Unerfüllte Liebe - Der Sog in die Scheinwirklichkeit - OM C. Parkin - E-Book

Unerfüllte Liebe - Der Sog in die Scheinwirklichkeit E-Book

OM C. Parkin

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Beschreibung

Der dritte Band aus den spirituellen Lehren des Enneagramms vollendet die Trilogie zur spirituellen Dimension des Enneagramms. Es ist der dritten der drei emotionalen Grundkräfte des Enneagramms der Charakterfixierungen gewidmet: der unerfüllten Liebe. Dem Weg aus den Vorstellungen von Liebe in die Erkenntnis der wahren Liebe, ist dieses Buch gewidmet. Das Buch beginnt mit einer Einführung in die sogenannten Imagefixierungen aus dem Enneagramm, und dem Bericht einer Schülerin des Erkenntnisweges, die mit etwas innerem Abstand aus ihrem leidvollen Er-Leben eines in der ‚unerfüllten Liebe‘ fixierten Menschen berichtet. Im folgenden zentralen Essay betrachtet OM C. Parkin das Thema unerfüllte Liebe aus der Sicht der Weisheitslehre. Hinter dem Begriff verbirgt sich ein umfassendes geistiges System, welches sich beständig hin zu einer Scheinrealität bewegt. Seine Ausführungen durchleuchten dieses geistige System und eröffnen zugleich den Weg aus diesem heraus. Den zweiten Teil des Buches bilden Auszüge aus Darshans des spirituellen Lehrers OM C. Parkin zu diesem Thema. In dem Autor OM C. Parkin begegnet der Leser einem spirituellen Meister,der die indische advaita-Philosophie der Non- Dualität mit der jüdisch-christlich-islamischen Mystik verbindet und die Lehre des Enneagramms in die spirituellen Weisheitslehren einbettet und vermittelt.

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OM C. Parkin

Unerfüllte Liebe – Der Sog in die Scheinwirklichkeit

Die spirituelle Dimension des Enneagramms

Trilogie Band 3

(Band 1: Angst – Die Flucht aus der Wirklichkeit)

(Band 2: Zorn – Der Kampf gegen die Wirklichkeit)

Originalausgaben:

advaitaMedia – Weisheit aus der Stille

Am Gutspark 1

D-23996 Saunstorf

[email protected]

www.advaitamedia.com

Die Herausgabe dieses Buches wurde durch die finanzielle Unterstützung von Ludwig Sieber ermöglicht.

Mit Beiträgen von Ulrike Porep und Cornelia Borchert

Lektorat: Dr. Rüdiger Porep

Umschlagsgestaltung: Christoph Konradi

Bildquelle: Whicdhemein/pexels

Satz: Katja Dorow-Schwart

Druck & Bindung: C. H. Beck

© 2022 advaitaMedia GmbH

1. Auflage 2022

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-936718-70-6

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige, auch elektronische Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten.

Inhalt

Vorwort

Einführung

von Ulrike Porep

Es kann nur besser werden … Seite 21 und das muss es auch!

Aus dem inneren Erleben eines Ennea-Typs 4

von Cornelia Borchert

Unerfüllte Liebe

Das Streben in die Scheinwirklichkeit

von OM C. Parkin

Strebendes Wunsch-Leben

Begehren und emotionalisierte Veräußerlichung

Die Glückseligkeit des Verzichts

Darshan mit OM C. Parkin

Dialoge zum Thema Liebe

Beziehung

An der Weggabelung des Verliebt-Seins

Liebesbeziehung und Alleinsein

Beziehungslose Beziehung

Das Verlassen der Herde

Liebesbeziehung oder SEIN in Liebe

Liebe statt Beziehung

Darstellung

Dar-Stellung ist nicht gleich Da-SEIN

Darstellungssucht – Imitation von Sein

Mut zur Hässlichkeit

Eitelkeit

Ausdruck ohne Eitelkeit

Die zwei Seiten der Eitelkeit

Eitelkeit – die Spannung der ‚Ballonhülle‘ des Ich

Narzisstische Vorstellung von Intimität

Spieglein, Spieglein an der Wand

Die tanzende Leere

Enttäuschung

Enttäuschung in der Liebe

Erwartung führt zu Enttäuschung

Fühlendes Wesen

Die Feinheit des fühlenden Wesens

Die Frequenz des fühlenden Wesens

Das fühlende Herz

Scheu ist ein reiner Ausdruck der Seele

Schweigende Worte führen ins Herz

Mangel

Ausrichtung auf Mangel

Die Fülle im Nicht-Vorhandenen und der Mangel im Vorhandenen

Heimweh nach Mangel

Künstlich erzeugter Mangel

Mangel und Überhöhung

Neid

Anmaßung des Neides

Zerstörungskraft des Neides

Verwechslung von Haben und Sein

Schmerz

Beziehung zum Schmerz

Der Körper – ein Schmerzendlager

Widerstand der Eisprinzessin gegen Schmerz

Sehnsucht

Sehnsucht – der natürliche Sog nach innen

Zwei Richtungen der Sehnsucht

Die Bettlerin und die Dienerin der Liebe

Stolz

Das Ich ist zu klein für die Liebe

Die Angst zu versagen

Die Unwirklichkeit muss gedemütigt werden

Konflikt zwischen Stolz und Hingabe

Stolz blockiert das Leben in Gemeinschaft

Stolz – eine kindliche Leidenschaft

Überhöhung braucht Distanz

Traum

Aufwachen aus dem Traum, in dem wir leben

Selbstverliebtheit des Künstlers

Wert

Das Große Rad drehen

Ichverbesserung ist nicht vereinbar mit Selbstrealisation

Liebe kennt keinen Wert

Selbstabwertung aus der Perspektive des Täters

Wünsche

Der ernsthafte Wunsch nach Tiefe bringt Intensität

Der unerfüllte Wunsch wird eins mit der Stille

Erwartungshaltung gegenüber dem Leben

Unerfüllte Wünsche und der Wurzelwunsch

Liebe

Die Liebe ist zu groß für den denkenden Geist

Die Vereinigung von Liebe und Leere

Eine Liebe, die sich nicht mehr umkehrt

Selbstliebe ist nicht SELBSTliebe

Vergängliche Liebe – unvergängliche Liebe

Die Illusion des verlorenen Urgrundes in der Vergangenheit

Die Scham der Offenbarung der Liebe

Liebe ist das Wesen der Frau

Verzicht

Die Dunkelheit lehrt mich den Verzicht auf die Welt

Die höhere Bedeutung von Verzicht

Narzissmus der Mutter

Verzicht auf Anhaftung

Verzicht auf die Identität als Bettler

Verzicht auf Verklärung

Verzicht ist nicht nur ein Verlust

Kauen von trocken Brot

Anmerkungen

Der Autor

Vorwort

„Das Verfolgen unerfüllter Wünsche trägt dich in die Zukunft. Zukunft ist immer unerfüllt. Erfüllung ist JETZT.“

OM C. Parkin

Das Erscheinen dieses dritten Bandes vollendet den Themenkreis der Trilogie, die die spirituelle Dimension des Enneagramms zum Thema hat. Nach Band 1 ‚Angst – Die Flucht aus der Wirklichkeit‘ und Band 2 ‚Zorn – Der Kampf gegen die Wirklichkeit‘ ist der Band 3 ‚Unerfüllte Liebe – Der Sog in die Scheinwirklichkeit‘ der dritten der drei emotionalen Grundkräfte des Enneagramms der Charakterfixierungen gewidmet.

Inhaltlich wird mit dieser Trilogie ein großer Bogen geschlagen, der weit über die Lehren des Enneagramms hinausweist. In dem Autor OM C. Parkin begegnet der Leser nicht nur einem Enneagrammlehrer, sondern einem spirituellen Meister, der die indische advaita-Philosophie der Non-Dualität mit der jüdisch-christlich-islamischen Mystik verbindet und darüber hinausgeht. Die meisten werden mit der advaitischen Ebene der Lehre nicht vertraut sein, vielleicht mit der advaitischen Sprache zu Anfang Mühe haben. Deshalb ist es empfehlenswert, sich dem Buch (allen drei Büchern) unvorbereitet/unwissend zu widmen, mit freiem Geist und offenem Herzen. Wem es vor allem um intellektuelles Verstehen geht, wird erhebliche Schwierigkeiten haben, denn es geht um integrales und vor allen Dingen fühlendes Erfassen, wobei integral das harmonische, gleichzeitige und dynamische Zusammenwirken aller drei Intelligenzzentren (Bauch, Herz, Kopf) meint. Goethe lässt deshalb Faust sagen: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.“

Wenn die unerfüllte Liebe als komplexestes Thema (so erscheint es mir) in dieser Trilogie als drittes thematisiert wird, ist das ein strukturierender Kunstgriff, der drei geistige Bewegungen, drei geistige Systeme als drei Säulen geistiger Irrwelten scheinbar getrennt voneinander sichtbar werden lässt. In integraler Sicht wird die Dreiheit <Angst, Zorn, Liebeì in ihrer un-/überpersönlichen Essenz letztlich zur Einheit, wobei der Liebe die hierarchisch höchste (und zugleich fundamentalste) Position innerhalb der drei genannten Kräfte zukommt. Im 1. Brief des Apostels Paulus an die Korinther (13,13) heißt es:„… doch am größten unter ihnen ist die Liebe“, womit sie als die höchste spirituelle Tugend gekennzeichnet ist.

Wie schon in den beiden Vorgängerbänden erleichtert eine kurze Einführung in die sogenannten Imagefixierungen aus dem Enneagramm der Charakterfixierungen (Ennea-Typen 2, 3, 4) den Zugang zum weiteren Inhalt. Der Bericht einer Schülerin des inneren Weges, die mit etwas innerem Abstand aus ihrem leidvollen Er-Leben berichtet, illustriert die (scheinbar äußere) innere Welt eines in der ‚unerfüllten Liebe‘ fixierten Menschen.

Im darauf folgenden zentralen Essay betrachtet OM C. Parkin das Thema unerfüllte Liebe aus der Sicht der Weisheitslehre (also nicht in erster Linie als Enneagrammlehrer). Denn: Hinter dem Begriff unerfüllte Liebe verbirgt sich ein umfassendes geistiges System, welches sich beständig hin zu einer Scheinrealität bewegt. Seine Ausführungen durchleuchten dieses geistige System und öffnen zugleich auch den Weg aus diesem geistigen System heraus: Erkenntnis führt aus der unerfüllten Liebe hinein in die Liebe, die Heilige Liebe.

Den zweiten Teil des Buches bilden Auszüge aus Darshans des spirituellen Meisters OM C. Parkin aus den letzten nun fast 30 Jahren. Die fünfzehn Kapitelüberschriften der die unerfüllte Liebe spiegelnden erleuchtenden Gespräche mit Schülerinnen und Schülern öffnen die Augen für verschiedene leidvolle Aspekte der Welt der unerfüllten Liebe; die Belehrungen weisen den Weg aus dem leidvollen Irrtum. Die beiden abgesetzten Kapitel am Ende (Liebe und Verzicht) beziehen sich nicht mehr auf die unerfüllte Liebe, die der personalen Ebene zuzuordnen ist, sondern auf die transpersonale Ebene und sind damit hierarchisch übergeordnet.* Hilfreich für das umfassende Verständnis der Inhalte der Trilogie insgesamt – und deshalb empfohlen – ist das Studium aller drei Bände. Eine noch weitergehende Vertiefung ermöglicht das parallele Studium des Lehrbuchs von OM C. Parkin <Intelligenz des Erwachens – Die spirituelle Neugeburt des Menschen>, auf das in diesem Buch vielfach verwiesen wird.

Diese Trilogie offenbart die elementaren geistigen Wirkkräfte des SEINs, die erschaffenden (in diesem Band), die erhaltenden (Bd. 1) und die zerstörenden (Bd. 2) und zugleich die hier ausführlich in die Sichtbarkeit gehobenen Beschränkungen durch den denkenden Geist. Ich wünsche allen viel Freude an einem erhellenden Studium, dem hier der Weg bereitet wird.

Dr. Rüdiger PorepGut Saunstorf, im April 2022

* Hinweis: Das Gewicht des jeweiligen Kapitelthemas ergibt sich nicht aus der Anzahl der zugeordneten Darshanauszüge.

Einführung

von Ulrike Porep

„Hoffnung ist etwas für Kinder. Sehr dienlich, um seine menschlichen Potentiale zu entwickeln, aber kein Weg, um glücklich zu werden. Keine Wunscherfüllung führt jemals zum Verlust des empfundenen Mangels.“

Anssi Antila

Dies ist der dritte Band der spirituellen Trilogie zu den drei emotionalen Grundkräften, wie sie im Enneagramm gespiegelt werden. Solange wir uns mit einem ‚Ich‘ identifizieren, sind wir in einer der drei Grundkräfte fixiert. Das heißt, wir sind in einer bestimmten Stufe der Entwicklung steckengeblieben, und damit ist der Erkenntnisweg, der den Energiefluss in allen drei Zentren in gleichem Maß benötigt, blockiert.

In der Einführung zum ersten Band dieser Trilogie mit dem Titel ‚Angst – Die Flucht aus der Wirklichkeit‘ wurde eine ausführliche Darstellung zum Enneagramm und speziell zum Enneagramm der Charakterfixierung vorgelegt. Ich möchte daher hier nur eine kurze Einführung in die drei Grundkräfte geben, die im Enneagramm aufgezeigt werden. Das Enneagramm ist eine Kosmologie, ein Modell, das die natürlichen Kräfte des Universums abbildet und dynamische Zusammenhänge dieser Kräfte erklärt. Das Enneagramm der Charakterfixierung zeigt uns, wie diese Kräfte vom Ich (dem Ego) besetzt und missbraucht werden auf dem Weg zum persönlichen Glück. So werden uns die Irrwege im Labyrinth der Ego-Realität gespiegelt, zugleich aber auch der Weg zu unserem wahren Wesen jenseits der Persönlichkeit aufgezeigt.

Im bereits erwähnten ersten Band dieser Trilogie <Die spirituelle Dimension des Enneagramms> ging es um die Energie von Angst, die im Mentalzentrum fixiert und festgehalten wird, sodass wahre Intelligenz nicht mehr frei fließen kann. Im zweiten Band wurde dargelegt, wie die Kraft des Zorns im Bauchzentrum fixiert und damit festgehalten wird, sodass sie dem Lebensfluss nicht mehr vollständig zur Verfügung steht.

Zur Erinnerung: Die drei Kräfte, die den natürlichen Wandel aller Seins-Formen bewirken und dem natürlichen lebendigen Prozess des Werdens und Vergehens entsprechen, sind:

Die Kraft der Geburt (Entstehen, Schöpfung)

Die Kraft der Erhaltung (Bewahren, denWeggehen)

Die Kraft der Zerstörung (Vergehen, Tod)

Durch drei Bewegungen, die sich dem natürlichen Kreislauf widersetzen, werden diese drei genannten Kräfte verfremdet im fixierten Ich gelebt:

Hin (durch Erschaffung einer scheinbar besseren Welt, in der ‚ich‘ mich geliebt fühle)

Weg (von der scheinbaren Bedrohung auf dem Weg in eine scheinbare Sicherheit)

Gegen (von der Begrenzung des Eigenwillens in die Vermeidung des Gefühls von Ohnmacht)

In diesem dritten Band geht es um die Kraft der Liebe, die durch das Ich verfälscht und nun als falsche Liebe und durch die Erschaffung von Scheinwelten ihren pervertierten Ausdruck findet. Die Ego-fixierte Kraft der Liebe als Leidensmotor führt in eine Welt der Täuschung und Verklärung und ist daher nicht ohne weiteres in seiner Tragweite als Leidensursache sichtbar und erkennbar. Liebe – was kann daran schon falsch sein? Wir befassen uns nun aber mit dem, was ein Ego aus der Kraft der Liebe macht, um diese für sich zu nutzen. Der freie Fluss der göttlichen Liebe wird verwandelt in einen berechnenden Handel von scheinbarem Geben und fordernden Ansprüchen an die Zurückzahlung des Gegebenen.

„Ich will haben“ sagt das Ich im Klartext, was aber nicht wirklich offengelegt wird, sondern hinter manipulativen Strategien versteckt wird. Aber was versteht ein Ich unter Liebe? Das Ich weiß nicht, was Liebe ist, es möchte geliebt werden. Das bedeutet für das Ich, emotionale Erfüllung zu erlangen. Dieses Ich erfährt in sich ein Gefühl von Mangel, und zwar im Emotionalzentrum (Herz). Hier ist seine besondere Empfindsamkeit, hier hat sich der Verlust der göttlichen Liebe, der verlorene Zugang zur göttlichen Liebe als Mangelempfinden manifestiert, hier ist der Motor für die ständige Suche nach Liebe, nach Aufmerksamkeit, nach Wert.

Schon als Kind erfährt der in der Emotionalfixierung verhaftete Mensch in seinem Wunsch geliebt zu werden schmerzhafte Zurückweisung, die als Verletzung interpretiert und gefühlt wird; das Leben erfüllt eben keine Ego-Wünsche. Diese schmerzhafte Zurückweisung, die Nichterfüllung emotionaler Bedürfnisse, wird als Unerfülltsein, als Leere und Mangel im Herzen empfunden und führt in die Suche nach Erfüllung. Nur die Liebe, so wie das Ich sie versteht, scheint diesen Schmerz der Verletzung beheben zu können. Allgemeiner gesagt geht es dem Ich darum, dass seine Wünsche, die es dann auch „Herzenswünsche“ nennt, erfüllt werden. Wir sprechen deshalb von der Fixierung in unerfüllten Wünschen. Es gibt den wahren Herzenswunsch, den Wunsch nach Erkenntnis und (Wieder-)Vereinigung mit der göttlichen Liebe – und es gibt die vielen unerfüllten Ich-Wünsche, die den schmerzlich empfundenen Mangel ausgleichen sollen (aber nicht können).

Bereits als Kind versucht dieses Ich, das den Kontakt zum wahren Wesen und damit zur Liebe verloren hat, über die Beziehung zur Mutter, und später auch zum Vater, den Verlust zu kompensieren. Aber egal, wie sehr die Mutter dem Kind Liebe (nach ihrem Verständnis) und Zuwendung gibt, es ist nie genug. Der Liebesfluss wird scheinbar durch notwendige Begrenzungen der Wünsche eines Kindes immer wieder unterbrochen, was als schmerzhafter Liebesverlust empfunden wird; das führt erneut in das Mangelgefühl, im schlimmsten Falle in ein Gefühl lebensbedrohlicher Verlorenheit und Verlassenheit. Das möchte dieses Ich nie wieder erleben. So entwickelt es nun seine Strategien, dessen habhaft zu werden, was es so vermisst: die Liebe. Das Ich möchte eine neue Welt erschaffen, in der es nur Schönheit, Liebe, Erfüllung gibt: Traumwelten. Der Schein wird wichtiger als das SEIN. Das SEIN hat keinen Wert, das Ich selbst sieht sich (nach dieser unbewussten Abtrennung vom SEIN folgerichtig) ja im Unwert und sucht nun kompensatorisch in seinen Wunsch- und Traumwelten nach einem Platz, an dem es sich liebenswert fühlen kann.

Abbildung 1:Die neun Enneatypen (Punkt 1 bis 9)

Im Enneagramm der Charakterfixierung (s. Abbildung 1) werden durch 9 Punkte auf einem Kreis die inneren Standpunkte des Ich-fixierten Menschen symbolisiert. Die Punkte 7,6,5 sind im ersten Band dieser Trilogie als Angstfixierungen beschrieben; die Punkte 8,9,1 werden als Zornfixierungen bezeichnet; umfassende Beschreibungen dazu enthält der zweite Band.

In diesem dritten Band stehen die Punkte 2, 3, 4 für die Emotionalfixierungen. In den Emotionalfixierungen geht es um die Besetzung des Herzzentrums durch den denkenden Geist. Das Herzzentrum ist natürlicherweise der innere Ort von Intuition, Kreativität, die Fähigkeit und Bereitschaft zu lieben – das offene Herz. Ein offenes Herz ist jedoch auch schmerzempfindlich. Der denkende Geist, das Ego, interpretiert den empfundenen Schmerz als Verletzung und findet einen Schuldigen: „Du hast mir wehgetan.“ In dieser Schuldzuweisung bleibt das Ich stecken, es wird zum Opfer. Unterschwellig bleibt die Opfer-Geschichte der Antrieb für Hass und Rache.

Im Ennea-Typ 2 und 3 finden wir dann weitere unterschiedliche (Kompensations-)Formen der Bewältigung des Liebesverlustes.

Punkt 3 im Enneagramm als Spiegel der natürlichen Kräfte im Universum steht für den Anfang, die Kraft der Schöpfung, die Kraft der Liebe. Hier ist Kreativität und Schaffenskraft als natürlicher Aspekt menschlicher Intelligenz zu Hause. Diese Kraft ist eine Herzenskraft, die intuitiv erfühlen kann, wie Neues schöpferisch ins Leben gebracht werden kann und will. Hier entstehen die Impulse für kreativen Ausdruck in der Kunst, Musik und neuen Perspektiven. Hier sind Geben und Nehmen ausgeglichen und im Fluss der Liebe.

Der am Enneapunkt 3 fixierte Charakter präsentiert sich selbstbewusst als Macher. In dieser Fixierung ist es wichtig, sich über Erfolg Liebe und Wert zu erschaffen. Eitelkeit ist die Triebkraft, die Leidenschaft, die die Maschine am Laufen hält. Der Mensch in der Fixierung an Punkt 3 ist der perfekte Blender und Betrüger. Die emotionale Energie der Schöpferkraft wird benutzt, um den Schein einer besseren, perfekten Welt herzustellen. In dieser Fixierung geht es um Ideale, Bilder, in denen das Ich jemand ist, der bewundert und geliebt wird. Alle echten Gefühle müssen für eine oberflächliche Präsentation des perfekten Bildes Platz machen. Der Ennea-Typ 3 weiß, was gut ankommt, er opfert sich selbst dem Erfolg, dem Image, der bewunderten Leistung. Unerfülltheit als Leidensthema tritt beim Ennea-Typ 3 nicht in Erscheinung, das Streben nach Erfolg nimmt alle Kraft in Anspruch und scheint auch zu positiven Ergebnissen zu führen. Selbstzweifel sind dem Ennea-Typ 3 scheinbar fremd. Obwohl der Erfolg selbstverständlich ist und auch erreicht wird, droht im Hintergrund die Angst zu versagen. Mit allen Mitteln und unter Einsatz von manipulativer Kreativität wird das verhindert. Die natürliche Schöpferkraft wird so missbraucht für den Aufbau einer Scheinwelt, in der das Ich sich sonnen kann.

Der Archetyp an Punkt 3, der Magier, glaubt in der Fixierung selber die Gesetze bestimmen zu können:„Ich mache mein Leben! Ohne mich gibt es keine Schöpfung!“ Die Tatsache der Vergänglichkeit wird ignoriert. In seiner oft nicht bewussten Angst vor Misserfolg erahnt er, dass die Welt des Scheins ständig in Gefahr ist zusammenzubrechen, was dazu führt, dass die Anstrengung verdoppelt werden muss, um die Scheinwelt aufrechtzuerhalten.

Wie auch an Punkt 3 und Punkt 4 ist die Fixierung an Punkt 2 des Enneagramms der Charakterfixierung begründet und angetrieben durch den unerfüllten Wunsch nach dem Geliebtwerden. Wie bekomme ich diese Liebe, die ich so dringend zu brauchen glaube? Die Liebe, die mir Erfüllung gibt, die mir Wert gibt. Das Selbstideal an Punkt 2 besteht in dem Bild des unentbehrlichen Helfers und Gebenden, eines Menschen, der Liebe gibt, aber vorgibt, selber keine zu brauchen. Zu demütigend erschien schon dem Kind die Erfahrung der Bedürftigkeit und der drohenden Zurückweisung, die Abhängigkeit von der Liebesgunst anderer. Bedürftigkeit erscheint beschämend, der Stolz gibt vor, endlos geben zu können. Der Ennea-Typ 2 hat sich auf einen Liebeshandel spezialisiert: ich gebe dir und erwarte dafür ganz versteckt die Anerkennung, Liebe, Dankbarkeit, die mir ein Gefühl von Bedeutung und Wichtigkeit verleiht.

Sie ist sehr wach für die Bedürfnisse der Menschen und erfüllt diese ungefragt. Sie hat ja genug zu geben! Erst wenn das Gewünschte nicht zurückfließt, wird sie zornig und einfordernd. Und natürlich erscheint dieser Zorn vollkommen berechtigt. Die Imitation von selbstlosem Geben ist die perfekte Möglichkeit, andere abhängig zu machen und sich selbst und anderen Unabhängigkeit und Bedürfnislosigkeit vorzumachen: „Ich brauche die Liebe der anderen nicht, ich bekomme sie einfach, sie steht mir zu, weil ich so wundervoll und unentbehrlich bin“, spricht das 2er-Ich.

Der in Punkt 4 fixierte Mensch leidet ganz offensichtlich unter dem Mangel an Liebe und Zuwendung. Der Ennea-Typ 4 sieht sich als Opfer von Zurückweisung, enttäuschten Erwartungen und Liebesverlust. Alles dreht sich um die Unerfülltheit und die tiefe Überzeugung, doch nie zu bekommen, was er braucht. In anklagender Beschuldigung ist er zutiefst davon überzeugt, das Opfer von Lieblosigkeit zu sein. Sich selbst sieht er dann als nicht liebens-wert. Der Drang nach Selbstverbesserung wird zum entscheidenden Anrieb, um den Wertverlust auszugleichen. „Ich muss besser werden“, Fortschritte jeder Art werden angestrebt. So ist der Ennea-Typ 4 sehr bemüht, den eigenen Wert zu erhöhen durch Leistung und künstlerischen Ausdruck der eigenen Einzigartigkeit. Leider verhindert die Leidenschaft in dieser Fixierung, der Neid, jegliches Einverstandensein und Wertschätzen dessen, was ist. Immer haben die anderen mehr, was sie denen missgönnt, sich selbst gönnt sie allerdings auch nichts. Vor lauter Streben nach Selbstverbesserung versäumt sie Momente natürlichen Glücks, nie kommt sie ans Ziel ihrer Wünsche.

In der Opferhaltung des Enttäuschten werden Hass und Rachegedanken entwickelt. Selbstzerstörung dient der Anklage, Leiden wird zur Sucht. Die in Punkt 4 (meist Frauen, aber auch Männer) emotional fixierten Menschen suchen gar nicht mehr nach Liebe, sondern nach der unerfüllten Liebe. Die Suche, das Leiden des Mangels sind der Lebensinhalt, aus dem Dramen kreiert werden. Diese Dramen sind der Lebenssaft des Ichs, das einerseits den (falschen) Schmerz braucht, um sich selbst darzustellen, andererseits den natürlichen Schmerz der Enttäuschung meidet. So wird die reale Bedeutung dieses wichtigen Schlüssels für den Eintritt in die Realität von Täuschung verhindert. „Ich habe mich getäuscht!“ wäre ein Schritt in die Auflösung des fixierten Liebeswunsches und der Unerfülltheit.

Auf dem inneren Weg geht es darum, die Missverständnisse über die Liebe zu erkennen. Der Wunsch geliebt zu werden kann als egoistische Haltung erkannt werden, die aufgegeben werden muss, um den Fluss der Liebe zu entdecken, der aus dem ungeschützten offenen Herzen entspringt. Hier ist die wahre Fülle verborgen, ein Fluss von Geben und Nehmen ohne Berechnung. Das verlangt die Abwendung von den zahllosen unerfüllten Wünschen, das Ende der Hoffnung und die Entdeckung der wahren Liebe.

Es kann nur besser werden … und das muss es auch!

Aus dem inneren Erleben einesEnnea-Typs 4von Cornelia Borchert

„Aus dir kann mal was Richtiges werden – wenn du dich nur ordentlich anstrengst.“ Das ist der Satz, der mich seit meiner Kindheit begleitet, der mir unterschwellig durch mein Elternhaus mitgegeben wurde, den ich dankbar genommen habe und nach dem ich mein Leben ausgerichtet habe.

Ich bin eine Streberin vor dem Herrn, fleißig, hart arbeitend, leiste besonders viel und stets bedacht auf mehr als 100 %, verzweifle an der Nichterfüllung meiner inneren besonderen Idealvorstellungen von mir selbst, an den mir von außen auferlegten Anforderungen, am Leben überhaupt, falle dann in ein bodenloses inneres Loch, beklage mich darüber, dass es nie genug ist (ich nie genug bin), manchmal auch laut, warte auf Bestätigung meiner besonders schweren Situation durch mir Wohlgesonnene, fühle mich im Recht in meinem besonders schweren Los und bin darin einzigartig und sehr BESONDERS. „Höher, schneller, weiter und besser“ ist der Slogan meines Lebens, der auch nicht vor dem spirituellen Weg halt macht. Meine einzige Chance ist, mich noch mehr anzustrengen. Vielleicht schaffe ich es doch noch. Innerlich aber nagt eine stete Unzufriedenheit, eine Hoffnungslosigkeit, ein tiefes schwarzes Loch – alles Nahrung für meine Fixierung am Ennea-Punkt der unerfüllten Liebe.

Lieber Leser, du kannst es bestimmt schon erfühlen: Ich habe es besonders schwer. Und vielleicht bekommst du über meine Erzählung einen Geschmack von dem Leiden, mit dem ich mich immer wieder konfrontiert sehe. Hier nun ein ganz gewöhnlicher Tag in meinem Leben.

Der Wecker klingelt, ich wache auf. Der erste Moment nach dem Aufwachen: Nichts. In mir ist nichts, eine Leere, Orientierungslosigkeit. Ich weiß nicht, wo ich bin, wann ich bin und wer ich bin. Blitzschnell ertönt eine strenge innere Stimme in mir und predigt meine gesamten ToDo´s des Tages herunter. Eine lange Liste, die mich innerlich zusammenzucken und schrumpfen lässt. Ich fühle den Schwall der Aufgaben auf mich hernieder prasseln, ich kann mich dagegen einfach nicht wehren. Meine kindliche Gegen-Reaktion darauf: Ich will nicht aufstehen, ich will liegen bleiben und mich verkriechen unter meiner Bettdecke. Aber ich darf mir das nicht erlauben. Wie würde das aussehen, was würden die anderen von mir denken? Also als faul und nutzlos möchte ich bestimmt nicht angesehen werden. Schon gar nicht in einer spirituellen Gemeinschaft, die sich dem „Erwachen und dem Dienen am großen Ganzen“ verschrieben hat! Schließlich geben mir meine Aufgaben die Berechtigung meines Hierseins, Wichtigkeit und Anerkennung. Ich bin dadurch ein wertvoller Teil der Gemeinschaft, der einen wichtigen und sicherlich auch beträchtlichen Beitrag zum Allgemeinwohl leistet. Dafür werde ich geschätzt und im besten Fall geliebt. Und vor allem bin ich unersetzlich.

Der unschuldige Moment des „Nichts“ nach dem Erwachen in den Tag ist in weite Ferne gerückt. Ich reiße mich zusammen, stehe auf und spule meine Morgenroutine ab. Beim Zähneputzen fällt mir auf, dass meine Augen heute besonders geschwollen aussehen (gestern Abend hatte ich mal wieder einen meiner berüchtigten Heulanfälle) und meine Haare wieder eine Wäsche gebrauchen könnten. Das, was ich da im Spiegel sehe, finde ich nicht sehr anziehend. Eigentlich habe ich ein ganz anderes Bild in mir, wie ich aussehen möchte. Es entspricht so ziemlich dem Gegenteil von dem, was ich da sehe. Der Abgleich meines inneren Idealbildes mit dem Spiegelbild da vor mir versetzt mir einen Dämpfer. Je länger ich mich im Spiegel betrachte, desto mehr „Fehler“ fallen mir auf. Leichte Wehleidigkeit überkommt mich und ein Gefühl des Mangels – nicht gut genug! Sofort überlege ich mir, wie ich es schaffen könnte, näher an dieses (Ideal-)Bild in mir heranzukommen. Ich sollte mehr Sport treiben, mindestens jeden Tag eine halbe Stunde, mich besser ernähren, meinen Körper mehr pflegen. Ich meine, „die anderen“ schaffen das doch auch. Wie machen die das bloß? Prompt bin ich im Leben „der anderen“ gelandet, analysiere und vergleiche meine Umstände mit denen derer. Ich erstelle eine Pro- und Kontraliste, bei der ich letzten Endes immer wieder schlecht dastehe. Der Neid macht sich in mir leise breit, ich fühle mich als Opfer meiner Lebensumstände, aus der Ferne höre ich die Töne des Wehklagens näher kommen. Die Vergleichs-Liste hat kein Ende, doch der Tag ruft und die nächste Aufgabe wartet auf mich.

Was ziehe ich heute an? Ich durchleuchte meine Bekleidung der letzten Tage. Dieselben Outfits zu tragen kommt gar nicht in Frage. Dabei überlege ich mir, wie ich heute wirken möchte, wie will ich erscheinen – lässig, geschäftlich oder etwas verspielt? Ich entscheide mich für lässig. Doch was heißt lässig? Es gibt doch ganz unterschiedliche Arten von Lässigkeit, lässig feminin, lässig burschikos, lässig sexy. In Anbetracht meiner bereits gesenkten Laune entscheide ich mich für einen einfachen Pullover und eine weite Jeans. Es soll mir ja auch keiner ansehen, wie viel Mühe ich mir gegeben habe und wie viel mir an meiner äußeren Erscheinung liegt. Schließlich möchte ich so natürlich und authentisch wirken wie möglich. Ein letzter Blick in den Spiegel, ob auch alles so sitzt, wie ich es mir vorstelle. Ja, es könnte noch etwas besser sein, aber meine Zeit reicht jetzt nicht aus für mehr. Also gebe ich mich mit dem Ergebnis, naja, zufrieden. Und schließlich geht es auf dem spirituellen Weg nicht um oberflächliche Äußerlichkeiten, ermahne ich mich.

Puhh, das wäre geschafft, so kann ich zumindest in den Tag starten. Was gibt es als nächstes zu tun? In meinem Kopf laufen die kommenden Momente des Morgens bildlich wie in einem Film ab … mit dem Hund Gassi gehen, Frühstück zubereiten, kurz am Computer die Mails checken und dann ab ins Büro. Jede Situation erscheint detailgenau vor meinem inneren Auge, das gibt mir eine Sicherheit und Orientierung.

Diesen Teil des Morgens bin ich mit mir allein. Es ist schon eine Menge in mir geschehen und ich fühle mich wie auf einem Laufband, was nicht zum Stillstand kommt. Mein innerer Raum wird immer enger, Leistungsdruck baut sich auf und ich versuche so gut es geht zu funktionieren. Doch heimlich warte ich auf eine Erlösung aus meinem inneren Teufelskreis. Und ich weiß, die Rettung naht – mein Mann steht auf. Während ich das Frühstück bereite, sehne ich mich nach einer liebevollen Umarmung, einem Wort der Zärtlichkeit, einem Beweis dafür, dass ich genau richtig bin, so wie ich bin. Eine Bestätigung dafür, dass ich geliebt werde. Denn das brauche ich wie … wie ein Heroinsüchtiger seinen Schuss. Aber diese meine spezielle Sucht versuche ich so gut es geht zu verbergen.

Ich gebe mir alle Mühe, so erwartungslos zu wirken, wie nur möglich, und meine Sehnsucht nach einem Zeichen der Liebe zu kaschieren. Versuche mir meine Unsicherheit und Bedürftigkeit nicht anmerken zu lassen. Meine inneren Antennen sind genau gespitzt, als ich seine Schritte nahen höre. In was für einer Stimmung ist er wohl an diesem Morgen? Kann ich auf meinen ersehnten Kuss hoffen? Momente der inneren Spannung und leisen Hoffnung begleiten das Geschehen. Ja, welches Geschehen überhaupt? Ernüchternde Leere, nichts, noch nicht mal ein „Guten Morgen“, geschweige denn „Guten Morgen, mein Schatz“. Oder eine innige Umarmung. Er verlässt die Küche, ohne mich auch nur eines Blickes gewürdigt zu haben. Ein stiller, ganz normaler, gewöhnlicher Moment. In mir beginnt es zu brodeln. Beschwerdekaskaden und eine Welle der Empörung rollen innerlich heran. „Was fällt ihm ein? Sieht er mich gar nicht? Jetzt bemühe ich mich jeden Morgen, ein schönes Frühstück herzuzaubern, und was bekomme ich dafür – noch nicht mal ein DANKE. Das habe ich nicht verdient! Siehst du, er liebt mich überhaupt nicht. Sicherlich bin ich zu langweilig, er hat kein Interesse mehr an mir. Es ist egal, ob ich da bin oder nicht. Ich habe es doch gewusst!“. Ich spiele die Situation ganz langsam noch einmal vor meinem inneren Auge ab: „Moment mal, war das nicht ein kleines Lächeln in meine Richtung? Also da hat er mich doch gesehen. Was hat er nochmal gesagt? Hab‘ ich etwas vielleicht nicht gehört? Doch, er hat doch …“ Präzise läuft meine Analyse der Situation ab, sowohl in die Richtung „Er liebt mich!“, als auch in „Er liebt mich nicht!“. Nein, ich pflücke keine Margeritenblütenblätter mehr ab, meine Blütenblätter haben sich im Laufe meines erwachsenen Daseins auf feine analysierende Gedanken reduziert. Doch das Prinzip ist das Gleiche geblieben – nur meistens endet es nach wie vor leider mit „Er liebt mich nicht!“ (Schluchz). Denn ich bin eine Meisterin darin, den FEHLER zu finden. Und davon gibt es nicht wenige in meinem Leben!

Mein inneres Drama baut sich immer weiter auf. Dabei wird mir schwer ums Herz, und es beginnt zu schmerzen. Wie konnte es nur soweit kommen? Was habe ich falsch gemacht? Habe ich nicht etwas Besseres verdient? Ich habe doch verdient, dass man mich wenigstens ansieht und mir sagt, wie sehr ich geliebt bin. Schließlich gebe ich wirklich mein Bestes! Was soll das eigentlich, Gott? Ich habe ziemlich genaue Vorstellungen davon, wie ich behandelt werden möchte und auch davon, was gar nicht geht. Meine Wunschliste ist ellenlang. Doch leider hat bisher noch niemand – noch nicht einmal mein Partner, der ja eigentlich wissen müsste, was ich brauche und was mir gut tut – gelernt, sie zu lesen.

So versinke ich immer tiefer in ein hohles dunkles Loch, voller Schmerz und Trauer. Das kenne ich so gut. Dabei vergesse ich ganz und gar, wie ich überhaupt hinein geraten bin, und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht. An diesem Punkt fühle ich mich wie der letzte Wurm, aber ich weiß auch, dass ich Recht habe. Es ist diese spezielle Mischung aus mich einerseits wie das fünfte Rad am Wagen oder der letzte Heuler zu fühlen und andererseits gleichzeitig mit einer inneren Hartnäckigkeit überzeugt zu sein, dass ich das wirklich nicht verdient habe und es gefälligst anders sein sollte. Wie anders, das kann ich gar nicht genau sagen in dem Moment. Irgendwie liebevoller, Herz erwärmender, mich erfüllender, mich bestätigender – also es sollte einfach besser und mehr sein.

Dieser Moment ist wieder mal ein Beweis dafür, dass ich es immer noch nicht geschafft habe. Ich meine, ich bin schon soooo lange auf dem spirituellen Weg und immer noch läuft es nicht so, wie ich es mir vorstelle. Ich könnte verzweifeln und vor Wut das wertvolle Porzellan an die Wand schmeißen. Doch diese Blöße werde ich mir nicht geben. Ich bewahre so gut es geht die Fassung. Innerlich angespannt und ziemlich kurz vor dem Zusammenbruch schleiche ich mich nach oben, in die Nähe meines Mannes und druckse da herum. Ich mache das Bett, räume die Wäsche von einem Ort zum anderen, tue geschäftig und „ganz bei mir“, lauernd darauf, dass er mich mal wahrnimmt. Nein, ich zeige mich nicht, ich warte, dass ER mich gefälligst sieht! Ich meine, schließlich ist es seine Schuld, dass ich mich so fühle. Ich lasse mir nichts anmerken, und als er mich endlich anspricht, platzt es wie ein Wasserfall aus mir heraus. Aus meinen Augen kullern Krokodilstränen und die Heuleskapade des Vorabends nimmt wieder Fahrt auf. Also wenn ich jetzt nicht die ersehnte Liebesbekundung von ihm bekomme … dann … dann raste ich aus. Dann vergesse ich mich vollkommen. In mir drängt sich der Film des „Nicht-Geliebt-Werdens“ extrem stark in den Vordergrund. In diesem Moment bin ich hilflos – hilflos meinem Geist ausgeliefert.

Da liege ich nun heulend in den Armen meines Mannes, fühle seine Wärme, aber gleichzeitig auch seine Geradlinigkeit und Unbeeindruckbarkeit von meinem äußeren und inneren Drama. Großartige Liebesversprechungen bleiben aus. Er bleibt nüchtern. Ich nicht. Es reicht mir nicht! Es reicht nicht, dieses Leiden in mir zu lindern. Es ist ein kurzer Moment, in dem ich für einen Augenblick das Gefühl bekomme, ich werde geliebt. Nun, es ist kein sehr koscherer Moment, das kann ich schon auch wahrnehmen, aber immerhin bin ich in diesem Moment an meinen „Heroinschuss“ gekommen. Das war mir wichtig! Ich habe da auch wirklich viel Kreativität und Hingabe hineingelegt. An dem tieferen inneren Gefühl des „Wurm-Wesens“ hat diese kurze Umarmung nicht wirklich etwas gelöst. In mir drängt sich der Gedanke auf: „Das tut er doch bloß, damit er seine Ruhe hat. Und vor allem, dass ich Ruhe gebe und nicht wieder in lautstarkes Jammern ausbreche.“ Diese Umarmung kann nicht ernst gemeint sein. Die Büchse meiner bodenlosen Wunsch-Pandora öffnet sich schleichend wieder Stück für Stück … Das Spiel kann von vorn beginnen.