... und dann geschah es - Sanne Prag - E-Book

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Sanne Prag

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Beschreibung

Mystik-Krimis sind an der Grenze zwischen der sachlich realistischen Welt und dem Land des nicht Steuerbaren angesiedelt. Locker hüpft die Erzählung über die Demarkationslinie, einmal kritische Vernunft und lachen über skurrile Situationen, dann das andere, das nicht zu fassen ist, das Grauen. So stellt sich hier die Frage: Was passiert, wenn eine vielfältige Ansammlung von Menschen mit einem Geist zusammenwohnt? Was möchte so ein Geist? Und vor allem: Was kann er? Was ist nun gefährlicher - ein Geist oder ein Mensch?

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Seitenzahl: 359

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Sanne Prag

... und dann geschah es

Ein Mystik-Krimi

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Und dann geschah es….

NACHMITTAG

VORMITTAG, ZWEI WOCHEN SPÄTER

MITTAG

VORMITTAG, WOCHEN SPÄTER

SPÄTER VORMITTAG

AM NÄCHSTEN TAG

NACHMITTAG, ZWEI TAGE SPÄTER

ABEND

FRÜHER MORGEN

VORMITTAG

MITTAG

NACHMITTAG

ABEND

ABEND, SPÄTER

MITTAG DES FOLGENDEN TAGES

NACHMITTAG

NACHMITTAG SPÄTER

MITTAG ZWEI TAGE SPÄTER

NACHMITTAG

EIN ANDERER VORMITTAG

SPÄT NACHTS

VORMITTAG DARAUF

MITTAG

AM NÄCHSTEN VORMITTAG

NACHMITTAG

SPÄTER NACHMITTAG

ABEND

FRÜH

VORMITTAG

NACHMITTAG

NACHMITTAG

ABEND

NACHT

MORGEN

VORMITTAG

NACHMITTAG

SPÄTER NACHMITTAG

NACHT

MORGEN

MORGEN

NACHMITTAG

NACHMITTAG SPÄTER

DER NÄCHSTE VORMITTAG

NACHMITTAG

NACHMITTAG SPÄTER

NACHMITTAG

SPÄTER

NACHT

FRÜH

VORMITTAG

NACHMITTAG

NACHMITTAG

NACHMITTAG

SPÄT NACHTS

NACH MITTERNACHT

MORGEN

MORGEN

NACHTRAG

Impressum neobooks

Und dann geschah es….

Der Ort: Ein düsteres aber sehr kostbares Treppenhaus mit einem schön gearbeiteten Geländer, das in die Höhe stieg zu einem schwachen Licht. Ein Dom, vier Stöcke hoch, blaugrau, dämmrig.

Eine Frau im blaugrauen Mantel betrat das Haus. Ihr blasser Schal, der verhüllte Kopf machte sie unsichtbar, blass angepasst schien sie im Hintergrund zu verschwinden. Sie bewegte sich mit Vorsicht. Kurzes Anhalten, Lauschen, Atempause. Dann schlich sie weiter, ging auf Zehenspitzen. Lautlos, die Füße über den Steinboden tragend mit Stöckelschuhen, sehr vorsichtig. Über glatten Steinboden – große, blasse, glatte Platten wegen der Reinigung. Der Stöckel durfte nicht aufsetzen, musste immer freischwebend in der Luft gehalten werden. Im ersten Stock rutschte sie aus. Es hallte durch den Dom. Sie fluchte leise und verschwand in einem dunklen Gang. Man hörte Schlüssel klappern. War da ein Geräusch hinter der Türe nebenan? Hatte Frau Wallraff die Schlüssel gehört! Warum waren Schlüssel verdammt noch einmal aus Metall und klapperten so. Aber das Geräusch hinter der anderen Türe entfernte sich wieder. Tiefe Erleichterung, der Atemkrampf löste sich.

Es war finster, weil die Gangbeleuchtung wieder einmal ausgefallen war. Sie tastete nach dem Schlüsselloch steckte ihren Finger hinein um dann an der Hand entlang den Schlüssel einzuführen, aber er klemmte. Sie zog und schob ihn hin und her. Er drehte sich nicht. Dann kramte sie wieder in der Tasche. Ihre Hand verschwand im tiefen Raum, ihr Arm verschwand. Es dauerte eine gute Zeit. Sie zog einen sehr großen Schlüsselbund heraus und eilte zum Anfang des Ganges, wo immerhin schlechtes Licht herrschte. Sie schaute die Schlüssel in ihrer Hand unglücklich an.

Dann hatte sie eine Vision, eine Erinnerung, ein Bild aus der Vergangenheit: Tante Ida mit dem Rücken zur Türe, einen Arm hoch, wie einen gebrochenen Flügel, den anderen Arm unten durch. Sie nahm wieder den ersten, den verdächtigsten Schlüssel. Dann versuchte sie die gleiche Haltung einzunehmen und fand, dass sie in dieser Haltung ihr ganzes Gewicht gegen die Türe lehnen konnte und dann den Schlüssel drehen. So ging es verhältnismäßig leicht. Sie öffnete die Türe, die in den Gang hinaus klappte – und stand vor einer Wand, einer Wand von Angesammeltem.

Visionen wie die Mauern von Jericho, der Berg Sinai kreisten in ihrem Kopf und ein tiefes Ohnmachtsgefühl nahm Platz in ihrem unteren Rücken. Wie sollte sie diese Wohnung durchsuchen? Hilflose Panik setzte ein, unterbrochen von einem Schrei, der in der Tiefe verhallte, langsam die Bergwand hinunter. Grässlich, panisch, nicht erreichbar.

Ihr Entsetzen war plötzlich wieder da. Es ließ sie konfus werden, hilflos den auferstandenen Gespenstern ausgeliefert. Sie würde nie mehr irgendwo hinunterschauen können. Sie sah sich selbst nach hinten kippend, fallend, in rasendem Tempo dem Tod entgegen, klar erkennend: Das war das Ende, Schmerz und aus. Die scharfen Bergzacken genau unter ihr, sie sah sich zerbrochen, im nächsten Augenblick nicht mehr menschenähnlich am Fuße der Zacken liegen. Ich – das ist Menschenkörper – das ist Hände zum Greifen, Füße zum Gehen, Sinnliches, der Geschmack einer Zitrone, der Geschmack von Fleisch und Brot, der Duft von Veilchen, die Frühling bedeuten, Hühneraugen und Müdigkeit. Das ist Ich, und nachher ist vielleicht der Geist im Raum geblieben, aber der Körper ist zerschmettert. Der größte Teil vom „Ich“ ist damit ausgeschaltet. Etwas, das warm gewesen, wurde kalt, zu hilflosem Stein. War da noch ein Rest? War da noch etwas von Tante Ida? Sie wusste nicht ob dieser Gedanke zu Ende gedacht werden sollte…

Der Moment, als Tante Ida stürzte, kam immer wieder. Unaufgefordert stand das Bild hinter ihren Augen und zog einen Krampf im Magen nach sich, sowie dieses Gefühl von Gefordert-Sein, von Überforderung und Ausweglosigkeit.

Die Wand, die Wohnung, die Suche waren eine Folge des Todes, des Sturzes vom Bergpfad – denn sie stand in Tante Idas Wohnung.

Tante Ida hatte gesammelt. Und Esther musste den Schmuck finden, kostbaren Schmuck, den Tante Ida immer sorgfältig versteckt hatte. Sie musste durch diese Mauer durch. Da ihr die Trompeten fehlten, um sie zum Einsturz zu bringen, Gott gerade Pause machte und sie auch keinen Bagger hatte, musste sie das Problem selbst lösen, wie sie immer alle Probleme gelöst hatte, der kleinen Ida zuliebe.

Die kleine Ida war ihre Cousine, sowie die alte Ida Schwester ihrer Mutter war. Beide trugen den gleichen Namen. Die kleine Ida war immer schon ihr Schützling gewesen. Ein dunkles Gefühl von Mutterschaft trieb sie, immer für die kleine Ida zu denken, zu tun, zu planen und jetzt den Schmuck aus diesem Berg zu holen, aus dieser Arche der Einkäufe.

Die Wohnung war riesengroß und Esther wusste, dass Tante Ida sich nie gerne von irgendwas getrennt hatte. Immer schon hatte sie aufgehoben, was sie heimtrug, alles, ohne Ausnahme. Jetzt war Esther einige Jahre nicht mehr in der Wohnung vorbeigekommen. Die Barrieren waren gewachsen. War das Messietum? Esther kannte liebenswerte, ein wenig chaotische Messie-Menschen, die sich nicht trennen konnten, weil immer alles in Planung war, weil sie einfach keine Entscheidung treffen konnten. Die Dinge wurden aufgehoben, weil dies oder jenes damit gemacht werden sollte. So war das bei Tante Ida nie gewesen. Nein, die Dinge waren nicht verplant, nicht für Tätigkeiten gedacht. Da war eher ein Drang, etwas einzuholen, wie wenn sie ein großes Schleppnetz ausgelegt hätte. Alles, was sich darin fing, war ihres. Sie trug es heim, scheinbar ohne irgendeinen Plan, was damit gemacht werden könnte. Es war ihres, das war das Wichtige dran.

Und wie bitte sollte Esther in diesem gewaltigen Depot die Wertsachen finden? Sie ringelte sich durch eine schmale Passage, die in dem hallenartigen Vorzimmer geblieben war. Die Passage führte sie in eine wirklich große Küche. Die Türe ging nicht ganz auf, und Esther hatte in Erinnerung, dass man niemals mit Gewalt eine Türe in diesem Haus aufschieben sollte. Niemals! Denn hinter der Türe könnte ein Papierstoß umfallen und man war gefangen. Sie spähte ums Eck. Natürlich war ein riesiger Papierstoß im Weg. Die Mitte des Raumes wurde von einem mächtigen Tisch eingenommen, der etwa einen halben Meter hoch mit Papier bedeckt war, anscheinend nicht zu Stößen geordnet. Da und dort machten sich kleine Haufen aus der Masse davon.

Sie hob vorsichtig einen kostbaren Seidenvorhang vor einer Etagere. Dort stand in Tante Idas eckiger Schrift `Fetzen zum Wegwerfen´. Sie ließ den Vorhang vorsichtig zu Boden gleiten. Neben der Küche war ein palastartiges Badezimmer aus weißem und schwarzem Marmor. Hier stand in großen Körben Wäsche, viel Wäsche. Auf mehreren Sesseln und kleinen Tischen lagen hohe, wackelige Stöße von Katalogen. Eine Wand war mit Plastikbehältern zu gestapelt. Sie waren voll. Die hatte es beim letzten Mal noch nicht gegeben.

Unter dem Waschbecken wurden Zeitungen gesammelt. Viele Zeitungen. Sie waren in den Jahren zu drei Stößen von je einem halben Meter angewachsen, gelegentlich durchfeuchtet, hatten sie sich zu einer Masse zusammengebacken, leicht gelblich, mit gewelltem Rand. Drei weitere Kästen enthielten Kartons mit nie verwendeten Föhnen, Super-Haarstyling-Sets, Kerzenleuchtern und Schwimmreifen, Badematten usw.

Sie schaute sich verzweifelt um, und wieder kam der Schrei. Scharf und panisch drängte er sich vor. Eine Mahnung an das Leben. Sie spürte ihn eiskalt im Nacken.

Er hallte von den Bergwänden wieder, war aber auch gerade in dem Moment neben ihr im Badezimmer und war sehr stark. Viel stärker als der kleinen Brust von Tante Ida zuzutrauen gewesen wäre.

Die nächste Türe hatte früher ins Schlafzimmer geführt, - in einen mächtigen, ziemlich düsteren Raum, wie sie sich erinnern konnte. Es schien weiterhin Schlafzimmer gewesen zu sein. Das gewaltige Doppelbett stand auf einer Stufe und beherbergte Puppen. Sie füllten das Bett. Wo sollte da jemand schlafen? Alle hatten teure Gewänder an und glupschten mit ihren gläsernen Augen aus den Falten der Spitze und des Brokates. Einige waren sorgfältig zugedeckt und saßen dicht nebeneinander, fest eingepackt zwischen Decke und Polster, sie steckten fest in ihrem Kokon. Einige waren perfekte Babyrekonstruktionen, die Esther die Gänsehaut über den Rücken jagten. Tote Babies, die wie lebendig aussahen. Andere waren kleine Mädchen in schönen Kleidern. Es gab keine kleinen Jungen.

Der Rest des Raumes war voll mit Kartons und Truhen, übereinandergestapelt. Es gab noch mehr Puppen, vielleicht nicht die bevorzugten, nicht die Elite, denn sie waren nicht im Bett. Sie hatten aber auch kostbare Gewänder an. Einige Teddybären lagen herum und schauten aus den Kästen, vielleicht die Haustiere?

Das war wohl der Raum, in dem die wesentlichen Dinge aufbewahrt wurden. Sie würde hier ihre Suche beginnen. Zuerst wollte sie nur kurz durch die anderen Räume schauen. Es gab noch zwei große Zimmer. Das neben dem Schlafzimmer war toter Raum war nie benützt. Es hatte den leicht modrigen Zustand unbenützter Herzeige-Zimmer, in denen lange kein Leben vorbeigekommen war. Die Spitzendeckchen vergilbt, und alles von mumifiziertem Staub bedeckt, gewaltige Kristallschüsseln, die ihre Fracht an Haarnadeln, Glückwunsch-Billets und einzelnen Ohrringen behüteten, und rundum war bis an die Decke Gestapeltes.

Esther hoffte sehr, dass in diesem Zimmer nichts versteckt war, aber sicher konnte sie nicht sein. Sie schaute nur kurz ins letzte Zimmer. Dort wenigstens war kein Schmuck verborgen in dunklen Ecken.

Ein völlig anderer Raum. Ein anderer Mensch. Es war in Weiß mit wenig Hellblau gehalten und absolut rein. Hier gab es kein Papier, keine Lager von irgendetwas. Das Zimmer leistete Widerstand gegen die Welt der restlichen Wohnung. Das war schon immer so gewesen. Das Zimmer der kleinen Ida.

Esther wanderte wieder ins Schlafzimmer, krempelte sich seelisch die Ärmel hoch und hob den Deckel einer chinesischen Truhe. Sie hatte Visionen von kompostierten Liebhabern aus jungen Jahren, deren mumifizierte Körper hier aufbewahrt wurden. Sie musste sich disziplinieren, um den Blick hinein zu versenken. Tante Idas Geist schaute über ihre Schulter. Am Grunde lag ein Puppenkopf, sonst nichts. Esther fand den Anblick eines Kopfes allein mit offenen Augen schrecklich. Die Öffnung im Gummihals erinnerte sie an Tod auf der Guillotine. Ein angenehmer Geruch von Sandelholz stieg auf.

Beim Rundblick stach ihr eine Holzkiste mit der Aufschrift einer Waffenfirma aus dem zweiten Weltkrieg ins Auge. Sie fühlte sich davon angezogen, die Kiste war verdächtig. Sie hob sie aufs Bett. Drin war ein Medikamentenlager gewaltigen Ausmaßes. Auch das hatte sich nicht geändert. Sie setzte sich aufs Bett, die Puppenaugen im Rücken. Durchbohrend, gläserne Blicke folgten ihren Händen. Sie öffnete jede Packung, jedes Döschen, leerte den Inhalt in die Hand und dann in einen großen Sack, der neben ihr stand. Aus der Aspirin-Packung rollte ihr ein Brillantring entgegen. Eine mit Rubinen besetzte Uhr gab‘s beim Kamillentee. Wo war nur der Aquamarin? Ihr Zauberring.

NACHMITTAG

Esther betrat ein Hotelzimmer, in der Hand ein Nylonsäckchen mit Schmuck. Das legte sie aufs Bett und begann sich auszuziehen, als ob ihr die Kleidung lästig wäre. Sie steckte den blassen Schal in den Papierkorb und hängte den blaugrauen Mantel an die Türe. Sie würde ihn zur Caritas bringen. Dann holte sie das neue Stück aus dem Kasten – ihren Traumschlafrock, rot, prächtig, aber völlig unpassend für einen Todesfall.

„Ida! Schaust du dann mal, was ich alles gefunden habe?“

Die `kleine´ Ida saß im Bett und hatte einen Puppenkopf in der Hand, den sie bemalte. „Das mach ich ihr zu Ehren.“, meinte sie und schaute intensiv in das Puppengesicht. Esther lächelte. „Es waren ziemlich viele im Schlafzimmer.“

„Ja, wie die von Engeln umgebene Madonna hat sie dort gelebt. Ihre Begleiter, Kinder, Diener, alles in einem waren die Puppen.“

„Schaust du trotzdem? Ich glaube, es fehlt noch Schmuck. Ich fürchte, ich muss noch einmal gehen.“

„Ich hab keine Ahnung. Hast du in den Medikamenten geschaut?“ fragte Ida zerstreut.

„Ja, da habe ich das alles gefunden, aber ich weiß nicht, ob es noch mehr gibt. Warum hat sie die Sachen eigentlich immer in die Medikamente gegeben?“

„Hat sie ja nicht“ murmelte Ida voll auf den Puppenmund konzentriert. „Waren auch mal zwischen den Büchern. Wir hatten immer Suchaktionen, wegen der Einbrecher.“

„Welche Einbrecher?“

„Sie hat‘s vor eventuellen Einbrechern versteckt, aber irgendwie nicht immer am gleichen Ort. Ich nehme an, sie wollte den Gewöhnungseffekt bei den Einbrechern vermeiden.“

„Hattet ihr denn einen Einbruch?“

„Nein, das wäre, glaube ich, schwierig geworden.“ Ida war nicht bei der Sache. Sie war auf den Puppenkopf konzentriert, zu sehr. Ida wollte keine praktischen Probleme.

„Ich hab zwischen den Büchern geschaut. Gab es ein besonderes Regal?“

„Weiß nicht“ murmelte Ida. Sie malte gerade eine Braue. “Hast du den Urlaub schon gebucht? Auf den Bildern im Internet sieht man sicher, ob das Hotel rote Teppiche hat. Ich weiß eigentlich nicht, warum rote – aber vielleicht können sie nur nicht mausgrau sein, und dunkelblau ist noch schwieriger.“

„Ida, mein Schatz, ich kann das nicht alles ausräumen. Die Wohnung hat 180 m2 und ist über vier Meter hoch, ich kann das nicht schaffen.“ Esther fühlte die Übermacht der Notwendigkeit, ein flaues Gefühl im Magen und Kreuzschmerzen beim Gedanken an die Herausforderung.

Ida malte die Braue mit großer Sorgfalt und wischte sie dann weg. „Wie kommst du drauf, dass du das machst?“

„Nun, wer sonst?“

„Ich weiß nicht“, meinte Ida und setzte den Pinsel mit großer Sorgfalt an.

Esther kam unter Druck. Sie musste eine Lösung finden. Ganz dringend eine Lösung. Die Wertsachen mussten heraussortiert werden aus dem allen, aus dem Berge Sinai. – Die guten ins Kröpfchen, die schlechten ins Töpfchen, fiel ihr ein. Nur, wo waren ihre hilfreichen Tauben? Sie lief beunruhigt im Kreis. `Selber machen´ stand in großen Lettern über ihren Gedanken, weil das immer dort stand. Allein schon der nebelhafte innere Vorwurf machte sie wütend. Sie wollte sich nicht wie ein Maulwurf durchgraben und nach Wertsachen in irgendwelchen Ritzen schnüffeln! Sie war dem Weinen nahe, aber keine Lösung in Sicht.

„Hast du Ezra schon gesagt, dass Mutter einen Unfall hatte? Wir haben ihn seit damals auf dem Berg nicht gesehen. Das ist Wochen her. Vielleicht kann er auf einen Kaffee kommen? Ich möchte ihn gerne wieder treffen“, meinte Ida am Pinsel vorbei.

Ezra! Ja, Ezra und eine Studentenpartie. Das war die Lösung. Gut bezahlt, sehr gut bezahlt. Das war es! Für jedes Fundstück extra. Ezra war Spielgefährte aus der Nachbarschaft, Mitverschwörer aus Kindertagen. Ezra, der immer auf Jobsuche war, um sein viertes Studium zu finanzieren, war die Lösung.

Esther machte ihrer Begeisterung Luft. „Ich bin froh, dass dir das eingefallen ist. Sehr erleichtert, denn ich muss ja in einer Woche wieder arbeiten, und dann wäre das Ganze schwierig geworden.“

Jetzt sah Ida das erste Mal von ihrem Puppenkopf auf, und sie war beunruhigt. Ihre großen, blassen Augen waren vor Schreck aufgerissen. „Wieso arbeiten?“

„Ida, ich bin eine arbeitende Frau, seit Jahren.“

„Sag deiner Firma, dass du nicht kommen kannst wegen einem Todesfall.“

„Das geht einen Tag wegen Begräbnis und Amtswegen, aber nicht viel mehr.“

Ida zog die Knie zur Brust und schlang ihre Hände um die Beine. Der Puppenkopf schaute leer mit einem gemalten Auge aus den Falten der Bettwäsche zur Zimmerdecke. Sie wirkte so sehr klein, obwohl sie eigentlich ein großes Mädchen war. Eigentlich war sie ja auch kein Mädchen, sie war 33, nur drei und ein halbes Jahr jünger als Esther. Aber dennoch war sie immer ein Mädchen, und das hatte sich nie geändert. „Du musst nicht arbeiten, wir haben genug Geld von Vaters Fabrik“, sagte sie fast trotzig.

„Stimmt schon, dass ich immer arbeiten musste, aber es ist befriedigend. Ich bin gut in dem, was ich mache. Mein Boss verlässt sich auf mich. Ich verstehe mich als arbeitende Frau.“

Ida dachte ernsthaft nach. Nach einer langen Pause fragte sie: „Was machst du denn da in deiner Firma?“

„Die Frage ist mehr, was ich nicht mache. Ich tue einfach alles. Überwache das Lager, erfinde Ausreden für den Boss, hindere den Polier alle 14 Tage daran, zu kündigen, stelle fest, wer in die Kassa gegriffen hat. Man nennt das Sekretärin…“

„Vielleicht kannst du meine Sekretärin werden? Ich zahl dir das Doppelte und du machst das Gleiche für mich“, sagte Ida einfach.

Esther kippte aus der Überlegung, wie sie Ida helfen, sie unterstützen, absichern konnte, in eine völlig neue Rolle. Ein Job, ein gut bezahlter Job, angemeldet und mit Krankenkasse. Pensionsberechtigt und wirklich gut bezahlt.

„Ok, aber ich habe Kündigungsfrist.“

„Sei frech, vielleicht entlässt er dich gleich. Oder sag, dass du schwanger werden möchtest.“

Ida in Not hatte viele Ressourcen.

„Was wäre denn jetzt zuerst wichtig? Ein Haus natürlich, ja. Du sagst, du willst nicht mehr in die Wohnung, und bei mir ist es auch nicht so angenehm, wolltest du ja auch nicht.“

Ida hatte ihr massivstes Problem geregelt und sah keinen Grund mehr zu planen. Sie rollte sich auf ihrem Bett ein und murmelte nur „Ja, ich glaube, wir brauchen ein Haus.“

„Wenn wir die Stadtwohnung verkaufen, geht sich ein schönes Haus aus.“

„Ich will die Wohnung nicht verkaufen. Ich will nur nicht drin wohnen.“

Esther musste Ida zwingen, das mit den Finanzen für sie sichtbarer zu machen, überblickbarer. Sie würde alles bezahlen müssen, Kostenvoranschläge einholen. Sie brauchte Unterschriften, Berechtigung für das Konto.

VORMITTAG, ZWEI WOCHEN SPÄTER

In Ezras Taschen klimperten Brillantohrringe aus der Kaiserzeit und ein Armband, von dem er nicht genau wusste, was es war - hatte er im Badezimmer in der Schüssel mit den kleinen Schwämmen gefunden, unten drunter. Es hatte sich also doch gelohnt, jedes Schüsselchen und jedes Döschen zu inspizieren. Waren es wirklich Brillanten oder nur Glas, oder vielleicht irgendein Bergkristall?

Seine Finger fühlten sich seit Tagen staubig an. Hubert hatte gestern tatsächlich die Mumie eines Hundes in einem Glaskasten gefunden. Ida musste wissen, was das zu bedeuten hatte.

Vieles wäre angenehmer, wenn Wolfgang mit von der Partie wäre, praktischer. Wolfgang, sein Kumpel aus der Volkschule, Begleiter seiner Lebensstationen bis zu diesem Tag, war ein Genie der kurzen Wege, aber leider keine Option, wenn es um Wertsachen ging. Wertsachen, die einfach irgendwo und überall auftauchen konnten, waren für Wolfgang eine Versuchung. In dieser unübersichtlichen Landschaft der Wohnung würden sie spurlos verschwinden. Edmund, Hubert und Hille musste er auch still und vorsichtig im Auge behalten. Aber die drei waren eher verlässlich und schließlich war er ziemlich sicher, dass er erkannte, wenn sie etwas gefunden hatten. Das wäre bei Wolfgang sicher nicht der Fall. Wolfgang war in jeder Hinsicht ein Profi. Ezra hätte ständig das Gefühl gehabt, dass gerade etwas in Wolfgangs Taschen gewandert war. Das kleine Plastiksäckchen mit Schmuck wäre deutlich dünner. Seine Konzentration, seine Fantasie, seine Beobachtung wären schnell überfordert, und die Wahrscheinlichkeit gering, dass er ihn erwischt hätte. Wolfgang war nicht leicht zu händeln, obwohl er die Sachen meist wieder hergab, wenn Ezra ihn direkt ansprach.

Den halben Vorraum und eine Wand im Bad hatte er mit Hille und Hubert geschafft. Edmund kam ja dann auch noch, obwohl er mehr Dichter als Arbeiter war, und der fröhliche Jörg war dann auch frei und half. Dann waren sie fünf und mussten die Herkules-Arbeit schaffen, den Augias-Stall zu räumen. Es würde noch Wochen dauern.

Ezra war gereizt und fühlte sich schimmlig, denn er hatte einige uralte Lederkoffer-Monster entfernt, mit einer dünnen, grünen Schicht. Job war Job, aber er mochte keine dünnen, grünen Schichten auf dickem, uraltem Leder. Die Versuchung war groß, gar nicht erst hineinzuschauen und das Ganze in die Mulde zu kippen, aber Esther hatte ihn gewarnt vor seltsamen Verstecken, Sie hatte ihm von den Einbrechern erzählt und dem Gewöhnungseffekt. Es fehlte noch einiges, auch ein Aquamarinring. Esther nannte ihn immer ihren Zauberring – und der konnte überall sein, wirklich überall.

Ezra schaute mit Abscheu auf die mächtige Küchenkredenz. Wegen der Einbrecher fehlte wohl der Schlüssel. War wahrscheinlich an einem sicheren Ort.

An welchem sicheren Ort? Der Kasten war aus massiver Eiche und es ging nur das Mittelfach auf. Dort steckte ein Schlüssel, und er hatte leichtfertig angenommen, dass der auch Meister der anderen Messingschlösser war. War er nicht.

Küchenkredenzen sind aber besonders verdächtige Möbel, vor allem die Gefäße im obersten Regal. Wolfgang hatte ihm immer erzählt, dass jeder Einbrecher dort zuerst seine Hände darüber gleiten ließe. Münzen, kleine Wertsachen, Schlüssel von Bankschließfächern mit einem Zettelchen mit der Nummer, alles da.

Da kam Hille mit tief gefurchter Stirne ums Eck. „Wir haben einen Fischeranzug gefunden, und in seiner Tasche war das da.“ Er hielt Ezra ein Stück Papier hin, feines Papier. Drauf stand in großen, wackeligen Lettern: Ich weiß, dass Schluss sein muss. Ende – Abschied. Keiner kann das anders regeln. Ich habe vieles versucht, vielleicht nicht alles. Aber alles ist es wohl nie. Irgendetwas bleibt immer offen. Das was passiert ist bedeutet Bruch, Ende. Trennung von allem, weil es sein muss, nicht weil ich es so gewünscht habe.

War das ein Brief zu einem Selbstmord? Ein Abschied? Eine Drohung oder vielleicht nur eine Erklärung, bevor irgendjemand nach Amerika fuhr? Wer hatte das geschrieben?

Ezra überlegte kurz und meinte dann: „Danke Hille, ich werde es Ida zeigen.“

Ezra stand kurz still und schaute Hille scharf nach. Verdammt noch einmal, was hatte der wirklich gefunden? Normalerweise war Hille einfach und gradlinig. Nichts Hintergründiges an Hille, aber jetzt hatte er etwas bei Seite gebracht. Er würde dann in Hilles Taschen schauen müssen beim Duschen.

Der Brief war seltsam beunruhigend, auch wenn er eigentlich nichts damit tun konnte. Papier mit einer Drohung? Ein Brief voll Bedauern, aber auch voll Wut. Papier war in diesem Haushalt das Lebendige. Es wuchs, wurde feucht, wieder trocken, wellte sich und wurde vielleicht auch einmal verwendet. Es war die lebendige, sich wandelnde Seele in diesen Räumen.

Zurück zur Kredenz.

Wo würde jemand wohl einen Schlüssel verstecken?

Auf jeden Fall in Reichweite.

Man konnte nicht jedes Mal durch die ganze Wohnung laufen, wenn man in die Küchenkredenz musste. Würde die alte Ida etwas in die untere Herd-Lade geräumt haben? Die gingen meist schlecht auf und waren sehr unbequem, so weit unten. Aber vielleicht wollte sie es den Einbrechern schwer machen?

Auf jeden Fall war weder in der Herd-Lade noch in der Tischlade ein Schlüssel. Die Stellagen schienen ihm zu offen, zu zugängig. Schlüssel wurden nicht in Freiheit gehalten. Sie mussten tief drin in Laden und in Gefäße gesteckt werden, ganz sicher, mit festen Türen. Frischluft wäre für versteckte Schlüssel sehr gefährlich. Also machte er sich an das große, breite, weiße Ding. Es war aus solidem Holz, musste mehrere Hundert Kilo haben. Etwa wie ein kleiner Eisenbahnwaggon. Beim Hineinsehen entpuppte es sich als eine alte Spüle. Man konnte die obere Platte aufklappen, und da gab es zwei Gusseisenkessel. Ezra klappte die Platte hoch, aber das war Schwerarbeit. Die alte Ida konnte das nicht mehr gestemmt haben. Am Boden unter den Kesseln hatte sich Papier angesammelt. Viel Papier. Erfahrung mit den anderen Räumen hatte ihm gelehrt, keine mögliche Ablage außer Acht zu lassen. Seine Hand tastete vorsichtig an dem Eisengrat entlang, der neben den Kesseln lief. Da lag ein Schlüssel. Es lag da aber noch etwas in einem Säckchen. Darin war eine Perlenkette, dazu passende Perlenohrringe und ein Brief. Es war ein alter Brief. Das Papier hatte Flecken der Zeit. `-rücksichtslos. Dieses Geschenk soll dir Tränen bringen. Vielleicht bringt dich das dazu, einmal wahrzunehmen, wer die Menschen sind, mit denen du lebst. Einzigartige Möglichkeit zu einer Pause der Herrschaft, und dann erfährst du das, was du immer schon hättest wissen sollen´……. Ein seltsames Geschenk? Eine Verwünschung? Wer sollte eine Pause der Herrschaft machen? Wer verlangte das von wem? Aber das Seltsame war: die Schrift auf diesem Stück Papier ähnelte der auf dem Brief von Hille.

MITTAG

Esther und Ida sahen gerade das zwanzigste Haus an.

Ida wünschte sich jetzt dringend ein Haus. Sie fand immer neue Gründe, warum ihr dieses oder jenes Haus wert schien, gekauft zu werden. Die Butzenscheiben in der Türe zum Hof. Der schöne Nussbaum vor dem Haus, der eingefriedete Gemüsegarten. Esther hatte das Praktische im Auge. Den nassen Keller, die Nähe zur Autobahn, den verwurmten Dachstuhl. Jetzt standen sie vor einem Anwesen, das „der Jaidhof“ hieß. Es war ein großes Anwesen und hatte seit Jahren zum Verkauf gestanden, zu einem Fixpreis. Dieser Fixpreis war vor Jahren teuer gewesen, jetzt war er normal.

Esther hatte neu gelernt, dass wenig finanzielle Einschränkungen zu beachten waren. Ida hatte ihr Zugang zu allen Konten übertragen, nur wusste sie nicht, welche Konten es gab. Während Esthers Engagement in ihrer alten Firma im Auslaufen war - sie hatte noch Resturlaub - hatte sie sich umfassend mit den Aufgaben eines Steuerprüfers auseinandergesetzt und sich in mühsamer Kleinarbeit durch die Bankunterlagen gearbeitet. Außer den Einkünften aus der Fabrik und einigen Tochtergesellschaften an entfernten Orten gab es Gelder, die sich unbeobachtet seit mehreren Jahren durchs Finanzsystem geschlängelt hatten. Es waren immer neue Konten aufgetaucht. Eine Bankverbindung in die Schweiz, noch vom alten Aaron, und ein Konto in Lichtenstein, auch vom alten Aaron eingerichtet. Keine Kontobewegung seit über fünfzehn Jahren, seit dem Tod von Onkel Aaron. Dort schlummerten Riesensummen vor sich hin und mussten noch mit Idas Unterschriften umgelagert werden. Mehrere Bankschließfächer gab es. Esther war absolut unsicher, dass sie alle gefunden hatte. Manche enthielten gar nichts, manche Aktien. Eins hatte Zertifikate in großen Paketen, die auch so lange Jahre dort geschlummert hatten. Sie waren inzwischen völlig wertlos. Aber eines der Depots hatte eine große Schmuckschatulle enthalten, in der auch ihr Zauberring war. Sie musste Ida bitten, dass sie ihn haben durfte.

Jetzt standen sie vor einer Ansammlung sehr gerader Häuser. Es war so etwas wie ein alter Meyerhof. Mächtig, selbstbewusst, abweisend. Die Gebäude sahen nach dicken Wänden aus. Hinter der Eingangstüre stellte Esther fest, dass die Außenmauer einen Meter zwanzig tief war. Draußen war es warm, in der Sonne heiß. Drinnen fühlte es sich kalt an, frostig. Ida schlenderte hinter Esther her und betrachtete den steinernen Boden. Dann drehte sie sich um und ging wieder hinaus. Esther schaute kurz in die riesige Wohnküche und in eine mächtige Speisekammer. Dann ging sie auch wieder hinaus. Ida stand versunken vor dem Haus und betrachtete die Fenster im Oberstock.

„Was meinst du?“ fragte Esther.

„Schau einmal, die Fenster da oben.“ Die Fenster glitzerten seltsam, das alte Glas bildete farbige Muster. In der Sonne zeigten sich glänzende Schlieren. Ida hatte wieder etwas gefunden, warum sie dieses Haus kaufen wollte.

Esther drehte sich um und ging auf ihre Vernunfttour.

Im Gang legte sie die Hand auf die Wände. Sie waren nicht fühlbar nass. Keine weißlich pelzigen Gewächse wie letzter Schnee auf dem rauen Putz. Im ersten Stock waren ein großer Vorraum und sehr viele Türen zu Zimmern, die sie jetzt nicht anschauen musste. Eine wacklige Treppe führte aufs Dach. Sie öffnete eine löchrige, enge Türe und stand in einem Riesendachraum, gewaltig, drei Stockwerke hoch. An Schnüren sah sie noch einige Tabakblätter, die Reste der letzten Ernte vor vielen Jahren. Sie betrachtete die Balken genau. Keiner schaute verfault aus. Die breiten Holzbohlen unter ihren Füßen waren auch nicht verfärbt. Es schien keine Löcher im Dach zu geben, es würde keine große Renovierung zu erwarten sein. Riesige schwere Balken ohne Fehler.

Esther wanderte in den Keller.

Der war völlig leer und schien einfach aus Beton zu sein, besenrein. Keine nassen Wände, leer. Nur in einem der vielen Räume gab es eine mächtige Wasserzisterne. Groß und rund, wie ein Schwimmbecken. In etwa einem Meter Tiefe konnte man einen weißlichen Kalkbelag sehen. Das Becken war in den Boden eingelassen. Der Rand ragte nur etwa sechzig Zentimeter hoch.

Als sie wieder nach oben kam, war Ida nicht da.

Esther sah in der Nähe einen anderen Bauernhof. In der Hoffnung auf Information wanderte sie dorthin. Ida würde warten.

Sie öffnete das knirschende Hoftor und rief einen Gruß. Keine Antwort. Als sie hineinging, sah sie eine alte Frau, die sich die Füße in einem Plastikbecken wusch. Esther ging zu ihr. Die Frau sah von der Nähe gar nicht so alt aus. Aber sie blickte nicht auf.

Esther grüßte und bekam keine Antwort. Vielleicht hörte die nicht?

Aber Esther probierte es hartnäckig noch einmal: „Wir überlegen, das Anwesen neben ihnen dort drüben zu kaufen. Ich hätte gerne gewusst, mit welchen Problemen sie hier so täglich zu kämpfen haben?“

Da sah die Frau auf ihre Füße und sagte: „Während man gierig Dinge an sich nimmt, seine Macht vergrößert, kann man nicht zuhören, nicht wahrnehmen. Die Dinge, die man wissen sollte, erfährt man nicht.“

Esther hätte eigentlich gerne etwas über Probleme mit der Post oder dem Stromnetz gewusst. Wasser war nicht so wichtig, würde in dieser Region nicht wirklich ein Mangel sein. Sie blickte auf die Füße der Frau, die aussahen wie alte Wurzeln. Sie waren recht dunkel, und die Zehen krümmten sich schwarzblau übereinander. Erschreckend, wenn man damit gehen und arbeiten musste.

Es kam nichts weiter, kein Wort.

Als sie zurückkam, saß Ida auf einem Stein im Hof. „Wie geht’s dir mit dem Haus?“ fragte Esther.

„Ja“, sagte Ida still, „ich will es“. Das war ein Entschluss. Das war keine Frage. Die Würfel waren gefallen.

Esther kümmerte sich um den Ankauf. Man zog gleich ein, während noch die Badezimmer modernisiert wurden, und dann kam der Sommer. Man begann, sich häuslich einzurichten.

VORMITTAG, WOCHEN SPÄTER

Esther fragte sich gerade, ob sie wirklich in den Jahren alt geworden war. Vielleicht wurde sie tatsächlich eine frustrierte und eremitische alte Jungfrau? Die Vergangenheit kroch ihr gerade nach, zeigte sich wie ein schleimiges Gespenst auf Rachetour. Gottes Mühlen waren ganz langsam unterwegs, aber sie holten sie dennoch ein. Natürlich hatte sie immer das Beste gemeint, aber das sagen sie alle.

Vor ihr saß Gottes Strafe. Strafe für welche Vergehen? Für alle. Für jedes einzelne.

Da sprach ihr Gegenüber mit einschmeichelnder Stimme: „Nun ja, ein bisschen überreif bist du schließlich schon, es war schon wichtig, dass du dich hierher flüchtest in ein ruhiges Leben. Du warst immer der reife Typ. Es wäre vielleicht auch wichtig, dass du dich um einen Mann umsiehst.“

„…und sei er noch so schäbig“ vollendete Esther tapfer und voll Widerstand. Nein! Sie lief jetzt nicht zum nächsten Spiegel. Heute früh war es noch nicht so schlimm. Nur ein ganz kleines Viertelstündchen Pause mit einem Spiegel und einer Antifaltencreme. Und alles wäre wieder im Lot. Ihr fiel der schwarze Schnurrbart ein, den sie immer wieder harzen musste, und der kleine braune Fleck, der nach einem Sonnenbrand geblieben war.

Gerade da vernahm sie laut und deutlich die Worte „Warum du diese scheußlichen Vorhänge da hingehängt hast, ist mir ein Rätsel“. Die Stimme war in dem Moment nicht schmeichelnd. Eher scharf ging es weiter. „Gottseidank habe ich Zeit, ich werde mich um das hier kümmern“, meinte Tante Tina - Christina - entschlossen. „So ein großes Haus muss richtig geführt werden“, sagte sie abschließend und endgültig. Esther war starr vor Schreck. Sie hatte angenommen, das wäre ein Tagesbesuch. Die Panik krallte sich in ihr Herz. Was sollte sie tun??

Vielleicht hatte der kürzlich überstandene Schock, die Begegnung mit dem Tod sie mehr mitgenommen, als sie dachte. Ihre praktischen Fähigkeiten waren lahmgelegt, hatten sie verlassen, waren einfach weg. Sie verharrte im peinlichen Moment und war absolut hilflos. Ihr Körper war zugeschnürt, nicht das kleinste Wörtchen konnte über ihre Lippen piepsen und sie spürte, wie Abschiedsschmerz auf ihren Rücken kroch. Denn gestern noch hatte sie mit Ida glücklich festgestellt, dass es in ihrer Wiese hinter dem Haus Heuschrecken gab. Eine glückliche Wiese, zwei glückliche Kinder – aus der Traum?

Die Stimme neben ihr plante weiter. „Natürlich muss ich gutes Personal einstellen und den überflüssigen Mist hinauswerfen. Der Garten schaut schrecklich aus“, stellte Tante Tina fest, die dritte Schwester. Esthers Mutter war die älteste gewesen und Tante Ida war die Jüngste, und sie, die da vor Esther saß, war die Mittlere. Und sie wollte einziehen, sie wollte sich einfach einnisten und das Glück kaputt machen.

SPÄTER VORMITTAG

Esther hatte es geschafft, Tante Tina mit rauer Stimme ein Getränk anzubieten, und eilte in den Garten, Ida suchen. Sie konnte nicht rufen, das hätte vielleicht den Feind aus dem Haus geholt. Nicht, dass Ida eine Entscheidung treffen würde. Ida hatte Wünsche, aber Entscheidungen waren ihr fern. Sie war immer bereit, Esther alles zu überlassen. Aber sie, Esther, konnte nicht Tante Tina aus Idas Haus entfernen. Sie war hier Sekretärin und brauchte Berechtigungen. Es war zu erwarten, dass bei dem Gespräch mit Ida gar nichts herauskam, dass die so schnell wie möglich davonwollte, aber dann hatte sie es ihr immerhin mitgeteilt. Hatte Ida einbezogen, auch wenn sie den Drachen alleine bekämpfen musste.

„Ida!“, zischte sie ins Gebüsch, wo Ida gestern geschlafen hatte. Nein, leer. Im alten Stadel gab es einen Haufen Heu, den Ida so liebte. Sie ging außen um den Hof, damit sie nicht vom Zimmer gesehen wurde, und hörte, dass Tante Tina die Fenster öffnete. Die machten ein eigenes Geräusch.

Ida saß am alten Heuboden schaute über die Wiese und ließ die Beine baumeln. Sie lächelte, als sie Esther sah. „Das hier ist ein Zauberhaus. Hier gibt es Geister die lieben“, meinte sie von oben herab.

Esther bereitete es fast körperliche Schmerzen, Ida aus dem Zustand herauszuholen. Es war eine Gemeinheit, so etwas war verboten, aber was sollte sie tun.

„Ida, es ist ein Malheur passiert“, fing sie vorsichtig an.

„Will dich dein Chef zurück?“, fragte Ida entsetzt.

„Nein, viel schlimmer.“ Ida hatte sichtlich keine Idee, was schlimmer sein konnte.

„Tante Tina ist da.“

Ida dachte kurz nach. „Du könntest sagen, ich musste Vorhänge einkaufen und dann übernachte ich in Wien. Ja?“

„Das löst das Problem nicht. Sie will bleiben.“ Grabesstille. Ida schien das Ganze nicht gleich zu erfassen. Sie sah Esther mit schreckgeweiteten Augen an. Dann sagte sie ganz leise: „Das geht nicht.“

„Wir können aber nicht gut sagen, dass kein Platz ist.“

„Wieso weiß sie von dem Haus?“

„Hat wahrscheinlich in der Wohnung gefragt, und Ezra kennt sie ja nicht gut. Ich denke, man muss schon irgendetwas sagen. Man kann doch eine alte Dame nicht einfach stehen lassen oder rausschmeißen – ohne Erklärung.“

Ida sah wirklich beunruhigt aus. Sie begann, schusselig Sachen hin und her zu legen. Panische Blicke. Esther kannte das bei ihr. Sie hatte das früher oft bei ihr gesehen. Esther brach es fast das Herz. Das absolute Notlaufprogramm. „Ich werde versuchen, das für dich zu regeln. Aber ich muss das mit dir besprechen. Es ist dein Haus.“

Ida richtete sich auf. Sie kletterte vom Dachboden. Mit fest zusammengepressten Zähnen sagte sie: „Wo ist sie?“

„Im Zimmer. Ich habe sie ja nicht in die Küche setzen können“, meinte Esther verteidigend.

Die alte Dame saß ganz gemütlich im großen Sessel, hatte sich einen Schemel geholt und die Beine hochgelegt. Als die Türe aufging, meinte sie: „Habt ihr denn da kein wirklich kaltes Wasser, ich vertrage die Hitze so schlecht.“ Es fühlte sich tatsächlich erstaunlich warm im Zimmer an. Sonst war das Haus immer eisig. Im Ort nannten sie es das Eishaus. Aber heute war es in dem Raum wirklich sehr warm.

Da sah sie ihre andere Nichte. „Ah Ida, mein armes Kind.“ Sie wollte sie in die Arme schließen, aber die Eine schwitzte, die Andere war unwillig, und so gelang die Umarmung nicht.

„Warum, Tante Tina, möchtest du hier wohnen?“ Esther spürte, wie sich Idas Magen wölbte, als sie dem Stier an die Hörner ging.

„Nun, es ist doch selbstverständlich, dass ich mich um euch kümmere“, meinte der unerwünschte Besuch.

„Aber du hast doch deine schöne Wohnung.“

Ida schien sie in die Enge zu treiben. Esther war verblüfft.

„Ich versteh dich nicht, natürlich komme ich hierher.“

„Wieso natürlich?“ Idas Widerstand war jetzt deutlich, und Tante Tina konnte beim besten Willen nicht mehr so tun, als ob sie nichts bemerkt hätte.

„Nun, schließlich ist das auch mein Haus.“ Esther fand die Diskussion zermürbend. Wieso ihr Haus?

„Es ist kein Familiensitz. Wir sind keine Grafen“, meinte Ida still.

Da richtete sich die alte Dame auf. Sie war sehr böse. „Dieses Haus ist eigentlich mein Haus. Es gehört rechtmäßig mir. Ich war Aarons Verlobte, ich sollte ihn heiraten, als meine Schwester Ida kam und ihn mir wegnahm. Dank einer Gemeinheit und Dank eines Diebstahls sitzt ihr jetzt hier im Schloss und ich soll draußen an der Türe demütig pochen!“ Sie rauchte vor Zorn. Die Bilder der Vergangenheit schienen wie Doping zu wirken. Ida drehte sich wortlos am Absatz um und ging hinaus. Esther folgte.

„Was tun wir?“ fragte Esther. „Weiß nicht.“ Ida war wieder in der alten Rolle.

„Ich kann sie in deinem Namen rausschmeißen?“

„Das mit Vater stimmt. Ich weiß, dass es stimmt.“

„Ist das ein Argument, sich einzuladen?“

„Nicht wirklich, nein. Vielleicht hilft uns der aus dem ersten Stock?“

„Wer?“

„Wir wohnen hier ja nicht allein“, meinte Ida. Aber mehr wollte sie nicht erklären. Ida hatte, so schien es, Kontakt mit mystischen Wesen, die ihr Haus im 1. Stock bevölkerten.

AM NÄCHSTEN TAG

Tante Tina hielt Einzug. Sie war da und vorbei war es mit dem Frieden. Was vorher ein angenehmes Miteinander war, wo jeder tat und ließ, was ihm passte, wurde zum Hindernisrennen. Ausweichen, vermeiden, höflich ablehnen. Was in ihre eifrigen Finger kam, nahm Tante Tina in die Hand. Sie korrigierte und verbesserte, wahrscheinlich mit bestem Willen und trotzdem unerträglich. Ida verschwand zunehmend in der Landschaft. Und Esther war hilflos, sie war ja nur Sekretärin, konnte nichts durchsetzen. Keine Lösung in Sicht.

Esther überlegte laut, als sie mit Ida in der warmen Wiese saß, die Tante Tina noch nicht erobert hatte. „Wenn wir Ezra und die ganze Studentenpartie einladen… Ein Fest, sagen wir zum Abschluss der Arbeiten in der Wohnung, ein richtiges Fest, mit möglichst vielen und so als Urlaub einige Wochen. Laut, mit Musik bis spät in die Nacht. Vielleicht geht sie dann von allein.“

„Ezra soll Wolfgang mitbringen.“

„Wolfgang?“

„Er hat so schöne schwarze Haare am Rücken.“

Schwarze Haare am Rücken? Was für eine Beziehung hatte Ida zu Wolfgang? Esther hatte Wolfgang zwar sympathisch gefunden, aber seine kleinen Eigenheiten machten bei Freunden Probleme. Wo Wolfgang war, kamen Sachen abhanden. Nur in diesem Fall konnte man das vielleicht als Segen einsetzen. Wenn einmal da und dort etwas wegkam, war das doch für Tina vielleicht ein Grund, wieder zu fahren, oder? Auf jeden Fall fiel Esther im Moment keine bessere Lösung ein.

Sie sah besorgt auf Ida. Esther hatte gehofft, dass Ida in dem Haus wachsen würde, Wurzeln schlagen, sich ausbreiten, das war Esthers Programm für das sie ihr Leben aufgegeben hatte. Das war auch tatsächlich der Fall gewesen, in der Heuschreckenwiese – bis Tante Tina kam. Jetzt aber spürte sie bei Ida einen Schrumpfprozess. Im ständigen Versuch, Tante Tina zu entkommen, machte die nicht mehr die Dinge, die sie machen wollte, probierte nicht mehr aus, was sie probieren wollte. Ein Rückschritt! Ein absoluter Rückschritt. Genau das, was Esther seit Monaten beunruhigt hatte, war wieder da. Sie hatte wahrgenommen, dass Ida immer weniger lebte. Ein langsames Sterben der Seele hatte sie zutiefst erschreckt, als die alte Ida noch lebte. Bei lebendem Leibe gestorben, dachte Esther und spürte in den Worten die ganze Gefahr. Ida war in Gefahr, jetzt wieder, nach einer kurzen Phase des Aufblühens.

NACHMITTAG, ZWEI TAGE SPÄTER

Ezra fand es gut, seinen Studienkollegen und Helfern etwas anbieten zu können. Urlaub in einer der schönsten Gegenden Österreichs, nach einem wirklich gut bezahlten Job. Wolfgang lenkte den Kleinbus, es herrschte angenehme Stimmung. Sogar Edmund hatte sich kurz von den Sorgen der Welt lösen können. Er war zwar tieftraurig, wie immer, aber nicht hoffnungslos. Hubert und Jörg waren voll Erwartung, obwohl Hubert in letzter Zeit ein wenig unruhig gewirkt hatte. Hille schlief wahrscheinlich den Alkoholkonsum vom Vorabend aus. Sie fuhren in einer mutigen Kurve in den Jaidhof ein. Die Katze nahm den kurzen Weg übers Dach, Tante Tina blieb stehen.

Die Herren entstiegen dem Wagen, heiß und ein wenig zerknittert. In gemeinsamer Bewegung setzten sie die Trinkflaschen an.

„Meine Herrn! Was suchen sie hier?“ Tante Tina klang scharf und laut.

Ezra war von Esther mit heiserer, hektischer Stimme vor drei Tagen informiert worden. Die Panik hatte sie noch fest umschlungen und klang durchs Telefon. Sie stellte Ezra alle Seitenaspekte und alle Nebenwahrscheinlichkeiten vor, im heftigen Bemühen, einen Verbündeten zu rekrutieren. „Bitte, bitte kommt alle und bleibt hier, Wolfgang auch, und wir feiern viele Feste. Laute Feste. Und ihr benehmt euch daneben. Seid unmöglich, rücksichtslos, laut, lasst alle Hemmungen fallen! Unterlasst nichts, was euch einfällt und Freude macht.“

Er trat daher höflich, devot auf Tante Tina zu, zog im Geiste seinen Hut. „Liebe gnädige Frau, wir haben es geschafft, wir sind fertig. Wir haben tatsächlich die ungeheure Wohnung ausgeräumt, alles, bis aufs letzte Stückchen Papier. Und jetzt machen wir Urlaub hier, wie ja besprochen war. Wir freuen uns sehr. Hier ist es wirklich schön.“

Wolfgang war voll eingeweiht. Er räumte gerade sehr sichtbar zwei riesige Lautsprecher aus dem Bus. Sie hatten sie bei einem Studienfreund entliehen, der Tontechnik beim Festival in Wiesen machte. Das Ding war für Freiluftkonzerte mit etlichen tausend Besuchern geeignet und man sah es ihm an. Dann nahm Wolfgang Haltung an und fragte Ezra: „Glaubst du, sollen wir sie für heute Abend gleich draußen lassen oder soll ich sie inzwischen hineinstellen?“

Ezra dachte sichtbar nach. „Ich denke, es ist jetzt 14 Uhr. Wir fangen um 18 Uhr an und du musst das Ganze noch einrichten. Entschuldigen Sie, liebe gnädige Frau, das wird ein bisschen Lärm machen, aber wir brauchen zum Feiern Musik.“ Er wendete sich zu seinem Freund: „Lass die Anlage dort drüben, dort stört sie nicht.“ `Dort drüben´ war genau unter Tante Tinas Zimmer. „Dort kann die Anlage bleiben, das Wetter schaut gut aus.“

Da kam Esther mit strahlendem Lächeln auf ihn zu. Er mochte Esther, eine Liebe seit Kindertagen. Sie umarmten sich zärtlich. „Habt ihr es tatsächlich geschafft, die Wohnung auszuräumen. Ihr seid großartig. Eine echte Leistung. Tante Tina, ich glaube, du kennst Ezra. Ihr habt euch vielleicht in der Wohnung gesehen, als du dort warst.“, meinte sie hintergründig. „Die alle haben die Arbeit des Herkules vollbracht. Das muss gefeiert werden.“

Scharf und zornig kam die Antwort. „Ich weiß, dass meine Schwester einen Dreckstall beinander hatte, aber ich weiß nicht, was daran gefeiert werden muss, einen anderen Menschen von der Welt zu löschen.“ Sie drehte sich um und ging ins Haus.

Alle standen wortlos im Kreis. Ezra streichelte Esther fürsorglich über die Hand. Sie wirkte erschrocken, hilflos und vom schlechten Gewissen gewürgt. „Gibt’s was zum Essen?“, fragte er zärtlich. Sie schreckte aus ihren dunklen Wolken. „Ja gleich. Alles bereit.“ Keine Frage, man konnte sich darauf freuen.

Da kamen seltsame Töne aus den Riesenlautsprechern, quietschende surrende Versprechen für den Abend. Im Augenblick war es für alle Ohren eher unerfreulich. Der Ton nahm an Fülle zu, flaute dann wieder ab, fuhr Achterbahn. Rhythmisches Klopfen und dann Gabel auf Teller hundertfach verstärkt. Wolfgang drehte die Höllengeräusche herunter und kam mit einem Mikro an. „Kommt, singt mir ein Liedchen für den Pegel.“ Edmund, der Dichter, sah das Mikrofon tieftraurig an. So tieftraurig wie am Ende der Welt. „Nein“, meinte er mit Grabesstimme, „Absolut nein, ich singe kein Liedchen.“

„Dann sag halt etwas, irgendwas, sag wie du heißt und ihr auch. Ich brauch das.“