Und täglich grüßt der Weihnachtsmann/kobold - Sonja Kaiblinger - E-Book

Und täglich grüßt der Weihnachtsmann/kobold E-Book

Sonja Kaiblinger

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Beschreibung

Von wegen frohe Weihnachten! Mama und Papa sind gestresst, Oma ewig im Bad und Onkel Rolf sitzt wie der Grinch im Keller, während Mark sich um seine vier jüngeren Geschwister kümmern soll. Aber nicht mit ihm! Dann versinkt Weihnachten eben im Chaos, Mark ist es egal. Doch am nächsten Morgen sitzt ein Kobold auf seiner Bettkante und verkündet, Mark müsse Weihnachten noch mal feiern. Und zwar so oft, bis es richtig weihnachtlich ist. Mark versteht nur Bahnhof. Seit wann hat ein Kobold an Weihnachten was zu melden? Und was hat es mit dieser verflixten Zeitschleife auf sich?

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Über dieses Buch

Ach, du lieber Weihnachtsmann!

Bei Familie Schumann läuft Weihnachten nichts, wie es soll. Mama und Papa sind gestresst, Oma ewig im Bad und Großonkel Rolf sitzt wie der Grinch im Keller, während Mark sich um seine kleinen Schwestern kümmern muss. Es ist nicht zum Aushalten! Für Mark kann Weihnachten gar nicht schnell genug vorbei sein. Doch am nächsten Tag klopft ein Kobold an sein Fenster und verkündet, Mark müsse Weihnachten noch mal feiern. Und zwar so oft, bis es richtig weihnachtlich ist. Äh, bitte was? Seit wann hat ein Kobold Weihnachten etwas zu melden? Und was hat es mit dieser verflixten Zeitschleife auf sich?

 

Ein irrwitziges, herzerwärmendes Weihnachts-Chaos

1. Kapitel

»O Tannenbaum, o Tannenbaum, wie grün sind deine Blääää…«

»Du bist blöd! Nadeln! Tannenbäume haben keine Blätter!«

»Selber blöd!«

»Sei still und spiel weiter!«

Wie zum Trotz spielte Lena einen besonders lauten, schiefen Ton, der Mark unsanft aus seinem Traum hochschrecken ließ. Sein Herz klopfte bis zum Hals, und er brauchte einige Zeit, um zu sich zu kommen. Wo war er? Oh, er war in seinem Bett. Und seine Zwillingsschwestern Luna und Lena saßen auf der Bettkante. Luna spielte schief O Tannenbaum, während Lena krumm dazu sang.

Oh Mann, das war Folter! Mark warf einen Blick auf den Wecker. Fast zwölf Uhr mittags. Das war wohl die Strafe, wenn man so lange schlief.

»Guten Morgen, Markie-Mark!«, kreischten die beiden, als sie mitbekommen hatten, dass er aufgewacht war, und fielen ihm dabei um den Hals. Sie trugen die gleichen Schlafanzüge und waren auch sonst kaum auseinanderzuhalten. »Heute ist Weihnachten! Weihnachten! Schau mal! Draußen liegt Schnee!«

Müde rieb Mark sich die Augen. Weihnachten. Das war der mit Abstand anstrengendste Tag im Hause der Familie Schumann. Noch anstrengender als der Geburtstag der Zwillinge. Oder der erste Schultag im Jahr. Fünf Kinder, alle zwischen sieben und achtzehn, davon das älteste Kind außer Haus, dazu Mama, Papa und Oma Erna, sorgten Jahr für Jahr am vierundzwanzigsten Dezember für Chaos. Und dann war da noch Großonkel Rolf. Aber eigentlich zählte der gar nicht, weil man von dem kaum etwas mitbekam. Doch das war eine lange Geschichte.

»Tatsächlich. Schnee«, murmelte Mark bereits genervt vom Tag, als er die weiße Pracht vor dem Fenster entdeckte. Schnee hatte es dieses Jahr schon eine Menge gegeben, deshalb war er nicht so begeistert wie seine kleinen Schwestern. Irgendwann nutzte sich die Sache mit dem Schneemannbauen auch ab.

Doch Moment mal. Da draußen war noch etwas anderes. Jemand hatte eine Koboldfigur außen auf Marks Fenstersims gestellt. Es war ein kleiner, genervt dreinschauender Wicht, vermutlich aus Plastik, mit Ringelmütze und Ringelhose, der an der Scheibe lehnte und, so schien es, geradewegs in Marks Schlafzimmer glotzte. Wollten seine Schwestern Mark damit etwa erschrecken? Er schüttelte den Kopf. Netter Versuch.

»Und Jahr für Jahr noch mehr scheußliche Deko«, grummelte er. »Habt ihr diese hässliche Koboldfigur da draußen hingestellt?«

Mark blickte von seinen Schwestern zurück zum Kobold. Bildete er es sich ein, oder guckte der plötzlich noch grimmiger?

Die Zwillinge sahen sich verwundert an. In diesem Moment flog die Tür auf und Marks neunjährige Schwester Jenny stürmte in sein Zimmer. Ihre blonden Haare waren leicht zerzaust, aber ihre grünen Augen blitzten aufgeweckt. Sie schien schon seit Stunden wach zu sein.

»Guten Morgen, du Weihnachtsmuffel!« Sie kletterte auf Marks Bett, sprang einige Male so wild darauf herum, bis Mark beinahe herausfiel, und kuschelte sich danach an ihn. Sie roch nach Keksen und ihrem Glitzerparfüm. »Heute ist Weihnachten! Und es hat wieder geschneit! Das ist der tollste Tag seit … seit Papa heimlich unser Taschengeld verdoppelt hat!« Sie kicherte. »Und noch was … Ich muss dir unbedingt mein Geburtstagsgeschenk zeigen. Ich habe einen Detektivkoffer bekommen. Die Party gestern war supermegafantastisch. Zu blöd, dass du sie verpasst hast.«

»Ja, sorry! Jonas hat mich eingeladen, auf seiner Konsole zu spielen«, erklärte er. Und zugegeben, große Lust hatte er auf die Party auch nicht gerade gehabt. Erst Jennys unzählige Geschenke, die sie bestimmt bekommen hatte, und dann noch die Tatsache, dass er die ganze Großfamilie die nächsten Tage ohnehin noch am Hals haben würde.

»Schade.« Jenny ließ den Kopf hängen. »Na ja, erst hat Oma die teuren Pralinen aufgemacht, aber die schmeckten nach Kotze … eklig. Dann gab es eine Torte und dann hat jeder von uns …«

Mark ignorierte Jennys Plapperschwall, schälte sich aus dem Bett und machte sich auf zur Badezimmertür, während Jenny weiter um ihn herumtänzelte. Im Flur roch es schon nach Tannennadeln und Plätzchen, aber das kümmerte Mark nicht. Er musste mal dringend auf die Toilette. Und für Jennys Erzählungen über ihre gestrige Geburtstagsparty hatte er so gar keinen Nerv. Schlimm genug, dass sie in kurzer Zeit gleich zweimal Geschenke abkassierte. Unfair war das.

Das Badezimmer war versperrt.

»Was dauert denn da so lange?«, murmelte Mark. Der Boden war eiskalt und er hatte keine Socken an.

»Ich muss auch pieseln«, gab Jenny zu.

»Und ich erst.« Auch Papa wartete vor dem Klo. Und wie es aussah, war es bei ihm am allerdringendsten, er hatte schon ganz rote Wangen. Und die Ader auf seiner Stirn pochte. »Mist, ich hätte die Flasche Cola heute Morgen nicht trinken sollen.«

»Oma ist da drin. Gerade eben erst rein, es könnte also noch Stunden dauern«, erklärte Jenny.

»Ich hab’s vermutet. Das Schwiegermonster.« Papa verzog das Gesicht. Er zoffte sich ganz gerne mit Oma Erna, die auf dem Dachboden wohnte. Sie konnte manchmal eine echte Diva sein, was Papa zur Weißglut trieb.

»Aber wieso schminkt sie sich eigentlich nicht oben bei sich, wie sonst immer?«, fragte Jenny.

»Vielleicht passt sie unters Dach nicht mehr rein«, witzelte Papa.

Mark unterdrückte ein Grinsen. Oma war ganz schön füllig, trotzdem war es seltsam, dass sie sich heute hier im ersten Stock verschanzt hatte. Offenbar wollte sie sich besonders schick machen und brauchte den großen, beweglichen Spiegel im Bad.

»Ein wenisch brauche isch noch, Kinderleins«, flötete sie mit französischem Akzent.

»Mist, Mist, Mist! Ich glaube, meine Blase explodiert«, fluchte Papa. Er wackelte von einem Bein aufs andere. Dann schien er einen Entschluss zu fassen, nahm die Treppe, flitzte ins Erdgeschoss und schrie hinterher: »Guckt nicht aus dem Fenster! Und erzählt bloß Mama nichts davon!«

»Hä? Aus dem Fenster? Was meinst du? Wir haben doch nur ein Klo«, rief Jenny hinterher. »Oder hast du etwa im Garten ein Plumpsklo aufgebaut?«

Streng genommen gab es im Haus zwei Toiletten. Die eine, die Oma gerade versperrte, und eine zweite im Keller bei Großonkel Rolf. Aber die war für Mark keine Option. Bestimmt ging es Papa genauso. Eher würde sein Vater …

»Igitt«, rief Jenny, die am Fenster stand. »Papa pinkelt an den Gartenzaun!«

Mark hob den Kopf. »Also doch.« Das hatte er schon vermutet. »Aber hoffentlich nicht an den von Herrn Jablonsky!«

Doch auch das bestätigte sich. Papa hatte sich ausgerechnet diese Gartenzaunseite ausgesucht, dabei hätte er lieber die Seite von Frau Schmidt nehmen sollen, die schon ziemlich kurzsichtig war. Mark sah, wie Papa tief erleichtert die Schultern fallen ließ, da stürmte auch schon Herr Jablonsky aus dem Haus.

Bestimmt hatte er nur darauf gewartet, dass es mit uns Schumanns wieder Ärger gab. Nach Großonkel Rolf war Herr Jablonsky der zweitunfreundlichste Mensch der Welt.

»Haben Sie etwa zu viel Weihnachtspunsch getrunken, Sie Weihnachtsferkel?«, rief Herr Jablonsky. Sein kahler Kopf und sein entschlossener Gesichtsausdruck erinnerten Mark an einen Boxer vor seinem Kampf.

Das war gar nicht gut!

»Ich …«, stammelte Papa, der ganz schön verlegen schien. »Herr Jablonsky! Es tut mir unendlich …«

Aber da war es schon zu spät. Herr Jablonsky holte aus und verpasste Papa eine Ohrfeige, über den Zaun, mitten am Kinn. Papa stöhnte auf und sank in den Schnee, während Herr Jablonsky wütend zurück in sein Haus stapfte.

»An meinen Zaun zu pinkeln. An Weihnachten. Die Schumanns haben nicht alle Tannennadeln am Baum«, blaffte Herr Jablonsky. Dann knallte er die Gartentür so fest hinter sich zu, dass der Weihnachtskranz daran zu Boden fiel.

»Alexander! Was ist denn passiert? Musst du dich schon wieder mit Jablonsky streiten?« Jetzt lief Mama in den Garten und zerrte Papa am Arm vom Zaun weg. Dann wandte sie sich nach oben zu Mark und Jenny. Sie sah ziemlich verärgert aus. »Und ihr beide! Zieht den Zwillingen ihre Kleidchen an! Und wascht euch. Mark, du bist außerdem immer noch im Schlafanzug! Was soll der Weihnachtsmann von euch denken?«

»Wie sollen wir uns denn waschen, wenn Oma alles hier blockiert?«, rief Mark patzig aus dem Fenster. Dass er an den Weihnachtsmann doch gar nicht glaubte, hätte er Mama bei der Gelegenheit auch ganz gerne gesagt. Aber Jenny und die Zwillinge glaubten an den Mann mit dem Rauschebart. Und das wollte Mark ihnen nicht verderben.

»Dann geht doch in den Keller«, befahl Mama.

»In den Keller des Schreckens?« Jenny und Mark sahen sich schockiert an.

Eigentlich wäre ein kurzer Besuch im Keller nicht weiter schlimm gewesen. Wenn nicht Großonkel Rolf dort gewohnt hätte. Großonkel Rolf sprach wegen eines Streits kein Wort mehr mit der Familie. Schon seit einer Ewigkeit nicht mehr.

Außerdem war Großonkel Rolf echt gruselig. Er hatte hellbraune, fast gelbliche Augen, lange Haare und sah aus wie ein Zombie, vor allem, wenn man ihm nachts begegnete.

Er war schlimmer als Jablonsky und sein Kinnhaken.

Viel schlimmer.

Nachts hätte Mama die beiden bestimmt nicht in den Keller geschickt.

»Rolf ist ohnehin nicht da. Der ist bei seinem Motorrad-Klub, so wie jeden Samstag«, rief Mama noch, dann drehte sie sich um und marschierte mit Papa, der wie ein nasser Sack an ihrer Schulter hing, in Richtung Küche davon.

»Na gut, mir egal, was du machst, aber ich gehe da jetzt runter, auf Grusel-Großonkel Rolfs Klo. Ich muss echt superdringend«, erklärte Mark und seufzte. Wenn er das Bad im Keller benutzte, hatte er wenigstens seine Ruhe und musste keine Geschichten über Jennys gestrige Party hören, die er, ehrlich gesagt, absichtlich ausgelassen hatte. So lieb er Jenny und ihre freche Art auch hatte, manchmal war sie einfach mehr, als er ertragen konnte.

»Okay. Wenn du gehst, dann komme ich mit.«

»Echt?«, fragte Mark. So mutig kannte er Jenny gar nicht.

»Klar.«

Während sie die zwei Stockwerke in den Keller hinabgingen, erzählte Jenny nicht von der Party, sondern von ihrem Weihnachtspullover. Den trug sie heute voller Stolz zum ersten Mal, und ständig strich sie ihn glatt und blieb bei jedem Spiegel stehen, um sich darin anzusehen. Sie hatte ihn neulich beim Wichteln in der Schule ergattert. Es war ein besonders hässliches Exemplar, mit einem riesigen Dino drauf, der eine Weihnachtsmütze trug. Außerdem war er mit Strasssteinchen und Glitzerfäden durchzogen und mindestens drei Nummern zu groß.

»Schau mal, Mark! Rolf hat immer noch die Halloween-Deko hängen«, sagte Jenny, als sie schließlich in Großonkel Rolfs Wohnung angekommen waren. Hier war es immer finster und roch nach den vielen Lederjacken von Großonkel Rolf, gemischt mit dem üblen Duftwasser, das er benutzte.

»Das ist keine Halloween-Deko. Das sind echte Spinnweben«, brummte Mark. Nicht mal ein Fünkchen an Weihnachtsdekoration war hier zu finden. Großonkel Rolf war offenbar griesgrämiger als der Grinch. »Und jetzt los! Du zuerst!«

»Ich? Nö! Du zuerst!«, sagte Jenny. Nun sah sie doch ein wenig ängstlich aus. »Bestimmt hat der Zombie überall seine langen Haare hinterlassen.«

Und dann kam er Mark und Jenny zuvor. Großonkel Rolf. Als hätten sie seinen Namen einmal zu oft gesagt, flog die Badezimmertür auf und er trat hinaus. Splitterfasernackt und mit finsterer Miene.

»Was zum Geier habt ihr hier verloren?«, herrschte er die beiden an. Seine langen Haare lagen platt am Kopf. Er war spindeldürr und mit Narben übersät. Vor seinem Herzen hatte er die größte.

Mark gefror das Blut in den Adern. Echt gruselig!

»Wuaaaah«, rief Jenny voller Schreck. »Lauf, Mark! Bring dich in Sicherheit!«

Sie zögerte nicht lange. Sie nahm die Beine in die Hand und sprintete panisch zurück ins Erdgeschoss. Dabei bemerkte sie nicht rechtzeitig, dass ihr geliebter Pulli an einem rostigen Nagel hängen blieb und mit einem üblen Laut zerriss.

»Ich … Wir …«, stammelte Mark und starrte auf das Totenkopf-Tattoo, das auf Großonkel Rolfs Unterarm prangte.

Wenn er sich nur bewegen könnte. Oder irgendwas sagen. Doch er war wie erstarrt.

Aber schließlich hielt er es unter dem strengen Blick von Großonkel Rolf nicht aus und stürmte Jenny hinterher zurück nach oben. Sein Herz klopfte vor Aufregung! So ein Mist aber auch! Ein unsanfter Weckruf und Grusel-Großonkel Rolf, frisch aus der Dusche. Das konnte ja ein Weihnachten werden!

»In zwei Stunden und siebenundfünfzig Minuten kommt der Osterhase«, verkündete Jenny ein wenig später, als es Nachmittag wurde. Dann blickte sie auf die Uhr. »Sechsundfünfzig Minuten. Du solltest dich mal lieber beeilen, Mark.«

Mark rollte mit den Augen und hielt am Zebrastreifen, auf dem Weg in die Innenstadt. Alles war hübsch und leuchtend bunt dekoriert. Einige Menschen trugen noch letzte Weihnachtsbäume zu ihren Autos, andere mühten sich mit großen Einkaufstüten ab.

»Es ist Weihnachten und nicht Ostern! Haben die dich etwa zu heiß gebadet?«

»Wir haben Ostern!« Jenny deutete auf ihren Pullover, den sie unter der offenen Daunenjacke trug. Weil der alte nach dem Zwischenfall mit dem Nagel nur noch für die Mülltonne taugte, hatte sie als Alternative einen Osterhasenpullover aus dem Schrank gezogen. »Aus Mangel an Weihnachtsklamotten, und weil ich sonst auf ewig wegen meinem tollen, aber kaputten Pulli traurig wäre, habe ich beschlossen, heute Ostern zu feiern. Hast du etwa ein Problem damit?«

Mark rollte mit den Augen. Das Gute war, dass Jenny nicht so viel wegen dem zerrissenen Pullover rumheulte, auch wenn Mark ihr ansah, dass sie tieftraurig war. Der neue Pulli war jedoch genauso hässlich wie der alte. Da blieb Jenny sich treu. Während Mama sich um den Braten kümmerte und Papa den Baum schmückte, war er losgezogen, um, wie er Mama gesagt hatte, die letzten Geschenke zu besorgen. In Wahrheit hatte er noch kein einziges Geschenk gekauft. Jenny hatte ihn unbedingt begleiten wollen.

»Ich hoffe, dass ich noch mehr Detektivkram zu Ostern bekomme«, plapperte Jenny weiter, während Mark das Einkaufszentrum betrat. Sie wollte die Sache mit dem Osterfest wohl wirklich durchziehen. »Eine coole Kappe. Eine Lupe. Und ein paar hübsche Notizbücher …«

»Herrje. Wie soll ich in diesem Gewusel Geschenke finden? Kannst du mir sagen, wo die Pralinen sind?«, fragte Mark. Das Einkaufszentrum war rappelvoll. Offenbar war er nicht der Einzige, der in letzter Minute noch Geschenke brauchte. »Die günstigen vom Wühltisch, wo man drei Packungen zum Preis von zwei bekommt?«

»Da drüben«, sagte Jenny. »Aber willst du echt langweilige Pralinen kaufen?« Jenny griff in ein Regal und nahm eine Spielfigur heraus. »Nimm doch die hier! Das ist die letzte. Sieht voll süß aus!«

Mark runzelte die Stirn. Jenny hielt ihm die gleiche furchtbare Koboldfigur unter die Nase, die heute Morgen auf seinem Fenstersims gesessen und seltsam grimmig geschaut hatte. Offenbar gab es das komische Ding hier im Supermarkt. Im Sonderangebot!

Nein, nicht mal im Sonderangebot würde er hier zuschlagen.

»Leg die weg. Die ist voll hässlich.«

»Gar nicht!« Jenny kicherte und wackelte mit der Figur vor Marks Gesicht herum. »Eher witzig. Guck mal, wie fies der Kobold dreinschaut.« Sie verstellte die Stimme. »Hallo, ich bin’s, Markie-Mark, der Weih… äh, Ostergrinch. Ich schenke allen die billigsten Geschenke, damit ganz viel Taschengeld für mich übrig bleibt.«

»Gar nicht wahr«, brummte Mark, nahm Jenny die Figur aus der Hand und schmetterte sie zurück ins Regal. Na gut, ehrlich gesagt hatte Jenny nicht unrecht. Er wollte tatsächlich Geld sparen. Und zwar für ein paar coole Videospiele für seine neue Konsole. Die er heute Abend bekommen würde. Ganz sicher.

»Also, ich habe meine Geschenke alle schon besorgt. Und ich war auch brav letztes Jahr. Denke ich. Bis auf ein paar sehr kleine Ausnahmen, die nicht der Rede wert sind. Zum Beispiel den Stress mit unserer Klassenlehrerin, die meint, ich wüsste immer alles besser«, unterbrach Jenny seine Gedanken. Sie zwinkerte ihm zu. »Aber ich glaube, sie wollte damit nur ablenken. Denn in Wahrheit ist sie garantiert eine Verbrecherin. Und mit meinem neuen Detektivkoffer werde ich sie überführen!«

»Deine Lehrerin tut mir leid«, murmelte Mark.

»Darum bekomme ich hoffentlich heute auch noch ein Fernglas, das braucht jede Detektivin, die was auf sich hält. Und Handschuhe. Wegen der Fingerabdrücke.«

Während Jenny weitere Wünsche aufzählte, hielt Mark an seinem Plan fest. Er packte drei Packungen Pralinen aus dem Sonderangebot ein. Eine Packung für Oma, eine für Papa und noch eine für Mama, die eigentlich auf Diät war, aber das war Mark in diesem Moment egal. Wenn sie sie nicht essen wollte, konnte sie die Schachtel ja weiterverschenken. Jenny bekam bunte Socken, die er heimlich in den Korb warf, als sie woanders hinschaute. Die Zwillinge bekamen beide das Gleiche: bunte Lollies, die waren zwar nicht besonders hübsch, aber er hatte auf die Schnelle keine bessere Idee. Und besser, als nichts zu verschenken, war es allemal.

»Ach ja! Und natürlich einen schönen Füller!«, plapperte Jenny weiter. »Jede Detektivin braucht hübsches Schreibzeug, findest du nicht?«

»Hmm, hmm«, murmelte Mark geistesabwesend. Für zehn Euro hatte er jetzt alle Geschenke besorgt. Zugegeben, er war stolz. Blieb noch genug Taschengeld für ein Spiel übrig, das er kurz vor der Kasse noch für sich selbst kaufte.

Man gönnte sich ja sonst nichts.

Blöd nur, dass Jenny alles mitbekam. »Todesmarsch der Armeekrieger«, murmelte sie, als sie das Spiel sah. »Das Spiel ist erst ab vierzehn. Wenn Mama das wüsste.«

»Das ist mein Geschenk. An mich. Zu Weihnachten darf man sich auch selbst beschenken«, sagte Mark und grinste. Jetzt fühlte er sich schon besser.