Tüünkraam - Hermann Wahlers - E-Book

Tüünkraam E-Book

Hermann Wahlers

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Beschreibung

Tüünkraam - Plattdeutsche Kurzgeschichten Darf man alles glauben, was geschrieben wird? In diesem Buch hat der Autor ganz bewusst seine Erinnerungen, seine Erlebnisse und Wahrnehmungen mit allerlei Übertreibungen und Hinzugeflunkerten zu amüsanten Kurzgeschichten festgehalten. Es sind die fehlenden, neuzeitlichen Wörter dieser Sprache, die durch Umschreibung dieser besonders den Charme einer gemütlichen (plattdeutsch: kommodigen) plattdeutschen Sprache ausmacht.

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Für Elke

Vöraf – Vorwort

Plattdeutsch ist eine quicklebendige Sprache, die mangels einiger fehlender Wörter aus der Moderne diese einfallsreich und bildhaft umschreibt. Paradebeispiel ist die Übersetzung des Begriffes »Künstliche Intelligenz«, die findige Plattschnacker mit »Brägenplietschmaschin« übersetzt haben. »Brägen« ist der plattdeutsche Ausdruck für Geist und Gehirn, »plietsch« bedeutet klug und gewitzt und »Maschin« bedeutet Apparat oder Gerät.

Kennt man die Grundwörter des Plattdeutschen, so lassen sich herrliche Beschreibungen zusammensetzen, die so manch einem Leser schmunzeln lässt. Tragisch-dramatische Situationen können damit sprachlich abgefedert werden, ohne dass Sinn und Aussagekraft verloren gehen.

Jedes Dorf, jede Region hat sein eigenes Plattdeutsch. Ich selber komme gebürtig aus der Gegend Wilstedt-Zeven, am Rande des Teufelsmoores. Bei der Kartoffel habe ich nach meinem Umzug nach Oyten-Sagehorn festgestellt, dass hier andere Begriffe üblich sind. In den gängigen, plattdeutschen Wörterbüchern werden eine Vielzahl von Ausdrücken dargestellt: »Katuffel, Ketüffel, Kortüffel, Tüffel, Pudel, Eerdappel, Sandtuffel. Windpluum, (weil sie nicht vorhält und nur Wind im Darm erzeugt).«

Erstaunlicherweise besteht für diese Sprache eine Grammatik. Damit wurde die Schreibweise auch bei regional unterschiedlichenAusprägungen festgelegt und somit gilt der sehr gebräuchliche Satz »Man schreibt wie man spricht« nicht.

Die folgenden, plattdeutschen Geschichten werden mit einer hochdeutschen Einführung umschrieben. Diese dienen dazu, dass der Leser, der noch ungeübt beim Lesen von plattdeutschen Schriften ist, den Inhalt und den Geist der Geschichte verstehen kann.

In einigen Geschichten steckt ein bisschen Wahrheit, ein kleiner Teil Hinzugeflunkertes und hier und da einige Übertreibungen.

Hermann Wahlers

Overblick

Woord-Schoosteree

Dat du mien Leevste büst

Verleevt-versprocken-verheirot

Emanzipatischoon

Dusel hatt

Osterfüür in Hagen im Bremischen

Sünd de Tieden noch so slech, fier‘n doot se doch!

Fietjes Gedächtnisweg

De Möhlendiek

Gnadderbüddel

Mien God, se kann keen Plattdütsch mehr

De holländisch-bayrische Fohrradtusch

Grootvadder Harich Oal

Urlaubstied

Tied noog

Putzbüdel

Ik bün de Mann, de allns mokt, de allns kann

Veelschnacker

Priesskot

Een besinnlichen Heiligobend

Dat New Yorker Wiehnachtsgeschink

Wiehnachtsmarkt in Eyten

De sünnebare Silvesterfier

Fründschaft un Liebschaft

De lange Anna

Bock op Rock

De ostfriesische Arvschaft

Nix geiht över eene gode Naberschaft

Daalschrift vun use Radakschoonsitzung

De letzte de Mohikaner

Woord-Schoosteree

Plattdeutsch ist eine sehr melodische, kreative Sprache. Beim Hören empfindet man einen angenehmen Klang und sie schwingt harmonisch. Kreativ ist sie, weil neuere Begriffe nicht direkt übersetzt werde können, diese müssen wortreich und bildhaft mit anderen Wörtern umschrieben werden. Und genau das macht den Reiz und das Besondere dieser Sprache aus.

Wat gifft schöneret, as jeden Daag Klock halvig ölben de plattdütschen Narichten in Radio antohörn. Dat is al bestimmt twintig Johr her, as ik de Gelegenheit harr, een dreestünniget Praktikum in’n Funkhuus bi Radio Bremen bitositten. Gesine stünn vör mi, smeet mi dree Zettel mit dpa-Narichten op’n Disch un meen: »Nu kumm ingang, Hemann, du hest föfteihn Minuten Tied, de hochdütschen Narichten in’t Plattdütsche to oversetten. Dann sett wi us beide in de Opnehm-Stuuv un vertellt denn Bremern un Butenbremern, wat so allns passeert werr.«

Plattdütsch is eene quicklebennige Spraak, de de letzten föfftig Johrn nich wieterentwickelt wurr. Dör de ganzen Computers hett sik use Spraak düchtig verännert, so manch een Begreep kann’n in een Plattdütsch-Wöörbook nich finnen. Dat werr jüst de Tied, as de Amerikaner denn Irak overfull’n harr un ik soch een annert Woort för Krieg. »Hemann«, segg Gesine to mi, »De Amerikaner un de Iraker hebbt sik fürchterlich in’ne Wull kreegen«. Ik müss düchtig lachen, rech harr se.

Un jüst weil du veele neemodsche Wöör nich oversetten kannst, müss du disse umschrieven. Disse Daage schnackt se veel over »Künstliche Intelligenz«, also een Maschin, de sülmst klook, sinnig un patent Geschichten schrieven, Biller molen un Klockschnackeree bedrieven kann. So een ganz opweckten Plattdütschen hett dat mit eener »Brägenplietschmaschin« oversett. Brägen is de plattdütsche Begreep för Geist un Gehirn, plietsch bedüürt klok un raffineert un Maschin kann’n glieksetten mit Apparaat oder Automaat.

Kennt man de plattdütschen Grundwöör, kannst du wunnerbore Geschichten schrieven, un so manch een Leser kummt in’t Schmunzeln. Sübst troorige Narichten kannst so week inpacken, ohne dat Sinn un Utsegg vorloren geiht.

In’n Plattdütschen gifft keen bös´ Woort, glöövt man. Doch Schimpwöör gifft noog, se hebbt blot eene annere Aard: »Bullerballer, Dösbaddel, Dröhnbüdel, Bangbüx, Spökenkieker, Wippsteert« oder »Du kannst mi mal an de Wimpern klimpern«, hört sik jümmer leevervuller an, as in’n Hochdütschen.

Un nu müch ik jo een por Wöör mit op’n Wech geven, wo ik de Bedüdung glieks mit anbeten will: To’ne Hummel seggt wi Plüschmors un een Plüschappel is een Pfirsich. Miene Elke raa mi an, mit’n Huulbessen dat Huus sauber to moken un mien Opa harr domols een Gogomobil, dat werr sien Hudschefiedel. He schick mi ok jede Week in’t Döörp, üm Tabak to köpen. Ganz akkurat stop he denn Tabak dann in sien’n Teerkoker. Mien Broder werr een Eenspanner, he harr tiedlevens keene Fro afkregen. Annerersiets werr he ok een Flinkfleitscher, dat is eener, de overall als erster dorbi ween wull. Ik heff mi fokken Gedanken makt, worüm eene Jeans »Nietenbüx« heet. Kann dat angahn, dat se deswegen Nieten rinkloppt harrn, weil de Büxen jümmer so eng seten de, dat man bien hinsetten dinken künn, glieks platzt se un all Lüüd künn’n mien blanken Mors ankieken?

Ji maakt, Plattdütsch is tatsächlich eene quicklebennige Spraak. Un se totohören, ok wenn’n nich alln’s verstahn kann, is een Genuss.

Un nu is Daddeldu, wi wi Norddütschen so seggt. Dat is een Teeken, dat disse Geschich to End is.

Dat du mien Leevste büst

Das wohl bekannteste plattdeutsche Volkslied »Dat du mien Leevsten büst« beschreibt die Sehnsucht nach Liebe und Gemeinsamkeit, nach Kennenlernen und Zusammensein wollen. Gleich so wird damit die Abnabelung von den Eltern betont, die von der Eigenentwicklung des Kindes nichts mitbekommen sollen. Seit Menschengedenken findet dieses zaghafte Ritual in unterschiedlicher Art und Weise statt; und das sichtlich erfolgreich.

Ik heff denn Overgang domols kuum mitkreegen, as ik noch dinken de, Deerns sünd anners, dor kannst nich mit speelen. Dat füng bi mi mit Buukwarms an, as miene Oogen Elke see’n de, as se sik ehr langen Hoor na achtern over de Schullern smeten de. Ik harr so een Geföhl in’n Buuk, as wenn ik besonners good un veel eeten harr un mi kuum rögen künn.

Ik seet domols glückerlicherwies in de achtersten Reeg in use Klass, miene Oogen wesselten vun eenen Achterkopp toon nächsten. Jümmer dach ik, wat is dat besonnere an soo’n Deernskopp. Seker werrn de Hoor jümmer fein adrett trechmakt un dat Gesich haar keene Pickels. Un wenn ik verglieken de, harrn ehr Fingernagels keen swaten Rand. Over dat besonnere werr tatsächlich de sööte Gesichtsutdruck, besünners dat vun Elke.

Ik künn mi sülmst kuum weerkennen, as ik mit Elke tosomen snacken müss. Frullein Meyerdierks, us Leehrsche, harr us beiden opropen, dat Gedich: »De Erlkönig« vun een Dichter nams Goethe vörtodregen. Ik füng mit de eersten Stroph an, Elke mit de tweten un as ik mit de dritte anfüng:

»Du liebes Kind, komm, geh mit mir! Gar schöne Spiele spiel‹ ich mit dir,«

blinzel ik to Elke röver un dann warrt mit mi vorbi. Ik kreeg keen Luff, stammel irgendwat dorvon, dat dat jo een Goethe schreven harr un nich ik, un – so vertell mi naher mien Fründ Hartmut – harr Elke un ik woll een puterrodet Gesich kreegen.

Ok sonst harr sik de Welt verdreiht. De Jungs in use Klass füngen an, sik Smeer in’ne Hoor to klein un Rükewater ünnere Jack to schütten. Eenige drepen sik Obends bien Kriegerdinkmal mit Deerns, holn sik gegensietig de Hann’n un ik glöv ok, dat Klaus-Jürgen mit Anke sik sogaar de Nees ananner anstööt harrn.

Ik hebb lang over nadacht, wi ik Elke dorto kriegen künn, dat se mit mi gahn müch. In de eersten Tied harr ik veel Lehrgeld betahlt. An Stee vun Tabac Rasierwater harr ik mi Coco Chanel Nummer fiev oder söss in’t Gesich schütt, denn Zeddel mit’n lütt Gedich un mien Telefonnummer harr ik in ehr Erdkundebook verstickt. Korde Tied later harr se – mi düch, ohn mien Gedich to lesen oder mi antoropen - dat Book an eener Schoolfründin, de eene Klass unner ehr werr, verköfft.

Een Viertel Johr later bimmel dat Telefon. Ik harr de Saak mit Elke afsloten. Kordens harr ik se sogor mit Michael rumlopen seen. Mudder rööp quer dört Huus: »Hermann, kumm flink in de Stuv. Elke müch mit di schnacken.«

»Wat de wull will«, dach ik mi un sluur na’t Telefon. »Jaa«, see ik, »wat müchst du denn, Elke?«

»Ik bünn Elke Schomacker un heff dien romantischet Gedich in een Erdkundebook funnen, dat ik vun Elke Meyer köfft harr. Denn Zeddel harr ik al miene Fründinn’n wiest un de werrn de Meenung, dat ik di anropen schull. Un nu bin ik neeschierig op dat, wat du mi nu vertelln wust.«

Ik schüddel mit’n Kopp. Wat schal ik ehr vertelln? Un dann full mi doch noch wat in. »Elke, ik kann nich so schnacken as ik müch, mien Mudder kann üm’e Eck hören. Kannst du nich vonabend na’n Kriegerdinkmal komen?«

Wi drepen us üm halvig Ach. Wi holen us beide Hannen fast und stöten use Nees tosomen. Af un an smeet ik vösichtig ehre langen Hoor over ehre Schullern.

Verleevt-versprocken-verheirot

Verliebtsein ist eines der begehrenswertesten Gefühle, die wir uns Menschen wünschen. Die Zeit, dass Schmetterlinge woanders fliegen und der normale Alltag eintritt, vergeht häufig viel zu schnell. Man muss sich die schönen Dinge dieser Zeit immer wieder in Erinnerung rufen, denn die Erinnerung erinnert sich nur an die schönen Seiten der Zeit.

De Tied, as ik Elke kennlehrt harr, bit to de Tied, as ik mit ehr verheirot werr, werr eene opregende Tied. Unglücklicherwies wohn Elke domols nich in Sagehorn, sonnern in Etelsen. Dat bedüür, ik müss Jaaggeld betahlen. Wer dat nich kenn’t: Jümmer dann, wenn man siene tokommende Bruud ut’n annert Dörp rutangelt, harr man als Bevölkerungsutgliek ne groode Runn’n Schluck un Beer för de Dörpsbewohner uttoschinken. Over glövt mi dat, dat is dat wert.

Nu – so harrn wi us afschnackt – wulln wi us bi use Öllern gegensietig vörstellen. Ik treck miene ennzige Bügelfaltenbüx un een witt Overhemd an, kort vörher harr ik een Blom’nstruck köfft, Schwiegermütter hebbt fokken grode Erwartungen. Mien Schwiegervadder frog doch tatsächlich, ob miene Finanzlage utrecken de, siene Dochter werr nu mal wat besonneret. Rech harr he.

Miene eegene Mudder harr sik ok wat Figelinscht infallen laten. Se harr Swiensbroden, Kartuffeln un junge, knackige Arven toon Eeten trechtmakt un werr düchtig neeschierig, ob Elke genierlich eeten künn. Un jüst disse lütten Arven fullen Elke jümmer vun de Gabel rünner, se werr so opgereegt un harr tadderiche Hann’n.

As mien Vadder over Utstüür anfüng to verhanneln, is mi dat Hootband platzt. »Vadder«, segg ik, »swieg still, dat kannst du mit mien Schwiegervadder utklamüstern.«