(Un)desired Risk - Vertrauen - Svea Lundberg - E-Book

(Un)desired Risk - Vertrauen E-Book

Svea Lundberg

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Beschreibung

»Viel zu wertvoll war das, was er mir anvertraute. Letztlich war es nicht weniger als sein Leben.« Bei Maël hat Jascha endlich die Geborgenheit gefunden, die er sich so sehnlich von einem Partner gewünscht hat. Daher schenkt er Maël in ihren intensiven Sessions nur zu gern seine Hingabe. Auch heilen Jaschas seelische Wunden allmählich, dennoch plagt ihn die Sorge, die Polizei könnte bei ihren Ermittlungen etwas übersehen haben. Mehr noch, als einer seiner Kollegen andeutet, er und Jascha würden am Ende diejenigen sein, die für die Taten anderer bezahlen müssen. Maël hingegen setzt volles Vertrauen in seine Kollegen von der Kripo, und es fällt ihm zunehmend schwer, Jaschas Zweifel nicht abzuschmettern. Mitanzusehen, dass Jascha nicht zur Ruhe kommt, reißt an Maël, will er doch so dringend der sichere Hafen für seinen Partner sein und ihn beschützen. Aber dann geraten beide in eine Situation, in denen ihr Vertrauen ineinander ihre einzige Rettung sein könnte – oder ihr Ende. ~~~~~ Bei »(Un)desired Risk - Vertrauen« handelt es sich um eine abgeschlossen Geschichte. Sie baut jedoch auf den Geschehnissen in »(Un)desired Risk - Hingabe« auf, weswegen die Autorinnen empfehlen, den ersten Band vorab zu lesen.

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Impressum
Inhalt
Content Notes
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Epilog
Nachwort & Danksagung
Über die Autorinnen
Leseempfehlungen

 

 

 

 

 

 

 

(Un)desired Risk

Vertrauen

 

 

Ein Roman von

 

Fenja Wächter & Svea Lundberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Copyright © 2022 Fenja Wächter & Svea Lundberg

 

Fenja Wächter

Kinsheck 7

55450 Langenlonsheim

[email protected]

www.fenjawaechter.de

 

Julia Fränkle-Cholewa (Svea Lundberg)

Zwerchweg 54

75305 Neuenbürg

[email protected]

www.svealundberg.net

 

 

Covergestaltung: Fenja Wächter

www.fenjawaechter.de

 

Bildrechte:

© stokkete – stock.adobe.com © zimmytws – stock.adobe.com © Jörg Lantelme – stock.adobe.com

 

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Alle Rechte sind vorbehalten.

 

Die in diesem Buch geschilderten Handlungen und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Der Inhalt des Romans sagt nichts über die sexuelle Orientierung des Covermodels aus.

Inhalt

»Viel zu wertvoll war das, was er mir anvertraute. Letztlich war es nicht weniger als sein Leben.«

 

Bei Maël hat Jascha endlich die Geborgenheit gefunden, die er sich so sehnlich von einem Partner gewünscht hat. Daher schenkt er Maël in ihren intensiven Sessions nur zu gern seine Hingabe. Auch heilen Jaschas seelische Wunden allmählich, dennoch plagt ihn die Sorge, die Polizei könnte bei ihren Ermittlungen etwas übersehen haben. Mehr noch, als einer seiner Kollegen andeutet, er und Jascha würden am Ende diejenigen sein, die für die Taten anderer bezahlen müssen. 

 

Maël hingegen setzt volles Vertrauen in seine Kollegen von der Kripo, und es fällt ihm zunehmend schwer, Jaschas Zweifel nicht abzuschmettern. Mitanzusehen, dass Jascha nicht zur Ruhe kommt, reißt an Maël, will er doch so dringend der sichere Hafen für seinen Partner sein und ihn beschützen.  

 

Aber dann geraten beide in eine Situation, in denen ihr Vertrauen ineinander ihre einzige Rettung sein könnte – oder ihr Ende.

Content Notes

Dieser Roman beinhaltet u.a. folgende Themen:

 

Körperliche Gewalt

Tod/Mord

Folter

Prolog

FRÜHJAHR – RUND VIER MONATE NACH BAND 1

 

~~~ Maël ~~~

 

Der Mauszeiger schwebte bereits über dem oberen rechten Eck des Mailprogramms, doch ehe ich dieses schließen konnte, verkündete der Posteingang eine neue Nachricht. Ich musste nicht auf die Uhr schauen, um zu wissen, dass ich Feierabend machen sollte, wenn ich Jascha pünktlich abholen wollte. Aber der gewissenhafte Kripobeamte in mir konnte nicht umhin, wenigstens einen Blick auf den Absender zu werfen. Immerhin wartete ich noch auf eine Rückmeldung vom kriminalistischen Labor bezüglich eines Sexualdelikts.

Die Absenderadresse verriet, dass die Mail von intern gekommen war. Deniz Yilmaz – ich brauchte einen Moment, um den Namen einzuordnen, aber dann beschleunigte mein Herz seinen Takt. Deniz und ich hatten nicht viel miteinander zu schaffen. Auch wenn es natürlich vorkam, dass wir bei der Kripo inspektionsübergreifend arbeiten mussten, hatte ich selten etwas mit den Fällen zu tun, die bei der KI 3 auf dem Tisch landeten. Wirtschaftskriminalität war nicht mein Ding – und doch seit Monaten immer wieder in meinem Hinterkopf.

Rasch klickte ich die E-Mail an.

Hi, Herr Kollege! Ich glaube, ich hab da was, das dich interessieren könnte … Zeit für ’nen Feierabend-Kaffee? Komm einfach rauf!

Auch wenn Deniz’ geschriebene Worte vage klangen, mir war klar, dass er sich nicht auf irgendeinen Fall bezog, der irgendwie von Interesse für die KI 1 sein könnte, sondern explizit für mich. Und für Jascha.

Mit fliegenden Fingern tippte ich eine kurze Antwort, ehe ich das Mailprogramm schloss und meinen PC in den Ruhezustand versetzte. Noch im Aufstehen fischte ich mein Handy aus der Hosentasche, zögerte dann jedoch. Jascha direkt schreiben, dass Deniz anscheinend Neuigkeiten zu den Ermittlungen gegen die Waffenfirma hatte?

Kurzerhand entschied ich mich dagegen. Das Thema war prekär genug, sodass ich es lieber face to face mit Jascha besprechen wollte.

Ich brauche doch noch eine viertel Stunde – tut mir leid. Wartest du vor der Praxis?

Oder alternativ an der Eisdiele gegenüber. Einer Kugel Blaubeer-Joghurt-Eis konnte Jascha nämlich für gewöhnlich auch bei noch kühlen März-Temperaturen nicht widerstehen.

Ohne seine Antwort abzuwarten, verstaute ich mein Handy und griff mir meine Jacke. Im Vorbeigehen klopfte ich an die Scheibe von Isabells Büro und hob die Hand zum Abschied. Jörgs Bürotür war zu und Patrick schon vor rund einer halben Stunde gegangen. Im Treppenhaus traf ich auf weitere Kollegen, umging den Smalltalk jedoch. Mit großen Schritten durchmaß ich den Flur, an welchen sich die Büros der KI 3 anschlossen.

Deniz stand mit dem Rücken zur Tür an der Kaffeemaschine, wandte sich halb zu mir um, als ich an den Rahmen klopfte.

»Maël, hi, komm rein.«

Ich stand sowieso schon halb in seinem Büro. Hinter mir schob ich die Tür ins Schloss. »Grüß dich, Deniz.«

Mit einem vielsagenden Blick deutete er auf die kleine Pad-Maschine. »Auch einen?«

Gerade wäre ein beruhigender Tee wohl besser gewesen, auch wenn das nicht der primäre Grund war, weshalb ich ablehnte. »Danke, nein. Ich bin gleich mit meinem Partner zum Essen verabredet.«

»Ah, schön.« Deniz lächelte breit, kein Funken Überraschung oder gar Ablehnung in seiner Miene. Dass ich seit Monaten mit einem ehemaligen Zeugen in einem Tötungsdelikt liiert war, der in einer Waffenfirma angestellt war, gegen die weitreichende Ermittlungen liefen, hatte sich selbstverständlich längst in der ganzen Kriminalinspektion herumgesprochen. Im Gegensatz zu so manch anderem Kollegen schien Deniz sich daran aber nicht zu stören.

»Dann würde ich behaupten, ist heute ein Drei-Gänge-Menü drin«, sagte er ins Blubbern der Kaffeemaschine hinein.

Mein Herz stolperte noch einmal förmlich, als jagte es der plötzlich greifbar erscheinenden Erleichterung hinterher. »Soll heißen …?«

»… dass wir heute die abschließenden Berichte an die Staatsanwaltschaft rausgeschickt haben, und alles dafür spricht, dass die Ermittlungen damit eingestellt werden.«

Ich konnte nicht anders – die Atemluft entwich mir in einem geräuschvollen Schnaufen.

Deniz kippte eine unsägliche Menge Süßstoff in seinen Kaffee, mit der freien Hand deutete er auf den Stuhl gegenüber seines Schreibtischs. »Willst du dich kurz setzen?«

Meine eigene Stimme klang deutlich erleichtert in meinen Ohren, als ich entgegnete: »Na, viele Details wirst du mir wohl nicht geben.« Und vor allem würde ich sie – wieder einmal – nicht haarklein an Jascha weitergeben dürfen. Dennoch zog ich mir den Stuhl heran.

Deniz ließ sich ebenfalls nieder. Während er einen Schluck Kaffee nahm, tippte er mit den Fingern der anderen Hand vielsagend auf einen dicken Aktenstapel. Wobei dick relativ war, wenn man bedachte, dass die KI 3 in monatelanger Arbeit die besagte Waffenfirma – die A. Meyer & Sohn GmbH – durchleuchtet hatte.

»Was ich dir sagen kann«, setzte Deniz an, »ist, dass sämtliche Dokumente, die wir überprüft haben, sauber waren. Inklusive derer, die ihr damals in Daniil Wagners Wohnung sichergestellt habt.«

Auch nach Monaten noch weckte allein der Name ein unwohles Ziehen in meiner Magengegend. Keine Frage, dass die Erinnerungen an seinen ehemals – vermeintlich – besten Freund umso stärker an Jascha nagten. Vergangene Zeit und psychotherapeutische Sitzungen hin oder her, das Geschehene belastete Jascha nach wir vor. Es wurde besser – sagte er zumindest, und ich nahm ihm das durchaus ab. Aber die Wunden heilten langsam.

Mit gerunzelter Stirn betrachtete ich einen langen Moment den Aktenstapel, ehe ich Deniz’ Blick suchte. Ich hätte es ja gern auf sich beruhen lassen und seine Aussage einfach so hingenommen … Dennoch hakte ich nach: »Ehrlich gesagt verwundert mich das. Daniil Wagner hat Jascha – meinem Partner – gegenüber ja damals unmissverständlich klargemacht, dass ein ›guter Kunde‹«, mit den Fingern malte ich zur Betonung Anführungszeichen in die Luft, »nicht glücklich darüber war, dass Jascha mit einem Polizisten zusammen ist.«

Zu deutlich hallten in meinem Kopf die Worte nach, all das, was ich an diesem verdammten Tag hatte mit anhören müssen. Und was Jascha mir im Nachhinein erzählt hatte.

Jascha – Daniils Goldesel, und ich – der Störfaktor. Ein gewisser Kunde namens Marino zweifelte Jaschas Verschwiegenheit an. Mir und damit der Polizei gegenüber. Und nun sollten alle Dokumente sauber, sämtliche Waffendeals vollkommen legal über die Bühne gegangen sein?

»Du meinst Pasquale Marino?«

Ich nickte.

Deniz hingegen hob die Schultern. »Der hat in mehr oder minder regelmäßigen Abständen Handfeuerwaffen für seine in Italien ansässige Sicherheitsfirma bestellt. Zugegeben, etwas größere Mengen als üblich erscheint, aber alles wurde detailliert nachgewiesen und von den Behörden abgesegnet. Wir haben dazu auch die Behörden in Triest kontaktiert – alles sauber. Darüber hinaus … Moment …« Deniz blätterte kurz in einer der Akten. »Ah, hier, Marino hat letztes Jahr im Herbst noch eine Unikat-Waffe bestellt.«

Eine, die Jascha entworfen hatte. Hart schluckte ich gegen das Kratzen in meinem Hals an.

»Aber auch hier …« Deniz ließ den Satz unvollendet, was in dem Moment Aussage genug war. Es reichte aus, um vollkommene Erleichterung in gefühlt jede meiner Körperfasern zu senden. Denn spätestens damit war auch Jascha sauber aus der ganzen Sache draußen.

»Okay«, ausatmend ließ ich mich gegen die Stuhllehne sinken, »das reicht mir als Info.« Mal abgesehen davon, dass das hier nicht mein Fall war. Ich wollte nicht noch mehr aus meinem Kollegen herauskitzeln. »Danke dir, Deniz.«

Er grinste wieder, schlug die Akte zu. »Ich sag ja: Drei-Gänge-Menü.«

»Mindestens«, pflichtete ich ihm im Aufstehen bei. Wobei ich mir durchaus vorstellen könnte, dass Jascha es statt eines opulenten Abendessens bevorzugen würde, nur einen Salat zu nehmen und die guten Neuigkeiten lieber vor mir kniend zu feiern. Das würde ich Deniz jedoch ganz sicher nicht sagen.

»Den Kaffee holen wir nach«, schlug ich stattdessen an meinen Kollegen gewandt vor.

»Klar, gern. Meld dich, wenn du mal Zeit hast.«

Wir verabschiedeten uns mit einem kräftigen Handschlag.

Auf dem Weg durch die Flure der Kriminalinspektion zog ich zum wiederholten Mal mein Handy aus der Hosentasche. Jascha hatte sich nicht gemeldet, aber die beiden blauen Häkchen hinter meiner Nachricht bezeugten, dass er diese gelesen hatte. Während ich mich ein wenig umständlich einhändig in meinen Mantel wühlte, rief ich ihn an.

»Da?«

Es mochte auch der großen Erleichterung zu verdanken sein, dass mir das einzelne Wort ein Lächeln aufs Gesicht trieb. Das russische ›Ja‹ – und auch das ›Nein‹ – würde er wohl nie loswerden. Ich mochte, dass es so war. Es gehörte einfach zu Jascha.

»Hey, entschuldige. Ich bin jetzt fertig und fahr –«

»Brauchst du nicht«, unterbrach er mich und klang dabei ein wenig atemlos. »Ich bin gleich da.«

»An der Dienststelle?«

»Aaah, der Oberkommissar zieht heute wieder ganz spitzfindig seine Schlüsse …«

Mein Schnauben, das eigentlich empört hätte klingen sollen, war vielmehr ein Lachen. »Du bist unmöglich. Bis gleich.« Ohne auf eine Entgegnung seinerseits zu warten, legte ich auf und zog die Eingangstür auf.

Eklig feucht-kalter Wind schlug mir entgegen und ließ mich unweigerlich schaudern. Auch wenn es noch Monate hin war, ich freute mich jetzt schon auf die Hochzeit meines kleinen Bruders. Nicht nur wegen der portugiesischen Sonne, aber doch zu einem großen Teil genau deswegen.

Eilig klappte ich den Kragen meines Mantels hoch. Entgegen meiner Annahme am Morgen wäre es nun doch kalt genug für einen Schal. Jascha sah das sicher anders.

Ich hielt nach ihm Ausschau und erspähte ihn dann auch, als ich vom Vorplatz der Kriminalinspektion auf den Bürgersteig an der Hauptstraße trat. Wie erwartet trug Jascha zu einer Jeans und derben Lederboots nur einen dünnen Parka über einem Pullover, dessen Kapuze herausschaute. Aber hey, immerhin eine Jacke.

Lächelnd sah ich ihm entgegen und spürte der wohligen Wärme nach, die es zwar nicht ganz schaffte, das äußerliche Frösteln zu verscheuchen, sich aber dennoch in mir ausbreitete. Es war eine besondere Wärme, die sowohl ruhig glimmen und ein Gefühl von vollster Zufriedenheit vermitteln, als auch lichterloh brennen und Sehnsucht nach Jascha schüren konnte, obwohl er bei mir war.

Gerade jetzt verspürte ich nur unendliche Erleichterung – und Freude darüber, ihn zu sehen. Nicht, dass wir nicht am Morgen nebeneinander aufgewacht wären. O Mann, dieser Kerl hatte mich so was von gepackt …

»Hey, tut mir leid, dass es länger gedauert hat«, wiederholte ich meine Entschuldigung von vorhin und zog Jascha leicht an mich, was er offensichtlich sehr gern zuließ. Seine Arme fanden unter meinen noch offen stehenden Mantel und um meine Taille, während ich seine Wangen sacht, aber bestimmend umfasste. Seine Haut dabei kühl unter meinen Fingern, obwohl eine leichte Röte auf ihr lag.

»Macht doch nichts, jetzt bin ich eben hergekommen.«

Unsere Lippen fanden sich zu einem sanften Kuss. Kurz nur, denn immerhin standen wir noch direkt vor meiner Dienststelle. Verstecken würde ich meine Liebe zu Jascha aber gewiss auch hier nicht.

»Ein neuer Fall?«

Auch wenn ich zu Hause nie viele Details meiner Arbeit teilte, fragte Jascha dennoch nach, und ich mochte, wie er es tat, weil es unverfängliches, aber aufrichtiges Interesse zeigte.

»Eher ein alter.«

»Hmm?« Fragend zog er die Brauen hoch, löste sich ein Stück von mir.

»Erzähl ich dir gleich. Lass uns ein paar Meter gehen.« Mit einem Kopfnicken deutete ich über die mehrspurige Straße zum Rosensteinpark hinüber.

»Okaaay«, entgegnete Jascha gedehnt, seine Hand fand in meine. Ich war mir nicht ganz sicher, ob er ahnte, worauf ich hinauswollte. Vermutlich eher nicht, denn gerade wirkte er ruhig auf mich. Ausgeglichen. Nicht so getrieben oder gar verstört, wie ich ihn in den letzten Monaten zeitweise erlebt hatte. All das, was er mitgemacht hatte, hallte nach. Hatte Wunden in seinem Inneren gerissen, Ängste und Zweifel geschürt. Aber es wurde besser.

Jascha war nicht begeistert davon gewesen, sich in eine psychotherapeutische Behandlung zu begeben, hatte dann aber doch Ende des vergangenen Jahres eingelenkt. Letztlich wohl auch, weil ihm kaum eine andere Wahl geblieben war. Wieder zur Arbeit zu gehen, wieder Waffen zu entwickeln, von denen eine beinahe sein Leben beendet hätte, war zu diesem Zeitpunkt keine Option gewesen. War es in meinen Augen auch jetzt nicht wirklich. Ohne eine Therapie weiterhin krankgeschrieben zu sein, aber eben auch nicht.

»Ich habe eben mit einem Kollegen der KI 3 gesprochen«, setzte ich an, als wir durch das Löwentor auf den von Rosenbeeten umsäumten Kiesweg traten.

Augenblicklich wandte Jascha sich mir im Gehen halb zu, schloss seine Finger fester um meine. »Die Ermittlungen gegen unsere Firma?«

Irgendetwas bewegte es in mir, dass er sie noch immer so betitelte. Doch ich schluckte das vage Unwohlsein hinunter. »Ja. Sie sind so weit abgeschlossen.«

Obwohl wir noch keine zehn Schritt weit im Park gekommen waren, blieb ich stehen und brachte Jascha mit leichtem Druck gegen seinen Arm dazu, sich mir vollends zuzuwenden. »Es ist alles gut.«

Aus großen Augen, die eindeutig noch Sorgen und Furcht bargen, sah er mich an. »Wie – alles gut?«

Ich neigte mich nach vorn, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, ehe ich ihm genau das berichtete, was Deniz mir anvertraut hatte. Da es letzten Endes nur Dinge waren, die später auch in den Berichten der Staatsanwaltschaft zu lesen sein würden, sobald das Verfahren offiziell eingestellt sein würde, musste ich mir ausnahmsweise mal keine Sorgen machen, streng geheime Interna auszuplaudern.

»Hey«, murmelte ich Jascha zu und umfasste erneut seine Wangen, als er – Sekunden nachdem ich geendet hatte – immer noch schweigend und offensichtlich zweifelnd vor mir stand, »mach dir keinen Kopf mehr. Ich weiß, das ist leichter gesagt als getan. Aber du kannst jetzt endlich vollends durchatmen. Wir beide können das.«

»Da, ich …«, er schluckte merklich, »es ist nur … Was ist, wenn deine Kollegen was übersehen haben? Irgendwas, das …«

»Haben sie nicht.«

Jascha schnitt eine Grimasse.

»Das sage ich nicht nur, weil es meine Kollegen sind. Du kannst dich drauf verlassen, dass die Ermittlungen ihre Richtigkeit haben. Eure Firma«, ich betonte es absichtlich so, vielleicht auch, um Jascha in dieser Hinsicht Sicherheit zu geben, »ist sauber. Die Geschäfte – inklusive die mit diesem Marino – waren legal. Weder du noch deine Kollegen haben sich in irgendeiner Form strafbar gemacht.« Anscheinend nicht einmal Daniil. Auch wenn ich das nach wie vor verwunderlich fand.

Bei meinen letzten Worten schloss Jascha die Augen, atmete merklich durch und lehnte sich dabei in meine Berührung. Als er die Augen schließlich wieder öffnete, schwamm Feuchtigkeit in ihnen, doch darunter meinte ich, ein regelrechtes Strahlen im Blau zu erkennen.

»Bozhe moy, ich glaube, ich muss das erst mal sacken lassen.«

»Mach das. Niemand drängt dich. Nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Aber jetzt weißt du, dass von dieser Seite aus nichts mehr kommen wird.«

»Da.« Er stieß das einzelne Wort hörbar erleichtert hervor. Leicht sackte er gegen mich, lehnte seine Stirn an meine Schulter, wölbte dabei aufgrund der Position den Nacken. Ich drehte meinen Kopf, sodass ich ihn am Hals küssen konnte. Einige Sekunden verharrten wir so.

»Maël?«, murmelte er schließlich gegen meinen Jackenkragen.

»Ja?«

»Ich liebe dich.«

Einen letzten Kuss drückte ich auf sein Ohr. »Ich dich auch. Mach dir keine Sorgen mehr, ja?« Ich äußerte die Bitte, wohl wissend, dass er ohnehin schon alles tat, um sie zu erfüllen. Nur war es eben nicht so leicht.

Er nickte, schob sich ein Stückchen von mir. »Und jetzt?«

Ich musste schmunzeln. »Jetzt hast du zur Feier des Tages die Wahl: Drei-Gänge-Menü beim Portugiesen? Ich zahle. Oder …« Mit einem Seitenblick versicherte ich mich, dass wir gerade allein am Eingang des Rosensteinparks standen. Aber bei diesem trüben Wetter ging hier kaum jemand spazieren. »Oder wir holen uns nur eine Kleinigkeit, fahren nach Hause und ich lege dich dort übers Knie.«

Seine Lippen öffneten sich in Überraschung. Das Blitzen in seinen Augen ließ mich beinahe erahnen, wie er sich entscheiden würde.

»Äh … wofür genau? Ich hab doch nichts gemacht, für das ich eine Bestrafung verdienen würde?«

Die Art, wie er es als Frage betonte, sorgte dafür, dass mein Schmunzeln noch breiter wurde. Wir wussten beide, dass ich niemals eine ernsthafte Züchtigung in Betracht ziehen würde, wenn es keinen sessioninternen triftigen Grund gab. Ein wenig Spielerei war aber durchaus drin.

»Nein, hast du tatsächlich nicht.« Mit einer Hand in seinem Nacken zog ich ihn wieder ein Stückchen zu mir. Nicht in meine Arme, nur ein wenig näher heran. »Daher lautet meine Antwort auf deine Frage nach dem Warum: Schlicht, weil ich es liebe, deinen Arsch zum Glühen zu bringen …«, mit dem Daumen glitt ich an seiner Kieferlinie entlang, bis zu seinem Mundwinkel, »… und wie du irgendwann anfängst, um mehr zu betteln.«

Wieder öffnete sich sein Mund ein Stück weit und ich hätte ihn in diesem Moment verflucht gern geküsst. Ich beließ es jedoch bei einem Streicheln über seine Unterlippe.

»Also?« Betont fragend neigte ich den Kopf. »Schick essen gehen? Oder ein kleines, privates Spanking?« Die letzten Worte flüsterte ich nur.

Jascha legte eine übertrieben nachdenkliche Miene auf. Ich war mir so sicher …

»Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht … Sir!«

Oh, dieses Wort aus seinem Mund. Am besten umwoben von keuchenden Atemzügen und flehendem Wimmern.

»Aber ich für meinen Teil habe Hunger. Auf Petiscos. Oder wie hießen diese mit Fisch gefüllten Teigtaschen gleich noch?«

Dieser kleine, durchtriebene, wundervolle Mistkerl … Lachend neigte ich mich nach vorne und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.

»Du meinst Bolinhos de Bacalhau. Aber ja, im Großen und Ganzen sind das alles Petiscos.« Die schmeckten bei meinem Stuttgarter Lieblingsportugiesen aber auch wirklich gut.

Kapitel 1

SOMMER – RUND VIER MONATE SPÄTER

 

~~~ Jakow ~~~

 

Wie üblich lief das Radio als Hintergrundrauschen, während ich in Günthers Hobbywerkstatt stand und arbeitete. Doch die Nachrichten in Form der anstehenden Wahlen in Italien konnte ich beim besten Willen nicht ausblenden. Dafür waren Daniils Drohungen, dass Marino in diesem Zusammenhang Druck auf ihn und damit verbunden auch auf mich aufgebaut hatte, noch immer zu präsent. Die Laune verderben lassen, wollte ich mir gerade jedoch auch nicht.

Ohne zu zögern, streckte ich die Hand aus und drehte die Lautstärke komplett runter, ehe ich meine volle Aufmerksamkeit wieder meinem Projekt schenkte. Mit geschlossenen Augen strich ich mit einer Hand liebevoll über die Oberfläche, spürte nach, ob ich an irgendeiner Stelle noch eine kleine Unebenheit oder Rauheit fand. Sie war glatt und angenehm und schmiegte sich gefällig an meine Haut an. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen und ich schlug die Augen auf, sah mein Werk an, das bereits seit geraumer Zeit fertig war, aber von mir nun erst endgültig als perfekt eingestuft wurde. Zwar hatte ich schon mit Olivenholz gearbeitet, nur nicht in diesem Umfang. Doch das Hochzeitsgeschenk für João und Lia sollte etwas Besonderes sein. Nicht nur im Hinblick auf sie, sondern auch auf meine Arbeit. Normalerweise fertigte ich Handfeuerwaffen an, die aufgrund ihrer aufwendigen Verzierungen Unikate waren. Dagegen war dieses Projekt das erste, das einem rein dekorativen Zweck diente. Was Handfeuerwaffen per se auch konnten, nur haftete ihnen etwas Bedrohliches an, seit eine dieser Waffen auf mich gerichtet worden war. Es war ein Scheißgefühl gewesen, in den Lauf einer Pistole zu blicken, die ich in tagelanger, mühseliger Arbeit erschaffen hatte. Für Daniil. Meinen besten Freund, der nicht nur meine ältere Schwester ermordet hatte, sondern das auch bei mir versucht hatte.

Blyat, Katharina!

Eine Mischung aus Heimweh und auch ein klein wenig Schuld überkam mich. So wie immer, wenn ich an sie dachte. Selbst nach den vergangenen Monaten hatte ich mich nach wie vor noch nicht dazu durchringen können, der Einladung meiner Eltern – die auch für Maël galt – zu folgen und Katharinas Grab in Russland zu besuchen. Dafür hatte ich viel zu viel Angst davor, wie vor allem die Reaktion meines Vaters letztendlich ausfallen würde. Es war eine Sache meine Beziehung zu einem Mann auf die Ferne nun scheinbar zu akzeptieren, aber dann doch noch mal etwas anderes, es zu erleben.

Ich verzog gequält mein Gesicht und stützte die Hände auf der Werkbank ab, um das Zittern wieder loszuwerden, das von ihnen Besitz ergriffen hatte. Ganz tief atmete ich durch, versuchte damit, die Enge in meiner Brust zu weiten und mein Herz zu beruhigen. Es wurde besser. Langsam, aber sicher.

Vollkommen bewusst lenkte ich meine Aufmerksamkeit auf das Geschenk. Ich hatte mich bei den sechs Brettern für gerade Kanten entschieden, auch wenn mir eine natürliche Wuchsform grundsätzlich sehr gut gefiel. Doch da Olivenbäume nur langsam wuchsen, lagen die dunklen Jahresringe nah beieinander, was dem Holz die markante, strukturierte Maserung verlieh. Das konnte aber auch schnell unruhig wirken, was ich auf jeden Fall vermeiden wollte. Daher waren in meinen Augen klare Kanten für dieses Projekt die richtige Wahl. Auf den geschliffenen und polierten Brettern hatte ich einen ebenfalls handgefertigten Kompass aus Eisen angebracht. Ich liebte das Spiel mit unterschiedlichen Materialien und welch harmonische Symbiose sie eingehen konnten. Das durchaus optisch warme Holz auf der einen Seite und das kalte Metall auf der anderen.

Katharina hätte es gefallen. Da war ich mir sicher. Wohingegen ich keine Ahnung hatte, was Maël von dem Motiv halten würde. Ursprünglich hatte er Herzen vorgeschlagen, was mir zu normal erschienen war, ebenso wie eine Landkarte. Ein Kompass mochte in dem Sinne grundsätzlich auch nicht viel origineller sein, aber mir gefiel der tiefer gehende Gedanke dahinter, dass er den beiden bald Verheirateten den Weg weisen wollte. Sinnbildlich natürlich nur und auch nicht begrenzt auf ihre Beziehung, sondern ganz im Allgemeinen, weshalb ich auf ihre Namen verzichtet hatte. Gut möglich, dass hierbei auch meine eigene Situation mit reingespielt hatte und ich damit irgendwas – über das ich gerade nicht genauer nachdenken wollte – hatte verarbeiten wollen. Es war ohnehin schon präsent genug und auch der Grund, warum ich mein Werk Maël bisher noch nicht gezeigt hatte. Ich hatte Angst davor, was er sagen würde, und dass Daniil am Ende recht behalten würde und ich doch nur eine Sache richtig gut konnte: Handfeuerwaffen entwickeln.

Es klopfte an der Tür zum Schuppen und ich zuckte unwillkürlich zusammen.

»Jakow?«, erklang die leicht kratzige Stimme meiner Vermieterin durch die Tür. »Darf ich reinkommen?«

Es war schon irgendwie herzig, dass sie mich das fragte, obwohl ich in der Hobbywerkstatt ihres Mannes stand. Wobei ich die mehr benutzte als Günther selbst und er mir bei meinen Arbeiten entweder zusah oder mir sogar auf meine Anweisung hin half.

»Da, klar, komm rein«, erwiderte ich grinsend, ahnte aber bereits, dass sie die Hände voll hatte.

Mit wenigen Schritten war ich an der Tür und öffnete sie ihr. Tatsächlich trug sie einen Teller, auf dem sich ein riesiges Stück – genau genommen ein Viertel – Käsekuchen befand. In der anderen Hand hielt sie eine Tasse Kaffee. Schwarz. So, wie ich ihn mochte.

Sie strahlte mich an, was die Falten des Alters auf ihrem Gesicht noch weiter vertiefte. »Ich dachte mir, wenn Günther gerade im Baumarkt ist, um Besorgungen für sein zukünftiges Weinregal zu machen, bringe ich dir mal eine Kleinigkeit vorbei. Du arbeitest ja schon den ganzen Tag ohne Pause hier.«

Das war vielleicht ein wenig übertrieben. Das ausgiebige Mittagessen hatten wir nämlich alle zusammen auf der Terrasse der Schmitts zelebriert. Heike stellte die Sachen auf der Werkbank neben meinem Hochzeitsprojekt ab. Das andere, an dem ich den ganzen Tag gearbeitet hatte, war bereits in den Weiten eines großzügigen Regals verschwunden.

»Das ist wirklich sehr lieb von dir, wäre aber echt nicht nötig gewesen«, sagte ich, was mich jedoch nicht davon abhielt, mich sofort darüber herzumachen und mir eine große Gabel voll Käsekuchen in den Mund zu schieben. »Mhhh, lecker. Danke.«

»Ja, ja, du weißt meinen Käsekuchen wenigstens zu schätzen, das kann man von meinem Mann nicht behaupten.«

Das war auch der Grund, warum ich bereits ein Viertel bekommen hatte und eigentlich fehlte nur noch …

»Für deinen Partner habe ich natürlich auch noch ein Stückchen. Das steht aber noch im Kühlschrank. Du kannst es nachher mit runternehmen, wenn du fertig bist.«

Trotz Kauen grinste ich breit und nickte zustimmend. War klar gewesen. Und mit ›Stückchen‹ meinte sie den restlichen Kuchen. Was Maël wohl dazu sagen würde, wenn ich ihm besagtes ›Stückchen‹ anbot?

Bei der Vorstellung, wie er mich ansehen würde, kicherte ich vor mich hin und schüttelte den Kopf, wovon Heike nichts mitbekam, weil sie mein Hochzeitsprojekt ausgiebig betrachtete. Nicht zum ersten Mal. Vermutlich versuchte sie, darin immer noch einen tieferen Sinn zu finden. Sie hatte aber ohnehin nicht viel für ›Nippes‹ übrig, wie sie es nannte.

»Sehr schön, wirklich sehr schön. Lisa würde so etwas sicherlich auch gefallen.«

Lisa war ihre leibliche Tochter, die mit ihrer Familie bei Hamburg wohnte und nebenbei bemerkt auch Käsekuchen liebte. Gut möglich, dass mir Heike deshalb so gern Kuchen brachte. Ein kleines Stückchen an Erinnerung und ohnehin war ich der Sohn, den sie nie hatten. Sagten die beiden zumindest immer und so, wie sie sich um mich kümmerten, vor allem seit dem Zwischenfall, war das wohl auch so.

»Was macht man damit?«, fragte Heike und fuhr mit den Fingern über das einzige Brett, das ich diagonal am untersten Element befestigt hatte.

Ich legte die Gabel auf den Teller, stellte das Holzbild kurzerhand auf und lehnte es gegen die Wand des Schuppens. »Ich kenne die Braut ja noch nicht persönlich, aber Maël hatte sich eine Ablagefläche gewünscht. Für Pflanzen oder Dekokram.« Ich zuckte mit den Schultern.

»Dann sieht man von dem schönen Holz doch überhaupt nichts mehr und für Schnickschnack ist das zu schade!«, rief Heike entsetzt aus.

Ich lachte. »Doch, doch. Das ist groß genug und außerdem … hm … warte kurz.«

Eilig verließ ich den Schuppen und suchte nach den beiden nächstbesten Topfpflanzen, mit denen ich zurückkehrte und sie auf das Brett stellte.

»Schau, wenn man links und rechts zwei positioniert, unterstreichen sie die Optik noch«, erklärte ich durchaus zufrieden und auch Heike war anzusehen, dass sie anfing, der Sache etwas mehr abzugewinnen, als ›sehr schön, aber nutzlos‹. Sie liebte ihre Blumen über alles. Nach eigener Aussage sogar mehr als ihren Günther, die gaben nämlich keine Widerworte und waren auch nicht so stur.

Sie nickte nachdenklich. »Was ist mit der Pflege? Wenn beim Gießen mal ein paar Tröpfchen danebengehen oder die Blumen ihren Pollen verlieren?«

Ich lachte. »Überlegst du gerade, ob du auch eins möchtest?«

Heike schnaubte. »Na hör mal, wenn Günther sein Regal bekommt …«

»Ich kann dir sehr gern auch etwas Dekoratives bauen, worauf du deine Pflanzen stellen kannst. Olivenholz ist äußerst ölig und deshalb sehr pflegeleicht. Einfach abwischen und gut ist.«

»Das klingt toll.« Sie zögerte, suchte meinen Blick. »Ich hab so Sachen schon in großen Möbelhäusern gesehen. Die Leute geben dafür wirklich Geld aus. Ich bin sicher, du könntest daraus auch beruflich etwas machen, dann müsstest du nicht mehr zurück … Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen deine Arbeit hätte, aber sie hat dich nun einmal in Gefahr gebracht.«

Kein gutes Thema. Aus mehreren Gründen.

Ich wich ihrem Blick aus, seufzte. »Na, ich weiß nicht. Ich verdien schon sehr gut …« Zumindest, wenn ich mal wieder arbeiten gehen würde. Aber selbst das Krankengeld, das ich von meiner Krankenkasse erhielt, reichte mir. »Außerdem war es ja nicht mein Job, sondern na ja, du weißt schon …«

Mein bester Freund, der auch meine Schwester umgebracht hat – ich brachte die Worte nicht über meine Lippen.

Heike lächelte nur mitfühlend. »Was sagt denn dein Partner dazu?«

Ich schnaubte. Natürlich liebte Maël meine Stelle nicht, aber er stand immer hinter mir und damit verbunden auch hinter meiner Entscheidung, in knapp über einer Woche wieder arbeiten zu gehen. Es war ja ohnehin nur im Rahmen einer Wiedereingliederung und die zwei Stunden täglich würde ich schon irgendwie schaffen.

»Du sollst sie nicht nur ›irgendwie schaffen‹, du sollst dich dabei auch nicht schlecht fühlen«, meinte ich seine Worte zu hören. Das Problem war nur, dass mir so langsam, aber sicher die Decke endgültig auf den Kopf fiel und Tatsache war nun einmal auch, dass ich irgendwann wieder arbeiten gehen musste. Das gehörte dazu.

»Du hast es ihm noch gar nicht gezeigt, oder? Das Geschenk, meine ich.«

Ich blinzelte irritiert. Was hatte das eine mit dem anderen zu tun? »Net, noch nicht. Ich war mir unsicher, wie es ihm gefallen würde, und es sollte perfekt sein.«

Heikes Lächeln wurde wärmer und sie legte mir ihre Hand auf den Unterarm. »Er wird bestimmt das gleiche sehen wie ich. Da bin ich mir sicher.«

»Mhm«, erwiderte ich und zog mein Handy aus der Tasche, um einen Blick auf die Uhr zu werfen und ihr gleichzeitig ein wenig auszuweichen. Ich konnte echt nicht gut mit Komplimenten umgehen, wenn sie sich auf mein handwerkliches Geschick bezogen. Dirk war von meinem Können ebenfalls überzeugt, anderenfalls würde er mich nicht an dem Monsterprojekt in seinem Garten arbeiten lassen. Ich schob die Gedanken endgültig beiseite. Maël würde bald Feierabend machen, falls ihm arbeitstechnisch nichts dazwischenkam, und ich musste mich noch vorbereiten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Das war definitiv ein Vorteil, wenn man nur zu Hause hockte und Zeit ohne Ende besaß. »Ich muss es ihm eh zeigen. Aber nicht mehr heute.« Unser Freitagabend – eigentlich das komplette Wochenende – war schon verplant, doch zumindest Ersteres konnte ich Heike schlecht sagen. Außerdem durfte ich selbst unter keinen Umständen daran denken, wenn ich vor ihr nicht in eine ziemlich unangenehme Situation rutschen wollte. Andererseits würde sie es bestimmt nicht mitbekommen, sobald ich hart wurde. Aber auf den Versuch konnte ich gut und gern verzichten. »Morgen früh vielleicht?«

Sie lächelte mich noch immer an und tätschelte mir den Arm. »Tu das, Jakow. Er wird begeistert sein, ganz sicher.« Mit den Worten ließ sie mich los und ging zur Tür, an der sie doch noch einmal innehielt. »Ich glaube, du weißt gar nicht, was alles in dir steckt.«

Was erwiderte man bitte schön auf so etwas? »Mhm, mag sein.«

»Komm nachher noch den Kuchen für Maël abholen«, erinnerte sie mich, schien jedoch keine Reaktion zu erwarten, denn sie ging bereits.

»Mach ich«, murmelte ich trotzdem und schielte zu meinem Stück. Irgendwie war mir der Appetit darauf gerade vergangen und meinen Kaffee hatte ich auch noch nicht angerührt. Der war tatsächlich auch eine schlechte Idee bei meiner Abendplanung und obwohl ich versuchte, überhaupt nicht näher darüber nachzudenken, regte sich mein Schwanz, der eindeutig auf Entzug war. O Mann! Gleich den Peniskäfig anzulegen, würde alles andere als angenehm werden.

 

~~~~~~

 

Vehement drückte ich meinen Schwanz an der Wurzel ab und zwängte ihn verbissen in sein Gefängnis. Von allen Seiten spürte ich überdeutlich den zunehmenden Druck auf meinen überreizten Schaft, der nicht den Raum bekam, den er eigentlich benötigte, und es würde noch schlimmer werden. Gleich, wenn Maël kam, mich über die Couch oder auf den Esstisch warf und mir den Hintern versohlte. Ich stöhnte auf. Bozhe moy, wie ich Maël dafür gerade verfluchte und gleichzeitig liebte. Aber ich hatte es selbst heraufbeschworen und ich würde es genießen, wie bisher jeden einzelnen Tag, seitdem ich meine Strafe abarbeitete.

Großzügig verteilte ich Gleitgel auf dem Plug und führte ihn rasch ein, verzog dabei nur minimal das Gesicht. Weniger, weil es schmerzhaft war, dafür hatte ich mich beim Duschen zu gut vorbereitet, sondern vielmehr, weil es das lustvolle Ziehen verstärkte.

»Ich bin’s«, hörte ich Maël aus dem Wohnzimmer rufen, gerade als ich mir die ledernen Handfesseln anlegte.

Ich fluchte leise vor mich hin und zog hastig den Harness an. Sowohl vorderseitig als auch auf meinem Rücken befanden sich daran Ösen, um die Fesseln zu fixieren.

»Komme sofort«, rief ich und fuhr mir noch ein paar Mal grob durch meine Haare, um sie zumindest halbwegs trocken zu bekommen. Dann erst schloss ich die Tür auf und verließ mein Bad. Lediglich mit Harness, Fesseln und Peniskäfig bekleidet, wobei es geschmückt wohl eher traf.

Maëls Augenbrauen wanderten nach oben. »Na, da hat es einer eilig«, stellte er mit einem Grinsen fest und kam mir entgegen. Keine Frage, auch wenn wir im Club richtige Sessions hatten, gerade waren wir einfach nur Maël und Jascha, die jedoch auch im Privaten durchaus auf kinky Zeug standen.

Seine hellbraunen Augen, die mit grauen Tupfen gesprenkelt waren, funkelten. Sanft, aber bestimmend schloss er seine Arme um mich und zog mich an sich, küsste mich. Nur ein ganz klein wenig kratzte sein Dreitagebart dabei.

»Hallo, hübscher Mann«, murmelte er auf meine Lippen, ehe seine Küsse gieriger wurden und er seine Zunge in meinen Mund drängte. Besitzergreifend glitten seine Hände über meinen Körper, hinterließen eine prickelnde Spur auf meiner Haut. Ohne darüber nachzudenken, schob ich meine Hand in Maëls dunkle, gelockte Haare, grub sie hinein. In einer Session hätte ich das ganz sicherlich nicht getan. Aber das hier war schließlich keine und ich war verdammt scharf auf ihn.

»Hi«, stieß ich atemlos hervor und stöhnte gequält. »Ich schwör dir, wenn ich das Ding nicht tragen würde, wäre ich steinhart.«

Maëls Lachen vibrierte auf meinem Mund und durchfuhr meinen Körper. »Selbst schuld, würde ich sagen und morgen hast du es überstanden … vorausgesetzt, du beweist mir, dass du dich nun besser beherrschen kannst.«

»Mhm, da, kann ich!«

»Na klar, das sieht man«, erwiderte er spöttisch. »Was gibt es zum Essen?«

»Noch nichts. Aber im Kühlschrank steht ein Stück Kuchen für dich, falls du kurz vor dem Verhungern sein solltest und es nicht mehr länger aushältst.«

»Tz, wer sagt denn, dass ich überhaupt warten muss?« Trotz seiner Aussage küsste er mich und trieb mich vor sich her in Richtung Schlafzimmer, in dem ich auch sämtliche Utensilien für eine Bestrafung bereitgelegt hatte. Das sah definitiv nicht nach Essen aus.

»Guter Punkt«, murmelte ich. »Aber ich hatte Pläne dafür …«

»So? Du hast also auch noch Wünsche?« Maëls Stimme klang rauer. Grob packte er mich am Oberarm, riss mich herum und stieß mich bäuchlings auf mein Bett. Mit einem Keuchen landete ich auf dem weichen Untergrund, da war Maël bereits über mir. Er zog meine Hände zurück und befestigte sie an der Öse des Harness auf meinem Rücken, was ich ohne die geringste Gegenwehr hinnahm. Ich reizte ihn gerade ohnehin schon genug.

»Da.«

»Du glaubst also tatsächlich, du hättest es dir verdient, Wünsche äußern zu dürfen?«

Mit einem lauten Klatschen traf das Paddle auf meine linke Pobacke, jagte einen süßen Schmerz hindurch.

»Da, Sir.«

Der Meinung war ich wirklich.

Weitere Schläge folgten, unter denen ich keuchend erbebte. Doch ich weigerte mich vehement, mich zu bewegen, ließ meine Strafe über mich ergehen, die ich für mehrmaliges unerlaubtes Abspritzen im privaten Rahmen auf mich gezogen hatte. Möglicherweise hatte ich ihn damit vollkommen bewusst herausfordern wollen und ehrlicherweise nicht erwartet, dass er die Bestrafung eine Woche lang durchziehen würde. Aber es war nur noch dieser eine letzte Tag und den würde ich genießen, falls Maël mitspielte. Was er tun würde.

Er hielt inne und die plötzliche Ruhe war Erlösung und Folter in einem. Wimmernd drückte ich mich ins Laken und rang nach Atem, während meine Arschbacken brannten. Liebevoll streichelte Maël mir über meinen Rücken, die Flanken und auch über meinen glühenden Hintern.

»Dann lass mal hören, vielleicht finde ich ja Gefallen daran«, sagte er und griff im gleichen Moment nach dem Plug.

Ich stöhnte auf und ruckte ein Stückchen vom Bett hoch.

»Liegenbleiben!«, zischte Maël sofort und begann, mich mit dem Plug zu ficken. »Ich bin noch nicht fertig mit dir.«

»Maël … bitte nicht …«, stammelte ich mir zurecht und wusste genau, worauf es hinauslaufen würde. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass er mich fickte, wenn ich einen Peniskäfig oder den Keuschheitsgürtel trug.

»Jascha!«

»Da, Sir. Ich dachte, ich könnte neben Ihnen knien, während Sie essen und mich … vielleicht benutzen wollen?«

»Hm.«

Der Plug verschwand und ich atmete erleichtert aus. Es hielt nicht lange an. Denn Maël zog mich an den Hüften auf die Knie. Ohne eine weitere Aufforderung von ihm blieb ich mit meinem Oberkörper unten, wartete angespannt. Überdeutlich hörte ich, wie er den Reißverschluss seiner Jeans öffnete und das Klacken des Deckels der Tube Gleitgel.

»Bitte … Maël … Sir … nicht …«

Er setzte seine Eichel an meinem Loch an, das begierig zuckte. Bozhe moy, ich wollte gefickt werden, bis ich schrie, aber eben nicht mehr länger mit dem Gefängnis, das mir jegliches Abspritzen verwehrte.

Jäh grub Maël seine Hand in meine Haare und riss meinen Kopf hoch, zwang mich, ihn über die Schulter hinweg anzusehen. »Benutz dein Safeword oder ertrag es«, knurrte er rau.

Ich biss mir auf die Unterlippe. Wir beide wussten, dass ich es nur verwenden würde, wenn es wirklich überhaupt nicht mehr ging, und außerdem sehnte ein Teil von mir diese Art der Demütigung und Unterwerfung herbei. Weil es Maël war und ich ihn liebte. Ihm vertraute.

Er stieß meinen Kopf zurück und packte stattdessen meinen Hals, drückte direkt unterhalb meines Kiefers mit Bedacht zu. Mit einem Stoß rammte er sich in mich. Mein kläglicher Aufschrei verklang unter seinem erbarmungslosen Griff und rettete mich damit davor, zu laut zu sein. Gnadenlos trieb er sich in mich, fickte mich und schnürte mir einen großen Teil der Luft ab, bis ich nur noch ein wimmerndes und zuckendes geiles Stück war, das sich unter ihm wand. Ich taumelte irgendwo am Rande des Erträglichen, wollte, dass er aufhörte, und lechzte gleichzeitig nach mehr. Tränen rannen mir über die Wangen. Meine Hoden schmerzten so sehr, dass ich glaubte, sie müssten jeden Moment platzen. Zusätzlich trieb er mich durch den präzisen Griff um meinen Hals auf den schmalen Pfad kurz vor der Besinnungslosigkeit. Es war berauschend. Vor allem, wenn man in dem Zustand abspritzte, was ich nicht konnte. Ich biss meine Zähne aufeinander und schluchzte dennoch. Der Druck war zu unerträglich. Ich musste kommen!

Und würde es nicht.

Die Minuten, in denen Maël mich weiter fickte, wurden zur Unendlichkeit aus unbändiger Lust und purer Verzweiflung. Maël lockerte seinen Griff um meinen Hals und ich sehnte den Moment herbei, ließ meinen Oberkörper von ihm bereitwillig und dankbar ins Laken drücken. Ich hatte keine Kraft mehr.

Ein rauer Laut drang an meine Ohren und Maëls Schwanz zuckte in mir. Noch ein paar Mal stieß er nach, bis er auf mich sackte. Ich war unfähig, sein Gewicht zu halten, brach zusammen. Zitternd und immer noch schluchzend lag ich unter ihm. Während er zur Ruhe kam, tobte in mir nach wie vor unbändige Geilheit. Doch ich würde nicht kommen dürfen, wollte es auf eine ganz andere Art und Weise nicht. Ich würde Maël stolz machen und ihm beweisen, dass ich mich beherrschen konnte. Selbst unter diesen Umständen.

»Alles in Ordnung bei dir?«, murmelte Maël und hauchte mir Küsse auf Nacken und Schultern, ehe er sich daran machte, meine Hände zu befreien.

Ich lachte gequält. »Den Umständen entsprechend«, stieß ich heiser hervor und bewegte probeweise meine Arme, die er zusätzlich massierte.

Er bedeutete mir, mich zu drehen, suchte sofort meine Lippen und küsste mich. Ein wenig träge vielleicht, doch dafür unendlich gefühlvoll.

»Du bist großartig, Jascha.« Maël wurde es nicht müde, mir das zu sagen und ich nicht, es zu hören. Saugte es immer noch begierig in mich auf, als würde er diese Worte zum ersten Mal aussprechen. »Du wirst heute Abend aber noch ein bisschen mehr ertragen müssen. Meinst du, du schaffst das? Für mich?«

»Da!« Und wie ich das würde.

Maël lachte wieder. Ich liebte den Klang. Darin lag eine so unsagbar tiefe Wärme, die mich innerlich erfüllte und die nach wie vor Balsam für meine kaputte Seele war.

Er grub seine Finger in meine Haare. Ein sanfter Zug, der nur ein klein wenig ziepte. »Ich werde jetzt duschen gehen. Wenn ich aus dem Bad komme, will ich, dass mein warmes Essen auf dem Tisch steht und du ohne Käfig neben meinem Stuhl auf dem Boden kniest. Ich will deine Geilheit sehen, Jascha, mit dem Wissen, dass du heute nicht abspritzen wirst. Auch nicht, wenn du nachher meinen Schwanz lutschst, bis ich in deinem Mund komme.«

Kapitel 2

~~~ Maël ~~~

 

Nur spärlich drang Licht durch die heruntergelassenen Jalousien, doch es reichte aus, um mich zu wecken. Wie nahezu jeden Morgen. Auch wenn ich dienstfrei hatte, nutzte ich die frühen Stunden des Tages gern, um Sport zu machen oder einfach die Ruhe zu genießen.

Auf der Seite liegend blinzelte ich zweimal, ehe ich einen prüfenden Blick auf den Funkwecker warf. Erst kurz vor sieben. Hinter mir bewegte sich Jascha im Bett. Ich hätte geschworen, dass er noch schlief, doch dafür raschelte er zu sehr herum. Möglicherweise hatte mich auch das geweckt.

Ich stockte in der Bewegung, mir über die Augen zu reiben. Mein Herz beschleunigte seinen Takt. Ich wollte mich schon aufrichten, mich zu Jascha umdrehen, sichergehen, dass er sich nicht unter einem Albtraum herumwälzte. Doch da streiften seine Finger bereits über meinen nackten Oberarm, glitten weiter über mein Schulterblatt.

»Maël?« Er flüsterte nur. Dennoch meinte ich, seine Stimme würde ein wenig kratzig klingen.

»Mhm, bin wach. Was –?«

Ein eindeutig gequälter Laut unterbrach mich. Im nächsten Augenblick rückte Jascha von hinten unter der Decke nah an mich heran. Scharf saugte ich den Atem ein. Nein, ganz sicher kein Albtraum.

Hart drückte sich sein Schwanz an meine Pobacken. Die Überraschung wich sofort Erleichterung – und ein wenig Belustigung. Leise lachend ließ ich mich bequem vollends zurück ins Kissen sinken.

»Schönen guten Morgen«, raunte ich ihm über meine Schulter hinweg, aber ohne ihn anzusehen, zu. »Wer ist denn da schon so früh hellwach?«

Jaschas Schnauben klang noch immer eindeutig gequält. Nahezu fahrig strich er nach vorne über meine Brust, schmiegte sich enger an mich. An meinem unteren Rücken konnte ich sein Pulsieren fühlen. Keine Frage, Jascha bettelte zwar stumm, aber dafür mit jeder Körperfaser.

Himmel, er hatte ja keine Ahnung, wie gern ich nachgegeben hätte. Vielleicht sogar … Ich drehte mich nur ein klein wenig, sodass sein Schwanz genau in meine Pofalte rutschte. Es war weniger die Berührung an sich, als vielmehr sein Aufstöhnen, das heiß gegen meinen Nacken flutete, was mir einen erregenden Schauer durch den ganzen Körper schickte. Ja, ich spielte gerade wirklich mit dem Gedanken, nachzugeben. Würde ich jedoch nicht. Zumindest nicht so. Aus verschiedenen Gründen, die sowohl morgendlich praktikabler Natur waren, als auch dem geschuldet, dass ich dieses Spiel des Hinhaltens mit Jascha so sehr liebte.

»Maël …?«

Oh, verdammt, wenn er meinen Namen noch einmal so flehend wisperte …

»Was, Jascha? Was brauchst du? Sag es mir.« Ich forderte es von ihm, schlicht weil ich es aus seinem Mund hören wollte. Wobei ich durchaus darauf gefasst war, dass seine Antwort »egal, irgendwas« lauten könnte. Nach einer fast kompletten Woche, in der ich mich immer wieder mit Hand oder Mund von ihm hatte bedienen lassen und ihn gestern dann auch noch gefickt hatte, war ich mir ziemlich sicher, dass er nahezu alles angenommen hätte, was ich ihm an Erleichterung anbot. Aber es war eben nur fast eine komplette Woche.

Fahrig streichelte er über meine Flanken, meinen Bauch, tastete sich tiefer, und ich hätte schwören können, dass er sich gerade eisern davon abhielt, sich an meinem Arsch zu reiben.

»Ich … Darf ich dich vögeln? Auch wenn es vermutlich eh nach ein paar Sekunden –«

»Nein.« Entgegen der Deutlichkeit des einen Wortes ergriff ich zärtlich seine Hand, streichelte seine Finger mit meinen.

»Oh, okay, dann … Fickst du mich? Oder holst mir einen runter und dann … Bitte, Maël, ich …«

»Zehn Uhr.«

Seine Atmung stockte. »Was?«, stieß er verwirrt und vielleicht auch ein wenig ungläubig hervor.

»Deine Bestrafung hat um zehn Uhr begonnen, ich beende sie um zehn Uhr.«

»Aber das sind noch …«

»… drei Stunden. Du könntest also ausschlafen, wenn du möchtest.«

»Ha ha. Witzig.«

Lachend drehte ich mich zu ihm um. Genoss für einen Moment seinen Anblick – nackt und erregt. Meinen Oberschenkel gegen seine Hoden zu drücken, verkniff ich mir. Jascha litt wirklich schon genug. Eine Sache wollte ich mir jedoch nicht nehmen lassen. »Im Übrigen«, raunte ich ihm zu, »bedeutet, dass deine Strafe aufgehoben ist, nicht zwangsweise, dass auch sofort eine Belohnung folgt.«

Scharf holte er Atem. Das Funkeln in seinen Augen, das ich selbst in den schmalen Lichtstreifen auf dem Bett erkennen konnte, sprach überdeutlich davon, wie sehr er dieses Spiel genoss und hasste.

»Das ist … fies. Einfach fies.«

»Durchaus«, stimmte ich ihm trocken zu, umschloss seine Hand dabei jedoch sanfter. Ich führte seine Finger zu meinen Lippen, küsste jeden einzelnen. »Lass uns aufstehen. Ich bring dich auf andere Gedanken. Hast du Frühstück da?«

Jascha verzog den Mund. »Nicht wirklich. Ich hatte nur fürs Abendessen eingekauft.« Während dem er nackt und geil neben meinem Stuhl gekniet und darauf gewartet hatte, dass ich ihn noch einmal benutzte – was ich dann auch getan hatte. Danach hatten wir den Abend bei einem Film auf dem Sofa ausklingen lassen. Mit Käsekuchen.

»Vielleicht hab ich noch Aufbackbrötchen, aber definitiv keinen Belag. Außer Butter.«

Das wunderte mich nicht. Zwar fuhr Jascha tagsüber öfter nach Bernhausen, um im Schuppen der Schmitts zu werkeln, und manchmal verbrachten wir dann den Abend und die Nacht in seiner Wohnung. Aber er hatte seit dem Überfall auf ihn nie wieder allein hier geschlafen. Überhaupt konnte ich die Nächte, die wir – seit wir uns kannten – getrennt voneinander verbracht hatten, an einer Hand abzählen, und auch dann war Jascha jedes Mal in meinem Bett gewesen. Nur einmal hatte er bei Linus übernachtet.

Im Grunde war seine Wohnung zu halten rausgeschmissenes Geld, aber wir waren uns darüber einig, dass es doch gut war, wenn jeder von uns noch seinen eigenen Rückzugsort hatte.

Kurz entschlossen drückte ich Jascha einen Kuss auf die Lippen und setzte mich im Bett auf. »Dann lass uns zu mir fahren und wir holen auf dem Weg frische Brötchen.«

Jascha ließ sich vollends auf den Rücken fallen, starrte einen Moment gegen die Decke. Seine leicht verkniffene Miene zeigte deutlich, dass er gegen seine Erregung kämpfte. Doch schließlich schnaufte er durch. »Was machen wir heute zum Abendessen? Müssen wir noch einkaufen?«

Bereits auf der Bettkante sitzend hielt ich inne. »Ach, Mist. Ich habe gestern total vergessen, dir zu sagen, dass Patrick mich gefragt hat, ob wir uns heute Abend treffen. In einem Irish Pub. Wir könnten dort was essen.«

»Wir?«, hakte Jascha hörbar irritiert nach. »Ich bin doch mit meinen Kollegen zum Feiern verabredet. Später erst. Aber ich dachte, du kommst mit? Außerdem ist Patrick sicher nicht scharf auf meine Anwesenheit.«

Ungesehen von Jascha verdrehte ich leicht die Augen. Nicht seinetwegen, sondern weil ich mir tatsächlich nicht so sicher war, ob Patrick noch immer der Meinung war, Jascha sei als Ex-Zeuge fehl am Platz als mein Partner. »Ich habe Patrick gesagt, dass du vielleicht mitkommst.« Im Aufstehen wandte ich mich halb zu Jascha um. »Wenn du möchtest? Wir könnten zusammen was essen und dann triffst du dich mit deinen Kollegen und ich komme nach. Patrick und ich versacken sicher nicht viel länger als Mitternacht.«

»Okay, Deal.« Seine Miene hellte sich jedoch nur kurzfristig auf, bis sein Blick hinab sank. Er war noch immer hart, wenn auch vielleicht nicht mehr so prall wie vorhin. »Was mache ich jetzt damit?«

Grinsend zog ich eine Boxerbriefs aus seinem Schrank und stellte dabei fest, dass ich mal wieder neue hier deponieren sollte. Jascha hatte eindeutig inzwischen mehr Klamotten bei mir als ich bei ihm. »Tief durchatmen, ignorieren und an was anderes denken.«

Für diesen grandiosen und durchaus ernstgemeinten Ratschlag erntete ich lediglich ein erneutes Schnaufen. Ich war schon halb aus dem Zimmer, als Jascha mich noch mal aufhielt. »Maël?«

»Hmm?«

»Apropos an was anderes denken …« Er stockte, was mich dazu veranlasste, mich noch mal zu ihm umzudrehen. Aus großen Augen sah er mich an. »Ich hab das Hochzeitsgeschenk für Lia und João fertig. Willst du’s sehen?«

Alles an seiner Körpersprache zeigte, wie viel ihm das bedeutete. Ich hatte es ohnehin vermutet, auch wenn ich gerade das Gefühl bekam, dass ich nicht mal den gesamten Umfang erfasste. Dementsprechend sanft entgegnete ich: »Sehr gern. Wenn es so weit ist, dass du es mir zeigen möchtest.«

Dieses Mal war da kein Zögern, er nickte entschlossen.

 

Günther arbeitete bereits im Garten, als Jascha und ich ein paar Minuten später aus der Einliegerwohnung traten, woran er vermutlich auch guttat. Pünktlich zum kalendarischen Sommerbeginn waren fürs Wochenende Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad angesagt worden.

Wir riefen Günther einen Guten-Morgen-Gruß zu und ich sagte ihm noch, dass er seiner Frau vielen Dank für den Käsekuchen ausrichten sollte, falls ich sie nicht mehr sah.

Auf dem Weg rüber zum Schuppen zog ich Jascha im Gehen mit einem Arm um seine Schulter leicht an mich. »Wir könnten eigentlich nachher an einen See fahren, was meinst du?«

Er warf einen raschen Blick über die Schulter hin zu seinem Vermieter, doch der war schon wieder in seine Beete vertieft. »Das schlägst du nur vor, um mich noch länger hinzuhalten«, grummelte Jascha, was mich erneut zum Lachen brachte.

»Ob du’s glaubst oder nicht, das war nicht meine Intention. Ich will einfach nur den schönen Tag mit dir genießen.«

Von der Seite grinste Jascha mich an. »Okay. Dann also gemütliches Frühstück und anschließend See.« Vor dem Schuppen blieb er stehen. »Bereit?«

»Wenn du es bist … Ich bin sehr gespannt.«

Noch einmal holte Jascha merklich Luft, dann stieß er die Tür zum Schuppen auf. Ich folgte ihm hinein, tastete rechts von mir nach dem Lichtschalter. Ich hatte nicht erwartet, Jascha hätte das Geschenk mit einem Tuch oder Ähnlichem abgedeckt – eine dramatische Enthüllung dieser Art passte nicht zu ihm. Dennoch entwich mir ein überraschter Atemzug, als mein Blick sofort darauf fiel.

»Wow.« Bedächtigen Schrittes trat ich auf die Werkbank zu, auf welcher Jascha das Holzbild gegen die Wand gelehnt aufrecht hingestellt hatte. Mein Hauptaugenmerk galt jedoch dem Zusammenspiel der Materialien: glatt geschliffenes, wie frisch poliert aussehendes Holz mit einer dunklen Maserung in Kombination mit dem Kompass aus Eisen, der robust, beinahe derb und filigran in einem wirkte. Perfekte Harmonie durch Kontraste – das war …

»Wirklich, wow. Jascha!« Nur flüchtig sah ich zu ihm, registrierte aus dem Augenwinkel, dass er neben mir stehend die Finger ineinander wand. Aber ich musste sofort wieder das Holzbild ansehen, folgte mit Blicken meinen Fingern, die ich über die glatte, beinahe samtige Oberfläche gleiten ließ. Ich fuhr die Kanten nach, die Ecken – selbst diese wiesen nicht die geringste Unebenheit auf.

»Also magst du’s?«

Nun ruckte mein Kopf doch zu Jascha herum. »Ob ich es mag? Es ist großartig! Wirklich unheimlich schön und mit so viel Liebe zum Detail.«

Um Jaschas Lippen zuckte ein Lächeln, gleichzeitig sah er fast schon verlegen aus. »Na ja, ich hab mir auch echt Mühe gegeben …«

Noch einmal streifte mein Blick das Kunstwerk, doch dann wandte ich mich endgültig Jascha zu. »Das weiß ich«, entgegnete ich sanft, »so oft und so lange wie du teilweise hier warst … Es gefällt mir wirklich sehr. Und mein Bruder und Lia werden es auch lieben.

---ENDE DER LESEPROBE---