Trust Me! - Faye Bilgett - E-Book

Trust Me! E-Book

Faye Bilgett

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Beschreibung

Glücklich verheiratet, eine Familie mit Kindern. Ein wahrgewordener Traum, vor dessen Scherben Elise Davenport nach Beendigung ihrer Ehe steht. Seit der Trennung konzentriert sie sich auf ihre Kinder, doch Vincent hat andere Pläne. Er kämpft um ihre Zuneigung und Liebe, woran Elise allerdings kein Interesse hat, denn zu viele andere Dinge fordern ihre Aufmerksamkeit. Als sie sich seinen Avancen nicht mehr verwehren kann, tritt ein mysteriöser Fremder in ihr Leben, der sowohl sie, als auch Vincent bedroht. Um ihre neue Liebe zu schützen, wendet sie sich von Vincent ab. Haben sie eine Chance, der schrecklichen Lage zu entrinnen und wieder zueinanderzufinden, oder wird der Fremde gewinnen, und sie zerstören?

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Love me when I deserve it the least, because that is, when I need it the most

Playlist

More than this -One Direction Wish You Were Here - Avril Lavigne Temptation - Moby There For You - Martin Garrix & Troye Sivan Kiss Me - Ed Sheeran A Drop In The Ocean - Ron Pope Perfekt - Ed Sheeran My, My, My - Troye Sivan Red - Mt.Wolf Love Me Harder - Ariana Grande ft. The Weeknd

Stopp!

Aufgepasst!

Du befindest dich im vierten Band der Me! Reihe. Wenn du die ersten drei Bände der Reihe nicht gelesen haben solltest, empfehle ich dir, sie zuerst zu lesen, damit keine Missverständnisse auftauchen und Zusammenhänge besser verstanden werden.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 1

Elise

Ich höre auf zu lachen, als Jessica und Athan aufspringen. Vincent und ich erheben uns gleichzeitig. Er übergibt mir Freya und bittet mich, bei den Kindern zu bleiben. Fest presse ich meine Tochter an mich, als Jessicas Schreien ertönt. Die Kleinen wollen direkt zum Ort des Geschehens rennen.

»Nein!«, sage ich streng und verweise mit dem Kopf auf das Wohnzimmer. »Setzt euch wieder hin«, fordere ich sie auf. Samuel tut wie geheißen, Theo und Camil versuchen, einen Blick zu erhaschen. »Hinsetzen, jetzt!«

Nachdem sie irgendwas von ‚Zander auf Derek’ gemurmelt haben, machen sie kehrt. Ich stelle Freya auf den Boden. »Geh bitte zu den anderen, Schatz.«

Verschlafen reibt sie sich über die Augen.

Bis sie sich neben Sam auf die Couch gesetzt hat, beobachte ich sie, dann richtet sich meine Aufmerksamkeit auf den Tumult hinter mir. Athan hat Zander gepackt und von Derek runtergezogen, dieser liegt blutend auf dem Boden. Vincent steckt das Handy weg, während Rhage auf den wütenden Zander zugeht. Dabei ist er so vorsichtig, als käme er einem Löwen näher, der kurz davor ist, seine Beute zu reißen.

Behutsam legt er seine Hände auf Zanders Brust. Dessen Blick senkt sich auf Rhage.

»Bring ihn nach oben, er muss sich waschen. Der Krankenwagen ist unterwegs«, bittet er Athan, der Zander sofort die Treppen hinter sich hochzieht.

Jessicas Gesicht ist tränenüberströmt. Ich schließe sie in meine Arme, streichle ihr über die braunen Locken. Wenn ich ihr den Schmerz nehmen könnte, würde ich es tun. Seit bei ihr eine Risikoschwangerschaft festgestellt wurde, versuchen wir jeglichen Konflikt von ihr fernzuhalten. Hiermit hatte niemand gerechnet.

»Du musst dich hinsetzen, Jess.«

»Was ist … Was ist passiert?« Sie zittert am ganzen Leib. Vincent kniet neben Derek und überprüft, ob er noch atmet.

»Schön atmen, mein Guter, der Krankenwagen kommt gleich. Jess, geh hoch, rede mit Zander.«

»Nein!«, keift sie. Ihre Hand legt sie, wie immer, auf ihren Bauch.

»Hoch mit ihr!«, knurrt er in meine Richtung.

Da jetzt nicht die Zeit zum Diskutieren ist, führe ich Jess an der Hand die Treppen rauf.

»Geh zu ihm.«

»Okay«, gibt sie nach und macht sich auf den Weg, wie von Vincent gewünscht.

Ich kehre zu Vincent zurück.

»Er verliert eine Menge Blut. Sein Kiefer ist gebrochen und so wie es aussieht, die Nase ebenfalls. Außerdem hat er eine Platzwunde am Kopf. Bring mir bitte Handtücher.«

Augenblicklich laufe ich los und suche alles zusammen, was er braucht. Es ist schwer, so zu tun, als sei nichts passiert, um die Kinder nicht in Aufruhr zu versetzen. Zurück an Vincents Seite bemerke ich, dass Rhage nicht mehr da ist. Womöglich ist er ebenfalls nach oben gegangen? Doch das ist jetzt erst mal zweitrangig. Ich knie mich zu Vincent und versuche, ihm dabei zu helfen, Dereks Kopf und Kiefer zu verbinden.

»Haben die Kleinen etwas mitbekommen?«

»Sie haben kein Blut gesehen.«

Ich wüsste auch nicht, wie ich ihnen erklären sollte, was sie für eine Sekunde zu sehen bekommen haben. Sie sind zu jung, um mit dieser Gewalt konfrontiert zu werden.

Der Krankenwagen erscheint ein paar Minuten später mit lärmenden Sirenen. Vincent erklärt den Sanitätern in kurzen Sätzen, was passiert ist, wie der Patient heißt und welche Diagnose er gestellt hat. Sie nehmen es nickend zur Kenntnis, dann hieven sie ihn auf die Trage.

»Ich fahre mit ihm«, lasse ich ihn wissen.

Vincent sieht mich fragend an. »Ich kann ihn nicht allein lassen, er ist Jessicas Bruder. Kannst du die Kleinen bitte zu Joshua bringen?«

»Soll ich dich danach abholen kommen?«

»Nein, ich fahre nach Hause, wenn Jessica ins Krankenhaus kommt.«

»Okay. Dann bis später. Pass bitte auf dich auf.«

Ich schließe mich den Sanitätern an und nehme neben Derek Platz. Er ist wirklich schlimm zugerichtet. Einer der Männer legt einen Zugang und hängt eine Infusion an. Seine Lippen teilen sich, er krächzt, versucht, etwas zu sagen.

»Mr. Montgomery, Sprechen ist das Letzte, was Sie jetzt tun sollten«, höre ich den Sanitäter murmeln, aber Derek gibt nicht auf. Da ich glaube, dass er mir etwas sagen möchte, rücke ich näher an ihn heran und umfasse seine Hand.

»Soll ich Jessica etwas ausrichten?«

Ich warte darauf, dass er spricht, doch aus ihm kommt kein Ton.

»Miss, er muss sich ausruhen.«

»Nur einen Moment«, bitte ich und gebe mir Mühe, Dereks Stöhnen zu entschlüsseln.

»Schuld«, keucht er. »Zander ist ... nicht ... Schuld.«

»Was meinst du damit?«

Der Sanitäter seufzt.

»Hatte es ... verdient. Zander ist ... nicht ...«

Ich erhebe mich, als er nichts mehr sagt. Er sieht aus als sei er nur eingeschlafen, doch mein Gefühl bedeutet mir, dass etwas nicht stimmt.

»Derek?«

Sein Atem geht entspannt. Verwirrt schaue ich den Sanitäter an. Der Mann untersucht Derek, rüttelt und ruft nach ihm. »Was ist los?«, will ich wissen. Er lehnt sich zurück und sagt seinem Kollegen, dass er schneller fahren soll.

»Er hat das Bewusstsein verloren.«

Im Krankenhaus angekommen wird Derek sofort in den OP gefahren. Meine Hände zittern, solche Angst habe ich davor, dass er es nicht überlebt. Wenn ich nur wüsste, was er damit gemeint hat, als er sagte, er hätte es verdient. Sprach er von den Schlägen? Zander prügelt nicht ohne guten Grund auf jemanden ein.

Ich habe die Angst und Enttäuschung in Jessicas Augen gesehen. Sollte Derek sterben, würde sie es Zander niemals verzeihen. Also verschränke ich die Hände und bete, dass er überlebt.

In der Zeit, in der die Ärzte Derek operieren, erscheinen auch Jessica und Athan im Krankenhaus. Vier Stunden später ist es endlich so weit. Sobald ich das Gesicht des Arztes erblicke, ist mir klar, dass er uns keine guten Nachrichten überbringen wird.

»Sind Sie Mister Montgomerys Familie?«

»Ich bin seine Schwester«, erwidert Jessica.

»Miss Montgomery, die Nase und der Kiefer Ihres Bruders sind gebrochen, dazu hat er ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Wir haben ihn zwar stabilisiert, aber ...« Er schaute uns alle nacheinander an. »Er liegt im Koma.«

Jessica keucht. Schluchzend schlägt sie sich die Hand vor den Mund. »Zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht sagen, wann er wieder erwacht. Wir werden ihn rund um die Uhr im Auge behalten und Sie benachrichtigen, sobald sich etwas an seinem Zustand ändert.«

Da sie nicht mehr in der Lage ist zu antworten, bedanke ich mich an ihrer Stelle und streichle ihr über den Rücken. Athan presst sie fest an sich und murmelt ihr tröstende Worte ins Ohr.

Zehn Minuten später hat sie sich ein wenig beruhigt.

»Geh nach Hause, Eli, kümmere dich um deine Kinder.«

»Vincent hat sie zu Josh gebracht, ich bleibe bei dir.«

»Nun fahr schon! Ich rufe dich an, wenn etwas sein sollte.«

Da ich ihr ansehen kann, dass sie es ernst meint, gebe ich nach und verabschiede mich.

Joshua öffnet nur wenige Sekunden, nachdem ich geklingelt habe, die Tür. Ich stürme an ihm vorbei zu meinen Kindern.

Freya und Sam sitzen in ihrem Zimmer und spielen miteinander. Grinsend lasse ich mich neben ihnen nieder, wobei ich Vincent ignoriere, dessen Augen mich besorgt mustern.

»Alles gut?«, will er wissen.

»Wir wussten, dass irgendwas schiefgehen würde. Jedes Jahr an Zanders Geburtstag gab es Schwierigkeiten, aber das ...« Auch ohne, dass ich den Satz zu Ende spreche, weiß Vincent, was ich sagen möchte.

»Derek ist Soldat, er schafft das.«

»Jess ist völlig am Ende.«

»Ihr bester Freund hat auf ihren Bruder eingetrommelt. Zwei wichtige Menschen in ihrem Leben«, meint er achselzuckend und wie immer lächle ich bei seiner Wortwahl.

Ich lege den Kopf schief und schaue Freya dabei zu, wie sie versucht, das Rechteck in die Dreiecksform zu quetschen. Sam nimmt ihr das Stück ab und bringt es in die richtige Form. Meine Tochter klatscht aufgeregt und macht es nach.

»Was war denn los?« Joshua kniet sich hinter Sam und schaut zu uns. Da ich zu müde bin, um es zu erklären, erzählt Vincent, was passiert ist. Josh seufzt. »Dieser Kerl. Himmel Herrgott.«

»Zander will nicht zugeben, dass er Rhage liebt. Nur deswegen geschieht das alles«, erkläre ich und verdrehe die Augen.

»Seit wann? Ich wusste gar nicht, dass er … ist er …« Josh schließt den Mund.

»Keine Ahnung.«

Was sie miteinander haben, geht niemanden etwas an. Gerade fehlt mir auch echt der Kopf, um darüber nachzudenken.

»Hast du mal mit ihm darüber gesprochen?«

Wie immer, wenn Joshua sich in meinem Umfeld bewegt, rückt Vincent an mich heran. Mittlerweile bin ich so daran gewöhnt, dass ich deswegen keinen Aufstand mehr mache. Der Mann ist unberechenbar, wenn es um Joshua geht.

»Und ihm was sagen? Gib zu, dass du ihn liebst oder …« Ich schlucke die nächsten Worte herunter. Zander muss es selbst merken, da kann ich nichts ausrichten. Außerdem ist er ein Panzer, wenn es um Gefühle geht. »Wir sollten jetzt auch nach Hause gehen.« Müde erhebe ich mich und gähne.

Meine Kinder zicken nicht, als ich ihnen sage, dass wir den Heimweg antreten, sondern ziehen sich ihre Jacken an und verabschieden sich von ihrem Vater.

Zuhause atme ich erstmal tief durch. Zanders Geburtstage waren immer ein einziges Chaos, schon damals. An diesem Tag stritten Jessica und er oftmals. Denn sie wollte feiern, er nicht. Einmal hat er mir erzählt, dass er an seinem Geburtstag von zuhause ausgezogen sei und der aus diesem Grund kein Freudentag für ihn wäre.

Bei der Planung des heutigen Tages hatten wir gehofft, ihn vom Gegenteil zu überzeugen, immerhin war Rhage dabei. Wie hätten wir ahnen können, dass es so enden würde?

Sam und Freya verschwinden in ihrem Zimmer. Seufzend lasse ich mich auf die Couch fallen und schließe die Augen.

»Willst du dich ausruhen? Ich kann mich um die Kleinen kümmern«, bietet Vincent an.

»Nein, schon gut, aber auf das Angebot mit dem Beschäftigen der Kinder würde ich gerne eingehen. Ich muss sowieso bei meinen Eltern vorbei.«

»Wozu?«

»Sie sind angefressen, weil ich die Kleinen nicht allein bei ihnen lasse.« Müde stehe ich auf. Ein weiteres Seufzen verlässt meinen Mund, als ich mich umschaue. Überall liegt Spielzeug und Wäsche, die ich bügeln und zusammenlegen muss. Frustriert schließe ich die Augen wieder.

»Wieso gehst du nicht morgen zu deinen Eltern? Der Tag war stressig und du bist müde. Leg dich hin.«

»Du bist lieb, aber dann werden sie nur sauer und die beiden sind nicht auszuhalten, wenn sie schimpfen.«

Die Kinder schmollen, als ich ihnen sage, dass ich für eine Weile unterwegs sein werde und sie mit Vincent zuhause bleiben, lachen aber schnell wieder. Lustlos verlasse ich die Wohnung.

Wie ich es vorausgeahnt habe, schimpft meine Mutter, als ich das Haus ohne Freya und Sam betrete. Bis wir in der Küche sind, in der ich mit einer Tasse Espresso erwartet werde, setzt sie die Tirade fort. Schon in jungen Jahren habe ich gelernt, das geflissentlich zu ignorieren. Stattdessen laufe ich um den kleinen Tisch herum und gebe meinem Vater einen Kuss auf die Wange. Wie immer springt er sofort auf und nimmt mich in den Arm.

»Meine Liebe, es ist so schön, dich zu sehen«, sagt er auf Italienisch. Sie können zwar Englisch sprechen, tun es aber nur, wenn sie Besuch bekommen, der ihre Landessprache nicht versteht.

Grinsend lässt er sich auf seinem Stuhl nieder und bittet meine Mutter, sich wieder zu beruhigen. Grunzend nimmt sie Platz.

»Du bist zu nachsichtig mit ihr, Giovanni!«, meckert sie und lehnt sich vor. Enttäuscht wendet sie sich an mich. »Deine Kinder werden uns noch vergessen, wenn sie nicht öfter herkommen.«

»Mama, das werden sie nicht. Die zwei vergöttern euch.«

»Das denkst du.« Sie verschränkt beleidigt die Arme vor der Brust.

Ich schmunzle.

Das ist mal wieder so typisch für sie. Sie liebt die beiden so sehr, dass sie sie am liebsten jeden Tag bei sich hätte. Außer, sie werden ihr zu anstrengend, dann gibt sie sie gern zurück.

»Erzähl mir, Schatz, wie geht es dir?«, fragt mein Vater und erntet einen bösen Blick von Seiten meiner Mutter.

»Gut. Zander hat heute Geburtstag, doch wie immer hat dieser Tag ein desaströses Ende genommen.«

»Was ist passiert?«

Ich erzähle ihnen, was vorgefallen ist. Interessiert hören sie zu. Seitdem ich Jess und Zander das erste Mal mit hierhergebracht habe, lieben meine Eltern sie.

Um kurz nach sechs mache ich mich auf den Heimweg. Einen Moment überlege ich noch, bei Zander vorbeizuschauen, entscheide mich aber dagegen.

Als ich nach Hause komme, herrscht eine merkwürdige Stille, die mich stutzig macht. Verwundert schaue ich mich um und entdecke sie in ihrem Kinderzimmer. Sam zeichnet, während Freya sich von Vincent etwas vorlesen lässt. Noch immer gebe ich keinen Ton von mir und lasse das Bild einfach auf mich wirken.

Obwohl ich es nur ungern zugebe, ist seine Anwesenheit für mich Alltag geworden. Er hilft mir bei der Hausarbeit und bietet Unterstützung bei den Kleinen. Seit ein paar Wochen schläft er auf meiner Couch. Tatsächlich ist er nur bei sich zuhause, wenn er sich Wechselkleidung besorgt.

»Mama, schau mal! Das habe ich für dich gemalt.« Sam kommt lachend auf mich zu gerannt und hält mir das Blatt vor die Nase. Darauf ist ein kleines Kind mit seiner Mutter zu sehen. Sie stehen Hand in Hand neben einem Haus und lächeln.

»Das ist wunderschön, mein Schatz, sind wir das?«

»Ja.« Er nimmt das Stück Papier wieder an sich und verzieht das Gesicht. Unzufrieden senkt er das Blatt und geht zurück zu seinem Tisch. »Aber es ist nicht fertig, du bekommst es erst morgen.«

Ich sage nichts dazu, sondern laufe zu ihm und drücke ihm einen Kuss auf den Kopf. Da Vincent wieder begonnen hat zu lesen, verlasse ich das Zimmer und mache mich ans Aufräumen.

Es ist zehn Uhr morgens, als ich aufwache, und prompt bin ich hellwach. Normalerweise schlafe ich nur bis sechs, wenn überhaupt. Meine Kinder sind immer früh wach. Verwirrt steige ich aus dem Bett und reibe mir die Augen, um dann mit einem synchronen »Guten Morgen«, empfangen zu werden.

»Was ist denn hier los?«, frage ich grinsend und lasse mich von Freya und Sam zum Tisch führen, welcher reichlich gedeckt ist. Ich atme tief ein. Es riecht herrlich.

»Setzen Sie sich, junge Dame, das Frühstück ist serviert«, meint er grinsend und schaut mit hochgezogenen Augenbrauen zu den Kleinen. Zwei Hände umfassen meine und führen mich zum Stuhl. Sam zieht ihn zurück.

»Bitte setz dich, Mama.«

Ich lächle breit.

Sie helfen Vincent, die Tassen auf dem Tisch zu verteilen und füllen sie mit Milch. Hin und weg von den dreien warte ich, bis sie ebenfalls sitzen.

»Das ist wunderschön, Danke schön.« Ich werfe abwechselnd einen Blick auf meine Kinder und Vincent. Letzterer räuspert sich. Freya richtet sich ein wenig in ihrem Stuhl auf und schiebt sich eine Strähne hinter das Ohr.

»Wir wollten dir sagen, wie lieb wir dich haben und danken dir dafür, dass du unsere Mama bist. Wir äh …« Sie beißt sich auf die Lippen. Vincent flüstert ihr etwas zu, ihre Miene erhellt sich wieder. »Wir hoffen, dass es dir schmeckt.«

»Darf ich probieren?«,

Sie nicken gleichzeitig, also nehme ich die Gabel in die Hand und mache mich über Rührei und Würstchen her. Genüsslich kaue ich darauf herum und stöhne. »Köstlich«, lobe ich sie und zaubere ihnen damit ein breites, wunderschönes Lächeln auf die Lippen, ehe sie ebenfalls zu essen beginnen.

Kapitel 2

Vincent

Die Kleinen sprinten sofort an ihrem Vater vorbei, sobald ich sie abgesetzt habe. Das tun sie jedes Mal, wenn ich sie ihm übergebe und wie üblich bringt es mich zum Schmunzeln.

Ebenfalls wie immer, ärgert es Joshua, wenn ich anstatt Elise ihm die Kinder bringe, was mir jedoch egal ist, denn Tatsache ist, dass dieser Mann mir ein Dorn im Auge ist.

»Was ist mit Elise?«

»Sie hatte keine Zeit.« Ich werde den Teufel tun und ihm sagen, wo sie sich aufhält.

»Wo ist sie?«

Dafür habe ich nur ein Achselzucken übrig.

»Sie kommt die Kinder später abholen.« Und damit drehe ich mich um und gehe. Sein Knurren ist nicht zu überhören.

Seit Jahren ist es mein Wunsch, diesem Mann endlich einen kräftigen Fausthieb zu verpassen, aber damit würde ich nur Elises Zorn auf mich ziehen und das ist das Letzte, was ich will. Denn die Wahrheit ist, dass mir diese Frau alles bedeutet.

Seit ich sie vor etwas mehr als drei Jahren kennenlernte, schwanger und aufgelöst, kurz nach der Trennung von ihrem Mann, liebe ich sie. Das zeige ich ihr jeden Tag, tue alles, um ihr Herz für mich zu gewinnen, aber sie macht es mir nicht leicht.

Trotzdem erscheine ich gut gelaunt auf der Arbeit.

Meine Kollegen begrüßen mich, fragen nach meinen Tagen und wie es den Kindern geht. Sie wissen, dass Freya und Sam von einem anderen Mann sind und Elise ist eigentlich nicht meine Frau, dennoch bezeichnen sie sie als solche. Nicht, weil ich sie dazu gebracht hätte, das zu behaupten, das wäre würdelos, nein, sie tun es von sich aus.

Sam und Freya lieben ihren Vater und damit komme ich klar, solange Elise ihm nicht erneut verfällt. Denn dann könnte ich mich nicht mehr zurückhalten.

Ich betrete die Umkleide und laufe zu meinem Spind.

»Hey Vince, alles klar bei dir? Du siehst fertig aus.«

Ich fahre dermaßen heftig zusammen, dass Maxim die Augenbrauen hochzieht und anfängt zu lachen.

»Nur müde, und bei dir?« Ich ziehe mich um und schließe den Spind. Maxim antwortet nicht, sondern starrt mich an. Seit ich ihn kenne, hege ich den Verdacht, dass er schwul ist.

»Hellwach. Weißt du schon, was heute ansteht?«, erwidert er, als ich mich räuspere.

»Soweit ich weiß, zwei wichtige OPs. Stein meinte, heute würde ich ihm assistieren.«

Das ist nicht meine erste OP, trotzdem bin ich verflucht nervös.

Meine Schicht nähert sich dem Ende. Zum Glück, denn ich merke, wie die Anstrengungen der letzten Wochen mich allmählich einholen. Kinder sind etwas Wunderbares, aber sie rauben einem die Energie. Sie selbst dagegen haben mehr als genug davon. Unwillkürlich muss ich bei dem Gedanken an Sam und Freya grinsen.

Nie hätte ich für möglich gehalten, nach zwei Bälgern verrückt zu sein. Zwar wollte ich immer Kinder haben, fand aber nie die richtige Frau dazu. Die Weiber, mit denen ich früher geschlafen habe, waren nicht geeignet, um mit ihnen eine Familie zu gründen. Mich hat die falsche Sorte Frau angezogen, ihr Verhalten war der beste Beweis dafür.

In dem Augenblick, in dem meine Augen jedoch Elise erblickten, dachte ich nur: Oh Fuck, sie ist wunderschön.

»Vincent, kann ich kurz mit Ihnen sprechen?«

Ich verdränge die Gedanken und schaue auf. Doktor Stein lehnt an der Glastür. Auf mein Nicken spricht er weiter. »Sie haben heute gute Arbeit geleistet. Durch Ihre schnelle Auffassungsgabe habe ich den Patienten retten können.«

»Selbst wenn ich nichts gesagt hätte, hätten Sie ihn gerettet.«

»Mag sein, aber so kam es erst gar nicht zu Komplikationen. Dafür haben Sie meinen größten Respekt.«

Da es das größtmögliche Kompliment ist, das einer von uns überhaupt bekommen kann, nicke ich energisch. Stein ist, ohne zu übertreiben, der beste Herzchirurg des St. Bartholomew’s Hospital. Aber nicht nur wegen seiner chirurgischen Fähigkeiten ist er Gesprächsthema. Auch die Frauen sind hin und weg von ihm. Nach meinem Medizinstudium wollte ich erstmal Assistenzarzt bleiben, um von den Besten zu lernen. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, in welche Richtung ich mich entwickeln möchte, doch seinetwegen tendiere ich zur Chirurgie.

Meine Eltern starben beide bei einer Operation, danach entschied ich mich, Leben retten zu wollen. Sie waren großartig gewesen, und ihr Tod war ein schlimmer Verlust, aber zum Glück hatte ich Malina und Iwan. Athans Eltern reichten an das, was ich Mutter und Vater nenne, nahe heran.

»Wissen Sie schon, in welche Richtung Sie sich entwickeln wollen? Oder bleiben Sie Assistenzarzt?«, fragt er interessiert.

»Im Moment reicht es mir, so kann ich von Ihnen und den anderen lernen. Ich denke, danach mache ich eine Weiterbildung zum Chirurgen.«

»Welches Gebiet?«

»Da bin ich mir nicht sicher. Ich tendiere zur Herzchirurgie, allerdings sind Unfall und Viszeralchirurgie mit in der engeren Auswahl.«

»Darf ich Ihnen meine Meinung unterbreiten?«

»Selbstverständlich.«

»Bleiben Sie in der Herzchirurgie. Sie können sich später immer noch weiterbilden. Beginnen Sie mit dem, was Ihnen am meisten zusagt, und lernen dann in jede Richtung. So habe ich es gemacht. Jedes Gebiet ist für sich interessant, finden Sie eine Mitte.«

»Ich werde Ihren Rat beherzigen, vielen Dank.«

»Kein Problem.« Er dreht sich um, um zu gehen, bleibt aber dann doch stehen. »Ich werde einen Antrag stellen, dass Sie in den nächsten Wochen nur mir assistieren, wäre das in Ordnung?«

Mir klappt die Kinnlade runter. Ob das in Ordnung wäre? Weiß dieser Mann überhaupt, welch großartige Arbeit er leistet? Da er auf eine Antwort wartet, schiebe ich mein Staunen beiseite.

»Es wäre mir eine Ehre. Danke für diese Chance.«

Er nickt und verschwindet. Mir fällt erneut die Kinnlade runter. Das war alles, was ich die letzten Jahre wollte. Dass er sieht, was ich draufhabe und mir eine Chance bietet, ihm zur Seite zu stehen. Und hier ist sie. Zum Greifen nahe und ich kann nur wie ein Idiot auf die Tür starren, durch die er verschwunden ist. Alles, woran ich denke, ist, es sofort Elise zu erzählen.

Kapitel 3

Elise

Athan lässt sich nach drei Stunden wieder blicken und er sieht fertig aus. Zwar nur halb so sehr wie Jessica, die sich endlich beruhigt hat, aber dennoch müde.

Meine beste Freundin reibt sich über den runden Bauch, als Athan sich neben sie fallen lässt. Ich liebe die beiden, bemerke ich, als sie sich verstohlene Blicke zuwerfen und dann grinsen. Plötzlich streicheln sie gemeinsam ihren Bauch und ich denke an die Zeit von vor drei Jahren zurück, als ich meine Kinder unter dem Herzen trug.

»Ich will ein Baby«, verkünde ich.

Sie reißen die Augen auf. Athan fängt an zu lachen.

Wäre mir nicht klar, woran er denkt, könnte ich es ihm nachtun.

»Du hast zwei. Reichen die nicht erstmal?« Jessica zieht die Augenbrauen zusammen.

»Klar, aber ich vermisse es, schwanger zu sein«, entgegne ich achselzuckend.

Dieses Gefühl, wenn mein Baby zum ersten Mal tritt und sich dreht, wenn der Bauch wächst. Ich ersehne alles zurück, bis auf die Schmerzen der Wehen. Ohne Jessica hätte ich sie damals kaum überstanden. Hoffentlich werde ich ihr ebenfalls beistehen können.

»Lass die Beiden erstmal groß werden. Bald kannst du ein weiteres Baby auf den Armen halten«, brummt Athan. »Du wirst dich gut um sie kümmern müssen.«

»Oh, das werde ich. Dieses kleine Wesen wird rund um die Uhr unter Beobachtung stehen.«

»Darauf zählen wir, vor allem, wenn uns einmal etwas passieren sollte.«

Ich lege den Kopf schief.

Wie kommt sie denn jetzt darauf?

Jessica schiebt mir ein Bild zu.

Ich nehme den Ausdruck in die Hand und lächle über beide Ohren, als ich ihre Tochter sehe. Die Position sieht unbequem aus.

»So goldig! Darf ich es behalten?«

»Nur wenn du ihre Patentante wirst«, antwortet Athan.

»Natürlich! Anders wäre ich stinkig auf euch!«

Das Bild meines Patenkindes betrachtend, lächle ich. Seit Beginn der Schwangerschaft freute ich mich auf das Kleine. Die Angst, dass sie es verlieren könnte, sitzt mir tief in den Knochen. Ihrer Fehlgeburten wegen empfinden wir alle so.

»Eli, geht es dir gut?«

Gedankenverloren schaue ich auf. Über all das kann ich nicht mit ihr sprechen, weil es sie nur herunterziehen würde.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich mit ihr gesprochen, ihr meine Sorgen und Ängste mitgeteilt, doch es geht nicht. Stattdessen bete ich zu Gott, dass ich das kleine Wunder zu Gesicht bekommen werde und das sie gesund ist.

»Ich bin nur verzaubert.« Wenigstens nicht gelogen. Hätte ich damals nicht in einer Tour auf sie eingesprochen, sich von Athan flachlegen zu lassen, gäbe es diese Gelegenheit überhaupt nicht. Sie waren von Anfang an verrückt nacheinander, was nicht zu übersehen war. Ich wusste, dass nicht sie den ersten Schritt machen würde, sondern Athan, und dass Jessica es zuließe. »Zum Glück habe ich nie aufgegeben, euch zusammenzubringen.«

»Bitte, was?«, brummte Athan. »Das war allein mein Verdienst.«

»Das hättest du wohl gern. Ich habe ihr gesagt, dass sie sich von dir flachlegen lassen soll.«

Grunzend verdreht er die Augen.

Er weiß, dass ich recht habe. Triumphierend hebe ich die Faust in die Luft.

Stunden später stehe ich vor Joshuas Haus und warte, dass er die Tür öffnet. Da er länger als sonst braucht, mache ich mir Sorgen. Als ich erneut klingeln will, fliegt sie auf. Unbekannte braune Augen und volle Lippen grinsen mich an. Innerlich beginne ich zu brodeln.

»Oh, hey, Sie müssen die Mutter sein?«

»Und Sie sind?«, frage ich schnippisch und verschränke die Arme vor der Brust. Ich kann diese Frau jetzt schon nicht ausstehen.

»Die Tagesmutter.«

Ein Knurren kommt aus meiner Kehle. Wütend drängle ich mich an ihr vorbei. Die Kinder sitzen vor dem Fernseher und essen. Da ich sie zweisprachig aufwachsen lasse, verstehen sie mich, als ich sie auf Italienisch frage, wo ihr Vater ist. Freya springt von der Couch und kommt in meine Arme gerannt.

»Papa hat gesagt, er muss kurz weg. So lange ist Emy hier«, erklärt mein Sohn auf Italienisch. Er kann es etwas besser sprechen als Freya.

»Wir fahren nach Hause. Packt bitte eure Sachen zusammen.« Ich gebe meiner Tochter einen Kuss auf die Wange und lasse sie herunter.

Emy, wie ich gerade erfahren habe, steht hinter mir und lächelt.

»Wo ist er?«, frage ich und gebe mir keine Mühe damit, freundlich zu klingen. Diese Schickimicki Barbie auf meine Kinder aufpassen zu lassen, ohne dass ich etwas davon wusste, lässt mich rasend vor Wut werden. Es stand fest, dass ich über alles informiert werde, was die Kinder betrifft, und dann das?!

»Er meinte, er habe einen wichtigen Termin. Hören Sie, das macht mir nichts aus, ich mag die zwei.«

»Nehmen Sie es mir nicht übel, aber es sind meine Kinder. Weder wusste ich von Ihnen noch interessiert mich Ihre Geschichte.« Ich halte inne, als Sam und Freya hinter mir auftauchen und schlucke die nächsten Worte runter.

»Miss Davenport …«

»Wir gehen.« Mein Lächeln ist eiskalt. Sie scheint zu merken, dass ich keine Lust habe, mir Erklärungen oder Entschuldigungen anzuhören, denn ihr Mund schließt sich.

Vincent ist zuhause, als ich ankomme. Er sieht so glücklich aus, dass ich ihm nichts von meiner Wut auf Josh erzähle. Mich überrascht immer wieder, wie schnell er mich zum Lächeln bringen kann, obwohl ich eigentlich stinksauer bin. Mit Sam auf dem Arm dreht er sich im Kreis, dann greift er sich Freya und wiederholt das Ganze. Ich schaue ihnen zu und wundere mich nicht mehr, wie toll er mit ihnen umgeht. Es scheint ihm einfach im Blut zu liegen.

»Na, wie war euer Tag?«, fragt er, Freya immer noch haltend.

»Toll, und deiner?« Sie hebt die Hände in die Luft und lacht, als er sich wieder mit ihr im Arm dreht.

»Ich habe den gaaaanzen Tag an euch gedacht. Ich hoffe doch, ihr auch an mich?«

»Jaaaa«, schreien die beiden unisono.

Er lässt sie runter, als ich in die Küche verschwinde. Ich höre, wie er ihnen etwas zuflüstert, ehe sie in ihr Zimmer rennen.

»Ist alles in Ordnung?«

Bis eben war ich noch wütend. Dass Joshua ohne mich entschieden hat, nachdem wir uns darauf geeinigt hatten, dass wir alles zusammen bestimmen, und keines dieser Ex-Ehepaare werden, die zerstritten sind. Dass wir dennoch eine Familie sind. Aber immer, wenn ich glaube, dass es tatsächlich funktionieren kann, tut er etwas, dass ich nicht gutheiße.

Doch von all dem möchte ich Vincent nichts erzählen. Es würde seine Laune verderben und ich mag es, wenn er lächelt.

»Alles bestens«, erwidere ich also und drehe mich weg. Ich schaffe es nicht, ihm in die Augen zu sehen, wenn ich nicht ganz ehrlich bin. Er greift nach meinem Arm und wirbelt mich herum, sodass ich gezwungen bin, ihn anzuschauen. Sein eindringlicher Blick reicht, damit ich nachgebe. »Wusstest du, dass Joshua eine Tagesmutter hat?«

Der Überraschung in seinem Gesicht nach zu urteilen, wusste er es nicht, was mich ungemein erleichtert. Mein Herzschlag beruhigt sich und ich atme aus.

»Warum hat er eine Tagesmutter? Wir haben bisher immer darauf geachtet, die Kleinen hinzubringen, wenn er frei hat?«

»Sie meinte, er habe einen wichtigen Termin.«

Wut setzt sich in Vincents Gesicht fest. »Und warum ruft er nicht einen von uns an, oder Jessica?« Er legt den Kopf schief. »Mit dir hat er es demnach nicht abgesprochen?«

Seufzend schüttle ich den Kopf und lehne mich gegen die Küchentheke. »Hast du schon mit ihm gesprochen?«

»Noch nicht, aber ein richtiges Gespräch wird es kaum geben, dafür bin ich zu aufgebracht.« Fluchend beginne ich aufzuräumen. Es ist ein Tick von mir, um mich zu beruhigen, und meistens leistete es mir dabei gute Dienste. Bis auf heute.

Warme Hände legen sich auf meine Schultern und massieren sie. Ich entspanne mich unter der Berührung, merke, wie die Anspannung weicht.

»Reg dich nicht weiter darüber auf. Wenn ihr euch wieder seht, redet ihr. Jetzt bist du zuhause. Den Kids geht es gut.«

Ich lehne mich gegen ihn und genieße die Massage mir geschlossenen Augen. Einen Augenblick später flitze ich wieder durch die Küche.

»Ich koche jetzt, hast du einen Wunsch?«

Da ich weiß, dass er es nicht mag, wenn ich mich in seiner Gegenwart nicht fallen lasse, meide ich seinen Blick. Zu wissen, was er für mich empfindet, erschwert es mir, locker zu bleiben. Im Gegensatz zu Zander bin ich nicht bindungsgestört, aber meine Ehe ist noch nicht vorbei und dann sind da die Kinder.

Auch wenn sie ihn lieben, weiß ich nicht, wie sie reagieren, wenn wir eine Beziehung führen würden. Vincent ist ein toller Mann und er hat es nicht verdient, dass ich ihn seit Jahren hinhalte. Der Gedanke, er könnte sich einer anderen Frau zuwenden, schmerzt, gleichsam fällt es mir schwer, mich vollkommen auf ihn einzulassen.

Er ist immer für uns da, tut alles, um mich und die Kinder glücklich zu machen. Aber letztlich ist es das, was mich zusätzlich abschreckt, denn wenn es nicht funktioniert, leiden auch Freya und Sam darunter. Das gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.

Am nächsten Tage verlasse ich müde die Arbeit. Ich bin auf dem Weg zu meinem Auto, als es in meiner Hose zu vibrieren beginnt. Roses Name erscheint auf dem Bildschirm. Lächelnd gehe ich ran. Sonst meldet sie sich nicht so früh.

Rose ist die Frau von Athans Bruder und eine gute Freundin, mit der ich mich regelmäßig treffe. Das hat verschiedene Gründe, aber vor allem den, dass sie mir ans Herz gewachsen ist. Was mich an ihr fasziniert, ist die Tatsache, dass Ben ihr erster Mann in allen Lebenspunkten ist.

Sie ist bildhübsch und wenn man sie sieht, ist sofort klar, dass sie eine ganze Reihe an Verehrern nachzuweisen hat. Dennoch hat sie sich Zeit gelassen. Etwas, dass ich bewundere, gleichzeitig bin ich neidisch.

»Hey, wie komme ich denn zu dieser Ehre?«

»Hallo, meine Gute. Vincent hat mir erzählt, was dein Ex gemacht hat, und ich dachte, du willst dich vielleicht auskotzen. Ich bin in der Stadt, hast du Lust?«

»Gleicher Platz wie immer?«

»Macchiato?«

»Bis gleich.« Ich lege auf, springe ins Auto und fahre los.

Rose wartet in unserem Café und lächelt, als sie mich erblickt. Vor ihr stehen schon ihr Kaffee und mein Macchiato. Ich setze mich und nehme ihn dankend entgegen. Wie immer bewundere ich die kurzen blonden Haare, die sie sich vor etwa einem Monat hat färben lassen. Dunkler Eyeliner umrahmt ihre haselnussbraunen Augen. Mein Blick wandert über ihren Körper.

Sie ist nicht dick, aber auch nicht schlank, eher eine Mischung aus beidem, was beeindruckend ist. Diese Frau besteht überwiegend aus Muskeln, da sie regelmäßig trainieren geht, und es steht ihr, anders könnte ich sie mir gar nicht vorstellen. Wie kann eine solche Frau sich selbst hässlich finden?

»Was hat er getan?«, fragt sie und unterbricht damit meine Bewunderung für sie.

»Er hat eine Tagesmutter engagiert, ohne es mit mir abzusprechen.«

»Bitte, was?« Sie lehnt sich vor. »Wofür braucht er die? Er sieht die Kinder doch nur, wenn er frei hat?«

»Hat Vincent auch gesagt, aber seine Tagesmutter, eine Frau Namens Emy, mit E …«, ich verdrehe genervt die Augen, » …meinte, er habe einen wichtigen Termin. Weißt du, mich nervt nicht mal, dass er eine Tagesmutter engagiert hat, sondern dass ich nicht wusste, dass eine mir fremde Frau auf meine Kinder aufpasst.«

»Das geht nicht! Denkt dieser Kerl überhaupt nach?«

Die Antwort bleibe ich ihr schuldig. Stattdessen trinke ich meinen Macchiato und überlege, wie dieses Gespräch, das wir eindeutig führen werden, ausgehen wird.

Joshua hat ein ernsthaftes Problem damit, seine Fehler einzugestehen. »Ich würde Ben umbringen, wenn er eine Tagesmutter engagieren würde, ohne es mit mir abzuklären.«

»Er würde das nie tun.«

»Das stimmt«, seufzt sie verträumt. »Wo wir gerade bei Göttergatten sind, wie läuft es mit Vincent?«

»Erstens ist er nicht mein Gatte und zweitens läuft es gut. Er kümmert sich gut um die Kleinen. Sie lieben ihn.«

»Schön, schön, aber du weißt, dass ich das nicht meinte?«

Dessen bin ich mir bewusst, trotzdem hoffte ich, es würde reichen, ihr ausweichend zu antworten. Aber so ist Rose nun mal nicht. Sie will immer alles bis ins kleinste Detail erfahren und bei allem anderen ist das auch kein Problem für mich.

»Wir verstehen uns, reicht das denn nicht?«

»Er liebt dich und ich weiß, dass er dir das schon mehr als einmal gesagt und über tausend Mal gezeigt hat. Woran hängt es?«

»Dass ich schon genug um die Ohren habe? Mal davon abgesehen, dass ich nichts von ihm will. Wir sind bloß Freunde.«

Rose schnappt nach Luft, legt sich die Hand auf die Brust und tut, als würde sie um Atem ringen. Ich finde, dass sie übertreibt.

»Du willst nichts von ihm? Ihr seid wirklich nur Freunde? Spätzchen, fass dir bitte an den Kopf, du leidest unter hohem Fieber.«

»Es ist die Wahrheit.«

»Hör mal, wenn ich mit jemandem nur befreundet bin, vor allem mit einem Kerl, lasse ich ihn trotzdem nicht bei mir wohnen und lebe ein glückliches Familienleben mit ihm.«

»Familienleben?«

»Ihr spielt jetzt seit drei Jahren Mutter, Vater, Kinder. Joshua außen vorgelassen, seid ihr eine glückliche Familie. Als Kind habe ich das auch gespielt, als Erwachsene ist es jedoch was Ernstes.«

»Und wie stellst du dir das vor? Vincent ist ein guter Kerl, aber er ist nicht ihr Vater. Außerdem bin ich immer noch mit Joshua verheiratet und ich weiß nicht, was meine Kinder davon halten würden. Es ist ja nicht nur meine Entscheidung.«

»Es liegt nicht an deinen Kindern, vielleicht liebst du Joshua ja doch noch?«

»Können wir das Thema erstmal ad acta legen? Wie läuft es mit Ben?«

Sobald ich seinen Namen erwähne, funkeln ihre Augen und sie beginnt ausschweifend davon zu erzählen, wie sie ihre letzten Tage verbracht haben. Ich höre zu und verdränge dabei ihre Worte geflissentlich in die hintersten Winkel meiner Gedanken.

Liebe ich Joshua noch?

Ich weiß es nicht. Sollte ich es herausfinden oder wäre es besser, alte Wunden geschlossen zu lassen? Unsicherheit schafft es in meine Gedanken und ich stelle mir Fragen, die ich all die Jahre ignoriert habe.

Kapitel 4

Vincent

Ben huscht durch die Küche und wirft immer wieder einen verstohlenen Blick auf die Uhr.

»Du weißt, dass sie erst in circa einer Stunde zurück ist?«, frage ich schmunzelnd und rutsche auf meinem Stuhl herum. Ich hasse es zu sitzen, während andere etwas tun, aber Ben möchte keine Hilfe.

»Und das Essen ist nicht mal halb fertig. Das ist nichts für mich! Ich hasse es zu kochen!«, brummt er und lehnt sich gegen die Küchentheke. »Das ist Roses Ding.«

»Deswegen kocht deine Frau auch immer. Erklärst du mir endlich, warum du das dieses Mal übernimmst?«

»Ich will ihr was Gutes tun, und vielleicht bekomme ich durch all das die Chance, sie zu schwängern.«

Ich fange an zu lachen. Also möchte er seine Frau umwerben und hofft, dass sie dann endlich zulässt, von ihm geschwängert zu werden. Zum Glück wissen wir es besser.

»Wunschdenken, mein Guter.«

»Ich weiß, aber sie meinte das letzte Mal, sie wäre bereit. Einen ganzen Tag lang hat sie so gedacht. Die Frau macht mich irre.«

»Trotzdem liebst du sie, also beschwer dich nicht. Wenigstens seid ihr zusammen.«

»Du meinst, anders als du und …« Er schaut sich um, um sicherzugehen, dass Freya und Sam nichts hören. Die beiden schauen fern. » … Elise?«

»Was muss man denn noch tun, um eine Frau dazu zu bekommen, endlich zu merken, dass man ihr guttut?«

»Ich glaube, sie weiß es. Nur hat sie im Moment andere Sorgen. Denk daran, dass Joshua der Vater ihrer Kinder ist, außerdem sind sie immer noch miteinander verheiratet.«

»Warum trennt sie sich nicht von ihm?«