...und alles ist ganz anders - Gabriele Padtberg - E-Book

...und alles ist ganz anders E-Book

Gabriele Padtberg

4,8

Beschreibung

Ich bin zurück in Deutschland. Es geht hier ausschließlich um meine Wenigkeit, aber es ist mal schön, so ganz offen und egozentrisch in Erscheinung treten zu können. Sind dies alles nur Geschichten? Manche eingeschlagenen Wege lassen sich später kaum noch nachvollziehen oder gar erklären. Ich habe nicht geglaubt, dass derartige Sachen ausgerechnet mir passieren konnten, im Positiven wie im Negativen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 156

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vorwort

Ich bin zurück in Deutschland.

Es geht ausschließlich um meine Wenigkeit.

Schön, mal so ganz offen und egozentrisch in Erscheinung treten zu können.

Um mein Empfinden authentischer erscheinen zu lassen, empfehle ich dem geneigten Leser mit dem Vorgänger dieses Druckwerkes bereits zumindest in Ansätzen vertraut zu sein.

Böse Zungen behaupten allerdings, es kann mehr verwirren als erhellen.

What ever! Einfach lesen! Oder sein lassen! Sind dies alles nur Geschichten?

Manche eingeschlagenen Wege lassen sich später kaum noch nachvollziehen oder gar erklären.

Ich habe nicht geglaubt dass derartige Sachen ausgerechnet mir passieren konnten, im Positiven wie im Negativen.

Aber trotz allem, auf diese Erfahrungen möchte ich unter keinen Umständen verzichten.

Inhalt

Mein neues altes Ich

.

……….alles ist ganz anders

2006….das erste Jahr

……….die Vergangenheit

2007….mein Desaster Jahr

2008….aufwachen aus Träumen

1000…. Jahre Familie Padtberg

2010…..der Alltag holt mich ein

.

………..Entdeckungslust

2011…..und noch kein Ende in Sicht

………..das Bowling

2012…..es läuft alles anders als geplant

.

2013…..eine neue Überraschung

Mein neues altes Ich

Ich war wieder dort, wo Ordnung herrscht.

Oder ist es Sodom und Gomorra? - zwei in der Bibel genannte Städte, die den Mittelpunkt einer Erzählung bilden.

Wie auch dort in der Bibel, machen hier zwei Orte das Herzstück meiner Geschichten aus.

Ich musste mich wieder als Bewohner dieser Stadt anmelden, um meine jetzige Lebensberechtigung zu erhalten.

Alle Systeme haben ihre Vor-und Nachteile.

Ich hatte keine Ahnung wo, wann und wie man sich anmeldet, dort wo ich geboren und aufgewachsen bin.

Wer kennt sich damit schon aus, wenn man es normalerweise gar nicht erst machen muss.

Ich war froh und dankbar für die geduldige Hilfe meiner älteren Schwester.

Ich glaube, sie hat es genossen, dass ich nach all den Jahren auf Ihre Hilfe angewiesen war und sie mir alles zeigen konnte, wie es richtig gemacht wurde.

Später, im Laufe einiger geführter Gespräche mit den Lieben, stellte sich heraus, dass die Abholung meiner eigenen erlauchten Gräflichkeit am Flughafen Düsseldorf um 07:45 Uhr am 24. Dezember 2005 eine minutiös planbare und logistische Herausforderung für meine durchorganisierten Schwestern war.

Nicht jeder durfte an diesem hoheitsvollen Event nach Lust und Belieben teilnehmen.

Nur ausgesuchten Freunden war es erlaubt, sich in das geplante Begrüßungszeremonie einzureihen. Wie ich hörte, gab es in der vorrangegangenen Nacht über Stunden andauernde Streitgespräche, wie der Ablauf der Ankunft meiner gnädigen Erlesenheit zu sein hatte.

Meiner Mutter stand es als Erste zu, mich zu berühren und mich zu begrüßen. Dann erst folgte die Familie nach Alter gestaffelt. Die nicht eingeplanten Freunde mussten bis zum bitteren Ende warten und hatten sich dann auch wieder aus dem Dunstkreis meiner majestätischen Hochwohlgeborenheit zu entfernen. Es war ja der Heilige Abend. Ein Fest, was ausschließlich der Familie gehört.

Meine ältere Schwester hatte sich im Vorfeld um eine kleine möblierte Wohnung gekümmert, die aus ihrer Festung fußläufig erreichbar war.

Ich hatte kein Auto und war auf Hilfe angewiesen. Nach einstündiger Autofahrt durch ein graues Nichts, betrat ich meine neue Bleibe.

Mein Gefolge besaß die Frechheit im Zuge meines Eintreffens nicht am Wegesrand stehend mir gebührend zu huldigen. Sehr bedauerlich.

Alles schien mir unbekannt. Reisen, durch ein in grau getünchtes fremdes Land und ohne Sonnenschein. Ich war eine Fremde in meiner neuen Wohnung und es fühlte sich fremd an in dem Land, in dem ich geboren wurde.

Wow! Ich war baff. Mir war vergönnt, nichts zu vermissen: Der Kühlschrank war voll mit tollen Sachen wie Käse, Wurst, Schinken, jede Art von Jogurt, Konfitüre, obendrein Margarine als Klebstoff für die Schnitten, der Wasserkasten stand in der Ecke, vollständiges Besteck mit pinken Plastikgriffen und Geschirr war mehr als ausreichend in den Schränken und Schubladen verstaut.

Ich besaß ein mobiles Telefon um mit Freunden problemlos und ohne Hilfe zu kommunizieren.

Ebenso wurde ich mit Bettwäsche, Handtüchern und allen anderen Dingen was Frau sonst noch so gebrauchen konnte, ausgestattet. Sogar Blumen und ein geschmückter Tannenbaum gehörten zur familientraditionellen Grundausstattung.

Klar, war alles lieb und fürsorglich gemeint.

Ich wollte das Beste daraus machen.

Konnte ich mich wirklich glücklich fühlen?

Freude kann man nur verspüren, wenn der Geist und die Gedanken frei sind. Im Moment der Freude fühlt man sich scheinbar vollkommen wohl, denn es sind in solchen Augenblicken alle seelischen Bedürfnisse erfüllt. Freude ist eine spontane, innere und emotionale Reaktion auf eine angenehme Situation, eine Person oder Erinnerung. Sie kann viele verschiedene Formen von angenehmen Gefühlen und unterschiedlichen Stärken annehmen. Sie kann sich nach außen auf der ganzen Skala zwischen einem Zucken im Mundwinkel und einem ohrenbetäubenden Freudenschrei äußern. Solche Emotionen sind psychische Reaktionen, zunächst spontan und für sich selbst gesehen weder gut noch schlecht.

Eine wertende Komponente kommt ihnen erst zu, wenn sie in negativem oder positivem Verhältnis zur geltenden Moral stehen.

Das Jahr 2005 war so gut wie zu Ende, doch für mich begann alles erst.

Ein neues Leben, ein neuer Anfang.

Reset! Alles auf null.

Was 2005 passiert ist und wovon ich noch gar keine Ahnung hatte:

Erstmals ist eine Frau deutsche Regierungschefin – zwei Ostdeutsche führen Volksparteien.

Das Projekt Europa steht vor einem Scherbenhaufen, zumal auch der Streit über den zukünftigen Finanzrahmen der Gemeinschaft erst Ende des Jahres durch einen mühsam ausgehandelten Kompromiss beigelegt wird.

Blutige Terroranschläge in Londons Nahverkehrssystem

Auf dem Arbeitsmarkt noch ist keine Besserung in Sicht.

Dauerthema Hartz IV …Zum einen ist die erhoffte positive Wirkung dieser sog. Hartz-IV-Reform auf den Arbeitsmarkt bis in den Herbst hinein kaum zu spüren- zum anderen drohen die Kosten für die Reform aus dem Ruder zu laufen.

Noch nie wurde so spezifisch gebaut wie heute. Jeder Bau ist ein Unikat.

Krankengymnast - ein Beruf mit Zukunft

Schärfere EU-Richtlinien

Teures Benzin - Staubende Diesel

Und da stand ich.

Es war ein langer aufregender Tag für mich, aber an Schlafen war nicht zu denken.

Die spannenden neuen Eindrücke prasselten bis in die späten Abendstunden auf mich ein.

Nicht zuletzt durch den Jet lag von sieben Stunden war ich völlig außerhalb meines normalen Zeitgefühls.

Als Jet lag bezeichnet man eine auftretende Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus nach Langstreckenflügen über mehrere Zeitzonen. Sie wird in der deutschen Übersetzung zuweilen auch als Zeitzonenkater angeführt.

War dies wirklich, was ich wollte?

Alles, die Wohnung, die Gedanken und die Gefühle schienen doch sehr beklemmend und unglaublich starr, einfach unflexibel.

Ein Blick aus dem Fenster.

Die Straße wirkt beengt und düster.

Vielleicht war ich doch nur auf Besuch oder auf der Durchreise in diesem mir fremd gewordenen Land.

Jeder gab sich so wahnsinnig viel Mühe.

Die Leichtigkeit, die relative Unbeschwertheit, das Positive, das sonnige Gemüt, die Wärme, die Offenheit und die Großzügigkeit Floridas fehlten mir plötzlich.

Die strikte, geplante Zeiteinteilung meiner Schwestern schrieb mir vor, ausschließlich nur mein Gepäck in der neuen Unterkunft abzustellen. Kurz umschauen durfte ich mich schon, aber dann sollte ich mich umgehend zum Frühstück in die Wohnung meiner Mutter begeben.

In der Art von Monopoly: Gehe nicht über Los; Ziehe keine 4.000,00 Euro/D-Mark/Dollar/oder was auch immer ein. Ich war ja in Begleitung, sodass Entscheidungen, welcher Art auch immer, nicht allein in meinen Händen lagen.

Nach einem ausgiebigen, typisch deutschen Frühstück mit Brötchen und mir viel zu starkem Bohnenkaffee, fühlte ich mich schon etwas entspannter.

Vielleicht lag es aber auch an einer nachvollziehbaren Müdigkeit und bleiernen Schwere.

Bis zum Abend hatte ich Zeit zur freien Verfügung.

Da sind mal wieder so kleine Parallelen zu Ausflügen mit Reisebusgruppen:

“So, und nun haben Sie 10 Minuten zur freien Verfügung und dann treffen wir uns wieder hier am Bus…“

Na toll, so richtig bekommt man in dieser Zeit auch nichts gebacken.

Was mach ich denn bloß mit der freien begrenzten Zeit?

Ich glaube, ich ziehe mich zurück in meine Welt, hole sie mir durch Träume zurück und hoffe, dass, wenn ich aufwache, alles wieder gut ist.

Es war kalt. Meine Florida-Söckchen konnten mich auch nicht unter dem fetten, super schweren Federbett wärmen, denn es war tiefer Winter mitten in Deutschland.

Ich wollte doch aber nun nur noch schlafen, ich wollte sofort unbedingt träumen.

In mein Land der Träume fliehen.

Aber es war einfach nur sau kalt.

Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Es ist wahr. Ein Traum wurde für mich Wirklichkeit.

1994. Miami, Florida, da bin ich nun. Die Sonne, heiß und warm, ein gleißendes Licht der Helligkeit, der weiße feinsandige Strand, das türkisfarbene Meer, warm wie Badewasser, nichts Graues, jeder scheint fröhlich, nett und ewig lächelnd. Ich kann förmlich die positiven Schwingungen fühlen, ein Land mit unendlicher Weite, dieses Gefühl von lockerer Freiheit und von nun an, jeden Tag den Sonnenschein fühlen und das helle Licht sehen. Keine strengen Normen, Richtlinien, Regeln oder Anordnungen welchen ich zu folgen hatte. Ich brauchte mich nicht mehr zu rechtfertigen für mein Denken, Tun und Handeln. Ich kannte niemanden und niemand kannte mich.

Ein neuer Anfang, ein neues Leben, eine tolle Gelegenheit noch einmal von ganz vorne zu beginnen.

Diese großartige Herausforderung, nach der ich mich ein Leben lang gesehnt habe anzunehmen, ohne mit irgendjemanden verglichen zu werden.

Nachdem ich ein paar Monate bei Bekannten und deren Firma in Miami verbrachte, bot sich mir glücklicherweise eine außerordentliche Chance auf eine bodenständige Arbeitsstelle mit super Perspektive. Das jungfräuliche Leben, welches nun vor mir lag, begann in diesem Hotel direkt am Strand.

Als wäre es erst gestern passiert, erinnere ich mich noch sehr genau, als ich allein in Düsseldorf am Flughafen in einer Gruppe von wartenden Menschen auf den Aufruf für den Flug nach Miami wartete. Ich hörte zwei doch recht jungen Mädchen zu, welche völlig aufgeregt und nervös wirkten, weil sie als Zimmermädchen in einem großen Hotel in dem noch größerem Amerika die nächsten Monate arbeiten durften.

Und nun sitze ich in meinem eigenen und nicht zu kleinem Büro in einem Hotel, arbeite vollkommen unabhängig und eigenverantwortlich auf Rechnung im Namen meiner eigenen Firma. Ich bereite die Löhne und Gehälter aller Angestellten in einem 170-Betten großem Hotel, kontrolliere die teilweise sehr unleserlichen Stempelkarten aus einem völlig veraltetem System und bekomme aufgrund der Erinnerungen ein breites, fettes Grinsen nicht mehr aus meinem Gesicht.

Nie im Leben hätte ich mir diese damalige Arbeitswelt für mich in den USA vorstellen können.

Hier mal ein ganz schlauer Spruch. Aufgepasst, Mitschreiben: Das Leben geht schon manchmal recht seltsame und eigentümliche Wege.

Wenn ich nun aber mal ganz ehrlich bin, so richtig ehrlich, ist es schon erstaunlich wie weit man hier kommen kann, mit meinen Kenntnissen. Angefangen vom doch recht gewöhnlichem Schulenglisch und nicht wirklich für die Arbeitswelt brauchbar.

Ebenso hatte ich noch nie im meinem Leben wirklich etwas mit dem Errechnen von Zeiterfassungskarten, Gehaltsabrechnungen oder der Buchhaltung eines Hotels zu tun.

Bei vergleichbaren Tätigkeiten in Deutschland werden Abschlüsse und Nachweise für alles Mögliche verlangt.

Aber ich saß dort, fragte mich durch und machte es einfach.

Ohne jeden Schnick-Schnack.

In Florida, wo andere Menschen teuren Urlaub machen (wollen), nehme ich eine großartige und völlig einzigartige Möglichkeit in Anspruch, meinen Lebensunterhalt zu verdingen.

Obendrein trete ich auch noch mit der gesammelten Unwissenheit selbstbewusst auf, täusche Souveränität vor und bin von mir und meinem Handeln völlig überzeugt. Ich lerne während ich schalte und walte.

Dies hebt mich in eine Position, welche ich niemals in meinem Leben wieder erhalten werde. Das Gefühl den Anforderungen gewachsen zu sein und den Job erfüllt zu haben, macht mich stolz wie nichts Vergleichbares auf dieser Welt.

Während ich diese Fülle von Aufgaben bewältigte, wartete schon eine andere und neue Aufgabe für mich an der nächsten Ecke.

Durch meine Programmiererfahrung in den Anfängen des Computerzeitalters der frühen 80er, habe ich im Laufe der Zeit doch ein logisches Verhältnis zu etwaigen Problemen mit allerlei eingesetzter Software entwickelt, sodass ich in der Lage war recht schnell Lösungsansätze zu finden.

Ich war nun im 24-Stunden-Einsatz, sieben Tage die Woche, in meinem süßen, kleinen, von Kanadiern gekauften Hotel mit direkter Strandlage.

Um nun diese Art des Überlebens in einem fremden Land, mit einer fremden Sprache und fremden Gewohnheiten zu verstehen, muss ich erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt in einem kleinen Ein-Zimmer-Apartment auf dem Gelände des Hotels gewohnt habe. Ich war glücklich wie Hulle, mich so eigenständig zu versorgen um genügend Geld zum Überleben zu verdienen und somit in der Lage war ein normales Leben bestreiten. Mein Selbstwertgefühl steigerte sich um ein Vielfaches durch eine doch recht einfache Größe.

Hier nur ein kleines Beispiel wie das Arbeiten in einen Hotel für mich so funktionierte: Wenn Berry, unser 55 jähriger Texaner, ein Problem bei dem Abschluss der Revision und/oder der Rechnungsprüfung während der Nacht am Empfang hatte, denn dieser Prozess läuft immer in der späten Nachtschicht, konnte er mich jederzeit erreichen. Wir versuchten dann beide den getätigten Buchungsfehler während der Tagschichten herauszubekommen.

Dazu mussten wir teilweise meterlange Ausdrucke Zeile für Zeile durchschauen, was wiederum oftmals mehrere Stunden in Anspruch nahm. Es galt ja nicht nur den Fehler zu finden, welcher mathematisch, systematisch und programmtechnisch logisch greifbar sein konnte, sondern es war für mich doppelt schwierig, denn aufgrund dieses genuschelten texanischen Akzentes, dauerte die Zusammenarbeit aus meiner Sicht doch wesentlich länger. Aber als wir uns endlich gegenseitig verstanden, hatten wir unheimlich viel Spaß miteinander. Wir beide hatten einen speziellen Humor, den Außenstehende wiederum nun auch nicht so schnell begriffen.

Während dieser Zeit im Hotel habe ich sehr viele Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern mit ihren beeindruckenden Gewohnheiten und einmaligen Sprachgebräuchen kennengelernt. Jeder war so verschieden wie seine individuelle Aussprache seiner eigenen Muttersprache und seiner eigenen individuellen Interpretation der neuen Sprache und neuen Gewohnheiten.

Wir waren alle Fremde an einem neuen Ort und dies schweißte uns umso enger zusammen.

Rosemary, eine tolle Frau mit einem mitreißenden Lächeln, war die andere Mitarbeiterin aus der Nachtschicht. Geboren auf den Bahamas, verbrachte sie einige Zeit auf den Schulen Englands und hatte somit diesen typisch affektierten britischen Akzent.

Ich versuchte mir für jeden Einzelnen die Zeit zu nehmen, welche notwendig war um ihn oder sie besser kennen zu lernen. Und auch sie sollten die Möglichkeit haben mehr über mich zu erfahren.

Alle nannten mich Patty. Es war einfacher, als meinen deutschen Namen Gaby auszusprechen, egal in welcher Sprache oder mit welchem Akzent.

Jeder Einzelne, auf seine eigene Art und Weise lehrte mich Etwas. Etwas Hilfreiches, ein Stückchen mehr für das normale Leben, ein Stückchen mehr im sozialen Umgang, ein Stückchen mehr aus einer fremden Kultur oder Land.

Ebenso lernte ich Paule kennen. Er war der offizielle Hotel Portier, welcher alles besorgen konnte, alles über Land und Leute wussten, der jedes Restaurant kannte und genau wusste wo man einkaufen gehen konnte. Ein schon etwas älterer Herr, souveränes Auftreten, gepflegtes Aussehen mit silbergrauem vollem Haar, immer freundlich und immer ein offenes Wort. Paule war gebürtig aus Montreal, Kanada und der Onkel von Piere Martin, meinem direkten Vorgesetzten und Mitinhaber des Hotels, ebenso aus Kanada.

Piere, mein zweiter Boss, fühlte sich manchmal als Fremder, ebenso wie ich. Dies verband uns. Wir waren aber in der Lage es auch zu genießen und Freude daran zu haben, voneinander zu lernen, miteinander Spaß zu haben, zu lachen, nicht alles zu ernst und wichtig zu nehmen und somit den Job den wir ausübten zu mögen, gar zu lieben. Dies half uns schwierige Zeiten zu überbrücken und das Leben einfacher zu nehmen.

Pierre war auch derjenige, der mich sofort einstellte und mir zusätzlich wichtige als auch unwichtige Aspekte über das Führen eines Hotels in Hallandale beibrachte.

Er war nur zwei Jahre jünger, aber wie sagt man so schön? Die Chemie stimmte zwischen uns und die Sternenkonstellationen waren überaus vorteilhaft. Na kein Wunder, denn wir waren beide im Wonnemonat April geboren.

Er als Kanadier und ich als Deutsche brauchten beide einen Florida-Führerschein, um bessere Versicherungstarife für unsere Autos zu bekommen, aber ebenso auch als Identifikationspapier, vergleichbar mit unserem Personalausweis.

Eines sehr frühen Morgens, gleich nach dem Kaffee, holte Pierre mich ab, um ins Rathaus nach Hallandale zu fahren, in dem sich die zuständige Zulassungsstelle befand.

Wir meldeten uns an und mussten nur ein wenig Zeit in dem großen, absolut nicht überfüllten Warteraum bis zu unserem Aufruf verweilen.

Pierre brauchte nur ein neues Foto, welches vor Ort direkt gemacht wurde und schon hatte er seinen Florida Führerschein. Ich musste erst einen schriftlichen Test machen. Na, toll. Zwanzig Fragen.

Zwanzig Antworten waren gesucht wie man sich korrekt im Straßenverkehr verhält. Super!

All diese dämlichen Fragen.

Wer erinnert sich schon oder noch an die Fragen für den Führerschein? Aber genauso waren die hier auch.

Natürlich habe ich diesen Test nicht bestanden.

Pierre hat sich scheckig gelacht weil ich ein blödes Buch mit über einhundert Fragen und den entsprechenden Antworten mitbekommen habe. Das muss man sich mal vorstellen, nach all den Jahren, in denen man einfach fährt, sich einen gewissen Fahrstil- mit Sicherheit nicht immer richtigangewöhnt hat, und nun soll man diese Fragen noch einmal beantworten? Pierre und ich hatten viel Spaß zusammen. Unsere Unterhaltungen hatten ihr eigenes Tempo, ihre eigenen Wörter und Regeln. Ich war in der hervorragenden Position ihn alles, aber auch wirklich alles Fragen zu können was immer ich wollte und zu jedem Zeitpunkt. Ich glaube das macht auch eine enge Freundschaft aus und gibt Vertrauen. In den Anfangsmonaten wohnte Pierre auch in einem der renovierten Zimmer im Hotel.

Ich war in der Lage Pierr’s Aufgaben temporär und somit auch die Verantwortung im Hotel zu übernehmen, sobald er für ein paar Tage das Land Richtung Kanada verlassen musste.

Er konnte sich immer bedingungslos auf mich verlassen. Auch ich vertraute ihm voll und ganz. Wir hatten mittlerweile eine gewisse Tradition:

Ich brachte ihn mit meinem uralten, von der Sonne ausgeblichenen roten, Käfer zum Flughafen, holte ihn ab, wenn die Bett Zeit nicht überschritten war. Aber selbst wenn es dennoch später wurde, klopfte er an meine Tür und ich informierte ihn über alle Geschehnisse während seiner Abwesenheit.

Bald zog Pierre in ein super tolles Apartment, direkt an der Intracoastal gelegen. Ein nicht enden wollender Blick auf natürliche Salzwasserflüsse, Buchten und künstlich angelegte Kanäle. Die korrekte Bezeichnung lautet: Atlantic Intracoastal Waterway, eine 4.800 km lange Küstenwasserstraße entlang der Atlantik- und Golfküste. Er reicht von Florida bis nach Boston in Massachusetts und dient sowohl kommerziellen Zwecken als auch zur Erholung. Die Nutzung der Wasserstraße ist kostenlos, kommerzielle Nutzer entrichten jedoch eine sogenannte Fuel Tax.

Mit Vergnügen war ich Pierre bei dem Umzug behilflich. Natürlich mussten wir mehrmals hin und her fahren um alle Brocken, wie Anzüge und T-Shirts treppauf und treppab sowie hin und her zu schleppen.

Prima Bewegungstherapie, welche natürlich mordshungrig und sehr durstig machte. Also trafen wir uns am Ende an der Tiki-Bar unseres Hotels um einen kleinen Absacker vor dem Essen zu uns zu nehmen. Die männliche „Zapfschlampe“ an der Bar war ein neuer Angestellter, jung, aus Atlanta mit einem großartigen Sinn für Humor.