2,99 €
Eine junge Künstlerin erbt ein großes, wertvolles Grundstück, auf dem eine alte Fabrik und eine alte Gärtnerei stehen. Was tut sie damit? Soll sie es einfach verkaufen? Geld auf der Bank dient auch nur dazu, etwas Großartiges, Wundervolles damit tun zu können. Während sie überlegt, geht sie durch den Garten und findet einen wunderschönen Fluss und einen mystischen Ort im alten Glashaus, wo ein Spiegel zugemauert wurde. Warum? Warum mauert einer einen so großen Spiegel zu?
Sie möchte diesen Ort behalten, wieder zum Leben erwecken. So überlegt sie, das Vorhandene in Wohnungen umzubauen, und stellt sich vor, dass eine glückliche Wohngemeinschaft entstehen wird, in der sie leben und arbeiten kann. Darum bittet sie einen Freund, ihr zu helfen. Und so kommt Ezra mit Wolfgang, der - schwer verletzt nach einem Schusswechsel in Jordanien - wieder auf die Beine kommen soll.
Einige Wohnungen sind bald fertig und sehr unterschiedliche Menschen ziehen ein. Es entsteht Spannung. Wilde Gerüchte verstärken die Bedrohung. Gibt es ein Tor, wo Tote auferstehen? Sind Vampire unterwegs? Jemand hat nach seinem Tod ein Kind gezeugt, weil man ihn mit frischem Blut abgefüllt hat. Schließlich findet das Ganze ein Ende in einem fürchterlichen Mord. Was für eine Rolle spielte der Spiegel dabei? Was kann ein Spiegel tun?
Narziss erkennt sich selbst nicht…
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
VAMPIR IM SPIEGEL
MITTAG, DREI MONATE SPÄTER
AM NÄCHSTEN TAG
ABEND
SPÄTERER ABEND
VORMITTAG EINES NÄCHSTEN TAGES
SPÄTER VORMITTAG IM MAI
SPÄTER VORMITTAG IM MAI
MITTAG
AN EINEM NACHMITTAG IM SPÄTEN MAI
MITTAG IM FRÜHEN JUNI
AM NÄCHSTEN TAG
AM GLEICHEN TAG
ZUR GLEICHEN ZEIT
NACHMITTAG
EIN TAG IM JUNI AM VORMITTAG
FRÜHER NACHMITTAG
NACHMITTAG
SPÄTER VORMITTAG
FRÜHER NACHMITTAG
SPÄTER MORGEN
SPÄTER ABEND
EIN MORGEN IM AUGUST
EINIGE TAGE SPÄTER
AM TAG DARAUF
MITTAG
AN EINEM NACHMITTAG IM SPÄTEN AUGUST
SPÄTER VORMITTAG
SPÄTER
DREI TAGE SPÄTER
NACHTS ZWEI TAGE SPÄTER, ENDE SEPTEMBER
AM SELBEN TAG
AM SELBEN TAG
EIN WENIG SPÄTER
KURZ VOR MITTAG
KURZ DARAUF
EINE ZEIT SPÄTER
Sie nannte sich Devora – Biene.
Das war ein Künstlername. Fleißig war sie ja, und sozial und…
Jetzt stand sie zum dritten Mal vor dem alten Tor. Teilweise war Efeu durch die verrosteten Eisensprossen gewachsen. Es war einmal ein schönes Tor gewesen, ein persönliches Tor. Extra angefertigt für das Anwesen. Es quietsche inzwischen und ließ sich nur ruckweise aufschieben, das wusste sie vom letzten Mal.
Gott, wenn sie sich doch mit Entscheidungen leichter täte. Ihre Mutter war da weit unkomplizierter gewesen. Einfach alles wegschmeißen, was nicht sofort von praktischem Nutzen war... Aber sie würde das nie tun. Devora war ein sehr achtsamer Mensch.
Sie öffnete das Tor langsam, sodass der Efeu um die Scharniere nicht beschädigt wurde. An den Blättern glitzerte Raureif. Es war sehr kalt. Der Kiesweg führte über die Wiese und war nur mehr schwach zu sehen, teilweise mit Gras bewachsen. Die Häuser blickten sie mit einem gewissen Stolz an, waren einst Existenz für die Familie gewesen. Eine Textilfabrik und eine Gärtnerei.
Wer hat schon eine Textilfabrik und eine Gärtnerei auf einem Gelände? Aber das hatte sich so ergeben. - Einfach so, denn der eine Bruder wollte Stoffe produzieren und der andere Kräuter oder sowas. Jetzt war der mit den Stoffen gestorben und der mit der Gärtnerei war schon lange nicht mehr. Sie hatte keinen Kontakt gehabt. Sie wusste nur: Die Brüder ihrer Mutter waren fleißige Leute gewesen, tüchtig auf eine bodenständige Art, das hatte ihre Mutter erzählt. Sie hatten das Anwesen gut genutzt. Aber jetzt waren nur mehr die Reste ihres Fleißes übrig. In der Stofffabrik lagen noch einige Rollen hellblauer Frotteestoff auf dem Boden und die Gärtnerei hatte sie noch gar nicht besichtigt.
Sie, das einzige und letzte Kind einer großen, stolzen Familie stand in den Hallen der Familienburg und hatte Probleme mit einer klaren Ansage: Was tust du damit? Die Frage quälte sie. Die Burg der Väter einfach verhökern? Einfach Geld auf die Bank? Geld auf der Bank war eine schöne Sache, aber es war Mittel zum Zweck, es war nicht selbst kostbar. Geld auf der Bank würde dazu dienen, etwas Großartiges zu machen. Sie sollte also diese Burg der Väter auf den Markt werfen, um etwas Großartiges mit dem Geld zu machen? Was Großartiges?
Das Hirn blieb dunkel und stumm. Sie wanderte durch die einstige Produktionshalle mit großen unterteilten Fabrikfenstern und abgeblättertem Verputz an der Wand. Helle und dunklere Flecke bildeten eine Fläche – ein Bild. Als Kind hatte sie immer versucht, Menschen und Tiere in solchen Wänden zu erkennen. Wenn man lange hinsah, wurden die Flecken zu Gesichtern und Pferdeköpfen und allem Möglichen… Dort oben sah ein blasser Engel aus seinen Flügeln, wie einer, der aus einem Federfenster schaut.
Die Türen waren fest und solide wie die Wand, hatten aber auch ihre Farbe an den meisten Stellen verloren. Das war kein Problem, sie müssten nur abgeschliffen und gestrichen werden. Die Türen waren kein Billigtand, sondern volles Holz…
Sie hatte ihre beiden Onkel nicht gekannt, weil sie in Italien aufgewachsen war. Nur die Mutter hatte immer wieder von den beiden erzählt. Zwei Eigenbrötler – ein wenig seltsam. Vielleicht ziemlich seltsam? Nicht verheiratet, keine Kinder. Hatte sie zwei schwule Onkels gehabt? Der eine bezeichnete sich selbst als Mystiker, was immer das auch sein sollte.
Hatte er Geister beschworen? Sie dachte an Séancen, wo sich Wesen aus weißem Schleim formten, die dann mit rauer Stimme Geheimnisse preisgaben, die keiner wissen konnte. Mit diesen Geheimnissen bewiesen sie die Echtheit ihrer Existenz. In weiße Tücher gehüllt kamen sie aus dem Jenseits und wussten mehr über die Lebenden als diese selbst. Vielleicht mehr, als denen lieb war?
Was wäre gewesen, wenn sie zwischen diesen Wänden aufgewachsen wäre? Hätte das da eine gute Heimat abgegeben? Sie fühlte in den Verputz hinein. Vernünftige, massive Mauern, bodenständiger, erdiger Wohlstand. Eigentlich eine gute Welt. Sie ging die Treppe hinauf. Oben waren die Büroräume gewesen. Inzwischen auch abgeblätterter Verputz und nackte Betonböden. Die Räume waren hoch, höher als der Wohnraum in üblichen Wohnungen. Es gab mehrere Feuchträume. Vielleicht einst Waschgelegenheiten fürs Personal…
Sie wanderte hinunter – das Gebäude war riesig. Das Ganze würde aber in diesem Zustand nicht günstig zu verkaufen sein, würde nicht optimal Geld bringen. Sie würde für die alten Gebäude den Grundstückspreis bekommen, nicht mehr. Das war auch eine schöne Stange Geld, so nahe an der Kurstadt, aber eben nicht das meistmögliche Geld…
Sie wanderte hinaus auf die Wiese, die sich rund um die beiden Häuser erstreckte. Die Wiese war noch irgendwann gemäht worden, war jetzt halbhoch. Ein kleiner, roter Mähtraktor stand hinter einer Ecke in einem Unterstand – vielleicht ein Restbestand noch von der Gärtnerei? Sie ging am Glashaus entlang und sah, dass einige Scheiben herausgefallen waren. Die Rahmen waren schön geformt, nicht einfach nur gerader Zweck. Gedrehte und gewundene Metallteile, die einst das Glas gestützt hatten, ragten jetzt teilweise leer in den Himmel.
Sie wanderte über die Wiese auf Bäume zu, die sie in der Ferne erkennen konnte. Die Wiese wölbte sich sanft und war sehr groß. Die grünen Kronen in der Ferne bildeten einen kleinen Mischwald. Einige Gruppen Wildrosenbüsche waren Vorhut in der Wiese. In der Ferne sah sie eine riesige, alte Buche und dann begannen andere große, alte Gewächse aus längst vergangenen Tagen. Sie wuchsen einen Hang hinunter und am Grunde war ein Fluss. Ein naturbelassenes Stück Wasser, das sich durch den Boden schlängelte. Es bildete kleine Katarakte zwischen Steinen und ab und an einen ruhigen See. Es war wunderschön.
Sie folgte dem Fluss. An einer Stelle ein Stück weiter war dann ein Eisengitter in die Mauer eingelassen, die das Grundstück umgab. Ab da gehörte der Fluss anderen Leuten, aber das Stück durch den Wald und über Wiese war ihres. Sie besaß ein Stück kostbaren Fluss…
Sie musste zu einer Entscheidung kommen, was mit dem Ganzen tun. Auf der Bank war nicht viel Geld. Ein bisschen etwas schon, aber das reichte nicht so weit, dass sie das Ganze auf Jahre erhalten konnte. Und ihre berufliche Situation als Künstlerin war unbeständig. Mal gab´s Geld und mal keines. Das hatte schon zu Krisen geführt und dann war wieder ein Geldschwung angekommen… Dann wieder Not. Nichts Verlässliches also...
Sie ging in die Gärtnerei. Dort gab es auch eine Halle, ein bisschen kleiner als die von der Textilfabrik. Da stand noch eine lange Reihe Holztische. Feste, schwere Tische, auf denen einst gearbeitet wurde, vielleicht Pflanzen oder Samen in kleine Töpfe gedrückt - und eine Türe führte in einen Gang. Weitere Türen gab es in dem Korridor. Eine führte in ein Büro, ein heller Raum mit Schreibtischen – zwei Stück, Altware mit Rollläden. Sie standen da mit vollen Laden wie in Erwartung. Erwartung wovon? Was wollten die Schreibtische von ihr? Es kam ihr vor, als wollten sie arbeiten, aber keiner gab Anweisungen. Sie wirkten frustriert und ein wenig trotzig. Sie war jetzt die Herrin dieser Schreibtische, konnte aber die Erwartungen im Moment nicht erfüllen – wie auch?
Zwei weitere Türen führten irgendwo hin. Geradeaus sah sie ein helles Treppenhaus. Sie wanderte nach oben ins Licht - der Aufstieg zur Sonne. Im ersten Stock stand sie vor einer Glastüre zu einer riesigen Terrasse. Prächtig, feudal dachte sie und blickte über den Garten. Dort oben hatte ihr Onkel offenbar zuletzt gewohnt, denn zwei Zimmer waren eingerichtet. Sie ging hinein, um ihn zu begrüßen – so fühlte sie es, obwohl er ja nicht mehr da war. Sie wollte ihm Ehre erweisen. Er hatte ihr immerhin das Grundstück vermacht – ihr, seiner kleinen Nichte aus Italien. Die Räume hatten etwas düster Mächtiges. Dunkle Täfelungen an der Wand und schwere Vorhänge aus irgendeinem dunklen, kostbaren Material. Zwei sehr große Räume schlossen sich aneinander und im ersten war ein riesiges Bett. Der zweite Raum war nur durch den ersten zu erreichen. Seltsam, dass man durchs Schlafzimmer musste um das Wohnzimmer zu erreichen. Aber war das überhaupt ein Wohnzimmer? Sie schaute um sich: Es gab sehr viele Waagen dort in diesem Raum, große, kleine und ganz kleine aus Kupfer, Messing und schwarzem Metall. Auch sehr große Exemplare standen an der Wand, alle analog. Kein elektronisches Ding. Die eine war so groß, dass ein ganzer Mensch draufspringen konnte. Devora dachte an eine Geschichte aus den Hexenprozessen: Damals wogen sie der Hexerei Verdächtigte gegen eine mächtige Bibel auf…
Und dann gab es noch eine Menge großer, bauchiger Flaschen und einige davon standen zwischen den Waagen auf einem sehr langen Tisch aus glänzend rötlichem Holz. An der Wand hing ein gestickter Teppich. Devora ging näher. Er war aus dünnen goldenen Metallfäden gewebt und die Stickerei war dunkelrot mit braunen Flecken – es sah tatsächlich aus wie Blut. Wessen Blut klebte an diesem Kunstwerk? Wie war es dorthin gekommen? Später würde sie genau schauen…
Nur diese beiden Zimmer waren am Schluss bewohnt gewesen. Es gab noch einige weitere sehr große, helle Räume in dem Geschoß mit dem üblichen nackten Betonboden und der Wand, an der sich Bilder entblätterten… Ein schöner Ort zum Wohnen. Eine Weile sah sie über die helle Terrasse. Dann löste sie sich und ging nach unten die letzten beiden Türen öffnen. Hinter der ersten fand sie ein sehr großes Badezimmer und die andere führte ins Glashaus. Ein Dom aus gewundenen Metallteilen hatte durch den Verlust der Gläser Regen ins Innere gelassen. In den Jahren, seit es die Gärtnerei nicht mehr gab, hatten sich wilde Pflanzen angesiedelt, vom Himmel gesät und durch die Löcher angefeuchtet. Sie wucherten in einer dumpf-grünen Welt. In der Mitte war ein sehr großes betoniertes Wasserbecken, in dem schwamm eine undurchsichtige, grüne Brühe, grün von Algen, wie ein Waldgeist es liebt… Eine eigenartig romantische Landschaft schlief hier und würde von Elfen zum Leben erweckt werden. Oder vielleicht von dunklen Gestalten, Geschwistern des Todes, die aus dem Moder kamen? Denn es roch feucht und auch nach Zerfall und Auflösung. Ein Ort der Wiedergeburt, eine Ursuppe, in der etwas Neues reifen konnte, sich ablösen und ein eigenes Leben beginnen. Fruchtbarkeit nach dem Tod? Vielleicht wohnte hier ein unbekanntes Geschöpf und sie konnte es bloß nicht sehen? Sie stand am Rande des Wasserbeckens, gefangen in einer Sage, in einem Märchen. War sie selbst vielleicht die Elfe oder das dunkle Wesen, das diesen Ort wieder lebendig werden ließ und seine Geschichte neu schrieb?
Zum Haus hin gab es eine relativ weiße Wand, also wohl später aufgezogen als die anderen. Aber trotzdem war schon ein Teil herausgebrochen…
Was war das? Sie ging hin, um genau zu schauen. Sie holte sich einen Sessel aus dem alten Büro und stieg hinauf. Hinter dem Verputz war ein Spiegel.
Wer verputzt einen Spiegel?
Wer will sein Bild nicht mehr sehen? Ein Ausbruch von Wut? Eine große, weiße Fläche und dahinter zugeschmiert das Gesicht?
Wenn er die ganze Wand bedeckte, musste da ein sehr großer Spiegel gewesen sein…
Devora war gerade mit einer Spachtel dabei, eine Wand abzukratzen. Eine Arbeit, die ihr Freude machte. Sie war von feinem, hellem Staub bedeckt und sie fühlte sich in einem Kokon von Arbeit eingeschlossen, wie eine Larve, aus der schließlich ein Schmetterling schlüpfen sollte. Unter der Schicht entwickelten sich neue Gedanken. - Natürlich herrschte noch nicht Klarheit. Wusste ein Schmetterling denn in seiner Puppe, ob er braun oder hellblau werden wollte, ob er gelbe oder schwarze Augen auf den Flügeln entwickeln würde? Nein, wusste er nicht.
Neben ihr stand ein Farbkübel – einfach weiß. Weiß war immer ein guter Anfang – es konnte alles daraus werden. Weiß war das Nichts, der Ausgangspunkt für Farbe. Die Leere, wo alles begann, genau richtig in diesem Moment… Die inzwischen abgeschabte Wand reichte von einem Augenwinkel zum anderen. Man konnte sie bemalen. Platz für eine neue „Guernica“. Aber sie war nicht Picasso. Das Weiß würde zuerst einmal weiß bleiben. – Da hörte sie ein Auto. Ezra war schon da?
Langsam ging sie vor das Gebäude.
Ezra war ausgestiegen und kam auf sie zu. „Muss ich die Maske aufsetzten?“
„ Ach hör auf, wir sind im Freien!“
„ Ich habe dir ja schon kurz gesagt wie das mit Wolfgang ist.“
„ Ja natürlich, …“
„ Schusswechsel in Jordanien. Er hat was abgekriegt, ziemlich viel, und er ist stinksauer. Du musst geduldig mit ihm sein und nichts auf die Waage legen. Es ist nicht klar, ob alles wieder ausheilt.“
„ Das ist hart für ihn. - Das mit Wolfgang kriegen wir schon gemeinsam hin… Ich bin ja so froh, dass du mir hilfst.“ Devora steuerte auf das Auto zu, in dem der zweite Mann sitzen geblieben war. Ezra legte ihr die Hand auf den Arm: „Nein, nicht. Er spricht heute nicht, hat er gesagt.“
Devora war verwundert. „Wie bekommen wir ihn dann in sein Zimmer?“
„ Er steigt aus und geht, aber er spricht nicht…“
„ Ich verstehe. Ich habe euch über der Gärtnerei zwei Zimmer neben mir hergerichtet. Ich wohne, wo mein Onkel zuletzt gewohnt hat.“ Sie führte Ezra in den Hof und zu dem Bereich der Gärtnerei.
Im ersten Stock hatte sie neben den zuletzt bewohnten Räumen zwei Zimmer weiß gestrichen und mit verschlafenen Möbeln aus dem Flohmarkt und von Willhaben eingerichtet. Spartanisch, aber brauchbar. In jedem Zimmer stand ein Bett. Eines war aus Messing. Das hatte ihr gut gefallen, aber war ziemlich wacklig. Das gestand sie. Ezra lachte: „Ich glaube, das werde besser ich verwenden. Wolfgang wiegt fast doppelt so viel.“
Die Räume waren sehr hell und freundlich geworden und waren wirklich groß. Einige bunte Pölster erzeugten Farbtupfer und versprachen Bequemlichkeit. „Kann er Treppen steigen?“ Devoras Planungssystem war aktiv. - Konnte sie für Ezras Freund ein Zimmer im Untergeschoß in nur einigen Stunden bereitstellen? War das möglich? Sie hatte sich zu wenig überlegt, was für Behinderungen er mitbrachte und wie sie damit umgehen konnte…
„ Ja, er geht ganz normal. Wahrscheinlich tut ihm noch was weh. Aber der eine Stock ist ein gutes Training. Eher ist das Problem, dass er ein unruhiger Geist ist. Er ist sonst ständig in Betrieb und die verordnete Ruhe ist nicht gut. Er braucht Beschäftigung und das geht im Moment nicht.“
„ Was soll ich ihm denn in sein Zimmer stellen, damit es ihm gut geht?“
„ Gar nichts. Er ist im Moment wie ein übellauniger Dachs, der keinen Besuch verträgt. Er braucht eine Höhle und muss schlechte Laune verbreiten dürfen.“
Sie standen vor dem Zimmer, das in diesem Augenblick für Wolfgang bestimmt wurde. Ein heller Raum mit Zugang zur Terrasse. Sie hatte ihre Geldbörse belastet, indem sie einige prachtvolle Keramik-Töpfe in Form von Tieren hingestellt hatte, und bepflanzt. Billige Tische und Sessel hatte sie noch nicht gefunden. Aber die Terrasse hatte dank der Keramik den Charakter eines weit vornehmeren, fast schlossartigen Heimes angenommen. Ein Renaissance-Palast empfing seine Gäste.
Wolfgang war ausgestiegen und ein Stück über die Wiese gegangen. Ezra und Devora räumten das Gepäck hinauf. Die Taschen verloren sich in den großen Räumen. Und Devora zeigte mit Stolz die Badezimmer. Sie hatte einen Großteil des Geldes verwendet, um alle vorhandenen Badezimmer zu teilen und neu zu organisieren. Der Installateur im Ort war Träger dieser Umbauten, absolut notwendig und unvermeidbar. Nach Tagen und Wochen mühevoller, sorgfältiger Planung hatten sie es geschafft, ein System zu entwickeln, wo immer zwei, maximal drei Räume mit einem Bad verbunden waren. Neue Bäder wären viel zu teuer geworden. Sie verplante die alten Installationen, die alten Zu- und Abläufe. Vor allem die Kanalanschlüsse wären eine teure Angelegenheit, wenn man sie neu erschaffen musste. Eine Umverteilung war daher unvermeidlich. Die Arbeitshallen sollten durch Mauern unterteilt werden, sodass neue Einheiten entstanden. Ein gefinkeltes System von Zwischenwänden war geplant und machte es möglich, dass aus dem ganzen Komplex auf diese Art eine Reihe von Wohnungen wurde. Die Dächer waren Gott sei Dank noch dicht. Aber einige Wände musste Devora neu aufstellen. Wie sie hoffte, mit Ezras Hilfe. Der Mann konnte alles, dachte sie glücklich, und er war sich für nichts zu schade und er würde mit planen helfen – eine wundervolle Hoffnung. Rücksprache halten zu können in dieser schwierigen Phase der Entwicklung war wohltuend, bestärkend, einfach großartig. Jemanden an der Seite zu haben, der mit ihr dachte, war der Himmel auf Erden.
Sie kannte ihn vom Studium. Ezra, der Sohn zweier Mütter mit seinen vier Studien und dem Leben mit immer wechselnden Jobs, versprach eine echte Unterstützung zu sein. Und so hatte sie einen Hilferuf gesendet: „Kannst du? Hast du Zeit für mich?“ Ezras Antwort kam schnell. Er hätte einen stark beschädigten Freund zu versorgen, das träfe sich gut. Und so waren die beiden gekommen.
Das alles spielte sich Anfang März ab. Die ersten Blumen standen in der großen Wiese. In dem kleinen Wäldchen beim Fluss roch es nach Knoblauch. Der Boden war von weißlichen Blüten überzogen – Bärlauch-Brot! Und die Hoffnung auf eine wunderschöne, glückliche Gemeinschaft stand im Raum…
MONATE SPÄTER IM OKTOBER WAR EINE NEUE ZEIT ANGEBROCHEN, NACH MONATEN HARTER ARBEIT HATTE DIE FABRIK EIN NEUES GESICHT, ABER DAS MIT DER GEMEINSCHAFT WAR NICHT GELUNGEN
Devora stand im Oktober im Glashaus. Draußen begannen sich die Blätter zu verfärben – rot und goldgelb. Sie hatte einen neuen Zeitmantel umgehängt. In den vergangenen Monaten hatte sie ihre Pläne zwar verwirklicht aber es gab Probleme. Die alte Fabrik stand verändert da. Es waren Leute eingezogen, die eine Gemeinschaft bilden sollten.
Es gab Spannungen.
Immer deutlicher hatten sich Konflikte abgezeichnet. Diese Konflikte hatten an Schärfe und Gefährlichkeit zugenommen, sodass es immer beängstigender wurde. Die Auseinandersetzungen hatten leise und harmlos begonnen und dann hatte der eine oder andere eine Grenze überschritten. Auf der einen Seite war noch kleinliche Streiterei, auf der anderen Seite waren Angst, Neid, Wut, Eifersucht und schließlich Hass. Devora hatte immer wieder hilflos, ohnmächtig zuschauen müssen. Nun war sie zu ihrem Spiegel gekommen, um ihn zu befragen. Er war mächtig, wusste mehr als sie und gleichzeitig war er ihre neutrale Instanz, die ihr Antwort auf die Fragen geben würde, die Freunde nicht beantworten konnten. Er war ihr weiser Geistheiler, der wusste, was sonst keiner wissen konnte. Sie stand vor ihm, hinter ihm die Wand, in der er einst verborgen war. Er war nun freigelegt und sie war zu ihm gestürmt, um einen Dialog mit ihm zu führen. Nicht wie Schneewittchens Mutter – nein. Schönheit war nicht ihr Thema. Sie wollte, dass er ihr die Wahrheit sagen sollte. Die Wahrheit über sie selbst war das Thema. Sie blickte in sein noch immer bewölktes Glas und wollte in ihrem eigenen Gesicht lesen. Sie wollte ihr Gesicht neutral beurteilen lassen, um eine wesentliche Frage zu beantworten. Sie blickte also in die Glaswolken und sah etwas Grauenhaftes. Hinter ihr lag das Entsetzen.
Am Vortag erst hatte Sie den Spiegel gänzlich vom Verputz befreit, die letzten weißen Reste abgeschabt. Die Neugier hatte sie vorangetrieben. Immer war dieser Spiegel in ihrem Hinterkopf herumgegeistert. Der Spiegel in einer Wand, was genau konnte er, was bewirkte er? Er verfügte über ungewöhnliche Kräfte. Das war klar. Das hatte sich in der Geschichte bewiesen. Welche Kräfte genau? Einmal schon hatte sie selbst seine seltsamen Fähigkeiten erlebt. Einmal hatte er so etwas wie Macht bewiesen…
Sie hatte eine Fläche von vielleicht eineinhalb Quadratmetern noch freizulegen gehabt und die Reste vom Verputz Stück für Stück vorsichtig entfernt, mit feinen Geräten wie ein Restaurator. Und dann hatte sie den Schlick abgewaschen, um sehen zu können. Lange Zeit hatte sie das Glas noch nicht wirklich befragen können, aber dennoch immer wieder versucht, wie der Spiegel auf sie reagieren würde. Vor einigen Wochen hatte sie dann Erfahrungen mit ihm gesammelt, seltsame Erfahrungen. Damals waren noch große Stücke bedeckt gewesen. Trotzdem hatte er geantwortet. Er hatte ihr eine Antwort gegeben, die sie nicht deuten konnte. Aus der Familiengeschichte hatte sie auch etwas gelernt. Er war gefährlich, ja war er. Aber vieles wusste sie nicht. Wie konnte man mit ihm umgehen, wie mit ihm verkehren, um seine wundersamen Kräfte ohne Gefahr zu nutzen? Würde er ihr Gesicht verschlucken, sobald er es ganz sehen konnte? War er vielleicht ein Übergang, Brücke für Tote vielleicht in Kostümen, die zurück wollen aus der Nacht? Würden die in der Ferne erscheinen, sobald man sehen konnte, und auf sie zulaufen wie eine bunte Zirkustruppe?
Oder stärkte er Wesen, die im Sumpf nebenan geboren wurden und nachts heimlich an Land schlichen? Die Frage hatte sie sich schon damals gestellt, als der Spiegel zum ersten Mal reagierte.
Sie fühlte ihn immer wieder mit ihren Fingerspitzen, seine gläserne Kälte und Glätte: Er ist kalt wie ein Reptil, dachte sie. Ist er weiblich? Sind Spiegel im Allgemeinen weiblich oder doch eher männlich, sind sie Voyeure? Wie ein fremder Gast im Haus oder doch vielleicht Gesprächspartner stand er nun da, nackt, seit er freigelegt war, und wieder vollständig. Würde er sprechen? Viel wichtiger: Würde er diesmal wieder antworten? Einmal schon hatte sie eine sehr erschütternde Antwort bekommen. Einmal schon hatte sie durch ihn etwas erfahren, was sie vorher nicht gekannt hatte. Da war er noch nicht ganz befreit gewesen, noch nicht vollständig. Vielleicht auch noch nicht im Vollbesitz aller Kräfte?
Was bedeutete es, dass sie ihn aus der Wand geholt hatte? Wie sah er sie jetzt? Wer war sie für ihn? Konnte er vielleicht auch Ebenbilder erschaffen? Ebenbilder, über die er dann Macht hat. Er schuf vielleicht Zombie-Doppelgänger, die immer lächelten? Flach wohl, weil man sich ja nur von vorne sah, wenn man in den Spiegel lächelte… Und er schickte die dann vielleicht aus – was zu tun? Und der Gedanke führte zu der wichtigsten Frage nach ihr selbst, die Frage, wegen der sie gekommen war: War sie normal? Funktionierte sie richtig? War sie ein Zombie-Doppelgänger ihrer Mutter?
Das waren Fragen, die ihre Besuche beim Spiegel notwendig machten. Keine neuen Fragen, sondern alte, Monate alte. Sie war jetzt im Oktober wiedergekommen, um ihn zu treffen, weil er jetzt im Vollbesitz seiner Kräfte war, nackt und gereinigt. Sie wollte ihn befragen, ihn, die neutrale Instanz, die nur Wahrheit sagen konnte, - nicht Partei, ohne Eigeninteresse - und… Das, was da war, war blankes Entsetzen. Sie drehte sich abrupt um und da war es! Vor ihr in dem grünen Dschungel mit dem Kopf Richtung Becken lag jetzt ein zerstörter Mensch. Blut überall und dunkle Male, wo man die Haut sehen konnte. Ein Mehrfach-Mord an einer Person. Wut, Ausrasten, Gewalt und Panik… Kleine blutige Knochenstücke klebten neben ihr, - sah sie erst jetzt. Sie drehte sich in ihrem Entsetzen zum Spiegel zurück und stellte den Spaten weg, den sie noch in der Hand hatte. Hatte er Schuld an dem allen? Wie war er beteiligt? Die schräge Nachmittagssonne zeichnete Muster auf dem nun freigelegten Glas – ein Reptil mit Flecken. Ein Tier, das sich unsichtbar machen wollte, indem es in der Wand verschwand, und hinter der Haut glommen kleine Punkte. Sie hatte das vorher noch nicht gesehen…
RÜCKBLICK: WAS WAR GESCHEHEN IN DER ZEIT VON EZRAS ANKUNFT BIS ZU DEM MOMENT, IN DEM DEVORA DEM ENTSETZLICHEN GEGENÜBERSTEHT? WIE WAR ES ZU DEM MORD GEKOMMEN ZWISCHEN MÄRZ UND OKTOBER?
Devora dachte zurück an den Anfang, an den Beginn im März.
Auf ihr Inserat waren Anrufe gekommen: Ja, sie wollten eine Wohnung, wollten schauen. Und Personen kamen, besichtigten und sie war voll rosiger Träume gewesen. Das Projekt hatte sie gefangen und beschäftigte sie jeden Tag und jede Nacht. Ihre Fantasien sahen eine glückliche Gemeinschaft, die sich in den Wohnungen, die da entstanden, gut finanzierte. Und sie selbst kümmerte sich um den Garten und konnte Kunst machen ohne Druck, ohne die Belastung, einem Publikum nach dem Mund zu reden, nie mehr malen, was die anderen wollten, damit man es verkaufen konnte. Sie sah sich damals souverän, selbstständig und ohne die Arbeiten liefern zu müssen, die Geld bringen sollten, Geld um zu leben. Frei nur der Kunst verpflichtet. Eine schöne, kreative, friedliche Welt entwickelte sich vor ihrem inneren Auge…
Die erste kalte Dusche für ihre Seele kam, als Arad anreiste. Er war ein großer Mann und kam mit einer Entourage von kleinen, kleinen Menschen, die sich dicht um ihn versammelten. Leibwächter? Aber so viele? Und alle einen Kopf kleiner als er? Er kam aus irgendeinem der Ölländer im Osten in einem riesenlangen Auto, aus dem die kleinen, kleinen Menschen quollen, bis er sich schließlich daraus erhob. Dann blieb er vor dem Gebäude stehen, schaute es angewidert an und sagte etwas zu dem in lange Kleider Gehüllten neben ihm. Devora stand dort zum freundlichen Empfang bereit. Ohne sie zu beachten, schritt er auf den Eingang zu. Ein weiß Gekleideter eilte heran und öffnete die Türe. Sie war frisch gestrichen und hatte noch Papier an der Schnalle, auf dem „Frisch gestrichen“ stand. Der weiß Gekleidete versuchte, seine Hand heimlich zu reinigen. Der Lack klebte und das Taschentuch klebte im Lack. Er zupfte es von seinem Daumen, jetzt klebte es an der anderen Hand. Arad schritt mit großen weit ausholenden Beinen durch den Gang und deutete auf eine Türe. Ein anderer von seinen Begleitern eilte, die Türe aufzumachen. Dahinter war der große Raum, der früher Werkstätte war. Devora war sehr stolz, weil es ihr gelungen war, diesen Raum in eine Wohnküche-Essraum-Wohnzimmer-Kombination zu verwandeln, mit großen, hellen Fenstern und einer breiten Türe in den Garten, die zum Glashaus blickte. Es gab dazu noch ein Schlafzimmer und ein Bad und eine kleine Kammer, leider ohne Fenster. Aber Devora fand, dass es eine schöne, gelungene Wohnung war rund um diesen riesigen, sonnigen Raum.
Arad machte eine abfällige Handbewegung, drehte sich um und ging über den Gang zur Türe gegenüber. Er blieb stehen und die Türe wurde geöffnet. Devora hatte ein Gefühl von heißer Säure, die aus dem Magenraum nach oben kam. Arad hatte sie noch immer keines Blickes, keines Wortes gewürdigt. Er schritt in den Raum, intimer als der vorige, dunkler, und Devora hatte mit Ezra eine Art Alkoven eingebaut. Das war gut machbar gewesen, weil hier einige kleinere schmale Fenster knapp beisammenstanden, und Willhaben hatte eine vielleicht-barocke Garnitur beigesteuert. Diese Wohnung hatte eine ganz andere Stimmung als die vorige. Das war auch so gemeint. Schließlich sollte für jeden was zu finden sein. Devora hatte einen Sport daraus gemacht, für jeden Geschmack ein Nest zu bauen, einen Traum ihrer Kindertage hatte sie so Wirklichkeit werden lassen, auch eine Form von Kunst. Jeder sollte bekommen, was er wollte, ganz speziell. Jeder würde das Nest finden, das er sich immer schon gewünscht hatte. Arad zuckte die Schultern müde, drehte sich um und ging die Treppe hoch. Das Volk folgte. Am Treppenabsatz blieb er stehen, mit Blick entlang an den frisch gestrichenen Türen: „Oh, it is terrible“, sagte er zu niemandem Bestimmten. Er ließ eine Türe nach der anderen öffnen, machte verächtliche Bemerkungen in Englisch und ging weiter mit großen, weitausholenden, tüchtigen Schritten. Er, der Macher, der Motor des Volkes…
Schließlich kam er zum Stillstand und sagte: „Habe ich alles gesehen?“ Er fragte das in den leeren Raum. Sein Blick streifte über das Volk hinweg. Alle schauten Devora an. „Ja, das sind alle Räume in diesem Gebäude“, sagte sie still durch die fest zusammengebissenen Zähne. Sein Blick kam aus der Ferne zu ihr: „Und mit wem kann ich vernünftig verhandeln?“, fragte er.
„ Worüber möchten Sie denn verhandeln?“, fragte Devora und Säure wogte fühlbar an die Innenwände ihres Magens.
„ Nun ja, ich nehme das Ganze, aber es muss natürlich vernünftig hergerichtet werden. So wie das jetzt ist, kann man da ja wohl nicht wohnen.“
Devora ließ einen Luftstrom durch ihren fest zusammen gepressten Rippenkorb streichen. Sie war unsicher, ob ihre Magensäure die Bedingungen der Miete bestimmen sollten. Aber schließlich ging es auch um Sicherheiten. War der Mann ein Geschäftspartner, der verlässlich zahlen würde? Und wenn nicht, was dann? Er könnte auf allen fertigen Wohnungen sitzen und nicht zahlen, und die Gerichte - wie würden die entscheiden – wie lange vor allem? Selbst wenn er zahlungsfähig war, war er zahlungswillig? Welche Gerichte würden bestimmen? Ihr Hirn schob das Problem rasend schnell hin und her. Dann richtete sie sich zu ihrer ganzen, kleinen Größe auf und sagte: „Das geht nicht, denn einige der Wohnungen sind schon vergeben“. Er schaute sie an. So blickt eine Lady in ihrem Schloss auf die erste Ratte ihres Lebens. „Man kann das ja wohl regeln“, sagte er schließlich durch die Nase. Devoras Magensäure hatte sich inzwischen verfestigt, der Mann war in mehreren Hinsichten ein Risiko. Wenn er eine Wohnung genommen hätte, vielleicht zwei, selbst größere, wäre der eventuelle Ausfall zu bewältigen. Aber alle? Sie beschloss lieber auf ein gutes Geschäft zu verzichten, als das hohe Risiko zu nehmen: „Das ist leider nicht möglich, weil schon Verträge existieren.“ Sie sagte das still und fest, verlogen und aufrecht.
Seine Nasenflügel bebten: „Und warum, darf ich fragen, haben Sie mich dann das Ganze hier besichtigen lassen?“ Er drehte sich auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten zu seinem Auto. Alle füllten sich in das Fahrzeug und es gab Gas.
Devora stand an der Türe: War das ein Sieg? Nicht wirklich zum Genießen.
Dann kam Ariadne. Sie kam in einem kleinen Renault, der bis unter das Dach voll beladen war. Wie sie auf die Straße sehen konnte, war Devora ein Rätsel, denn sogar am Beifahrersitz türmten sich drei Taschen. Aber Ariadne war freundlich und lieb und sanft – so sah sie zumindest aus. Sie meinte eine Wohnung - so günstig - wäre für sie im Moment eine große Hilfe, denn sie müsse aus allem raus, aus wirklich allem… Ein Neubeginn war notwendig geworden, erklärte sie Devora entschlossen. Was für einer, war nicht Thema. Aber sie zeigte sich zu allem bereit – fest, unwiderruflich, darauf gefasst, dem Widerstand die Stirne zu bieten. Sie wanderte mit Devora durch das Haus und es gefiel ihr sehr, ja wirklich – nur sie konnte sich einfach für keine Wohnung entscheiden. Während sie so gingen, versicherte Ariadne, dass sie sich unter keinen Umständen zu etwas zwingen lassen würde. Sie würde sich nie unterwerfen…
Devora hatte keine Absicht gehabt, etwas zu erzwingen, und ging der Diskussion aus dem Weg. War sie dafür zuständig? Nein. Aber Ariadne versicherte weiterhin, dass es für sie keinen Zwang gebe. Niemals! Sie würde nicht nachgeben. Sie sei ein eigenständiger Mensch mit einem eigenen Willen. Ja! So war das bei ihr. Niemand durfte ihr Vorschriften machen.