25,99 €
Einstein, Freud, Edison – autistisch, schizophren, schwerhörig: mit Handicap. Heinrich Zankl und Katja Betz laden ein zu den Paralympics der Wissenschaft!
Stephen Hawking ist wohl der bekannteste Wissenschaftler mit Handicap weltweit. Doch es gibt sehr viele große Denker und Forscher, die körperlich oder psychisch beeinträchtigt waren: Darwins Symptome deuten auf eine Nervenschwäche hin, bei Einstein vermuten Wissenschaftler eine Variante des Asperger- Syndroms, Freud war suchtkrank und Edison schwerhörig, Marx litt unter Karbunkeln, und Nietzsches Persönlichkeitsverfall könnte an einer Neurosyphilis gelegen haben.
Das »Who is Who« der Geistes- und Naturwissenschaften – mal anders
Die etwas anderen Paralympics, die uns Zankl und Betz hier präsentieren, sind beeindruckend und überraschend zugleich. Denn in Trotzdem genial ist das Who is Who der Geistes- und Naturwissenschaftler versammelt. Da lernen wir etwa den Kinderarzt Oliver Semler kennen, der zur Glasknochenkrankheit
forscht, an der er auch selbst erkrankt ist, oder die Tierwissenschaftlerin Temple Grandin. Sie ist Autistin und bemerkte, dass sie mit Tieren viel besser umgehen konnte als mit Menschen. Sie entwickelte unter Anderem tiergerechtere Anlagen zur Haltung von Kühen. Durch die Verfilmung ihres Lebens wurde sie
einem breiten Publikum bekannt, genauso wie John Nash, der schizophrene Nobelpreisträger und Mitentwickler der Spieltheorie.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 410
Inhaltsverzeichnis
Über die Autoren
Vorwort
Können sich Krankheiten bei Wissenschaftlern auch positiv auswirken?
Teil I Naturwissenschaften und Mathematik
1 Isaac Newton (1643–1727): hochbegabte Frühgeburt
Frühgeburt
Psychosen und Persönlichkeitsstörungen
2 Carl von Linné (1707–1778): psychisch labiler Kanzleibeamter Gottes
Phlegmone
Gicht
Zyklothymia (Zyklothymie)
3 Charles Darwin (1809–1882): kränklicher Evolutionsforscher
Seekrankheit
Chagas-Krankheit
Zyklisches Erbrechen (CVS)
Neurasthenie und Erschöpfungssyndrom
Hypochondrie
4 Ludwig Boltzmann (1844–1906): von Asthma geplagtes Hochtalent
Myopie und Staphyloma posticum
Asthma
5 Thomas Alva Edison (1847–1931): schwerhöriger Erfinder
Scharlach
Schwerhörigkeit
6 Victor Meyer (1848–1897): schlafloser Forscher
Neuralgie
Diphtherie
7 Emil Fischer (1852–1919): vergifteter Naturstoffchemiker
Magenentzündung
Bronchitis
Darmkrebs
8 Marie Curie (1867–1934): verstrahlte Nobelpreisträgerin
Strahlenkrankheit (Strahlensyndrom)
9 Albert Einstein (1879–1955): krankes Genie?
Einstein-Syndrom?
10 Dorothy Hodgkin (1910–1994): tapfere Chemikerin
Rheumatoide Arthritis
11 John Nash (1928): schizophrener Nobelpreisträger
Schizophrenie
12 Stephen Hawking (1942): großer Geist in schwachem Körper
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS)
13 Temple Grandin (1947): eine autistische Tierwissenschaftlerin
Autismus
Teil II
14 Sigmund Freud (1856–1939): süchtiger Vater der Psychoanalyse
Kokain- und Nikotinsucht
Mundhöhlenkarzinom
15 Oliver Sacks (1933): sprachbegabter Neurologe
Migräne
Körperbewusstsein
Melanom
16 Ralph Steinman (1943–2011): Kämpfer gegen den eigenen Krebs
Pankreaskrebs
17 Morton Doran (1955): zuckender Chirurg
Tourette-Syndrom
18 Oliver Semler (1974): Kinderarzt mit Glasknochen
Glasknochenkrankheit
Teil III
19 Karl Marx (1818–1883): schmerzgeplagter Antikapitalist
Tuberkulose (Tbc)
Leberentzündung
Hämorrhoiden
Furunkel und Karbunkel
Akne inversa (Hidradenitis suppurativa)
20 Friedrich Nietzsche (1844–1900): Opfer der Syphilis?
Syphilis
Ruhr
21 Max Weber (1864–1920): nervenkranker Vater der Soziologie
Gehirnhautentzündung (Meningitis)
Depression
22 Karl Jaspers (1883–1969): ein atemschwacher Philosoph
Bronchiektasie
23 Ludwig Wittgenstein (1889–1951): selbstmordgefährdeter Logiker und Sprachphilosoph
Prostatakrebs
24 Elyn Saks (1956): an Schizophrenie erkrankte Professorin
Brustkrebs (Mammakarzinom)
Literatur
Einleitung
Isaac Newton
Carl von Linné
Charles Darwin
Ludwig Boltzmann
Thomas Edison
Victor Meyer
Emil Fischer
Marie Curie
Albert Einstein
Dorothy Hodgkin
John Nash
Stephen Hawking
Temple Grandin
Sigmund Freud
Oliver Sacks
Ralph Steinman
Morton Doran
Oliver Semler
Karl Marx
Friedrich Nietzsche
Max Weber
Karl Jaspers
Ludwig Wittgenstein
Elyn Saks
Stichwortverzeichnis
Weitere Bücher von Heinrich Zankl bei Wiley-VCH:
Zankl, Heinrich
Kampfhähne der Wissenschaft
Kontroversen und Feindschaften
2012
ISBN: 978-3-527-32865-9
Zankl, Heinrich
Irrwitziges aus der Wissenschaft
Von Leuchtkaninchen bis Dunkelbirnen
2008
ISBN: 978-3-527-32114-8
Zankl, Heinrich / Benecke, Mark / Helb, Hans-Wolfgang / Sültemeyer, Dieter
Potzblitz Biologie
Die Höhlenabenteuer von Rita und Robert
2007
ISBN: 978-3-527-31754-7
Zankl, Heinrich
Fälscher, Schwindler, Scharlatane
Betrug in Forschung und Wissenschaft
2006
ISBN: 978-3-527-31646-5
In der Reihe Erlebnis Wissenschaft erscheinen 2014:
Full, Roland
Vom Urknall zum Gummibärchen
2014
ISBN: 978-3-527-33601-2
Groß, Michael
Invasion der Waschbären
und andere Expeditionen in die wilde Natur
2014
ISBN: 978-3-527-33668-5
Hermans, Jo
Im Dunkeln hört man besser?
Alltag in 78 Fragen und Antworten
2014
ISBN: 978-3-527-33701-9
Hess, Siegfried
Opa, was macht ein Physiker?
Physik für Jung und Alt
2014
ISBN: 978-3-527-41263-1
Lindenzweig, Wilfried H.
Wissen macht schlau
Große Themen leicht erzählt
2014
ISBN: 978-3-527-33750-7
Oreskes, Naomi / Conway, Erik M.
Die Machiavellis der Wissenschaft
Das Netzwerk des Leugnens
2014
ISBN: 978-3-527-41211-2
Iván Egry
Physik des Golfspiels
Mit Newton zum Tee
2014
ISBN: 978-3-527-41254-9
Autors
Heinrich Zankl
Büchnerstr. 6
66424 Homburg
Katja Betz
Otto-Dill-Str. 6
67433 Neustadt
Titelbild
© nicemonkey – Shutterstock.com
Alle Bücher von Wiley-VCH werden sorgfältig erarbeitet. Dennoch übernehmen Autoren, Herausgeber und Verlag in keinem Fall, einschließlich des vorliegenden Werkes, für die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlägen sowie für eventuelle Druckfehler irgendeine Haftung.
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2014 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Boschstr. 12, 69469 Weinheim, Germany
Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche markiert sind.
Print ISBN 978-3-527-33410-0ePDF ISBN 978-3-527-67176-2ePub ISBN 978-3-527-67175-5Mobi ISBN 978-3-527-67174-8
Über die Autoren
Heinrich Zankl studierte Veterinärmedizin, Anthropologie und Humangenetik. Vor seiner Pensionierung (2006) lehrte er über 25 Jahre als Professor für Humanbiologie und Humangenetik an der Universität Kaiserslautern. Regelmäßig präsentiert er auch unterhaltsame Sachbücher zu Themen aus verschiedensten Forschungsgebieten. Bei Wiley-VCH sind erschienen: »Potzblitz Biologie«, »Fälscher, Schwindler, Scharlatane«, »Nobelpreise: Brisante Affären, umstrittene Entscheidungen«, »Irrwitziges aus der Wissenschaft« und »Kampfhähne der Wissenschaft«. Für sein Engagement erhielt der Autor die Heinrich Bechhold-Medaille für Wissenschaftsjournalismus.
Katja Betz, Diplombiologin, ist für eine Firma im Bereich Umweltdienstleistungen und außerdem für die Initiative »Gesunder Campus« der Technischen Universität Kaiserslautern tätig. Sie hat beim TU-Wettbewerb »Wissenschaftsreporter« mehrere Preise erhalten. Die Koautorin des vorliegenden Werkes und des Buches »Kleine Genies: 25 Wunderkinder der Wissenschaft« ist selbst auf den Rollstuhl angewiesen.
Vorwort
Schon lange wird darüber diskutiert, ob manche Erkrankungen die Schaffenskraft nicht nur schwächen, sondern die Betroffenen auch manchmal zu besonderen Leistungen befähigen oder anspornen können. Vor allem psychische Störungen scheinen nicht selten mit einer erhöhten Kreativität und vielleicht sogar Genialität einherzugehen. Diese Fähigkeiten sind insbesondere für künstlerische und literarische Höchstleistungen eine wichtige Voraussetzung, haben jedoch auch für den wissenschaftlichen Bereich größte Bedeutung. Bereits der berühmte griechische Philosoph und Naturwissenschaftler Aristoteles sah Zusammenhänge zwischen Hochbegabung und psychischer Auffälligkeit. Von ihm soll der prägnante Satz stammen: »Es gibt kein Genie ohne ein Stück Verrücktheit.«
Mit diesem Thema hat sich auch der deutsche Psychiater Wilhelm Lange-Eichbaum intensiv beschäftigt. Sein mehrbändiges Werk »Genie, Irrsinn und Ruhm« ist 1928 erstmals erschienen und hat schnell sehr großes Interesse gefunden. Inzwischen sind sieben Auflagen dieser Buchreihe erschienen, wobei zweimal eine grundlegende Überarbeitung und Erweiterung durch Wolfram Kurth bzw. Wolfgang Ritter erfolgt ist. In der letzten Ausgabe sind die Biografien von über 300 genialen Geistern dargestellt, wobei ihre physischen und psychischen Leiden eine besonders ausführliche Berücksichtigung finden. In vier Bänden werden die Lebensläufe von Künstlern und Literaten beschrieben, jeweils ein Band ist religiösen Führern, Philosophen, Politikern, Wissenschaftlern, Entdeckern und Revolutionären gewidmet. Während in diesem umfangreichen Werk die Verbindungen zwischen Genialität und Krankheit vor allem aus psychiatrischer Sicht geschildert werden, gibt es seit einiger Zeit auch aus der Genetik interessante Hinweise auf entsprechende Zusammenhänge. Die Analyse von Stammbäumen hat beispielsweise ergeben, dass in Familien mit mehreren genialen Mitgliedern auffällig oft auch psychische Erkrankungen vorkommen. Neuerdings hat man sogar eine Variante des Signalübertragungs-Gens Neuregulin-1 gefunden, die nicht nur bei der Entstehung von Psychosen, sondern auch bei der Ausprägung einer hohen Kreativität eine wichtige Rolle zu spielen scheint.
Neben Menschen mit psychischen Erkrankungen erbringen auch solche mit Störungen in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit manchmal erstaunliche künstlerische und wissenschaftliche Leistungen. Das gilt insbesondere für autistisch veranlagte Personen, die sich zwar im täglichen Leben oft nur schwer zurechtfinden, aber für meist eng begrenzte Bereiche eine ganz besondere Begabung haben können. Im Bereich der Wissenschaft, auf den sich das vorliegende Buch beschränkt, ist dafür Temple Grandin ein besonders bemerkenswertes Beispiel. Ihr ungewöhnlicher Lebenslauf wird im Kapitel 13 dargestellt. Grandin ist davon überzeugt, dass sie ohne ihren Autismus keine so großen Erfolge im Bereich der Tierwissenschaften erzielt hätte. Auch im Bereich der Mathematik und Informatik sind inzwischen zahlreiche Fälle bekannt, in denen autistische Verhaltensweisen mit besonderen Fähigkeiten verknüpft sind. Der große Datenverarbeitungskonzern SAP hat daraus kürzlich die Konsequenz gezogen und mitgeteilt, dass er in den nächsten Jahren gezielt einige hundert Personen mit autistischer Behinderung einstellen will.
Aber auch andere Erkrankungen haben die wissenschaftliche Tätigkeit ihrer Träger mehr oder minder stark positiv beeinflusst. Stephen Hawking ist durch fortschreitende Lähmungen schon früh dazu gezwungen worden, sich auf die theoretische Physik zu konzentrieren, da die Arbeit in anderen Bereichen dieses Faches für ihn nicht möglich gewesen wäre. Seine Publikationen über das Weltall haben ihn inzwischen weltberühmt gemacht. Er selbst nennt sich in einem Interview »Archetypus eines behinderten Genies«. Einzelheiten zu seiner höchst erfolgreichen Karriere finden sich im Kapitel 12. In anderen Fällen haben die persönlichen Krankheiten die Forschungsziele von Wissenschaftlern mitbestimmt. So ist beispielsweise von dem kanadischen Immunologen Ralph M. Steinman eine Behandlungsmethode entwickelt worden, die er auch an seinem eigenen Pankreaskrebs getestet hat. Steinman ist 2011 an diesem Tumor verstorben, seine sehr erfolgreiche Forschungsarbeit hat ihm aber posthum noch den Nobelpreis eingetragen (siehe Kapitel 16). Der an der Glasknochenkrankheit leidende Kinderarzt Oliver Semler erforscht ebenfalls seine eigene Erkrankung (siehe Kapitel 18). Für den beruflichen Erfolg von Behinderten und chronisch Kranken ist oft auch hilfreich, dass sie schon von Jugend an notgedrungen viel Selbstdisziplin und Ausdauer entwickeln müssen, um ihren Alltag zu meistern. Wie wichtig diese Fähigkeiten sind, kann Katja Betz, die Koautorin dieses Buches, besonders gut beurteilen, weil sie selbst zeitlebens auf den Rollstuhl angewiesen ist. Eine vollständige Ausschöpfung ihrer Begabungen können die Betroffenen aber oft nur dann erzielen, wenn sie aus ihrem sozialen Umfeld intensive Förderung und Unterstützung erfahren. Dafür ist Dorothy Hodgkin ein gutes Beispiel, die es ohne die intensive Hilfe aus ihrem Familien- und Bekanntenkreis wohl nicht geschafft hätte, 1964 den Nobelpreis in Chemie zu erringen (siehe Kapitel 10).
Um etwas Ordnung in die Vielzahl der dargestellten Biografien zu bringen, haben die Autoren des vorliegenden Buches sie in die drei Gruppen Naturwissenschaften und Mathematik, Medizin und Psychologie sowie Geisteswissenschaften untergliedert. In manchen Fällen hätte die Zuordnung vielleicht auch etwas anders gewählt werden können, da die wissenschaftliche Tätigkeit einzelner Personen fachübergreifend gewesen ist. Der begrenzte Umfang des Buches hat außerdem eine relativ strenge Auswahl notwendig gemacht, sodass durchaus interessante Persönlichkeiten unerwähnt geblieben sind. Die Biografien sind mit kurzen Darstellungen der wichtigsten Krankheiten verbunden, damit sich der Leser eine bessere Vorstellung von den Leiden der geschilderten Persönlichkeiten machen kann. Vor allem diesen Teil hat Frau Dr. med. Merve Zankl intensiv durchgesehen, um Unklarheiten oder sogar Fehler möglichst auszumerzen, die sich in solche Kurzbeschreibungen von Krankheiten leicht einschleichen können. Dafür sind die Autoren ihr zu besonderem Dank verpflichtet. Unser großer Dank gilt ebenso Dr. Waltraud Wüst, Dr. Gudrun Walter und Dr. Martin Preuß, die das Buchprojekt bei Wiley-VCH intensiv und wohlwollend betreut haben.
Neustadt/Homburg, Frühjahr 2014
Katja Betz, Heinrich Zankl
Der Start ins Leben war für Isaac Newton keineswegs leicht. Nach dem heute gültigen gregorianischen Kalender war sein Geburtstermin der 4. Januar 1643. In England galt damals aber noch der julianische Kalender, wonach Newton am 25. Dezember, also am ersten Weihnachtsfeiertag des Jahres 1642 geboren wurde. Für seine Mutter dürfte diese Weihnachtsüberraschung nicht sehr angenehm gewesen sein, denn ihr Sohn kam etwa zwei Monate zu früh auf die Welt (weitere Informationen im Abschnitt »Frühgeburt«). John Conduitt, ein entferntes Familienmitglied, schrieb darüber etliche Jahrzehnte später: »Sir I. N. erzählte mir, man habe ihm erzählt, dass er bei seiner Geburt so klein gewesen sei, dass er in ein Litergefäß gepasst habe, und so schwach, dass man ihm eine Rolle um den Hals habe legen müssen, um den Kopf gerade zu halten, und man habe so wenig an sein Überleben geglaubt, dass die zwei Frauen, die … etwas für ihn holen sollten, sich unterwegs auf ein Treppchen setzten und sagten, es gebe keinen Grund zur Eile, denn sie waren sicher, dass das Kind tot sein würde, bis sie zurückkämen.« Da niemand mit dem Überleben des Kindes rechnete, wurde es erst nach einer Woche getauft. In der Folgezeit entwickelte sich Isaac aber zum allgemeinen Erstaunen ganz gut, blieb jedoch zeitlebens klein und körperlich recht schwächlich. Auch familiär lag bei den Newtons einiges im Argen, denn der Vater war bereits drei Monate vor der Geburt seines Sohnes verstorben. Zumindest wirtschaftlich hatte die Mutter von Isaac keine allzu großen Sorgen, denn ihr verstorbener Ehemann war ein durchaus vermögender Bauer in dem Dörfchen Woolsthorpe gewesen, das in der mittelenglischen Grafschaft Lincolnshire liegt. Dort ist das Geburtshaus von Isaac Newton auch heute noch zu besichtigen.
Im Alter von drei Jahren traf Isaac ein schwerer Schlag. Seine noch recht junge Mutter heiratete wieder und zog in ein Nachbardorf, wo ihr neuer Ehemann Pfarrer war. Der geistliche Herr wollte aber Isaac nicht bei sich aufnehmen, sodass seine Mutter sich gezwungen sah, ihn bei den Großeltern zurückzulassen, wo er sich gar nicht wohl fühlte. Die frühe Trennung von seiner Mutter war wohl mit dafür verantwortlich, dass sich Isaac zu einem Einzelgänger entwickelte, der wenig Kontakt zu anderen Kindern hatte. Er besuchte zunächst zwei verschiedene Dorfschulen, wo er allerdings nur mäßige Leistungen zeigte. Als 1653 sein Stiefvater starb, kehrte Isaacs Mutter wieder nach Woolsthorpe zurück. Er hatte nun zwar seine Mutter wieder, aber sie brachte drei jüngere Kinder mit, zu denen er keine guten Beziehungen aufbauen konnte. Zwei Jahre später wurde der inzwischen 12-jährige Isaac wieder von seiner Mutter getrennt, weil er die Lateinschule in der Kreisstadt Grantham besuchen sollte. Zu diesem Zweck wurde er bei dem dortigen Apotheker Clark untergebracht, dessen Frau mit Isaacs Mutter befreundet war. In dem Haus lebten noch drei weitere Kinder, die aus der ersten Ehe von Clarks Frau stammten. Mit den zwei Knaben verstand sich Isaac nicht gut, zu dem Mädchen entwickelte er jedoch eine gewisse Zuneigung. Soweit bis heute bekannt ist, hat er jedoch in seinem ganzen Leben nie ein liebevolles Verhältnis zu einer Frau entwickelt.
In der Lateinschule von Grantham wurde Newton in die unterste Klasse eingestuft und dort auch noch in die letzte Schulbank gesetzt, weil seine Leistungen anfangs so ziemlich die schlechtesten waren. Da Newton lieber mit Mädchen als mit Jungen spielte und auch sonst wenig mit seinen meist recht ruppigen Geschlechtsgenossen gemein hatte, wurde er von denen häufig gehänselt. Schon bald kam es zu einem ersten tätlichen Angriff, bei dem Newton in den Bauch getreten wurde. Nach der Schule forderte er den Übeltäter zum Kampf heraus und trotz seiner geringen Körperkräfte soll Newton sogar als Sieger aus der Rauferei hervorgegangen sein. Vermutlich wurde ihm aber dabei klar, dass er für diese Art der Auseinandersetzung nicht geschaffen war, denn er vermied zukünftig solche Prügeleien und versuchte stattdessen, seine Klassenkameraden durch seine überlegene Geisteskraft zu beeindrucken. Er strengte sich ab diesem Zeitpunkt im Unterricht deutlich mehr an und arbeitete sich auf Grund seiner Leistungen auch räumlich nach vorne. Als Zeichen seines schulischen Aufstiegs gravierte er auf jeder Bank, die er vorrückte, seinen Namen ein. 1659 nahm die Mutter Newton jedoch von der Schule, weil sie meinte, er sollte sich jetzt auf die Bewirtschaftung des väterlichen Bauernhofes vorbereiten. Dafür war der oft sehr in seine Gedanken versunkene Newton allerdings gar nicht geeignet. Mehrfach wurde er vom zuständigen Gutsgericht zu Geldstrafen verurteilt, weil er beim Schafe- oder Schweinehüten so unaufmerksam war, dass die Tiere auf Nachbarfeldern beträchtlichen Schaden anrichteten. Als Newtons Mutter über diese Probleme mit ihrem Bruder sprach, riet er ihr, den geistig sehr begabten Isaac wieder auf die Schule zu schicken, wo er sich auf ein Universitätsstudium vorbereiten sollte. Da sich der Bruder sogar erbot, Isaac bei sich aufzunehmen und das Schulgeld zu bezahlen, fiel Newtons Mutter die Zustimmung relativ leicht. Isaac Newton war über diese Wendung in seinem Leben hoch erfreut, denn er litt sehr unter der bäuerlichen Arbeit, die ihn geistig völlig unterforderte. Er entwickelte nach seiner neuen Einschulung einen so großen Lerneifer, dass er die Schule als Jahrgangsbester abschloss.
Im Juni 1661 reiste Newton nach Cambridge, wo er am altehrwürdigen Trinity College sein Studium aufnahm. Er hatte dort den Status eines »Subzisars«, der sich aus Geldmangel seine Unterkunft und Verpflegung durch Dienstleistungen verdienen musste. Damit hatte Newton den niedrigsten sozialen Status am College und musste viele Demütigungen ertragen, wodurch sein schon vorhandenes Einzelgängertum vermutlich noch erheblich gefördert wurde. Glücklicherweise fand Newton einen väterlichen Freund in Isaac Barrow, der damals die noch heute berühmte Lucasian-Professur innehatte und Newtons außerordentliche Begabungen erkannte. Barrow förderte ihn vor allem in Mathematik und Physik, stellte aber nach einiger Zeit fest, dass sein Schüler in diesen Fächern noch leistungsfähiger war als er selbst. Von Barrow ist die Aussage überliefert, »dass er wahrhaftig einiges von Mathematik verstehe, dass er aber im Vergleich zu Newton wie ein Kind rechne«.
1665 musste Newton Cambridge verlassen, weil dort die Pest ausgebrochen war. Er kehrte nach Woolsthorpe zurück, wo er, ganz auf sich allein gestellt, an seinen wissenschaftlichen Ideen weiter arbeitete. Seine geradezu unglaublichen Fortschritte beschrieb er später selbst so: »… Zu Beginn des Jahres 1665 fand ich die Methode zur Reihenentwicklung und die Regel, um jede Potenz eines Binoms in eine solche Reihe umzuwandeln. Im Mai desselben Jahres fand ich die Tangentenmethode … verfügte im November… über die direkte Fluxionsmethode, im Januar des nächsten Jahres über die Farbentheorie und im … Mai über den Zugang zur umgekehrten Fluxions-methode. Im selben Jahr begann ich über die Gravitation nachzudenken … All dies trug sich in den Pestjahren 1665/1666 zu. Denn zu dieser Zeit befand ich mich auf dem Höhepunkt meiner Erfindungskraft …«
Nach seiner Rückkehr an das Trinity College schrieb Newton zwei wichtige Artikel, die ihm viel Anerkennung eintrugen. Deshalb beschloss er, sich um eine bezahlte Hochschulstelle zu bewerben, die er aber nicht bekam. Erst zwei Jahre später wurde er zum »Minor Fellow« und wenig später zum »Major Fellow« ernannt. 1669 konnte er sogar die Lucasian-Professur übernehmen, die sein Lehrer Barrow aus freien Stücken räumte, wohl auch, um für seinen besten Schüler optimale Entfaltungsmöglichkeiten zu schaffen. Newton behielt diese Professur dreißig Jahre lang und vertiefte in dieser Zeit seine Forschungen. Er musste auch Vorlesungen für Studenten halten, aber diese Aufgabe war ihm eher lästig und seine Ausführungen waren meist auch so unverständlich, dass er kaum Hörer hatte. Es gibt Berichte, wonach er sogar hin und wieder in einem völlig leeren Hörsaal doziert hat. Wahrscheinlich ist Newton dieser merkwürdige Umstand gar nicht bewusst geworden, denn er war oft so in seine Gedanken versunken, dass er seine Umgebung kaum wahrnahm. Sein langjähriger Sekretär beschrieb das Verhalten seines Chefs einmal so: »Ich habe nie erlebt, dass er sich Erholung oder Zeitvertreib gönnte … Er hielt jegliche Zeit für verloren, die nicht seinen Studien gewidmet war … Er ging sehr selten zum Essen in den Speisesaal … und wenn man ihn dann nicht darauf aufmerksam machte, ging er sehr nachlässig gekleidet hin, in Schuhen mit schiefen Absätzen, heruntergerutschten Strümpfen, übergeworfenem Chorhemd und ungekämmtem Haar.«
Trotz seiner menschlichen Eigenheiten und der Scheu vor öffentlichen Auftritten verbreitete sich Newtons Ruf als hervorragender Wissenschaftler schnell in England und Europa. 1672 wurde ihm daher die Mitgliedschaft in der berühmten Royal Society in London angetragen. Bei seinem ersten Auftritt in der Mitgliederversammlung stellte er eine Arbeit mit dem Titel »Eine neue Theorie über das Licht und die Farben« vor, die zu heftigen und langwierigen Diskussionen führte. Da Newton Kritik an seiner Arbeit nicht ertragen konnte, reagierte er sehr unwirsch und drohte sogar mit dem Austritt aus der Gesellschaft, der aber verhindert werden konnte. 1678 erreichte Newtons Erregung einen Höhepunkt und nahm krankhafte Züge an. Das geht insbesondere aus seinen Briefen hervor, die er an den Mathematiker Edouard Lucas schickte. Darin ist unter anderem Folgendes zu lesen: »Ist es üblich, dass Menschen sich gegenseitig zum Streit drängen? Oder bin ich dazu da, sie zufrieden zu stellen? Sie haben es anscheinend nicht für ausreichend gehalten, Einwände vorzubringen, sondern wollten mich durch die Vermutung beleidigen, ich könne sie vielleicht nicht alle beantworten … Aber woher wissen Sie, dass ich sie nicht als zu dürftig ansah, um darauf zu antworten …? Ich hoffe, dass Sie beachten, wie wenig mir daran liegt, Ihr Vorgehen öffentlich zu machen, und dass Sie mich in Zukunft entsprechend fair behandeln.« Als Newton erfuhr, dass ein Antwortschreiben von Lucas in London angekommen sei, schrieb er dem zuständigen Sekretär: »Ich höre, dass Sie einen Brief von Mr. Lucas für mich haben. Bitte unterlassen Sie es, mir weitere Schreiben dieser Art zu schicken.« Die Korrespondenz mit anderen Kollegen stellte Newton ebenfalls für zwei Jahre fast vollständig ein. Auch als er gegen Ende seines Lebens auf diese Zeit zurückblickte, wollte Newton nicht wahrhaben, dass seine damalige Reaktion unangemessen war. Er schrieb in einem Brief: »Es ist jetzt etwa 50 Jahre her, seit ich um meiner Ruhe willen den brieflichen Austausch über mathematische und philosophische Themen abgelehnt habe, weil er in meinen Augen zu Streit und Kontroversen führte …«
Während manche Autoren die Meinung vertreten, damals habe sich schon eine spätere psychische Erkrankung Newtons in einem ersten Schub manifestiert, meinen andere, vor allem seine intensive Hinwendung zu alchemistischen Themen und Kreisen sei für sein höchst merkwürdiges Verhalten verantwortlich gewesen. Etwa ab 1675 ließ das Interesse Newtons an der Alchemie wieder nach und er wandte sich der Theologie zu. Nach ausgiebigen Studien kam er zu der Überzeugung, dass im 4. und 5. Jahrhundert die Bibel verfälscht worden sei, wodurch das ganze Christentum eine falsche Richtung eingeschlagen habe. Insbesondere bekämpfte Newton den Trinitarismus (die Lehre vom dreieinigen Gott), den er als »falsche Höllenreligion« bezeichnete. Er sprach auch von einer »widerlichen Anbetung von christlichen Heiligen in ihren Gräbern, … als Verehrung der verrotteten Reliquien von gewöhnlichen, verachtenswerten Plebejern.« Es ist nicht verwunderlich, dass diese Vorstellungen seine ohnehin schon weitgehende Isolation in Cambridge und ganz besonders am Trinity College noch weiter verstärkten. In diese für Newton sicher sehr schwierige Zeit fiel dann 1679 auch noch der Tod seiner Mutter. Als er von ihrer schweren Erkrankung erfuhr, kehrte er für längere Zeit in sein Elternhaus zurück und kümmerte sich bis zu ihrem Tod intensiv um sie. Wenig später erlitt Newton einen weiteren Verlust. John Wickins, einer seiner wenigen Freunde, verließ das Trinity College und übernahm eine Pfarrei. Newton empfand diesen Schritt wohl als eine Art Verrat und brach den Kontakt zu Wickins ab, obwohl dieser noch mehrfach brieflich versuchte, die Beziehung aufrechtzuerhalten.
Erst in den 1680er Jahren konzentrierte sich Newton wieder voll auf seine mathematisch-physikalischen Interessen und schrieb sein berühmtestes Werk, das den Titel »Philosophiae naturalis principia mathematica« trug, aber unter der Kurzbezeichnung »Principia« wesentlich bekannter wurde. Darin beschrieb Newton unter anderem die Gravitation und die drei Grundgesetze der Bewegung, die auch als »Newtonsche Axiome« bezeichnet werden. Damit konnte er insbesondere das Bewegungssystem der Himmelskörper weitgehend aufklären. Das 1687 erschienene Werk gilt bis heute als das wichtigste naturwissenschaftliche Buch, das jemals verfasst wurde. Während Newton intensiv an seinem Hauptwerk arbeitete, kam es zu großen politischen Verwicklungen, die sich bis nach Cambridge auswirkten. 1685 wurde Jakob II. König von Großbritannien. Er war einige Jahre zuvor Katholik geworden und begann schon bald nach seiner Krönung seine Glaubensbrüder bei der Besetzung wichtiger Posten zu bevorzugen. Newton bezog als überzeugter Protestant dagegen offen Stellung, als in Cambridge ein Benediktinermönch ohne jede wissenschaftliche Prüfung zum Professor ernannt werden sollte. Nachdem 1688 Jakob II. durch Wilhelm von Oranien vom Thron vertrieben worden war, schickte die Universität Cambridge Newton als einen ihrer zwei Abgesandten ins Parlament nach London.
Die Belastungen waren aber wohl zu viel für Newton, denn er erlitt einen Nervenzusammenbruch, der ihn für längere Zeit mehr oder minder arbeitsunfähig machte. Welche psychische Störung bei Newton letztlich vorgelegen hat, lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren. Er verschickte in dieser Zeit etliche ziemlich verworrene Briefe, aus denen auch ein gewisser Verfolgungswahn herausgelesen werden kann. So schrieb er beispielsweise an den mit ihm befreundeten Philosophen John Locke: »Mein Herr! Da ich der Meinung war, dass Sie sich bemühen, mich in Verlegenheit zu bringen mit Frauenzimmern und durch andere Mittel, so wurde ich doch sehr betroffen, dass, als mir jemand erzählte, Sie wären krank … ich antwortete, es wäre besser, wenn Sie tot wären. Ich wünsche, dass Sie mir diese Lieblosigkeit vergeben möchten, denn ich bin jetzt überzeugt, dass das, was Sie getan haben, recht ist, und ich bitte um Verzeihung, dass ich von Ihnen deswegen eine üble Meinung gehegt …« Als Locke ihm daraufhin einen sehr herzlichen Brief schrieb, in dem er aber auch seiner Beunruhigung über die von Newton geäußerten Vorwürfe Ausdruck verlieh, erhielt er folgende Antwort: »Mein Herr! Als ich den vergangenen Winter zu oft bei meinem Feuer schlief, gewöhnte ich mir eine schlechte Art zu schlafen an, und eine Krankheit … brachte mich noch mehr aus der Ordnung, sodass ich, als ich an Sie schrieb in vierzehn Tagen in keiner Nacht eine Stunde und seit fünf Tagen keinen Augenblick geschlafen habe …« Nach einer psychologischen Analyse des Schriftverkehrs und anderer Dokumente kam der französische Psychiater J. Grasset 1907 zu der Überzeugung, Newton habe etwa ab dem 50. Lebensjahr an einer Psychose gelitten, die depressive und paranoide Züge hatte. Der berühmte deutsche Psychiater Ernst Kretschmer diagnostizierte 1931 eine Spätschizophrenie. Anhänger der Freud'schen Psychoanalyse vermuteten, dass die bei Newton vorhandenen psychischen Störungen auf frühkindlichen Traumata beruhen, die er vor allem durch die frühe Trennung von seiner Mutter erfahren habe. Heute nehmen die meisten Autoren an, dass Newton nicht ernsthaft psychisch krank war, aber eine recht abnorme Persönlichkeitsstruktur hatte. Der Physiker und Nobelpreisträger Emilio Segré beschrieb in seinem Buch »Die großen Physiker« Newton als »einen hochgradigen Neurotiker von gar nicht so seltenem Typus, aber von höchst extremer Ausprägung. Dem innersten Antrieb nach okkult, esoterisch und semantisch, war er erfüllt von einer tiefen Scheu vor der Welt, von einer lähmenden Angst, seine Gedanken … der Prüfung und Kritik der Welt auszuliefern.« Der NewtonBiograf Richard Westfall meinte, die extreme Konzentration auf seine Arbeit, die ihm keinerlei Entspannung erlaubte, könnte bei Newton zu einer allgemeinen körperlichen und psychischen Erschöpfung geführt haben, die durch ein chronisches Schlafdefizit noch verstärkt wurde. Es erscheint auch nicht ausgeschlossen, dass Spätfolgen des lebensbedrohlichen Zustandes, in dem sich Newton kurz nach seiner Geburt befunden hatte, für seine späteren Probleme mitverantwortlich waren. Weitere Informationen im Abschnitt »Psychosen und Persönlichkeitsstörungen«. Ein anderer Erklärungsversuch für das zeitweilig sehr auffällige Verhalten von Newton geht davon aus, dass er sich bei seinen alchemistischen Versuchen möglicherweise eine Vergiftung zugezogen hat. Diese Hypothese stützt sich auf Berichte, wonach Newton ohne jede Sicherheitsvorkehrung mit giftigen Substanzen wie Arsen, Brom, Chlor und Quecksilber experimentierte. Tatsächlich wurden in einigen seiner Haarlocken, die über Jahrhunderte in einem Buch lagen, entsprechende Rückstände nachgewiesen. Allerdings ist unbekannt, wann sich Newton die Locken abgeschnitten hat, und die bei ihm vorliegenden Symptome sind auch nicht typisch für eine chronische Vergiftung durch die in Frage kommenden Substanzen.
Nachdem sich Newton von seiner schweren Krise einigermaßen erholt hatte, erhielt er 1695 das lukrative Angebot, Aufseher der königlichen Münze zu werden. Dieses hohe Amt war gut dotiert, erforderte aber relativ wenig Zeitaufwand, sodass Newton ausreichend Zeit für seine anderen Arbeiten bleiben sollte. Newton nahm das Angebot deshalb gerne an und scheint die neuen Aufgaben zur vollen Zufriedenheit des Königs erfüllt zuhaben, denn seine Majestät beförderte ihn drei Jahre später zum Direktor der Münze. Das war ein sehr wichtiger und einflussreicher Posten, der auch viel Geld einbrachte. Trotzdem fand Newton noch Zeit für seine Wissenschaft. Er überarbeitete seine »Principia« für die anstehende Neuauflage und brachte sein schon lange ruhendes Werk über Optik zur Publikationsreife. 1704 erschien sein mathematisches Werk »Arithmetica universalis«. Aber auch geisteswissenschaftliche und religiöse Themen bearbeitete Newton in dieser Zeit. Er erfuhr viel Anerkennung für seine vielfältigen Tätigkeiten. Beispielweise wurde er Präsident der Royal Society und behielt dieses Amt bis zu seinem Tod. 1705 schlug die Königin ihn sogar zum Ritter. Allerdings kam auch Newtons schwierige Persönlichkeit wieder zu Tage. Mit Gottfried Wilhelm Leibniz lieferte er sich einen 10 Jahre dauernden, sehr unschönen Prioritätsstreit über die Infinitesimalrechnung, der erst mit dem Tode von Leibniz endete. Als Newton am 18. März 1727 starb, trauerte nicht nur Großbritannien, sondern ganz Europa über den Tod dieses Jahrhundertgenies. In einer prunkvollen Zeremonie wurde Newton in der Abtei von Westminster zu Grabe getragen. Auf einer Gedenktafel in seinem Geburtshaus ist ein Gedicht des damals sehr bekannten Dichters Alexander Pope zu lesen, das man etwa so ins Deutsche übersetzen kann: »Natur und Naturgesetze waren in Nacht gehüllt. Gott sprach: ›Es werde Newton‹ und Alles war mit Licht erfüllt.« Die große wissenschaftliche Bedeutung, die Newton bis in die heutige Zeit hat, geht auch daraus hervor, dass die internationale Einheit für Kraft nach ihm benannt worden ist. Außerdem hat man einem Mondkrater und einem Asteroiden seinen Namen gegeben.
Als Frühgeburt bzw. Frühgeborenes bezeichnet man einen Säugling, der vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche (SSW) geboren wird. (Als normale Schwangerschaftsdauer gelten 40 SSW, gerechnet ab der letzten Monatsblutung). Das Durchschnittsgewicht aller Frühgeborenen liegt in Deutschland etwas unter 2500 g. Als »sehr klein« bezeichnete Frühgeborene wiegen weniger als 1500 g und werden meist vor der 32. SSW geboren. Wenn ein zu früh geborenes Baby weniger als 1000 g wiegt, spricht man von einem »extrem kleinen« Frühgeborenen. Sie werden meist vor der 28. SSW geboren. Der bisher am frühesten lebend geborene Säugling kam 2006 in der 22. SSW zur Welt und wog nur 280 g. Kinder, die über 500 g wiegen, werden auch dann als Frühgeborene bezeichnet, wenn sie keinerlei Lebenszeichen aufweisen. Wenn ein tot geborenes Kind weniger als 500 g wiegt, bezeichnet man es als Totgeborenes. Unter 500 g spricht man von einer Fehlgeburt (Abort).
Weltweit werden etwa 10% aller Kinder zu früh geboren, wobei fast überall ein Anstieg zu beobachten ist. In Deutschland werden jährlich über 60 000 Kinder vor der 37. SSW geboren und davon etwa 8000 sogar vor der 30. SSW.
Für Frühgeburten sind vor allem aus dem Genitalbereich aufsteigende Infektionen verantwortlich. Auch große körperliche oder seelische Belastungen der Mutter können eine Rolle spielen.
Die Überlebenswahrscheinlichkeit von Frühgeborenen, die nach der 24. SSW zur Welt kommen, liegt in Deutschland derzeit bei etwa 60%, wobei mit jeder zusätzlichen Woche ein deutlicher Anstieg zu beobachten ist. Bei einem Geburtsgewicht unter 500 g überleben nur etwa 25% der frühgeborenen Kinder.
Besonders gefährlich ist das Atemnotsyndrom infolge unzureichender Ausreifung der Lunge. Unreife Nieren, die noch keinen Urin produzieren, können zu lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen führen. Mehr oder minder großflächige Hirnblutungen kommen ebenfalls recht häufig vor. Gefürchtet ist auch eine Darmentzündung, die zum Darmdurchbruch führen kann. Wenn die Kinder überleben, muss man in vielen Fällen mit Spätfolgen rechnen. Bei etwa jedem fünften Kind mit einem Geburtsgewicht unter 1000 g treten mittel- bis schwergradige Behinderungen auf. Auch im späteren Leben werden häufig noch zusätzliche Störungen beobachtet, die wahrscheinlich auf die Frühgeburtlichkeit zurückzuführen sind.
Wegen der hohen Risiken werden Frühgeborene meist in speziellen Perinatalzentren intensiv behandelt, wo besonders ausgebildete Kinderärzte (Neonatologen) und Pflegekräfte tätig sind. Durch die Fortschritte in der Neonatologie sind die Überlebenschancen auch für sehr frühe Frühgeburten deutlich gestiegen, die Häufigkeit von Folgeschäden ist aber immer noch sehr hoch.
So bezeichnet man schwere seelische Erkrankungen, bei denen die Patienten eine erheblich gestörte Beziehung zur Realität aufweisen und meist noch an weiteren Symptomen wie Angstzuständen, depressiven Verstimmungen, Ich-Störungen, Unruhe, Erregungszuständen, Halluzinationen und Wahnvorstellungen leiden. Häufig fehlt den Patienten auch die Einsicht, dass bei ihnen eine Erkrankung vorliegt. Psychosen treten bei Männern und Frauen etwa gleich häufig auf und beginnen meist zwischen der Pubertät und dem 35. Lebensjahr. Weltweit erkrankt etwa jeder hundertste Mensch im Lauf seines Lebens an einer solchen Krankheit.
Man unterscheidet exogene und endogene Psychosen. Bei den exogenen Formen können als Ursachen z. B. Drogenabhängigkeit, Hormonstörungen, Infektionen, Hirnerkrankungen und -verletzungen sowie Stoffwechselstörungen festgestellt werden. Bei den endogenen Formen sind keine körperlichen Ursachen nachweisbar. Die Schizophrenie ist die häufigste Form der endogenen Psychosen (Einzelheiten siehe Kapitel II über John Nash).
So bezeichnet man heute psychiatrische Krankheitsbilder, bei denen die Patienten Charaktereigenschaften haben, die in ihrer Intensität so stark von der Norm abweichen, dass sie zu Leidensdruck und sozialen Konflikten führen. Früher sprach man in solchen Fällen oft von Neurose, Hysterie oder Psychopathie. Im Gegensatz zu Psychosen gehen Persönlichkeitsstörungen nicht mit einem ausgeprägten Realitätsverlust einher und es werden keine Halluzinationen oder Wahnvorstellungen beobachtet. Man unterscheidet folgende Persönlichkeitsstörungen, die allerdings auch als Mischformen auftreten können:
zwanghaft (extrem sorgfältig und gewissenhaft)
narzistisch (extrem ehrgeizig und selbstbewusst)
histrionisch (extrem expressiv und emotional)
paranoid (extrem wachsam und misstrauisch)
borderline (extrem sprunghaft und spontan)
schizoid (extrem zurückhaltend und einsam)
dependent (extrem anhänglich und unterwürfig)
ängstlich (extrem vorsichtig und selbstkritisch)
schizotypisch (extrem ahnungsvoll und sensibel)
dissozial (extrem abenteuerlich und risikofreudig)
Man schätzt, dass in den Industrieländern etwa 10% der Bevölkerung an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Sie beginnt meist schon im Kindes- oder Jugendalter und verläuft chronisch.
Da die Ursachen für die meisten psychischen Erkrankungen noch nicht ausreichend aufgeklärt sind, ist die Behandlung oft schwierig und langwierig. Grundsätzlich unterscheidet man eine Therapie mit Psychopharmaka und eine psychotherapeutische Behandlung, die in Verhaltenstherapie und Psychoanalyse untergliedert werden kann. Meist wird eine kombinierte Behandlung eingesetzt.
Carl von Liné führte bis zu seiner Erhebung in den Adelsstand den Nachnamen Linnaeus. Er erhielt den etwas merkwürdig klingenden Beinamen »Kanzleibeamter des Herrgotts«, weil er die registrierende und klassifizierende Erforschung der Natur in einzigartiger Weise betrieben hatte und davon überzeugt war, dass das von ihm gefundene Ordnungsprinzip ein Beweis für die Perfektion der göttlichen Schöpfung darstellte. Er schrieb in seinen späteren Jahren über sich selbst in der »Er-Form«: »Stets erwies er sich als geborener Methodicus. Er war einer der stärksten Beobachter, die wir besessen haben, daher war er auch Autor und nicht Kompilator.« Einer seiner größten Bewunderer war Goethe, der sich 1816 in einem Brief so äußerte: »Dieser Tage habe ich wieder Linné gelesen und bin über diesen außerordentlichen Mann erschrocken. Ich habe unendlich viel von ihm gelernt … Außer Shakespeare und Spinoza wüsste ich nicht, dass irgendein Abgeschiedener solche Wirkung auf mich getan.«
Dass Carl einmal ein berühmter Wissenschaftler werden würde, hatte man nicht unbedingt erwarten können, denn er war durchaus kein guter Schüler. Als Sohn des schwedischen Landpfarrers Nils Ingemarsson Linnaeus wurde Carl in der Gemeinde Stenbrohult als das älteste von fünf Geschwistern geboren. Den zusätzlichen Nachnamen Linnaeus hatte sein Vater beim Beginn seines Theologiestudiums angenommen. Abgeleitet wurde der Namen von dem schwedischen Wort lind (Linde), weil auf dem Bauernhof von Carls Großeltern ein großer Lindenbaum stand. Als Carl sieben Jahre alt war, stellte sein Vater für ihn einen Hauslehrer an, der allerdings zu dem sehr intelligenten, aber auch recht sensiblen Kind keinen Zugang fand, sodass dessen Lernerfolge eher gering waren. Auch in der Schule, die er drei Jahre später besuchte, fühlte sich Carl nicht wohl und lernte so wenig, dass sein Vater erneut einen Hauslehrer für ihn suchte. Aber auch diesem gelang es nicht, Carl für das Lernen des damaligen Schulwissens zu motivieren. Er beschäftigte sich viel lieber im Pfarrgarten oder in der freien Natur und entdeckte neue Pflanzen. Die Liebe zur Botanik hatte Carl von seinem Vater übernommen, der sich mit großer Freude in dem schönen Garten seiner Pfarrei betätigte und dem in dieser Hinsicht sehr wissbegierigen Sohn viele Fragen beantwortete.
Mit 17 Jahren kam Carl trotz seiner mäßigen schulischen Leistungen auf ein Gymnasium, wo er aber in den meisten Fächern auch nicht sehr erfolgreich war. Seinem Vater wurde daher empfohlen, den Sohn von der Schule zu nehmen und ihn ein Handwerk lernen zu lassen. Glücklicherweise sprach der Vater darüber mit dem Arzt Johan Rothman, der neben seiner ärztlichen Tätigkeit auch noch am Gymnasium Naturwissenschaften unterrichtete. Er wies auf die außergewöhnliche Begabung von Carl in diesen Fächern hin und bedrängte den Vater seinen Sohn auf der Schule zu belassen. Außerdem versprach Rothman Carl kostenlosen Nachhilfeunterricht zu geben. Das Angebot nahm dessen Vater dankbar an und mit Rothmans Hilfe konnte Carl schließlich das Gymnasium doch noch erfolgreich abschließen. Rothman war es auch zu verdanken, dass Carls Eltern davon Abstand nahmen, ihren Sohn zu einem Theologiestudium zu zwingen, sondern ihm erlaubten, in Lund Medizin zu studieren. Diesem Fach widmete sich Carl Linnaeus mit großem Eifer, wobei er aber seine anderen naturwissenschaftlichen Interessen nicht aus den Augen verlor. Er nahm an etlichen botanischen Exkursionen teil und konnte sich dadurch nicht nur ein enormes Wissen aneignen, sondern auch ein bemerkenswertes Herbarium aufbauen. Im Sommer 1728 erkrankte Linnaeus schwer. Wahrscheinlich infolge eines bakteriell infizierten Insektenstichs entwickelte sich in einem seiner Arme eine fortschreitende eitrige Entzündung, die man heute als Phlegmone bezeichnet (Informationen im Abschnitt »Phlegmone«). Damals gab es noch keine gut wirksame Therapie, sodass die Krankheit durchaus lebensbedrohlich werden konnte. Ein so genannter Feldscher (Wundarzt ohne umfassende medizinische Ausbildung) eröffnete schließlich den großflächigen Entzündungsherd, sodass der angesammelte Eiter austreten konnte. Der Krankheitsprozess kam langsam zum Stillstand, aber Linnaeus musste deswegen noch wochenlang das Bett hüten und kehrte danach zu seinen Eltern zurück, um sich zu erholen.
Auf dringendes Anraten seines väterlichen Freundes Rothman setzte Linnaeus seine Studien dann nicht in Lund fort, sondern ging nach Uppsala, weil dort bessere Ausbildungsmöglichkeiten zu erwarten waren. Diese Entscheidung erwies sich als sehr glücklich, denn in dem auch an Botanik interessierten Theologieprofessor Olof Celsius fand Linnaeus einen neuen Förderer, sodass er sich ohne allzu große finanzielle Sorgen voll seinem Studium widmen konnte. Dank seiner inzwischen schon weit fortgeschrittenen Kenntnisse in Botanik erhielt Linnaeus 1730 bereits einen ersten Lehrauftrag an der Universität, obwohl er noch nicht promoviert war. Gleichzeitig wurde er auch mit der Aufsicht über den Botanischen Garten betraut. Außerdem bestellte ihn Professor Olof Rudbeck zum Hauslehrer seiner Kinder. Rudbeck lehrte an der Medizinischen Fakultät Anatomie und Botanik und schätzte den jungen Linnaeus sehr. Trotz seiner vielfältigen Verpflichtungen begann Linnaeus auch schon mit der schriftlichen Ausarbeitung dessen, was er selbst einmal als »Reformation der Botanik« bezeichnete. Die damals entstandenen Manuskripte mit den Titeln wie »Bibliotheca botanica«, »Classes Plantarum« und andere gingen allerdings erst deutlich später nach einer Überarbeitung in Druck. Die sehr fruchtbare Zeit in Uppsala wurde jedoch durch eine Rivalität mit dem Dozenten Nils Rosen getrübt, der versuchte, Carls Lehrauftrag für Heilmittelkunde zu übernehmen. Um diesen Auseinandersetzungen zu entfliehen und um sich auch noch weiter zu qualifizieren, führte Linnaeus 1832 eine mehrmonatige Forschungsreise nach Lappland durch. Inzwischen baute aber Rosen seine Position in Uppsala weiter aus, sodass für Linnaeus dort zunächst kaum mehr Hoffnung auf eine akademische Karriere bestand. Deshalb nahm er das Angebot des Landeshauptmanns der Provinz Dalarna an, vor allem mineralogische Erkundungen durchzuführen. Dort lernte Linnaeus auch Lisa Morea, die Tochter des Stadtarztes von Falun, kennen und lieben. Die jungen Leute verlobten sich, wobei allerdings festgelegt wurde, dass Linnaeus vor einer Hochzeit für längere Zeit nach Holland gehen würde, insbesondere, um dort einen Doktortitel in Medizin zu erwerben, auf den auch der zukünftige Schwiegervater großen Wert legte.
Die Schiffsreise führte Linnaeus über Hamburg und Amsterdam nach Harderwijk. Die eigentlich eher unbedeutende Universität dieser relativ kleinen Stadt war damals in Schweden als Promotionsort recht beliebt. Bereits an seinem Ankunftstag konnte Linnaeus seine Zulassungsprüfung ablegen und am folgenden Tag erhielt er schon die Druckerlaubnis für seine aus Schweden mitgebrachte Doktorarbeit. Umgehend erfolgte auch die Aussprache über seine Thesen, sodass Linnaeus innerhalb einer Woche seine medizinische Promotion abschließen konnte. Danach reiste er nach Leiden weiter, das damals der kulturelle Mittelpunkt Hollands war. Dort lernte Linnaeus unter anderem den berühmten Arzt Herrmann Boerhaave kennen, dem er sein Manuskript »Systema naturae« vorlegte. Boerhaave erkannte die Bedeutung dieser Arbeit und erklärte sich bereit, die Druckkosten dafür zu übernehmen. Danach wollte Linnaeus eigentlich nach Schweden zurückreisen, aber auf Betreiben Boerhaaves wurde ihm angeboten, der Vorsteher des botanisch-zoologischen Gartens in Hartekamp zu werden, der in der Nähe von Leiden lag und dem Bankier George Clifford gehörte. Das Angebot war so verlockend, dass Linnaeus die Heimreise verschob und für zwei Jahre blieb. Nach eigenen Aussagen wurde er dort »wie ein Prinz« behandelt und »hatte alles, was er sich nur wünschen konnte,… herrliche Gärten und Gewächshäuser, eine komplette botanische Bibliothek«. Dank der optimalen Umstände stellte Linneaus in dieser Zeit zahlreiche Manuskripte fertig und konnte sie dank der finanziellen Unterstützung durch Clifford auch schnell in Druck geben.
Im Frühjahr 1738 fasste Linneaus den Entschluss nach Schweden zurückzukehren, da er wohl zu Recht befürchtete, dass seine Verlobte und ihre Familie ungeduldig werden könnten. Kurz vor der Abreise erkrankte Linneaus aber an einer fieberhaften Darmerkrankung und brauchte mehrere Wochen, um sich einigermaßen zu erholen. Danach reiste er in Richtung Schweden ab, wobei er aber noch eine Zwischenstation in Paris einlegte. Dort hatte man beschlossen, ihn zum korrespondierenden Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu berufen. In Falun wurde das Verlöbnis mit Sarah Moraea noch einmal feierlich bekräftigt, dann reiste Linnaeus jedoch nach Stockholm, um sich dort als Arzt niederzulassen und damit die finanzielle Basis für eine Familiengründung zulegen. Es gelang ihm in erstaunlich kurzer Zeit eine gut gehende Praxis aufzubauen, wobei er sich vor allem auf die Behandlung der damals auch in höheren Kreisen weitverbreiteten Geschlechtskrankheiten (insbesondere der Gonorrhoe) spezialisierte. Bald wurde er auch noch auf die Stelle des Admiralitätsmedicus berufen, sodass er ein gutes Einkommen hatte und damit der Hochzeit mit seiner Braut in Falun nichts mehr im Wege stand. Das Ehepaar zog bald nach Stockholm, wo Linnaeus weiter seine Praxis betrieb, aber auch wissenschaftlich aktiv blieb. Er war dort auch an der Gründung der Schwedischen Akademie der Wissenschaften beteiligt. 1741 wurde er als Professor für praktische und theoretische Medizin nach Uppsala berufen. Die Umstände dieser eigentlich ehrenvollen Berufung ärgerten Linnaeus allerdings sehr, denn kurz vor ihm war sein alter Rivale Nils Rosen dort ebenfalls Professor geworden, wobei Letzterem unter anderem die Zuständigkeit für den Bereich Botanik zugesprochen wurde. Nach einigen heftigen Auseinandersetzungen beantragten die Konkurrenten schließlich einen Tausch der Fächer, der 1742 vom Kanzler der Universität genehmigt wurde. Nachdem Linnaeus nun auch für den Botanischen Garten zuständig war, betrieb er dessen Ausbau mit großem Eifer. Dabei kam es Linnaeus zugute, dass er inzwischen in ganz Europa als hervorragender Botaniker bekannt war und viele einflussreiche Freunde hatte. In der Publikation »Hortus Upsaliensis« konnte Linnaeus 1748 bereits 3000 verschiedene Pflanzen beschreiben, die in seinem Botanischen Garten kultiviert wurden. Linnaeus betätigte sich aber auch weiterhin als Arzt und erwarb sich einen so guten Ruf, dass der König von Schweden ihn zu seinem Leibarzt berief. 1750 wurde er Rektor der Universität Uppsala und behielt das Amt bis zu seinem Tode. 1756 würdigte der König die vielfältigen Verdienste von Linnaeus durch die Erhebung in den Adelsstand. Danach änderte er seinen Namen in Carl von Linné.
Linné war damit auf dem Gipfel seiner gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Karriere angekommen. Inzwischen hatte sich aber sein Gesundheitszustand deutlich verschlechtert. Er litt an schweren Migräneattacken (Informationen im Kapitel 15 über Oliver Sacks) und rheumatischen Beschwerden. Für beide Leiden entwickelte er seine eigenen Therapiemethoden. Gegen die Migräne trank er frühmorgens viel frisches Quellwasser und verschaffte sich vor dem Mittagessen auch reichlich Bewegung. Die bei ihm meist im Sommer auftretenden schmerzhaften Gelenksentzündungen, die möglicherweise Gichtanfälle waren, behandelte er mit einer »Waldbeerenkur« (Informationen hierzu im Abschnitt »Gicht«). Den Verzehr großer Mengen frischer Waldbeeren als Therapie gegen Gelenksbeschwerden empfahl Linné mit so viel Erfolg, dass die Früchte in Schweden zeitweilig knapp wurden und die Preise um das Zehnfache in die Höhe schnellten. 1764 wurde Linné von einer Erkrankung mit hohem Fieber befallen, die ihn so schwächte, dass er fast zwei Monate bettlägerig war. Er zog mehrere Ärzte zu Rate, wobei er sich nicht einmal scheute, seinen Intimfeind Nils Rosen um Hilfe zu bitten. Durch diesen mutigen Schritt verbesserte sich das Verhältnis der beiden Streithähne erheblich. Nach Überwindung dieser schweren Infektion hatte Linné noch einige relativ gute Jahre, bevor sich bei ihm vermutlich eine Arterienverkalkung einstellte, die offenbar auch die Gehirngefäße betraf und seine geistige Leistungsfähigkeit zunehmend beeinträchtigte. 1774 erlitt er während einer Vorlesung einen Schlaganfall, auf den zwei Jahre später ein weiterer folgte, von dem er sich nicht mehr erholte. Er selbst beschrieb seinen Zustand so: »Linné hinkt, kann kaum gehen, redet undeutlich, kann kaum schreiben.« Bald danach verließen ihn seine geistigen und körperlichen Kräfte so weit, dass er keine autobiografischen Notizen mehr machen konnte.
Er dämmerte dahin, bis er am 18. Januar 1778 schließlich verstarb. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde Linné in einem sehr feierlichen Akt im Dom von Uppsala beigesetzt.
Linné litt aber nicht nur an zahlreichen körperlichen Gebrechen, er hatte zeitlebens auch erhebliche psychische Probleme. Schon als Kind war er recht schwierig und während seiner Studienzeit kam er in eine so schwere Depression, dass er zeitweilig arbeitsunfähig wurde. (Informationen zur Depression finden sich im Kapitel 21 über Max Weber.) Im höheren Alter nahmen die depressiven Schübe an Häufigkeit und Schwere noch zu. Zeitweilig litt er wohl auch unter Verfolgungswahn und Zwangsideen. Dazwischen hatte er aber immer wieder recht lange Phasen, in denen er gehobener Stimmung war und ein enormes Arbeitspensum bewältigte. Linné hatte nicht nur ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, sondern war geradezu ruhmsüchtig. Daraufweist unter anderem sein lateinischer Wappenspruch hin, der ins Deutsche am ehesten mit »Durch Taten Ruhm verbreiten« übersetzt werden kann. Sein Werk »Species Plantarum« lobte er selbst als »das größte auf dem Gebiet der Wissenschaften«. »Systema naturae« beschrieb er als »Meisterwerk, das niemals genug gelesen und bewundert werden kann« und »Clavis medicinae« hielt er für »das schönste Juwel in der Medizin«. Linné schreckte nicht einmal davor zurück, anonyme Rezensionen über seine eigenen Werke zu verfassen, in denen er sich selbst höchstes Lob spendete. Manche Autoren vertreten die Meinung, dass Linné eine zyklothyme Persönlichkeit war (Informationen im Abschnitt »Zyklothymia«).
Trotz seiner psychischen Probleme und schwierigen Charakterzüge hat Linné zweifellos auf vielen Gebieten der Wissenschaft Hervorragendes geleistet. Der britische Botaniker William T. Stearn hat 2002 in einem Buch über Linné dessen Bedeutung so zusammengefasst: »Obwohl Linné als bahnbrechender Ökologe, Geobotaniker, Dendrochronologe, Evolutionist, botanischer Pornograph und Sexualist und vieles mehr bezeichnet wurde, bestehen seine einflussreichsten und wertvollsten Beiträge zur Biologie unzweifelhaft in der erfolgreichen Einführung der binären Nomenklatur für Pflanzen- und Tierarten, auch wenn diese Leistung nur ein zufälliges Nebenprodukt seiner enormen enzyklopädischen Tätigkeit war …« Diese Nomenklatur, die jede biologische Art mit einem zweiteiligen lateinischen Namen bezeichnet, ist bis heute weltweit erhalten geblieben.
Als Krankheitserreger kommen vor allem Staphylokokken und Streptokokken in Frage. Sie gelangen meist durch eine Hautverletzung ins Bindegewebe und breiten sich dort schnell aus, weil sie über Enzyme verfügen, die die Zwischenzellsubstanz des Bindegewebes auflösen können.
Im Bereich der Infektionsstelle (häufig an Händen oder Füßen) tritt eine sehr schmerzhafte Schwellung und Rötung auf, die sich schnell vergrößert. Der Patient zeigt ansteigendes Fieber, das hohe Werte erreicht und auch mit Schüttelfrost einhergehen kann. Im weiteren Verlauf treten blasige Gewebsschäden und Nekrosen (Gewebseinschmelzungen) sowie Austritt von Eiter auf.
Die Behandlung ist davon abhängig, wie weit die Krankheit schon vorangeschritten ist. Es kann durchaus auch ein Klinikaufenthalt notwendig sein. Der Patient sollte möglichst umgehend Bettruhe einhalten oder zumindest den betroffenen Bereich ruhigstellen. In einem frühen Stadium kann eine Antibiotikatherapie ausreichend sein, oft ist aber auch eine zusätzliche chirurgische Behandlung notwendig, bei der das abgestorbene Gewebe entfernt wird.
Die Gicht (auch Urikopathie oder Hyperurikämie genannt) ist eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu einem erhöhten Harnsäurespiegel im Blut kommt. Dadurch entstehen Harnsäurekristalle (Urate), die sich in Gelenken und Geweben ablagern.
Gicht ist in den Industrieländern weit verbreitet. Etwa 30% der Männer und 3% der Frauen haben einen erhöhten Harnsäurespiegel. Ungefähr jeder Zehnte von ihnen erkrankt im Laufe seines Lebens an Gicht.
Im akuten Stadium tritt plötzlich eine sehr schmerzhafte Entzündung in einem Gelenk (häufig das Großzehengrundgelenk) auf, die oft auch von Fieber begleitet wird. Die Krankheitserscheinungen verschwinden nach einiger Zeit auch ohne Therapie, kommen aber meist wieder. Das chronische Stadium entsteht nach mehreren Gichtanfällen und zeigt sich vor allem in Gelenkdeformierungen und Störungen der Nierenfunktionen.
Fast immer liegt eine erbliche Ausscheidungsstörung der Niere für Harnstoff vor. Die akuten Gichtanfälle werden dabei oft durch ein üppiges Mahl oder reichlichen Alkoholgenuss ausgelöst, weil dadurch der Harnsäurespiegel plötzlich erhöht wird.
Beim akuten Gichtanfall werden vor allem entzündungshemmende Antirheumatika (z.B. Ibuprofen), Colchicin und Cortison eingesetzt. Danach kommen sogenannte Urostatika zur Anwendung, die den Harnsäurespiegel im Blut langfristig senken sollen. Ergänzend ist eine Umstellung der Ernährung wichtig. Insbesondere Fleisch und Hülsenfrüchte sollten reduziert werden, weil sie purinreich sind und den Harnsäurespiegel erhöhen. Eine Reduzierung des Körpergewichts ist anzustreben und Alkohol muss möglichst gemieden werden. Reichliches Trinken wird ebenso empfohlen.
Als Zyklothymia wird in der Psychologie bzw. Psychiatrie eine dauerhafte Stimmungslabilität bezeichnet, die mit vielen Wechseln zwischen depressiven und hypomanischen Phasen einhergeht. Die Störungen sind aber im Gegensatz zu einer manisch-depressiven Erkrankung meist nicht so schwerwiegend, dass sie unbedingt behandelt werden müssen. Allerdings entwickelt sich im Laufe des Lebens nicht selten aus einer Zyklothymia eine therapiebedürftige Psychose mit extremen Stimmungsschwankungen.
Der Begriff Zyklothymie wird nicht einheitlich verwendet. Meist steht er als Synonym für Zyklothymia, nicht selten wird Zyklothymie aber auch als veraltete Bezeichnung für eine manisch-depressive Erkrankung (bipolare affektive Psychose) eingestuft.
Die Ursachen für Zyklothymia sind noch weitgehend unbekannt. Man vermutet eine anlagebedingte Erhöhung der psychischen Verletzlichkeit. Für die Annahme, dass Erbfaktoren eine wichtige Rolle spielen, spricht unter anderem die Tatsache, dass ähnliche Störungen auch relativ oft bei Verwandten eines Betroffenen gefunden werden.
Man schätzt, dass in Deutschland ca. 0,7% der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens eine Zyklothymia entwickeln, wobei Männer und Frauen etwa gleich häufig betroffen sind. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen werden die Stimmungsschwankungen so stark, dass sie als krankhaft eingestuft und behandelt werden müssen.
Die auffälligen Stimmungsschwankungen setzen meist im frühen Erwachsenenalter ein. Auf Phasen, in denen die Betroffenen traurig und passiv sind, folgen Perioden, die von einer gehobenen bis gereizten Stimmung und einem erhöhten Aktivitätsdrang geprägt sind. Man bezeichnet den Zustand als hypomanisch, weil er noch nicht so extrem ist wie bei einer echten Manie. Auffällig ist auch, dass meist kein äußerer Anlass für den Umschwung der Stimmungslage feststellbar ist. Da die hypomanischen Perioden als durchaus angenehm empfunden werden, sehen die Betroffenen in der Regel keine Notwendigkeit, sich in Behandlung zubegeben.