder dem Weg zwischen oberem und unterem Gatter; Bäume verstellten von da an den Blick hoch zur Heide. Er ging zurück ins Bett.

»Knochen, Lumpen und Papier! Reibstein und Geschirr, das gibt der Lumpensammler dafür!«

Die Stimme war nahe am Fenster. Er kletterte wieder nach unten.

Im Hof stand ein weißes Pony. Es war an einen Karren geschirrt, einen flachen Karren, auf dem eine Holztruhe stand. In der vorderen Ecke des Karrens saß ein Mann, die Zügel in der Hand, das Gesicht zerknittert. Er trug einen langen Mantel und einen hohen Schlapphut, unter dem struppiges Haar hervorlugte. Eine über die Schulter geschlungene Ledertasche hing ihm auf der Hüfte.

»Knochen, Lumpen und Papier! Der Lumpensammler ist hier! Scheuerklumpen gibt’s für Lumpen. Und Geschirr!« Er blickte zu Joe hoch.

Joe öffnete das Fenster. Selbst von hier oben sah er seine Augen, sie waren grünviolett.

»Was wollen Sie?«, fragte er.

»Knochen und Lumpen. Du kriegst dafür einen Scheuerklumpen und Geschirr. Ist doch fair? Oder?«

»Warten Sie«, sagte Joe. »Ich komme.« Er durchwühlte den Schrank und fand einen alten Schlafanzug. Dann rannte er nach unten zu seinem Museum und hob den Glasdeckel an. Da lagen seine Vogeleier und ein Lammschulterblatt, das er auf einem Maulwurfshügel am Bahndamm gefunden hatte. Er nahm es, öffnete die Tür und ging auf den Hof.

»Ich hab das hier.«

»Hüpf an Bord, Pirat«, sagte der Mann.

Joe setzte einen Fuß auf eine Radspeiche und schwang sich auf den Karren. Der Mann machte in seiner Ecke für ihn Platz, und Joe setzte sich. Er wandte das Gesicht ab.

»Was ist los?«, fragte der Mann.

»Sie riechen.«

»Nicht ich, Joseph Coppock«, sagte der Mann. »Du riechst, ich stinke. Achte auf deine Worte.«

»Woher kennen Sie meinen Namen?«, fragte Joe.

»Den Narr kennen mehr als der Narr kennt«, sagte der Mann. »Oder nicht?«

Joe sprang vom Karren.

»Sie machen mich ganz kirre im Kopf.«

»Master Coppock, komm wieder rauf.«

Joe stieg erneut auf den Karren, hielt aber mehr Abstand.

»Was hast du mir mitgebracht?« Der Mann griff nach dem Schlafanzug. »Deinen Pyjama? Deinen eigenen? Du hast ihn getragen?«

»Er hat Löcher.«

Der Mann hielt sich den Pyjama ans Gesicht und roch.

»Ist nicht gewaschen«, sagte Joe.

»Und einen Knochen?«

»Der lag am Bahndamm, beim Bach. Von einem Lamm.«

»Gründlich gereinigt, Skapulimanter.«

»Bisschen plemplem, oder?«

»›Wie ein Hutmacher‹, sagt man nicht so? Mach die Truhe auf und wähle.«

Joe stand auf und ging zur Truhe. Er hob den Deckel.

»Ach du grüne Neune!«

Die Truhe war voll. Auf Seidentuch gebettet sah er Tassen, Untersetzer, Teller, Krüge, groß und klein, bunt, einfarbig, schlicht, versilbert, vergoldet und verdreht, mit Bildern von Tanz und Tod, von Schiffen, Meeren, Seen, mit Vögeln und Fischen, Walen, Monstern, Häusern, Schlössern, Villen und Sälen, mit Cherubinen, Satyrn und Nymphen, mit Bergen, Flüssen, Wäldern, Tümpeln, mit Feldern, Wolken und mit Himmel.

»Wähle«, sagte der Mann. »Eine.«

»Ist einen Haufen wert, das Ganze«, sagte Joe.

»Wähle.«

»Mehr als Knochen und Pölter.«

»Wähle.«

Joe nahm jedes Stück heraus und legte es auf den Karren.

»Das hier«, sagte Joe.

»Ist am wenigsten wert«, sagte der Mann.

»Ist das Allerallerbeste.«

Joe hatte sich ein rundes Keramiktöpfchen genommen, kaum größer als seine Hand.

»Bisschen klein«, sagte der Mann.

»Mir egal.«

»Kostet nicht viel.«

»Mir egal. Ich find’s super. Super wie nur was.«

Das Töpfchen war weiß glasiert und hatte einen Sprung. Unterm Rand stand in blauer Schrift: »Des Armen Mannes Freund« und darunter wiederum »Preis: 1/1/1/2«. Auf der anderen Seite: »Beach & Barnicott, alleinige Hersteller, NACHFOLGER DES VERSTORBENEN Dr. Roberts, Bridport.«

»Ziemlich alt«, sagte Joe.

»Kaum zu übersehen.«

Der Mann räumte alles zurück in die Truhe und schloss den Deckel. Mitten auf dem Käppchen des Töpfchens prangte ein ovales Messingschild, darin eingraviert sah Joe seinen Namen in geschwungenen Buchstaben.

»Zum Kuckuck noch eins!«

»Was ist?«, fragte der Mann.

»Mein Name! Da steht mein Name. Mein eigener Name. Genau da. Und in richtiger Schrift. Sehen Sie doch!«

»In diesem Moment ist alles deins. Du hast gewählt. Deshalb sollst du dies bekommen.«

»Zum Kuckuck noch eins!«

Der Mann öffnete seinen Beutel und holte etwas heraus. »Hier.« Es war ein Stein, rau und grau, der Größe und Form nach sah er aus wie ein Stück Seife.

»Donner und Doria!«

Er gab Joe den Stein in die Hand. Auf der einen Seite war nichts, auf der anderen der Umriss eines Pferds, Schweif und Beine gestreckt, der Kopf gereckt, lang und gertenschlank.

»Wir sind quitt. Der Handel komplett.«

»Und was soll ich mit dem Ding?«

»Es benutzen.«

»Wie?«

»Wie du es brauchst.«

»Wollen Sie mich veräppeln?«, sagte Joe. »Ich geh wieder rein. Sonst fang ich mir noch einen Sonnenstich ein.«

»So schnell bist du nicht, dass du den kriegst«, sagte der Mann. »Der dumme Dödel, der das Dunkel flieht, kehrt nicht vorm Morgengrauen wieder.«

»Mir geht’s nicht besonders«, sagte Joe.

»Dann wünsch ich dir noch einen schönen Tag, und ich bleib auch im Schatten, am besten unter der Birne. Alte Haut verträgt keine Hitze. Die Blätter der Birne aber sind kühl, ihr Segen taufrisch.«

»Sie können mit reinkommen, wenn Ihnen das lieber ist«, sagte Joe. »Drinnen ist es kühler.«

»Wenn ich darf.«

»Ganz wie Sie wollen. Mich kümmert’s nicht«, sagte Joe.

Er ging zum Haus. Der Mann folgte, hielt aber kurz inne und musterte die Türstufen, ehe er über die Schwelle schritt.

Offene Durchgänge verbanden die drei durch Fachwerkwände unterteilten Räume, aus denen das Haus bestand, und ein runder, eiserner Feuerkorb stand im Kamin, der groß war wie ein Zimmer, vom gleichen Fachwerk gerahmt und von zwei Seiten zugänglich.

Joe und der Mann gingen in den Kamin, setzten sich auf den umlaufenden Eichensims und blickten sich über kalte Asche hinweg an. Joe legte Töpfchen und Stein neben sich auf den Sims. Der Mann schlang die Tasche von der Schulter und stellte sie neben sich auf den Boden.

»Wieso die Scheuklappe, Pirat?«, fragte der Mann.

»Ich bin auf dem Auge schwachsichtig«, sagte Joe. »Muss die Klappe über dem guten tragen, damit das schwache kräftiger wird, aber schwach wie es ist, ist es doch ganz schön rege. Ich krieg davon Kopfschmerzen. Und ich kann nicht richtig gucken.«

»Was das Auge nicht sieht«, sagte der Mann, »darum kann das Herz nicht trauern. Oder?«

»Geht mir voll auf den Wecker«, sagte Joe. »Aber mein Name, also echt … und in richtiger Schrift!«

»Geduld, mein amblyopischer Freund. Geduld.«

»Oh, hahaha. Hihihi. Elefantenei in Rhabarberpipi.«

Der Mann saß nur da und sagte nichts. Alles an ihm sah ärmlich aus. Die Schuhe waren aus Hartleder, zu groß und mit einer Schnur zugebunden, außerdem klafften Schlitze quer über den Spitzen, als wären sie aufgeritzt. Und er trug keine Socken.

Joe rückte beiseite, dann wieder zurück. »Ihr Gesicht«, sagte er. »Halb ist’s alt, halb nicht. Kurz, ’s ist alles beides. Wie diese raffitückischen Postkarten ändert sich’s, je nachdem wie man guckt. Muss mein mieses Auge sein.«

»Tja, nun ja.« Der Mann starrte in den sich nach oben verjüngenden Schornstein.

»Wer sind Sie?«, fragte Joe.

»Wer? Was?«, erwiderte der Mann. »Gibt es da einen Unterschied?«

»Können Sie auch vernünftig reden? Wie heißen Sie?«

Dreimal rumste draußen der Eisenring auf das Holz der Tür, hallte durchs ganze Haus.

Joe trat ans kleine Fenster neben dem Eingang und blickte hinaus. Niemand da. Nur das Pony unterm Baum und die bleichende Hitze.

»Kein Mensch zu sehen«, sagte er.

»Dann will auch kein Mensch ins Haus«, sagte der Mann.

Klopf. Klopf. Klopf.

Joe spürte, wie die Tür bebte.

»Was muss ich tun?«

Klopf. Klopf. Klopf.

Joe blickte wieder nach draußen. Das Pony. Der Baum. Die Hitze.

Er zog den Riegel zurück.