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Eine Liebesgeschichte, die alle Zeiten überspannt. Zwei Menschen auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt. Zwei junge Leute, Alida und Asle, irren durch einen norwegischen Küstenort. Es ist Spätherbst, es ist kalt, und Alida ist hochschwanger. Bei sich haben sie nichts als die zwei Bündel, die Asle geschnürt hat, und den Kasten mit der Geige, einem Erbstück seines Vaters. Aber niemand will den beiden eine Herberge geben. Irgendwann lässt sich Asle nicht mehr abweisen und dringt mit Alida gewaltsam bei einer alten Frau ins Haus. Nicht lang darauf sind Asle und Alida, um Spuren zu verwischen, zu Olav und Asta geworden und verstecken sich mit ihrem kleinen Sohn in einem leer stehenden Bauernhaus. Doch als Olav in den Ort will, um Ringe zu kaufen, erkennt ihn ein kleiner alter Mann und bezichtigt ihn des Mordes. Olav versucht, ihn abzuschütteln. Da es bereits dämmert und er es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach Hause schaffen würde, übernachtet er in einem Fremdenzimmer. Dort aber schnürt sich die Schlinge zu. Das ergreifende, suggestiv-melodiöse Triptychon einer verletzlichen Liebe ist von schlichter Schönheit und eine Parabel über die Bedingungen der menschlichen Existenz.
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Seitenzahl: 248
Jon Fosse
Trilogie
Schlaflos ∙ Olavs Träume ∙ Abendmattigkeit
Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel
Ihr Verlagsname
Das neue Buch des großen Dramatikers Jon Fosse – ein Roman über die Liebe, ein zeitloses Märchen von großer Zartheit und Poesie. Ausgezeichnet wurde es mit dem wichtigsten Literaturpreis der skandinavischen Länder, dem Literaturpreis des Nordischen Rates 2015. Nicht nur Fosses Theaterstücke, sondern auch seine erzählenden Werke gehören zum Besten, das in der europäischen Literatur zu finden ist.
Zwei junge Leute, Alida und Asle, irren durch einen norwegischen Küstenort. Es ist Spätherbst, es ist kalt, und Alida ist hochschwanger. Bei sich haben sie nichts als die zwei Bündel, die Asle geschnürt hat, und den Kasten mit der Geige, einem Erbstück seines Vaters. Aber niemand will den beiden eine Herberge geben. Irgendwann lässt sich Asle nicht mehr abweisen und dringt mit Alida gewaltsam bei einer alten Frau ins Haus.
Nicht lang darauf sind Asle und Alida, um Spuren zu verwischen, zu Olav und Asta geworden und verstecken sich mit ihrem kleinen Sohn in einem leer stehenden Bauernhaus. Doch als Olav in den Ort will, um Ringe zu kaufen, erkennt ihn ein kleiner alter Mann und bezichtigt ihn des Mordes. Olav versucht, ihn abzuschütteln. Da es bereits dämmert und er es vor Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach Hause schaffen würde, übernachtet er in einem Fremdenzimmer. Dort aber schnürt sich die Schlinge zu.
Von Jon Fosse ist 2008 die Erzählung «Schlaflos» erschienen. Damals war nicht abzusehen, dass noch zwei damit zusammenhängende Erzählungen folgen würden: «Olavs Träume» und «Abendmattigkeit». Nun liegt die «Trilogie» vollendet vor. Das ergreifende, suggestiv-melodiöse, ja fast biblisch zu nennende Triptychon einer verletzlichen Liebe ist von schlichter Schönheit und eine Parabel über die Bedingungen der menschlichen Existenz.
Jon Fosse, 1959 in der norwegischen Küstenstadt Haugesund geboren, wuchs am Hardanger-Fjord auf und lebt heute als freier Schriftsteller in Oslo und in Hainburg an der Donau/Österreich. Auf Deutsch erschienen von ihm die Romane «Melancholie», «Morgen und Abend» und «Das ist Alise». International bekannt wurde er durch seine mehr als dreißig Theaterstücke, die weltweit aufgeführt werden und ihm zahlreiche Preise einbrachten. Für «Trilogie» bekam er den Literaturpreis des Nordischen Rates 2015 verliehen. Seit 2011 genießt er lebenslanges Wohnrecht in der «Grotte», einer Ehrenwohnung des norwegischen Staates am Osloer Schlosspark.
Schlaflos
Asle und Alida gingen umher in den Straßen Bjørgvins, über der Schulter trug Asle zwei Bündel mit all ihrer Habe und in der Hand den Fiedelkasten mit der Fiedel, die er vom Vater, dem Sigvald ererbt hatte, und Alida trug zwei Netze mit Essen und jetzt waren sie mehrere Stunden lang in den Straßen Bjørgvins umhergegangen und hatten ein Obdach gesucht, aber es schien unmöglich, irgendwo etwas zu finden, nein, sagten alle, wir haben leider nichts zu vermieten, nein, sagten sie, was wir haben, ist schon vergeben, so sagten sie und Asle und Alida mussten weiter in den Straßen umhergehen und an Türen klopfen und fragen, ob sie dort in einem Hause Obdach fänden, aber in keinem der Häuser war Raum für sie, wohin sollten sie sich wenden, wo sollten sie nun Schutz finden vor Kälte und Dunkelheit, jetzt spät im Herbst, irgendwo mussten sie doch etwas finden, und es war noch gut, dass es nicht regnete, aber bald fing es wohl auch an zu regnen und sie konnten ja nicht immer so weitergehen, und warum wollte sie bloß niemand aufnehmen, war es vielleicht, weil alle sehen konnten, dass Alida bald gebären sollte, jeden Tag konnte es jetzt so weit sein, so sah sie aus, oder war es, weil sie nicht getraut und darum keine braven Eheleute waren, nach Schick und Brauch, und darum auch keine braven Leute überhaupt, aber konnte ihnen das jemand ansehen, nein das ging ja nicht, aber vielleicht war es doch möglich, denn an irgendetwas musste es ja liegen, dass niemand sie beherbergen wollte, und dass sie den Segen des Pfarrers noch nicht hatten, lag ja nicht daran, dass Asle und Alida nicht würden heiraten wollen, wie sollten sie auch Zeit und Gelegenheit dazu haben, nicht älter waren sie als gerade mal siebzehn Jahre, freilich hatten sie nichts von dem, was für eine Heirat nötig ist, aber sobald sie es hätten, würden sie Hochzeit feiern mit Priester und Küchenmeister und Fest und Spielmann und allem, was dazugehört, aber so lange musste das warten, es musste so bleiben, wie es jetzt war, und es war ja eigentlich auch gut so, wie es war, nur warum wollte niemand ihnen Obdach geben, was stimmte nicht mit ihnen, vielleicht würde es helfen, wenn die Leute dachten, sie wären einander angetraut und Mann und Frau, denn wenn die anderen das dachten, dann wäre es schwieriger zu merken, dass sie als Sünder durch die Welt gingen, und jetzt hatten sie an vielen Türen angeklopft und niemand, den sie darum gefragt hatten, hatte sie beherbergen wollen und sie können nicht so weitergehen, es dunkelt schon, es ist Spätherbst, es ist dunkel, es ist kalt, und bald fängt es wahrscheinlich auch zu regnen an
Ich bin so müde, sagt Alida
und sie bleiben stehen und Asle sieht Alida an und er weiß nicht, was er ihr zum Trost sagen soll, allzu oft hatten sie einander schon getröstet mit Reden über das kommende Kind, wird es ein Mädchen, wird es ein Bub, darüber haben sie geredet und Alida meinte, mit Mädchen ist es einfacher, und er meinte das Gegenteil, leichter auszukommen ist mit Jungs, aber ob es jetzt ein Mädchen wird oder ein Bub, froh werden sie jedenfalls sein und dankbar für das Kind, wenn sie jetzt demnächst Eltern sind, das sagten sie und trösteten sich mit dem Gedanken an das Kind, das bald geboren werden sollte. Asle und Alida gingen dort durch die Straßen Bjørgvins. Sie hatten nicht gedacht, dass es so schwer sein würde, dass niemand sie beherbergen wollte, das musste sich doch bald finden, bald musste sich doch jemand finden, der ein kleines Zimmer zu vermieten hatte, wo sie eine Weile wohnen könnten, das musste sich doch finden, in Bjørgvin waren so viele Häuser, kleine Häuser und große Häuser, nicht wie in Dylgja, da waren nur ein paar verstreute Höfe und ein paar kleine Häuslerhütten am Strand, sie, Alida war die Tochter von Mutter Herdis am Hang, wie sie sie nannten, und kam von einem kleinen Hof in Dylgja, da war sie aufgewachsen bei der Mutter Herdis und mit der Schwester Oline, nachdem der Vater Aslak mit dem Boot rausgefahren und nicht wiedergekommen war, als Alida drei war und die Schwester fünf, und Alida konnte sich eigentlich nicht mehr recht an den Vater erinnern, nur an seine Stimme, seine Stimme konnte sie immer noch hören, das große Gefühl in seiner Stimme, das Klare, Scharfe und Breite, das in ihr war, aber das war wohl alles, was sie von Vater Aslak noch wusste, denn wie er aussah, das wusste sie nicht mehr, und auch sonst erinnerte sie sich an nichts als seine Stimme, wenn er sang, das war alles, was sie von Vater Aslak noch wusste. Und er, Asle war in einem Bootshaus in Dylgja aufgewachsen, wo unterm Dach eine Art kleine Wohnung eingerichtet war, da wuchs er auf mit der Mutter Silja und dem Vater Sigvald, bis zu dem Tag, als plötzlich der Herbststurm kam und der Vater auf See blieb, er fischte draußen westlich der Inseln und das Boot sank dort draußen, hinter Storesteinen. Und da blieben dann die Mutter und Asle allein in dem Bootshaus zurück. Doch nicht lange nachdem der Vater auf See geblieben war, wurde die Mutter kränklich, immer dünner, immer dünner, so dünn wurde sie, dass man durch ihr Gesicht hindurch die Knochen sehen konnte, ihre großen blauen Augen wurden immer größer, immer größer, bis sie fast das ganze Gesicht ausfüllten, so sah es aus für Asle, und ihr langes braunes Haar war dünner als früher und struppiger, und dann, eines Morgens, als sie nicht mehr aufstand, fand Asle sie tot im Bett. Die Mutter lag da, die großen blauen Augen zur Seite gewandt, dorthin, wo der Vater hätte liegen sollen. Ihr langes dünnes braunes Haar bedeckte den größten Teil ihres Gesichts. Mutter Silja lag da und war tot. Das war wohl vor einem Jahr gewesen, als Asle ungefähr sechzehn war. Und da waren das Einzige, was er im Leben besaß, er selbst und die paar Dinge im Bootshaus und dann noch die Fiedel vom Vater, von Sigvald. Asle war allein, mutterseelenallein, wäre da nicht Alida gewesen. Sein einziger Gedanke, als er die Mutter dort so verloren und tot hatte liegen sehen, sein einziger Gedanke war Alida. Ihr langes schwarzes Haar, ihre schwarzen Augen. Alles an ihr. Er hatte Alida. Jetzt war Alida das Einzige, was noch geblieben war. Das Einzige, was er dachte. Asle streckte die Hand nach der kalten weißen Wange der Mutter aus und streichelte sie. Jetzt hatte er nur noch Alida. Das dachte er. Und er hatte die Fiedel. Das dachte er auch. Denn Sigvald war nicht nur Fischer gewesen, sondern auch ein tauglicher Spielmann, und bei jeder einzelnen Hochzeit im Kirchspiel spielte er auf, so war es all die Jahre, und wenn es Tanz gab an einem Sommerabend, dann war es Sigvald, der aufspielte. Er war einst von Osten her nach Dylgja gekommen, um zur Hochzeit des Bauern auf Leite zu spielen, und da waren er und die Silja sich begegnet, sie war Dienstmagd dort und trug das Essen auf beim Hochzeitsfest und Sigvald spielte. So lernten Mutter und Vater sich kennen. Und Silja wurde schwanger. Und sie gebar Asle. Und um sich und die Seinen zu ernähren, verdingte der Vater sich bei einem Fischer draußen auf den Inseln im Meer, der Fischer wohnte auf Storesteinen, und als ein Teil des Lohns durften er und Silja im Bootshaus wohnen, das der Fischer drinnen in Dylgja besaß. So war Spielmann Sigvald nun auch Fischer geworden und wohnte im Bootshaus in Dylgja. So war es. So ging es. Und jetzt waren beide fort, Vater Sigvald und Mutter Silja. Für immer fort. Und jetzt gingen Asle und Alida in den Straßen Bjørgvins umher, und all ihre Habe trug Asle in zwei Bündeln über der Schulter, und dann hatte er noch den Fiedelkasten mit der Fiedel vom Vater dabei. Es war dunkel, und es war kalt. Und jetzt hatten Alida und Asle an vielen Türen angeklopft und nach Obdach gefragt und immer nur gehört, dass das nicht ging, dass nichts zu vermieten war, die Zimmer, die zu vermieten waren, waren alle vermietet, nein sie vermieteten nicht, das hatten sie nicht nötig, solche Antworten hatten sie bekommen, und Asle und Alida gehen weiter, sie sehen zu einem Haus hinüber, vielleicht ist dort etwas frei, aber sollen sie sich trauen anzuklopfen, sie kriegen doch nur wieder ein Nein zur Antwort, immer dasselbe, aber sie konnten ja auch nicht einfach so durch die Straßen gehen, also mussten sie sich wohl ein Herz fassen, anklopfen und fragen, ob ein Zimmer zu vermieten ist, natürlich mussten sie das, aber weder Asle noch Alida hatten mehr den Mut, noch einmal ihr Anliegen zu nennen und noch einmal ein Nein zu hören, das ging einfach nicht mehr, es war genug, wie es war, genug, und vielleicht war es ein Fehler, dass sie all ihre Habe genommen und nach Bjørgvin gefahren waren, aber was hätten sie sonst auch tun sollen, hätten sie weiter dort im Haus von Mutter Herdis am Hang wohnen sollen, die sie dort nicht haben wollte, wäre das eine Zukunft für sie gewesen, hätten sie nur weiter in dem Bootshaus wohnen können, dann wären sie wohl noch dort, aber eines Tages sah Asle, wie einer, er war ungefähr so alt wie er selbst, zum Bootshaus gefahren kam mit seinem Boot und das Segel fierte und anlegte unten am Bootshaus und sein Boot da vertäute, und nach einer Weile hörten sie es an der Luke klopfen und Asle machte auf und als der andere hochgestiegen war und sich fertig geräuspert hatte, sagte er, ihm gehört jetzt das Bootshaus, jetzt, wo sein Vater auf See geblieben ist zusammen mit Asles Vater, und jetzt braucht er das Bootshaus selbst und jetzt können natürlich Asle und Alida nicht mehr hier wohnen, jetzt sollen sie ihre Siebensachen packen und sich etwas anderes suchen, das sagte er und ging zum Bett und setzte sich neben Alida mit ihrem dicken Bauch und sie stand auf und ging zu Asle und dann legte der andere sich aufs Bett und sagte, er ist müde und jetzt will er ein bisschen ausruhen, das sagte er und Asle sah Alida an und dann gingen sie zur Luke und hoben sie hoch. Und dann gingen sie die Treppe hinunter und hinaus und da standen sie dann vorm Bootshaus. Alida mit ihrem großen schweren Bauch, und Asle
Jetzt können wir nirgendwo mehr wohnen, sagte Alida
und Asle gab keine Antwort
Aber das Bootshaus gehört ja jetzt ihm, da können wir wohl nichts machen, sagte Asle
Aber wir wissen nicht, wohin, sagte Alida
Es ist Spätherbst, es ist dunkel und kalt, und wir müssen ja irgendwohin, sagte sie
und dann standen sie da draußen und sagten nichts
Und ich bin bald so weit, es kann jeden Tag so weit sein, sagt sie
Ja, sagt Asle
Und wir wissen nicht wohin mit uns, sagt sie
und dann setzte sie sich auf die Bank an der Wand vom Bootshaus, die Vater Sigvald gebaut hatte
Ich hätte ihn totschlagen sollen, sagt Asle
Sag nicht so was, sagt Alida
und dann geht Asle hin und setzt sich neben Alida auf die Bank
Ich schlag ihn tot, sagt Asle
Nein nein, sagt Alida
So ist das einfach, den einen gehört was, und den anderen gehört nichts, sagt sie
Und die, denen was gehört, bestimmen über die, uns, denen nichts gehört, sagt sie
Ist wohl so, sagt Asle
Und so muss es sein, sagt Alida
Muss es wohl, sagt Asle
und Alida und Asle bleiben auf der Bank sitzen, ohne etwas zu sagen, und nach einer Weile kommt der, dem das Bootshaus jetzt gehört, runter und sagt, sie müssen zusammenpacken, denn jetzt wohnt er hier im Bootshaus, sagt er, und er will sie hier nicht haben, jedenfalls nicht Asle, sagt er, aber Alida, die kann gern hierbleiben, so, wie sie jetzt aussieht, sagt er, nachher kommt er wieder, und dann müssen sie, jedenfalls Asle, draußen sein und weg, sagt er und dann geht er runter zu seinem Boot und während er die Vertäuung löst, sagt er, er fährt nur schnell zum Kaufmann, und wenn er zurückkommt, muss das Bootshaus bereit sein und leer, heute Nacht will er hier schlafen ja, und dann noch Alida vielleicht, wenn sie will, sagt er und stößt sich ab und hisst das Segel und dann gleitet das Boot nordwärts dicht unter Land davon
Ich kann ja packen, sagt Asle
Ich kann dir helfen, sagt Alida
Nein geh du nur heim an den Hang du, geh du heim zu Mutter Herdis, sagt Asle
Heute Nacht dürfen wir vielleicht dort schlafen, sagt er
Vielleicht, sagt Alida
und sie steht auf und Asle sieht, wie sie am Ufer entlanggeht, ihre ziemlich kurzen Beine, die runden Hüften, ihr langes dichtes schwarzes Haar, das über ihren Rücken wallt, und Asle sitzt da und schaut hinter Alida her und sie dreht sich um und sieht zu ihm hin und dann hebt sie den Arm und winkt ihm zu und dann geht sie den Hang hinauf und dann geht Asle ins Bootshaus und packt all ihre Habe in zwei Bündel und dann geht er hinaus und geht zum Ufer hinunter mit den beiden Bündeln über der Schulter und dem Fiedelkasten in der Hand und auf dem Wasser sieht er den neuen Besitzer vom Bootshaus in seinem Boot zurückkommen und Asle geht den Hang hinauf und all seine Habe trägt er in zwei Bündeln über der Schulter, abgesehen von der Fiedel und dem Fiedelkasten, und als er ein Stück weit gegangen ist, sieht er Alida auf sich zukommen und sie sagt, bei Mutter Herdis, da können sie nicht unter, denn Mutter Herdis hat sie wohl nie so besonders leiden mögen, die eigene Tochter nicht, immer hatte sie die Schwester viel lieber gemocht, Oline, und sie hat nie begriffen, wie ein Mensch so sein kann, also da will sie nicht hin, nicht jetzt, ihr Bauch ist so dick geworden und alles, sagt sie und Asle sagt, es ist spät am Tage, und bald wird es dunkel, und nachts ist es kalt, jetzt im Spätherbst, und es kann gut sein, dass es auch zu regnen anfängt, da müssen sie sich wohl einfach fügen und fragen, ob sie nicht eine kleine Weile da wohnen können im Haus der Mutter am Hang, sagt er und Alida sagt, wenn sie müssen, dann muss er selbst darum bitten, sie tut es nicht, da schläft sie lieber sonst wo, sagt sie und Asle sagt, wenn er fragen muss, dann fragt er, und als sie dort sind und im Hausflur, sagt Asle es, wie es ist, der Besitzer vom Bootshaus will jetzt selbst dort wohnen, sie haben keine Bleibe, aber könnten sie nicht für kurze Zeit hier wohnen bei Herdis, sagt Asle und Mutter Herdis sagt, nein ist es jetzt so, ja in dem Fall kann sie wohl nichts anderes tun und muss sie hier wohnen lassen, aber nur eine Weile, sagt sie und dann sagt sie, dann mal herein, und dann geht Herdis die Treppe hinauf und dann gehen Asle und Alida hinterher und dann geht Herdis auf den Dachboden und sagt, hier können sie unterkommen für eine Weile, aber nicht so lange, und dann dreht sie sich um und geht hinunter und Asle stellt die Bündel mit all ihrer Habe auf den Boden und den Fiedelkasten stellt er in die Ecke und Alida sagt, die Mutter hat sie ja noch nie leiden mögen, nie nie hat sie das, und sie selbst hat ja auch nie verstanden, warum die Mutter sie nicht hat leiden mögen und die Mutter mag auch Asle nicht besonders, sie mag ihn nicht, schlicht und einfach, um die Wahrheit zu sagen, so war das eben, und jetzt war Alida auch noch schwanger und nicht mit Asle verheiratet, da wollte die Mutter diese Schande nicht bei sich im Haus haben, das dachte sie wahrscheinlich, die Mutter, auch wenn sie es nicht sagt, sagte Alida, also hier können sie nur diese Nacht bleiben, diese eine Nacht, sagte Alida und Asle sagte, dann, ja dann weiß er keinen anderen Rat, als dass sie gleich morgen nach Bjørgvin fahren, dort müssten sie doch eine Bleibe finden können, einmal war er dort gewesen, in Bjørgvin, sagte er, mit dem Vater, Sigvald war Asle dort gewesen, und er weiß noch so gut, wie es dort war, die Straßen, die Häuser, all die Menschen, die Geräusche und Gerüche, all die Geschäfte, all die Dinge in den Geschäften, alles miteinander ist so deutlich in seiner Erinnerung, sagte er und als Alida fragte, wie sie denn nach Bjørgvin kommen sollen, da sagte Asle, sie müssten ein Boot finden und hinfahren
Ein Boot finden, sagte Alida
Ja, sagte Asle
Was für ein Boot, sagte Alida
Am Bootshaus liegt eins vertäut, sagte Asle
Aber das Boot, sagte Alida
und dann sah sie Asle aufstehen und hinausgehen und Alida legte sich ins Bett dort unterm Dach und streckte sich aus und schloss die Augen und sie ist so müde, so müde und dann sieht sie den Sigvald da sitzen mit seiner Fiedel und er holt eine Flasche hervor und genehmigt sich einen ordentlichen Schluck und dann sieht sie Asle dort stehen, die schwarzen Augen, das schwarze Haar, und sie zuckte zusammen, denn da stand er, da stand ja ihr Junge, und dann sieht sie Sigvald Asle zuwinken und er geht zum Vater und dann sieht sie Asle da sitzen und die Fiedel unters Kinn klemmen und dann spielt er und in dem Moment zog es in ihr und sie wurde hochgehoben und stieg und stieg und in seinem Spiel hört sie ihren Vater, Aslak singen und sie hört ihr eigenes Leben und ihre eigene Zukunft und sie weiß, was sie weiß, und dann ist sie wieder da in ihrer eigenen Zukunft und alles ist offen, aber das Lied, das ist da und es ist wohl dieses Lied, das sie Liebe nennen, und dann ist sie nur noch dort in der Musik und sie will an keinem anderen Ort sein und dann kommt die Mutter, Herdis und fragt, was sie noch hier macht, sollte sie nicht längst den Kühen Wasser bringen, sollte sie nicht Schnee räumen, was glaubt sie denn, dachte sie etwa, Herdis macht alles allein, das Haus, das Essen, die Tiere, war es nicht schon schwer genug, alles zu tun, was sie zu tun hatten, was musste sie dann immer und ewig trödeln, nein das ging so nicht, sie musste sich zusammenreißen, sie sollte sich ein Beispiel an der Oline nehmen, wie die half und zugriff, so gut sie konnte, dass zwei Schwestern aber auch so ungleich sein konnten, im Aussehen und auch sonst, also dass es so was gab, aber die eine kam eben nach dem Vater, die andere nach der Mutter, die eine hell wie die Mutter, die andere dunkel wie der Vater, so war es ja, so was musste man nehmen, wie es kam, so würde es immer sein, sagte die Mutter, aber es war kein Wunder, dass sie nicht helfen wollte, so hässlich wie die Mutter immer mit ihr redete und schimpfte, sie war die Böse und Oline die Gute, sie war die Schwarze und Oline die Weiße, und Alida rekelt sich dort auf dem Bett, und wie soll das alles jetzt nur weitergehen, wohin sollen sie sich wenden, sie kann ja jeden Tag so weit sein, viel Platz hatten sie in dem Bootshaus ja auch nicht gehabt, aber eine Bleibe war es doch gewesen, und jetzt durften sie nicht einmal dort mehr bleiben und jetzt wussten sie nicht, wohin sich wenden, und Geld, ja Geld hatten sie auch so gut wie keins, ein paar Scheine hatte sie zwar schon und ein paar wenige hatte wohl auch der Asle, aber wenig genug war es, so gut wie nichts, aber zurechtkommen würden sie schon, da war sie sicher, sie würden zurechtkommen, aber Asle sollte jetzt bald mal zurückkommen, denn an das da mit dem Boot, also daran wollte sie ja gar nicht denken, das sollte ihr alles gleich sein, und Alida hört die Herdis sagen, dass sie genauso hässlich und schwarz ist wie der Vater, und genauso faul, immer nur Getrödel, sagt die Mutter, wie soll es mit ihr nur gehen, ein Glück jedenfalls, dass die Oline den Hof übernehmen wird, denn dafür hat Alida gar kein Geschick, das würde übel ausgehen, hört sie die Mutter sagen und sie hört die Schwester sagen, die Oline, gut, dass sie den Hof übernehmen wird, den schönen Hof hier am Hang, sagt die Oline und Alida hört die Herdis sagen, was nur aus der Alida werden soll, nein kann man das wissen, und Alida sagt, sie soll sich keine Sorgen machen, sie macht sich auch keine, und dann geht Alida hinaus und sie geht zur Kuppe, wo sie und Asle sich immer treffen, und als sie hinkommt, sieht sie Asle da sitzen und er sieht blass und verloren aus und sie sieht, dass seine schwarzen Augen feucht sind, und sie weiß, dass etwas passiert ist, und dann schaut Asle sie an und er sagt, dass die Mutter, die Silja tot ist und jetzt hat er nur noch sie, Alida, und er legt sich auf den Rücken und Alida geht zu ihm und legt sich neben ihn und er legt die Arme um sie und er drückt sie an sich und dann sagt er, heute früh hat er die Mutter tot gefunden, sie hat da im Bett gelegen und ihre großen blauen Augen haben fast das ganze Gesicht ausgefüllt, sagt er und er drückt Alida an sich und dann versinken sie ineinander und nur noch der Wind und ein paar Bäume sind zu hören und sie sind fort und sie schämen sich und sie legen los und sie reden und denken nicht mehr und dann liegen sie da an der Kuppe und sie schämen sich und sie setzen sich hin und dann sitzen sie da auf der Kuppe und blicken hinaus aufs Meer
Also wirklich, so was zu tun an dem Tag, wo die Silja gestorben ist, sagt Asle
Ja, sagt Alida
und Asle und Alida stehen beide auf und dann stehen sie da und richten ihre Kleider und dann stehen sie da und schauen zu den Inseln im Westen, zum Storestein
Du denkst an den Sigvald, sagt Alida
Ja, sagt Asle
und er hebt seine Hand in die Luft und steht da und hält sie in den Wind
Aber du hast mich, sagt Alida
Und du hast mich, sagt Asle
und dann bewegt Asle seine Hand vor und zurück, als ob er winken würde
Du winkst deinen Eltern, sagt Alida
Ja, sagt Asle
Du kannst sie wohl auch spüren, sagt er
Ja sie sind hier, sagt er
Sie sind jetzt beide hier, sagt er
und dann lässt Asle die Hand sinken und er bewegt sie zu Alida hinüber und er streichelt ihr die Wange und dann legt er seine Hand in ihre Hand und dann stehen sie so da
Aber denk nur, sagt Alida
Ja, sagt Asle
Denk nur mal an, sagt Alida
und sie legt sich die andere Hand auf den Bauch
Ja denk an, sagt Asle
und dann lächeln sie einander zu und dann gehen sie, Hand in Hand, den Hang hinunter und dann sieht Alida Asle auf dem Dachboden in der Kammer stehen und er hat nasses Haar und in seinem Gesicht ist etwas wie Schmerz und er sieht müde und verloren aus
Wo bist du gewesen, sagt Alida
Nein nirgends, sagt Asle
Aber du bist so nass und kalt, sagt Alida
und sie sagt, er soll ins Bett kommen, und Asle steht nur da
Steh nicht so da, sagt sie
und er steht nur so da, bewegt sich gar nicht
Was hast du, sagt sie
und er sagt, sie müssen jetzt fahren, das Boot ist bereit
Aber willst du nicht bisschen schlafen, sagt Alida
Wir sollten fahren, sagt er
Nur bisschen, du musst dich doch ausruhen, sagt sie
Nicht viel, nur bisschen, sagt sie
Du bist müde, sagt Asle
Ja, sagt Alida
Du hast geschlafen, sagt Asle
Glaub schon, sagt sie
und er steht da in der Kammer unter dem schrägen Dach
So komm schon, sagt sie
und sie streckt die Arme nach ihm aus
Wir müssen bald fahren, sagt er
Aber wohin, sagt sie
Nach Bjørgvin, sagt er
Aber wie, sagt sie
Mit dem Boot, sagt er
Wir haben kein Boot, sagt sie
Ich hab ein Boot beschafft, sagt Asle
Nur erst noch bisschen ausruhen, sagt sie
Gut, bisschen, sagt er
Dann können meine Sachen auch bisschen trocknen, sagt er
und Asle zieht sich aus und breitet seine Sachen über den Boden und Alida schlägt das Bettzeug beiseite und Asle kommt ins Bett zu ihr und legt sich neben sie und sie spürt, wie kalt und nass er ist, und sie fragt, ob es gutgegangen ist, und er sagt, doch doch das ist es schon, und er fragt, ob sie geschlafen hat, und sie sagt, sie glaubt wohl, und er sagt, jetzt dürfen sie eine Weile ausruhen und dann müssen sie zu essen mitnehmen, so viel sie nur können, und vielleicht auch ein paar Geldscheine, falls sie irgendwo welche finden, und dann müssen sie zum Boot gehen und lossegeln, bevor der Morgen kommt, und sie sagt, ja sie tun alles so, wie er es am besten findet, sagt sie und dann liegen sie da und sie sieht Asle mit der Fiedel da sitzen und sie steht und lauscht und sie hört das Lied aus ihrer eigenen Vergangenheit, und sie hört das Lied von ihrer eigenen Zukunft, und sie hört Aslak, den Vater singen, und sie weiß, alles ist vorbestimmt und so muss es sein, und sie legt die Hand auf ihren Bauch und das Kind strampelt und sie nimmt Asles Hand und legt sie sich auf den Bauch und das Kind strampelt noch einmal und dann hört sie Asle sagen, nein sie müssen jetzt fahren, wo es noch dunkel ist, das ist sicher besser, sagt er, und er ist so müde, sagt er, wenn er jetzt einschläft, dann ganz tief und lange, aber das darf er nicht, sie müssen raus und ins Boot kommen, sagt Asle und er setzt sich im Bett auf
Können wir nicht noch bisschen liegen, sagt Alida
Lieg du noch bisschen, sagt Asle
und er steht auf und Alida fragt, ob sie die Kerze anmachen soll, und er sagt, das muss nicht sein, und er zieht sich an und Alida fragt, ob seine Sachen trocken sind, nein, sagt er, trocken sind sie nicht, aber auch nicht mehr so nass, sagt er und er zieht sie an und Alida setzt sich im Bett auf
Jetzt fahren wir nach Bjørgvin, sagt er
Wir werden in Bjørgvin wohnen, sagt Alida
Ja das werden wir, sagt Asle
und Alida steht auf und sie macht die Kerze an und jetzt erst sieht sie, wie wüst und verstört Asle aussieht, und sie zieht sich an
Aber wo sollen wir wohnen, sagt sie
Wir müssen uns irgendwas suchen, sagt er
In Bjørgvin sind so viele Häuser, da ist so viel von allem, ja ich weiß ja nicht, sagt Asle