Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie - Friedrich Engels - E-Book

Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie E-Book

Engels Friedrich

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Beschreibung

Dieses eBook: "Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Mit seiner Ankunft in England (1842), der Konfrontation mit dem Chartismus und den ersten historischen Auseinandersetzungen der Arbeiterbewegung verlagerte sich Engels Interesse auf die Analyse der sozialen und politischen Situation der Arbeiterschaft. Er kam zu der Überzeugung, dass der Kampf der materiellen Interessen der Hauptantrieb der gesellschaftlichen Entwicklung ist, welcher seinen politischen Ausdruck im Klassenkampf findet. Seine theoretischen Ansichten zu dieser Zeit kommen am besten in der Schrift Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie zum Ausdruck. Engels formuliert darin seine Kritik an der idealistischen und materialistischen Philosophie. Als zentrale Kategorie des Kapitalismus stellt er das Privateigentum heraus, das den Grund für die Entfremdung der Arbeit, die Bildung von Monopolen und die wiederkehrenden Krisen darstelle. Die Lösung der Probleme des Kapitalismus sieht Engels in einer rationellen Organisation der Produktion.

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Friedrich Engels

Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie

e-artnow, 2014
ISBN 978-80-268-0586-1
Textgrundlage: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke. Herausgegeben vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, 43 Bände, Band 1, Berlin: Dietz-Verlag, 1956.

Inhaltsverzeichnis

Titelseite
Inhaltsverzeichnis
Umrisse zu einer Kritik der Nationalökonomie

Die Nationalökonomie entstand als eine natürliche Folge der Ausdehnung des Handels, und mit ihr trat an die Stelle des einfachen, unwissenschaftlichen Schachers ein ausgebildetes System des erlaubten Betrugs, eine komplette Bereicherungswissenschaft.

Diese aus dem gegenseitigen Neid und der Habgier der Kaufleute entstandene Nationalökonomie oder Bereicherungswissenschaft trägt das Gepräge der ekelhaftesten Selbstsucht auf der Stirne. Man lebte noch in der naiven Anschauung, daß Gold und Silber der Reichtum sei, und hatte also nichts Eiligeres zu tun, als überall die Ausfuhr der »edlen« Metalle zu verbieten. Die Nationen standen sich gegenüber wie Geizhälse, deren jeder seinen teuren Geldsack mit beiden Armen umschließt und mit Neid und Argwohn auf seine Nachbarn blickt. Alle Mittel wurden aufgeboten, um den Völkern, mit denen man im Handelsverkehr stand, soviel bares Geld wie möglich abzulocken und das glücklich Hereingebrachte hübsch innerhalb der Mautlinie zu behalten.

Die konsequenteste Durchführung dieses Prinzips hätte den Handel getötet. Man fing also an, diese erste Stufe zu überschreiten; man sah ein, daß das Kapital im Kasten tot daliegt, während es in der Zirkulation sich stets vermehrt. Man wurde also menschenfreundlicher, man schickte seine Dukaten als Lockvögel aus, damit sie andere mit sich zurückbringen sollten, und erkannte, daß es nichts schadet, wenn man dem A zuviel für seine Ware bezahlt, solange man sie noch bei B für einen höhern Preis loswerden kann.

Auf dieser Basis erbaute sich das Merkantilsystem. Der habgierige Charakter des Handels wurde schon etwas versteckt; die Nationen rückten sich etwas näher, sie schlossen Handels-und Freundschaftstraktate, sie machten gegenseitig Geschäfte und taten einander, um des größern Gewinns willen, alles mögliche Liebe und Gute an. Aber im Grunde war es doch die alte Geldgier und Selbstsucht, und diese brach von Zeit zu Zeit in den Kriegen aus, die in jener Periode alle auf Handelseifersucht beruhten. In diesen Kriegen zeigte es sich auch, daß der Handel, wie der Raub, auf dem Faustrecht beruhe; man machte sich gar kein Gewissen daraus, durch List oder Gewalt solche Traktate zu erpressen, wie man sie für die günstigsten hielt.

Der Hauptpunkt im ganzen Merkantilsystem ist die Theorie von der Handelsbilanz. Da man nämlich noch immer an dem Satz festhielt, daß Gold und Silber der Reichtum sei, so hielt man nur die Geschäfte für vorteilbringend, die am Ende bares Geld ins Land brächten. Um dies ausfindig zu machen, verglich man die Ausfuhr und Einfuhr. Hatte man mehr aus-als eingeführt, so glaubte man, daß die Differenz in barem Gelde ins Land gekommen sei, und hielt sich um diese Differenz reicher. Die Kunst der Ökonomen bestand also darin, dafür zu sorgen, daß am Ende jedes Jahres die Ausfuhr eine günstige Bilanz gegen die Einfuhr gebe; und um dieser lächerlichen Illusion willen sind Tausende von Menschen geschlachtet worden! Der Handel hat auch seine Kreuzzüge und seine Inquisition aufzuweisen.

Das achtzehnte Jahrhundert, das Jahrhundert der Revolution, revolutionierte auch die Ökonomie; aber wie alle Revolutionen dieses Jahrhunderts einseitig waren und im Gegensatz steckenblieben, wie dem abstrakten Spiritualismus der abstrakte Materialismus, der Monarchie die Republik, dem göttlichen Recht der soziale Kontrakt entgegengesetzt wurde, so kam auch die ökonomische Revolution nicht über den Gegensatz hinaus. Die Voraussetzungen blieben überall bestehen; der Materialismus griff die christliche Verachtung und Erniedrigung des Menschen nicht an und stellte nur statt des christlichen Gottes die Natur dem Menschen als Absolutes gegenüber; die Politik dachte nicht daran, die Voraussetzungen des Staates an und für sich zu prüfen; die Ökonomie ließ sich nicht einfallen, nach der Berechtigung des Privateigentums zu fragen. Darum war die neue Ökonomie nur ein halber Fortschritt; sie war genötigt, ihre eigenen Voraussetzungen zu verraten und zu verleugnen, Sophistik und Heuchelei zu Hülfe zu nehmen, um die Widersprüche, in die sie sich verwickelte, zu verdecken, um zu den Schlüssen zu kommen, zu denen sie, nicht durch ihre Voraussetzungen, sondern durch den humanen Geist des Jahrhunderts getrieben wurde. So nahm die Ökonomie einen menschenfreundlichen Charakter an; sie entzog ihre Gunst den Produzenten und wandte sie den Konsumenten zu; sie affektierte einen heiligen Abscheu gegen die blutigen Schrecken des Merkantilsystems und erklärte den Handel für ein Band der Freundschaft und Einigung zwischen Nationen wie zwischen Individuen. Es war alles lauter Pracht und Herrlichkeit – aber die Voraussetzungen machten sich bald genug wieder geltend und erzeugten im Gegensatz zu dieser gleißenden Philanthropie die Malthussche Bevölkerungstheorie, das rauhste barbarischste System, das je existierte, ein System der Verzweiflung, das alle jene schönen Redensarten von Menschenliebe und Weltbürgertum zu Boden schlug; sie erzeugten und hoben das Fabriksystem und die moderne Sklaverei, die der alten nichts nachgibt an Unmenschlichkeit und Grausamkeit. Die neue Ökonomie, das auf Adam Smiths »Wealth of Nations« gegründete System der Handelsfreiheit, erweist sich als dieselbe Heuchelei, Inkonsequenz und Unsittlichkeit, die jetzt auf allen Gebieten der freien Menschlichkeit gegenübersteht.

Aber war denn das Smithsche System kein Fortschritt? – Freilich war es das, und ein notwendiger Fortschritt dazu. Es war notwendig, daß das Merkantilsystem mit seinen Monopolen und Verkehrshemmungen gestürzt wurde, damit die wahren Folgen des Privateigentums ans Licht treten konnten; es war notwendig, daß alle diese kleinlichen Lokal-und Nationalrücksichten zurücktraten, damit der Kampf unserer Zeit ein allgemeiner, menschlicher werden konnte; es war notwendig, daß die Theorie des Privateigentums den rein empirischen, bloß objektiv untersuchenden Pfad verließ und einen wissenschaftlicheren Charakter annahm, der sie auch für die Konsequenzen verantwortlich machte und dadurch die Sache auf ein allgemein menschliches Gebiet herüberführte; daß die in der alten Ökonomie enthaltene Unsittlichkeit durch den Versuch ihrer Wegleugnung und durch die hereingebrachte Heuchelei – eine notwendige Konsequenz dieses Versuches – auf den höchsten Gipfel gesteigert wurde. Alles dies lag in der Natur der Sache. Wir erkennen gern an, daß wir erst durch die Begründung und Ausführung der Handelsfreiheit in den Stand gesetzt sind, über die Ökonomie des Privateigentums hinauszugehen, aber wir müssen zu gleicher Zeit auch das Recht haben, diese Handelsfreiheit in ihrer ganzen theoretischen und praktischen Nichtigkeit darzustellen.