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Edgar A. Poe ist gilt als bedeutendster Vertreter der amerikanischen Romantik, hatte großen Einfluss auf den Symbolismus und auf die Entwicklung der phantastischen Literatur und auf die Kriminalliteratur, insbesondere auf Jules Verne, Arthur Conan Doyle und H. G. Wells. Seine Kriminal- und Gruselgeschichten sind, ob als Gedicht oder Erzählung, in besonderem Maße von seinem analytischen Scharfsinn und seinem Hang zum Makaberen geprägt und haben einen großen Einfluss auch auf die europäische Literatur ausgeübt. Doch dabei war sein Horror sehr persönlich. Die Schrecken seines Werkes, sind kaum von den Schrecken seines von Armut, Exzessen und Wahn geprägten Lebens zu trennen. Poe hatte großen Einfluss auf den Symbolismus und auf die Entwicklung der phantastischen Literatur und auf die Kriminalliteratur, insbesondere auf Jules Verne, Arthur Conan Doyle und H. G. Wells.
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Edgar Allan Poe (1809 – 1849) wurde in Boston als Sohn von Schauspielern geboren. Bereits im Alter von 10 Jahren war er Vollwaise. 1826 begann er ein Studium an der University of Virginia. 1827 kam er zum Militärdienst, aus dem er 1831 entlassen wurde. 1838 heiratete er seine Cousine Virginia Clemm, die 1847 starb und ihn hilflos zurückließ. Poe lebte in bitterer Armut und starb am 07.10.1849 in Baltimore unter nicht geklärten Umständen.
Edgar A. Poe gilt als bedeutendster Vertreter der amerikanischen Romantik, hatte großen Einfluss auf den Symbolismus und die Entwicklung der phantastischen Literatur sowie auf die Kriminalliteratur, insbesondere auf Jules Verne, Arthur Conan Doyle und H. G. Wells. Seine Kriminal- und Gruselgeschichten zeichnen sich in besonderem Maße durch seinen analytischen Scharfsinn und seinen Hang zum Makaberen aus. Doch dabei war sein Horror sehr persönlich. Die Schrecken seines Werkes sind kaum von den Schrecken seines von Armut, Exzessen und Wahn geprägten Lebens zu trennen.
Der Goldkäfer, Eine Geschichte aus dem Felsengebirge, Der schwarze Kater, Das Fass Amontilladowein, Die Maske des roten Todes, Die Rache des Zwerges, Die Grube und das Pendel, Der alte Mann mit dem Geierauge, Die Mordtat in der Rue Morgue, Der gestohlene Brief, Bericht über den Fall Valdemar, Der Untergang des Hauses Usher, Metzengerstein Ligeia, In der Tiefe des Maelstroms, William Wilson
Der Goldkäfer
Eine Geschichte aus dem Felsengebirge
Der schwarze Kater
Das Fass Amontilladowein
Die Maske des roten Todes
Die Rache des Zwerges
Die Grube und das Pendel
Der alte Mann mit dem Geierauge
Die Mordtat in der Rue Morgue
Der gestohlene Brief
Bericht über den Fall Valdemar
Der Untergang des Hauses Usher
Metzengerstein
Ligeia
In der Tiefe des Maelstroms
William Wilson
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Vor vielen Jahren befreundete ich mich mit einem gewissen William Legrand. Er stammte aus einer alten Hugenottenfamilie und war einst wohlhabend gewesen, bis er durch eine Folge von Unglücksfällen verarmte. Um nun den Demütigungen seiner üblen Lage zu entgehen, verließ er seine Vaterstadt New Orleans und schlug seinen Wohnsitz auf der Sullivansinsel nahe bei Charleston in Südkarolina auf.
Es ist dies eine merkwürdige Insel. Sie besteht eigentlich nur aus Seesand und ist ungefähr drei Meilen lang und höchstens eine Viertelmeile breit. Vom Festland trennt sie ein kaum bemerkbarer Flussarm, der sich träge durch eine Wildnis von Schilf und Schlamm wälzt und den Lieblingsaufenthalt der Wasserhühner bildet. Natürlich ist die Vegetation ärmlich und niedrig, einigermaßen hohe Bäume gibt es überhaupt nicht. Am Westende beim Fort Moultrie, wo einige elende Holzhäuser stehen, die im Sommer Bewohnern von Charleston eine Zuflucht vor Staub und Fieber bieten, wächst die stachlige Zwergpalme. Sonst aber ist die ganze Insel, wenn man von einem schmalen weißen Küstenstreifen an der Seeseite absieht, dicht bedeckt mit den Sträuchern der wohlriechenden Myrte, die bei den englischen Gärtnern so beliebt ist. Sie erreichen hier manchmal eine Höhe von fünfzehn bis zwanzig Fuß und bilden ein fast undurchdringliches, von schwerem Duft erfülltes Dickicht.
Im tiefsten Inneren dieses Dickichts, nahe beim östlichen und entlegensten Ende der Insel, hatte sich Legrand eine kleine Hütte gebaut, die er bewohnte, als ich, rein durch Zufall, seine Bekanntschaft machte. Bald entwickelte sich zwischen uns eine Freundschaft, denn es gab vieles bei diesem Einsiedler, was mein Interesse und meine Achtung erweckte. Er besaß eine gute Erziehung und ungewöhnliche geistige Fähigkeiten, war aber etwas menschenscheu und fiel oft in wunderliche Stimmungen, die zwischen höchster Begeisterung und tiefster Schwermut schwankten. Er besaß eine Menge Bücher, las aber selten darin. Seine Lieblingsbeschäftigung waren Jagd und Fischfang. Auch schlenderte er gerne an der Küste und in den Büschen herum und suchte merkwürdige Muscheln und Insekten. Besonders um seine Insektensammlung würde ihn sogar ein Swammerdam beneidet haben. Gewöhnlich begleitete ihn bei diesen Ausflügen ein alter Neger namens Jupiter, dem die Familie schon vor dem Zusammenbruch die Freiheit geschenkt hatte. Aber weder durch Drohungen noch Versprechungen konnte man ihn von dem abbringen, was er als sein gutes Recht betrachtete, nämlich seinem jungen »Massa Will« auf Schritt und Tritt zu folgen und ihm zu dienen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verwandten Legrands, die diesen für geistig nicht ganz normal hielten, Jupiter absichtlich die Idee eingeflößt hatten, um so dem Sonderling eine Aufsicht und einen Schutz zu geben.
Im Breitengrad der Sullivansinsel sind die Winter meistens sehr mild und es kommt selten vor, dass man einmal Feuer anmachen muss. Mitte Oktober 18 . . hatten wir aber einmal einen bemerkenswert kalten Tag. Es war kurz vor Sonnenuntergang, als ich mir durch das Immergrün meinen Weg nach der Hütte meines Freundes bahnte. Ich hatte ihn seit mehreren Wochen nicht mehr besucht, denn ich wohnte damals neun Meilen von der Insel entfernt in Charleston, und die Gelegenheit zur Hin- und Rückfahrt war damals nicht so bequem wie heute. Bei meiner Ankunft an der Hütte klopfte ich wie gewöhnlich und da ich keine Antwort bekam, suchte ich mir den Schlüssel, denn ich wusste, wo er versteckt war, öffnete die Türe und trat hinein. Ein helles Feuer brannte im Kamin. Das war eine Überraschung, aber durchaus keine unangenehme. Ich warf meinen Mantel ab, zog einen Armstuhl in die Nähe der knisternden Holzkloben und wartete geduldig auf die Ankunft meiner Wirte.
Bald nach Eintritt der Dunkelheit kamen sie an und empfingen mich aufs herzlichste. Jupiter grinste über das ganze Gesicht und machte sich eilig daran, ein paar Wasserhühner für das Abendessen zu braten. Legrand war wieder einmal in einem seiner Anfälle von Begeisterung. Er hatte eine unbekannte Muschel gefunden, die eine neue Art bildete, und mehr als das, es war ihm mit Jupiters Hilfe gelungen, einen Käfer zu fangen, den er für gänzlich neu hielt, über den er aber am nächsten Morgen meine Meinung wissen wollte.
»Und warum nicht heute Abend?«, fragte ich, indem ich mir über der Glut meine Hände rieb und das ganze Geschlecht der Käfer zum Teufel wünschte.
»Ja, wenn ich nur gewusst hätte, dass Sie hier wären!«, sagte Legrand. »Aber ich habe Sie so lange nicht mehr getroffen und wie konnte ich da vorhersehen, dass Sie mir gerade am heutigen Abend einen Besuch abstatten würden? Auf dem Heimwege traf ich Leutnant G. vom Fort und lieh ihm dummerweise den Käfer, darum können Sie ihn erst morgen sehen. Bitte, übernachten Sie bei mir, und bei Sonnenaufgang will ich Jupiter danach schicken. Er ist das Herrlichste, was es auf der Welt gibt!«
»Wer? Der Sonnenaufgang?«
»Unsinn! Der Käfer! Er ist so groß wie eine dicke Walnuss, hat eine brillante Goldfarbe mit zwei pechschwarzen Flecken an einem Ende des Rückens und einem etwas längeren Fleck am anderen Ende. Die Fühlhörner sind …«
»Keine Farbe daran, Massa Will«, unterbrach hier Jupiter. »Käfer sein Goldkäfer, durch und durch Gold, überall Gold, nur nicht Flügel. Nie halb so schweren Käfer im Leben gehabt.«
»Angenommen, es ist so, Jup«, antwortete Legrand mit etwas mehr Ernst, als der Fall nach meiner Ansicht erforderte, »brauchst du deswegen die Hühner anbrennen zu lassen? Die Farbe« – hier wandte er sich wieder zu mir – »ist tatsächlich leuchtend genug, um Jupiters Idee Kraft zu geben. Sie haben noch nie einen so brillanten Metallglanz gesehen, wie ihn seine Einkerbungen ausstrahlen – aber darüber können Sie erst morgen früh urteilen. Inzwischen will ich Ihnen einen Begriff von seiner Form geben.« Mit diesen Worten setzte er sich an einen kleinen Tisch, auf dem sich Feder und Tinte, aber kein Papier befand. Er suchte in einer Schublade, fand aber keins.
»Übrigens genügt auch dies«, sagte er schließlich und zog aus seiner Westentasche einen Fetzen, der wie sehr schmutziges Aktenpapier aussah. Dann zeichnete er mit der Feder eine flüchtige Skizze darauf, während ich beim Feuer sitzen blieb, denn es war noch sehr kühl. Als er mit der Zeichnung fertig war, reichte er sie mir, ohne aufzustehen, herüber und ich nahm sie in die Hand. Gerade in diesem Augenblick hörte man draußen ein lautes Knurren und dann ein Kratzen an der Tür. Jupiter öffnete und ein großer Neufundländer, der Legrand gehörte, stürzte herein, sprang mir auf die Schultern und überschüttete mich mit Liebkosungen, denn ich war bei meinen früheren Besuchen sehr freundlich gegen ihn gewesen. Als seine Freudensprünge vorbei waren, besah ich mir das Papier und war, um die Wahrheit zu sagen, nicht wenig erstaunt über das, was mein Freund gezeichnet hatte.
»Nun ja«, sagte ich, nachdem ich es eine Weile betrachtet hatte, »das ist wirklich, wie ich gestehen muss, ein seltsamer Käfer. Er ist für mich ganz neu und ich habe nie etwas Ähnliches gesehen – es sei denn bei einem Schädel oder Totenkopf, mit dem er mehr Ähnlichkeit hat als alles, was mir bisher vorgekommen ist.«
»Ein Totenkopf«, wiederholte Legrand. »Jawohl, etwas Ähnlichkeit hat er ohne Zweifel in der Zeichnung damit. Die beiden oberen schwarzen Flecke sehen wie Augen aus – nicht wahr? Und unten der längere wie ein Mund – auch ist der Umriss oval.«
»Vielleicht«, antwortete ich. »Übrigens, Legrand, ich fürchte, Sie sind kein großer Künstler, und ich muss warten, bis ich den Käfer selbst sehe, um mir von seinem wirklichen Aussehen ein Bild zu machen.«
»Nun, ich weiß nicht«, sagte er etwas gereizt, »ich zeichne sonst ganz leidlich – ich sollte es wenigstens, denn ich habe eine gute Schule gehabt und schmeichle mir auch, dass ich nicht so unbegabt bin.«
»Aber, mein lieber Freund, dann machen Sie sich einen Spaß mit mir«, sagte ich. »Dies ist ein ganz leidlicher Schädel – ich könnte sogar sagen, es ist ein ganz ausgezeichneter Schädel, wenigstens nach der gewöhnlichen Vorstellung, die man sich von einem solchen physiologischen Gegenstand macht. Und Ihr Käfer muss der eigentümlichste Käfer der Welt sein, wenn er ihm gleicht. Wahrhaftig, sein Anblick könnte einen zu einem abergläubischen Gruseln verführen. Ich schlage vor, wir nennen den Käfer Scarabaeus caput hominis oder so ähnlich – es gibt ja solche Namen in der Naturgeschichte. Aber wo sind die Fühler, von denen Sie sprachen?«
»Die Fühler!«, sagte Legrand, der sich bei dem Gespräch merkwürdig zu erregen schien. »Die müssen Sie doch sehen. Ich zeichnete sie genau so, wie sie bei dem wirklichen Insekt sind, und ich nehme an, das genügt.«
»Nun ja«, antwortete ich, »vielleicht haben Sie das getan – nur sehe ich es nicht.« Damit überreichte ich ihm das Papier, ohne weiter eine Bemerkung zu machen, denn ich wollte seine Erregung nicht noch steigern. Aber ich war doch sehr erstaunt über die Wendung, die unsere Unterhaltung genommen hatte. Seine Verstimmung verblüffte mich und was die Zeichnung des Käfers anging, so waren wirklich keine Fühler darauf zu sehen. Das Ganze glich vielmehr genau dem gewöhnlichen Umriss eines Totenschädels.
Er nahm sehr verdrießlich das Papier und war gerade dabei, es zu zerknüllen, offenbar, um es ins Feuer zu werfen, als ein zufälliger Blick auf die Zeichnung plötzlich seine Aufmerksamkeit zu erregen schien. Sein Gesicht wurde einen Moment dunkelrot und gleich darauf ganz blass. Ohne sich zu rühren, betrachtete er die Zeichnung minutenlang aufs genaueste. Dann erhob er sich, nahm eine Kerze vom Tisch und setzte sich auf eine Schiffstruhe im entferntesten Winkel des Zimmers. Hier begann er von neuem das Papier sorgfältig zu untersuchen, indem er es nach allen Richtungen umwandte. Er sprach aber kein Wort und sein Benehmen versetzte mich in das größte Erstaunen. Trotzdem hielt ich es für das Klügste, die wachsende Erregung seiner Stimmung durch keine Bemerkung zu vergrößern. Nach einer Weile nahm er aus seiner Rocktasche eine Briefmappe, legte das Papier sorgfältig hinein und verschloss beides in einem Schreibtisch. Sein Verhalten wurde jetzt etwas ruhiger, aber die ursprüngliche gehobene Stimmung war ganz verschwunden. Trotzdem schien er weniger verstimmt als zerstreut zu sein und je mehr der Abend fortschritt, desto mehr versank er in Träumerei, aus der ich ihn durch keine lustige Bemerkung erwecken konnte. Es war meine Absicht gewesen, die Nacht in der Hütte zu verbringen, wie ich es schon oft getan hatte; aber da ich meinen Wirt in einer solchen Laune sah, hielt ich es doch für das Beste, aufzubrechen. Er drängte mich nicht zu bleiben, schüttelte aber beim Abschied meine Hand mit fast größerer Herzlichkeit als sonst.
Ungefähr einen Monat später (ich hatte inzwischen nichts von Legrand gesehen) besuchte mich Jupiter in Charleston. Noch nie war mir der gute alte Neger so niedergeschlagen vorgekommen und ich fürchtete, meinem Freunde sei ein ernsthaftes Missgeschick widerfahren.
»Nun, Jup«, fragte ich, »was ist denn geschehen? Wie geht es deinem Herrn?«
»Ach, Massa, um die Wahrheit zu sagen, er sein nicht ganz so wohl, wie sich gehört.«
»Nicht wohl? Das tut mir aber leid! Worüber klagt er denn?«
»Ja, das ist es! Er nie über etwas klagen – er aber wirklich sehr krank sein.«
»Sehr krank, Jupiter? Warum sagtest du das nicht sofort? Liegt er zu Bett?«
»Nein, das nicht! Er überhaupt nicht liegen – das ist gerade, warum mich der Schuh drücken. Mein Kopf sein sehr schwer wegen armen Massa Will.«
»Jupiter, ich möchte nun endlich wissen, worüber du redest. Du sagst, der Herr ist krank. Hat er dir nicht mitgeteilt, was ihn quält?«
»Ach, Massa, es sein nicht nötig, sich darüber aufzuregen – Massa Will sagen nie, was ihm fehlen –, aber warum gehn er denn herum und sehen so aus und lassen den Kopf hängen und regen sich auf und sein so weiß wie eine Gans? Und halten immer Syphons in der Hand …«
»Was hält er, Jupiter?«
»Er halten ein Papier mit Schiffers und Zahlen in der Hand – die merkwürdigsten Syphons, die es geben. Muss mich um ihn kümmern, muss jetzt mächtig scharfes Auge auf ihn haben. Neulich rücken er aus bei Sonnenaufgang und sein den ganzen lieben Tag verschwunden. Ich hatten dickes Stock geschnitten, um ihm sehr gute Prügel bei Rückkehr zu geben – aber bin ich ein Narr, hatten nicht das Herz – er sich zu elend ausgesehen.«
»Wie? Was? Na ja, aber du musst nicht zu streng mit dem armen Kerl umgehen – du darfst ihn nicht prügeln, Jupiter, das hält er nicht aus. Aber hast du keine Idee, wodurch seine Krankheit oder, besser gesagt, sein verändertes Benehmen verursacht ist? Ist, seit ich dort war, etwas Unangenehmes vorgekommen?«
»Nein, Massa, nichts Unangenehmes sein vorgekommen seitdem – es sein gekommen vordem – es war am selben Tag, als Massa da waren.«
»Wie? Was meinst du damit?«
»Ja, Massa, ich meinen den Käfer von damals.«
»Was?«
»Den Käfer – ich sein sehr gewiss, dass Massa Will gebissen worden am Kopf von diesem Goldkäfer.«
»Und welcher Grund bringt dich zu dieser Annahme, Jupiter?«
»Gründe genug, Massa. Ich nie einen solchen Teufelskäfer gesehn – er treten und beißen alles, was nahe kam. Massa Will ihn fest packen, aber ihn mächtig schnell wieder fahren lassen – das war Moment, wo er gebissen sein müssen. Mir selbst nicht gefallen das Maul von Käfer, darum ich ihn nicht packen mit Finger, sondern mit Stück Papier, das ich gefunden. Ich ihn wickeln in das Papier und ihm ein Stück Papier ins Maul stecken – so es gegangen.«
»Und du glaubst also, dass dein Herr wirklich von dem Käfer gebissen wurde und dass der Biss ihn krank gemacht hat?«
»Ich nichts darüber glauben, ich es wissen. Warum träumen er so viel von Gold, wenn nicht wegen Goldkäfer? Ich haben schon früher von goldenen Käfer gehört.«
»Aber woher weißt du, dass er von Gold träumt?«
»Woher ich wissen? Nun, weil er davon im Schlaf sprechen – daher ich wissen.«
»Gut, Jup, vielleicht hast du recht. Aber welche glücklichen Umstände verschaffen mir die Ehre deines heutigen Besuchs?«
»Wie meinen, Massa?«
»Bringst du eine Botschaft von Mr. Legrand?«
»Nein, Massa, ich bringen hier diesen Brief«, und damit reichte mir Jupiter ein Schreiben, das folgendermaßen lautete:
»Lieber Freund, warum habe ich Sie so lange nicht gesehen? Sie sind doch hoffentlich nicht so töricht gewesen, mir irgendeine kleine Unhöflichkeit in meinem Benehmen übel zu nehmen? Doch nein, das ist unmöglich. Seit Ihrem letzten Besuch hat mir etwas viele Sorgen gemacht. Ich muss Ihnen etwas mitteilen und weiß doch nicht, wie ich es mitteilen oder ob ich es überhaupt tun soll. Ein paar Tage lang fühlte ich mich gar nicht wohl und der arme alte Jup quält mich auf fast unerträgliche Weise mit seinen gut gemeinten Aufmerksamkeiten.
Werden Sie es glauben? – Neulich hatte er einen großen Stock zurechtgemacht, um mich zu züchtigen, weil ich ihn im Stich gelassen und den ganzen Tag allein auf den Hügeln des Festlandes verbracht hatte. Ich glaube wirklich, dass nur mein schlechtes Aussehen mich vor den Prügeln bewahrt hat. Meine Sammlung hat sich seit unserem letzten Beisammensein nicht vergrößert. Wenn Sie es irgendwie ermöglichen können, so kommen Sie doch mit Jupiter herüber. Bitte, kommen Sie. Ich möchte Sie heute Abend noch in einer wichtigen Angelegenheit sprechen. Ich versichere Ihnen, es handelt sich um eine für mich höchst wichtige Sache. Ihr alter William Legrand.«
Es war etwas in dem Brief, was mir durchaus nicht gefiel. Der ganze Stil passte so gar nicht zu Legrand. Wovon mochte er träumen? Welche verrückte Idee war wieder in sein erregbares Gehirn getreten? Welche »höchst wichtige Sache« konnte er zu erledigen haben? Jupiters Bericht über ihn verkündete nichts Gutes. Ich fürchtete, das fortgesetzte Grübeln über sein Unglück habe doch schließlich die Vernunft meines Freundes etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Ohne mich daher einen Augenblick zu besinnen, schickte ich mich an, den Neger zu begleiten. Als wir die Werft erreichten, sah ich eine Sense und drei Spaten, alle offenbar neu, auf dem Boden des Bootes liegen, mit dem wir fahren sollten.
»Was bedeutet das alles, Jup?«, fragte ich. »Das sein Sense, Massa, und Spaten.«
»Sehr richtig, aber was sollen die hier?«
»Das sein die Sense und die Spaten, die ich für Massa Will in der Stadt gekauft, und haben teufelsmäßig viel Geld gekostet.«
»Aber was in aller Welt will dein Massa Will mit Sense und Spaten anfangen?«
»Das ist mehr, als ich wissen, und, wenn mich Teufel holt, auch mehr, als er wissen. Aber das kommen alles von dem Käfer.«
Da ich fand, dass mir Jupiter, dessen ganzer Verstand von dem Käfer verschluckt zu sein schien, keine vernünftige Erklärung geben konnte, so stieg ich ins Boot und spannte die Segel. Mit einem günstigen, scharfen Wind fuhren wir bald in die kleine Bucht nördlich von Fort Moultrie ein und ein Marsch von zwei Meilen brachte uns zur Hütte. Es war gegen drei Uhr nachmittags, als wir ankamen. Legrand hatte uns voller Ungeduld erwartet. Er drückte mir die Hand mit einer nervösen Überschwänglichkeit, die mich beunruhigte und den Verdacht bestärkte, der schon in mir aufgestiegen war. Sein Aussehen war fast gespenstisch blass und seine tief liegenden Augen leuchteten in einem unnatürlichen Glanz. Nach einigen Fragen über seine Gesundheit erkundigte ich mich, da mir sonst kein Gesprächsstoff einfiel, ob er schon den Käfer von dem Leutnant G. zurückerhalten habe.
»Oh ja«, antwortete er heftig errötend, »ich bekam ihn schon am nächsten Morgen. Nichts könnte mich dazu bringen, mich von dem Käfer wieder zu trennen. Wissen Sie, dass Jupiter in Bezug auf ihn ganz recht hatte?«
»In welcher Beziehung?«, fragte ich mit einem traurigen Vorgefühl im Herzen.
»In der Annahme, dass der Käfer aus wirklichem Gold war.« Er sagte dies mit einem Ausdruck tiefsten Ernstes, so dass mich ein unbeschreiblicher Schreck überfiel. »Dieser Käfer wird mein Glück machen«, fuhr er mit triumphierendem Lächeln fort. »Er wird mich wieder in meinen Familienbesitz bringen. Ist es daher ein Wunder, wenn ich ihn so preise? Seit das Glück den Einfall gehabt hat, ihn mir zu schenken, brauche ich nur den richtigen Gebrauch davon zu machen, um zu dem Gold zu gelangen, das er mir zeigt. Jupiter, bring mir den Käfer!«
»Was, den Käfer, Massa? Ich lieber diesen Käfer nicht anrühren, Sie ihn selber nehmen.«
Legrand erhob sich darauf mit ernster und würdiger Miene und holte mir den Käfer aus einem Glaskasten, in dem er eingeschlossen war. Es war ein schöner Käfer, der damals noch den Naturforschern unbekannt und deshalb von großem wissenschaftlichen Wert war. Er hatte zwei runde schwarze Flecke an dem einen Ende des Rückens und einen länglichen am anderen. Die Glieder waren außerordentlich hart und glänzend und sahen aus wie poliertes Gold. Auch das Gewicht war sehr beträchtlich, und wenn ich alles das erwog, so konnte ich schwerlich Jupiter wegen seiner Meinung über ihn tadeln. Aber wie Legrand dazu kam, diese Meinung zu teilen, war mir wirklich ein Rätsel.
»Ich habe Sie hergebeten«, sagte er in pathetischem Ton, als ich den Käfer betrachtet hatte, »ich habe Sie hergebeten, weil ich Ihren Rat und Ihre Hilfe brauche, um die Aussichten zu verwirklichen, die mir das Schicksal und der Käfer bieten.«
»Mein lieber Legrand«, unterbrach ich ihn, »Ihnen ist wirklich nicht wohl und Sie sollten sich etwas schonen. Sie werden jetzt zu Bett gehen und ich will ein paar Tage hierbleiben, bis Sie über alles hinweg sind. Sie haben Fieber und …«
»Fühlen Sie meinen Puls!«, sagte er. Ich fühlte ihn und fand, um die Wahrheit zu sagen, nicht die leiseste Spur von Fieber.
»Aber Sie können krank sein und trotzdem kein Fieber haben. Gestatten Sie mir dieses eine Mal, Ihr Arzt zu sein. Zunächst müssen Sie zu Bett gehen, ferner …«
»Sie irren sich«, unterbrach er mich. »Mir ist so wohl, wie mir bei der Aufregung, an der ich leide, nur sein kann. Wenn Sie wirklich mein Bestes wollen, dann müssen Sie mir helfen, diese Aufregung zu überwinden.«
»Und wie kann das geschehen?«
»Sehr einfach. Jupiter und ich machen einen Ausflug in die Festlandshügel und bei diesem Ausflug brauchen wir jemand, dem wir vertrauen können. Sie sind der Einzige, auf den wir uns verlassen dürfen. Ob wir nun Erfolg haben oder nicht, in jedem Fall wird die Erregung, die Sie bei mir bemerken, danach vorüber sein.«
»Ich will Ihnen gerne in jeder Weise zu Diensten sein«, antwortete ich. »Aber wollen Sie etwa sagen, dass dieser höllische Käfer irgendetwas mit Ihrem Ausflug in die Hügel zu tun hat?«
»Unbedingt.«
»Dann, Legrand, kann ich mich an einer solch verrückten Geschichte nicht beteiligen.«
»Das tut mir leid – sehr leid –, denn dann müssen wir es allein versuchen.«
»Allein versuchen! Sie sind sicher nicht bei Sinnen! – Aber halt, wie lange soll dieser Ausflug dauern?«
»Wahrscheinlich die ganze Nacht. Wir werden sofort aufbrechen und auf jeden Fall bei Sonnenaufgang zurück sein.«
»Und Sie versprechen mir auf Ehrenwort, dass, wenn diese tolle Geschichte vorüber und die Käferangelegenheit zu Ihrer Zufriedenheit erledigt ist, Sie dann nach Hause zurückkehren und meinen Ratschlägen folgen, als wäre ich Ihr Arzt?«
»Ja, das verspreche ich. Und nun wollen wir aufbrechen, denn wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Mit schwerem Herzen begleitete ich meinen Freund. Wir brachen um vier Uhr auf – Legrand, Jupiter, der Hund und ich. Jupiter nahm die Sense und die Spaten – er bestand darauf, alles zu tragen –, wie es mir schien, mehr aus Furcht, die Geräte im Bereich seines Herrn zu lassen, als aus einem Übermaß an Arbeitslust oder Gefälligkeit. Sein Benehmen war sehr mürrisch und »das verdammte Käfer« waren die einzigen Worte, die während des Marsches über seine Lippen kamen. Mir selbst waren ein paar Blendlaternen anvertraut worden, während sich Legrand mit dem Käfer begnügte, den er an einem Stück Peitschenschnur angebunden trug. Er schwang ihn beim Gehen vorwärts und rückwärts mit dem Gesicht eines Hexenmeisters. Als ich diesen letzten klaren Beweis von der Geistesverwirrung meines Freundes sah, konnte ich kaum die Tränen zurückhalten. Ich hielt es aber für das Beste, auf seine Idee einzugehen, wenigstens für den Augenblick oder bis ich eine Gelegenheit fand, ernstere Maßnahmen mit Aussicht auf Erfolg zu ergreifen. Inzwischen versuchte ich vergebens, etwas über den Zweck unseres Unternehmens zu erfahren. Nachdem es ihm gelungen war, mich zur Teilnahme daran zu bewegen, schien er nicht in der Laune zu sein, sich über etwas weniger Wichtiges zu unterhalten, und auf alle Fragen bekam ich nur die Antwort: »Wir werden sehen!«
Auf einem Ruderboot setzten wir am Ende der Insel über den Flussarm, erstiegen die Höhen am Festlandsufer und wandten uns nach Nordwesten durch ein außerordentlich wildes und verlassenes Stück Land, wo auch nicht die Spur eines menschlichen Fußtrittes zu sehen war. Legrand führte uns entschlossen vorwärts, wobei er nur von Zeit zu Zeit einen Augenblick Halt machte, um nach gewissen Wegzeichen zu sehen, die er offenbar selbst bei einer früheren Gelegenheit angebracht hatte.
Wir waren auf diese Weise ungefähr zwei Stunden marschiert und die Sonne neigte sich gerade zum Untergang, als wir in eine Gegend kamen, so unendlich traurig, wie ich nie etwas gesehen hatte. Es war eine Art Tafelland nahe dem Gipfel eines fast unersteigbaren, von unten bis oben dicht bewachsenen Hügels, der mit riesigen Felsspitzen besät war, die lose auf dem Boden zu liegen schienen, so dass es aussah, als würden sie nur durch die Bäume, an die sie sich anlehnten, verhindert ins Tal herabzustürzen. Nach allen Seiten liefen tiefe Schluchten und gaben der Landschaft den Anschein von ernsterer Feierlichkeit. Eine natürliche Abflachung, die wir erklettert hatten, war so dicht mit Brombeeren überwachsen, dass wir bald die Unmöglichkeit entdeckten, uns ohne die Sense einen Weg hindurchzubahnen. Jupiter ging auf Geheiß seines Herrn daran, uns einen Pfad frei zu machen bis dicht an einen riesigen Tulpenbaum, der mit acht oder zehn Eichen auf der Höhe stand und sie weit überragte. Er übertraf auch alle Bäume, die ich je gesehen hatte, an Schönheit seiner Form und seines Laubes, an der gewaltigen Ausdehnung seiner Äste und der allgemeinen Majestät seines Aussehens. Als wir diesen Baum erreichten, wandte sich Legrand an Jupiter und fragte ihn, ob er sich wohl getraue, ihn zu erklettern. Der alte Mann schien etwas verblüfft zu sein über diese Frage und gab einen Augenblick keine Antwort. Schließlich näherte er sich dem riesigen Stamm, ging langsam um ihn herum und besah ihn sich genau. Als er seine Prüfung beendet hatte, sagte er gleichmütig: »Ja, Massa, Jup klettern auf jeden Baum, den er im Leben gesehen haben.«
»Dann hinauf mit dir so schnell wie möglich, denn es wird bald zu dunkel sein für unsere Angelegenheit.«
»Wie weit muss ich hinauf, Massa?«, fragte Jupiter.
»Steige zuerst den Hauptstamm hinauf, das Weitere will ich dir dann schon sagen. Und halt! Nimm hier den Käfer mit.«
»Das Käfer, Massa Will? Das Goldkäfer?«, schrie der Neger und fuhr entsetzt zurück. »Wozu müssen das Käfer mit auf den Baum? Ich verdammt sein, wenn ich das tun!«
»Wenn ein großer, starker Neger wie du, Jup, Angst hat, einen kleinen, unschädlichen, toten Käfer anzufassen, dann kannst du ihn an der Schnur hinaufziehen – aber wenn du ihn nicht auf irgendeine Art mitnimmst, dann bin ich genötigt, dir mit dieser Schippe den Schädel einzuschlagen.«
»Was wollen denn Massa?«, fragte Jupiter, der sich schämte und plötzlich nachgiebig wurde. »Sie immer Streit suchen mit alten Nigger. War ja nur Scherz. Ich das Käfer fürchten? Was gehn mich Käfer an!« Damit fasste er sorgfältig das äußerste Ende der Schnur und machte sich, indem er das Insekt so weit wie möglich von seiner Person abhielt, daran, den Baum zu erklettern.
In seiner Jugend hat der Tulpenbaum oder Liriodendron tulipiferum, die prächtigste Erscheinung der amerikanischen Wälder, einen auffallend glatten Stamm und erreicht oft eine bedeutende Höhe ohne Seitenäste. Im reiferen Alter wird aber seine Rinde rissig und uneben und viele kurze Äste erscheinen an dem Stamm. Daher war auch in diesem Falle die Schwierigkeit des Kletterns mehr scheinbar als wirklich. Indem er sich mit Armen und Knien so fest wie möglich an den riesigen Zylinder drückte, mit den Händen nach vorstehenden Stümpfen griff und auf anderen die nackten Zehen ruhen ließ, wand sich Jupiter bis auf den ersten großen Ast, nachdem er allerdings ein- oder zweimal mit großer Not der Gefahr des Abstürzens entgangen war. Er schien jetzt die ganze Aufgabe in der Hauptsache für erledigt zu halten. Das Gefährliche an dem Unternehmen war jedenfalls vorbei, obgleich der Kletterer sich nunmehr sechzig oder siebzig Fuß über dem Erdboden befand.
»Welchen Weg müssen ich jetzt gehen, Massa Will?«, fragte er.
»Jetzt steige den stärksten Ast hinauf – den hier auf dieser Seite«, sagte Legrand.
Der Neger gehorchte ihm unverzüglich und offenbar ohne viel Mühe. Er stieg höher und höher, bis man in dem dichten Laubwerk, das ihn umgab, keinen Schimmer mehr von seinem breiten Körper sah. Nach einer Weile hörte man seine Stimme wie eine Art Hallo.
»Wie viel weiter sollen ich klettern?«
»Wie hoch bist du?«, fragte Legrand.
»Ich so hoch sein«, antwortete der Neger, »dass ich sehen den Himmel von dem Ast.«
»Kümmere dich nicht um den Himmel, sondern höre, was ich dir sage. Sieh hinunter und zähle die Äste, die an dieser Seite unter dir sind. An wie viel Ästen bist du vorbeigeklettert?«
»Eins, zwei, drei, vier, fünf – ich sein an fünf Ästen vorbei, Massa, an dieser Seite.«
»Dann steige einen Ast höher.«
Einige Minuten darauf hörte man wieder seine Stimme, er rief, dass er den siebten Ast erreicht habe.
»Nun, Jup«, rief Legrand, augenscheinlich sehr erregt, »möchte ich, dass du dich auf dem Ast so weit wie möglich herausarbeitest. Wenn du etwas Ungewöhnliches siehst, teile es mir mit.«
Wenn ich bisher noch ein wenig an meines Freundes Geistesverwirrung gezweifelt hatte, so war das jetzt endgültig vorbei. Es gab keine andere Möglichkeit, als ihn für wahnsinnig zu halten, und ich machte mir ernsthafte Sorgen, wie ich ihn nach Hause bringen sollte. Während ich noch nachdachte, was am besten zu tun sei, hörten wir wieder Jupiters Stimme.
»Ich sehr fürchten, auf diesem Ast weit vorzugehen – er vollständig abgestorben sein.«
»Sagtest du, der Ast wäre abgestorben, Jupiter?«, fragte Legrand mit zitternder Stimme.
»Ja, Massa, er tot wie ein Türnagel – ganz bestimmt – sein Leben vorbei.«
»Was in Himmels Namen soll ich nun anfangen?«, fragte Legrand anscheinend in höchster Verzweiflung.
»Anfangen?«, sagte ich erfreut, weil ich eine Gelegenheit fand, mich einzumischen. »Natürlich nach Hause gehen und sich zu Bett legen. Kommen Sie mit, seien Sie vernünftig. Es ist sehr spät, und denken Sie an Ihr Versprechen.«
»Jupiter«, schrie er, ohne mich im Geringsten zu beachten, »kannst du mich hören?«
»Ja, Massa Will, ich Sie hören ganz deutlich.«
»Untersuche einmal genau das Holz mit deinem Messer und sage mir, ob du es für sehr morsch hältst.«
»Es sein sicher morsch, Massa«, antwortete der Neger etwas später, »aber doch nicht so morsch, als ich gedacht haben. Allein können ich mich sicher etwas hinauswagen.«
»Allein? – Was meinst du damit?«
»Nun, ich meinen das Käfer. Es sein sehr schweres Käfer. Wenn ich ihn zuerst fallen lassen, dann der Ast werden nicht brechen vom Gewicht von einem Nigger.«
»Du verdammter Schurke!«, rief Legrand, offenbar sehr erleichtert. »Was soll das heißen, dass du mir solchen Unsinn erzählst? Wenn du dich unterstehst, den Käfer fallen zu lassen, schlage ich dir den Schädel ein. Gib acht, Jupiter, hörst du, was ich sage?«
»Ja, Massa brauchen armen Nigger nicht so anzubrüllen.«
»Nun, dann pass auf! Wenn du dich, so weit du es für sicher hältst, auf den Ast hinauswagst und den Käfer nicht fallen lässt, werde ich dir einen Silberdollar schenken, sobald du herabkommst.«
»Ich gehen vor, Massa Will«, antwortete der Neger sehr bereitwillig. »Ich jetzt ganz am Ende sein.«
»Ganz am Ende?« Legrand schrie jetzt förmlich. »Sagtest du, dass du am Ende des Astes bist?«
»Fast am Ende – oh, oh, oh! Barmherziger Gott, was sein auf dem Ast?«
»Nun?«, rief Legrand höchst entzückt, »was gibt es da?«
»Es sein nur ein Schädel – jemand seinen Kopf auf dem Ast gelassen und die Krähen alles Fleisch davon gegessen.«
»Ein Schädel, sagst du? – Sehr gut! – Wie ist er an dem Ast befestigt? Was hält ihn fest?«
»Wahrhaftig, Massa, ich müssen sehen. Aber dies sein merkwürdig – da sein ein sehr dicker Nagel in dem Schädel, der ihn an dem Zweig festhalten.«
»Und nun, Jupiter, tu genau, was ich dir sage. Hörst du mich?«
»Ja, Massa.«
»Also, gib acht. Suche das linke Auge des Schädels.«
»Hm, ja! Aber er haben ja kein linkes Auge mehr.«
»Verfluchter Dummkopf! Du weißt doch, was deine rechte und was deine linke Hand ist?«
»Ja, ich das wissen – ich das alles wissen – mit linker Hand ich spalten Holz.«
»Natürlich, denn du bist linkshändig! Und dein linkes Auge ist auf derselben Seite wie deine linke Hand. Jetzt, denke ich, kannst du das linke Auge von dem Schädel finden, oder vielmehr den Platz, wo es gesteckt hat. Hast du es gefunden?«
Hier folgte eine lange Pause. Endlich fragte der Neger: »Sein das linke Auge von dem Schädel auf derselben Seite, wo die linke Handseite von dem Schädel gewesen? Denn das Schädel haben überhaupt keine Hand – aber das machen nichts. Ich nun das linke Auge gefunden – hier sein das linke Auge. Was sollen ich machen mit ihm?«
»Lass den Käfer hindurchfallen, so weit die Schnur reicht. Aber nimm dich in acht, dass du die Schnur festhältst.«
»Alles getan, Massa Will. Sehr leichte Sache, den Käfer durch das Loch zu lassen – sehen ihn jetzt unten hängen.«
Während der ganzen Unterredung war von Jupiter nichts zu sehen gewesen. Aber der Käfer, den er herabgelassen hatte, wurde nun am Schnurende sichtbar und glitzerte wie eine Kugel von flammendem Gold in den letzten Strahlen der untergehenden Sonne, die noch gerade mit einem Schimmer die Höhe traf, auf der wir standen. Der Käfer hing ganz frei von Zweigen und wäre, wenn man ihn losgelassen, gerade vor unsere Füße gefallen. Legrand nahm sofort die Sense und mähte damit gerade unter dem Insekt einen Kreis von drei oder vier Metern im Durchmesser ab. Dann befahl er Jupiter, den Käfer fallen zu lassen und herabzukommen.
Nunmehr trieb mein Freund genau an der Stelle, wo der Käfer hingefallen war, einen Pflock in die Erde und nahm aus seiner Tasche ein Maßband. Indem er ein Ende davon an der Stelle des Baumes befestigte, die dem Pflock am nächsten war, rollte er es weiter ab und legte es in der Linie, die durch den Baum und den Pflock gegeben war, auf eine Entfernung von fünfzig Fuß hin, wobei Jupiter den Weg von Brombeeren frei machte. Auf dem nun erreichten Punkte wurde ein zweiter Pflock in den Boden getrieben und um ihn herum als Mittelpunkt ein Kreis von etwa vier Fuß im Durchmesser abgemäht. Legrand nahm nun einen Spaten, gab einen Jupiter und einen mir und bat uns, so schnell wie möglich zu graben.
Um die Wahrheit zu sagen, ich habe noch nie an einer solchen Beschäftigung große Freude gehabt und diesmal hätte ich sie sehr gerne verweigert. Die Nacht rückte auch heran und ich fühlte mich schon sehr ermüdet von der durchgemachten Anstrengung. Aber ich sah keine Möglichkeit, der Sache zu entgehen, und fürchtete mich, durch eine Weigerung meinen armen Freund erst recht zu erregen. Wahrhaftig, hätte ich mich auf Jupiters Hilfe verlassen können, ich würde ohne Zögern versucht haben, den Verrückten mit Gewalt nach Hause zu bringen. Aber ich kannte die Verfassung des alten Negers zu gut, um bei einem Kampf mit seinem Meister irgendwie auf seinen Beistand zu rechnen. Ich zweifelte nicht, dass Legrand von einer der im Süden so häufigen abergläubischen Ideen über vergrabene Schätze befallen war und dass seine Fantasie sich verstärkt hatte durch die Auffindung des Käfers und vielleicht auch durch den hartnäckigen Glauben Jupiters, der Käfer sei von purem Gold. Ein schon zum Wahnsinn geneigtes Gehirn konnte leicht durch solche Erlebnisse verführt werden – besonders wenn sie mit Lieblingsideen harmonierten – und dann rief ich mir auch wieder die Worte des armen Menschen zurück, der Käfer würde ihm den Weg zum Reichtum zeigen. Ich war durch all dies sehr traurig und verstört, beschloss aber endlich, aus der Not eine Tugend zu machen und bereitwillig zu graben, um auf diese Weise den Fantasten so schnell wie möglich durch den Augenschein von der Torheit seiner Idee zu überzeugen.
Die Laternen wurden angezündet und wir gingen alle mit einem Eifer an die Arbeit, der einer vernünftigeren Sache würdig gewesen wäre. Wie der Lichtschein so auf uns und unsere Arbeit fiel, musste ich unwillkürlich denken, wie malerisch doch unsere Gruppe sei und wie seltsam und unheimlich doch unsere Arbeit einem Wanderer erscheinen würde, der zufällig auf uns stieße.
Das Graben dauerte ununterbrochen zwei Stunden, wir sprachen wenig und machten uns nur Sorgen wegen des lauten Gebells des Hundes, der an unserem Unternehmen ein leidenschaftliches Interesse nahm. Er lärmte schließlich so sehr, dass wir fürchteten, er könnte in der Nähe befindliche Landstreicher anlocken – oder vielmehr war das die Besorgnis Legrands, denn ich wäre über jede Unterbrechung froh gewesen, die mir Gelegenheit gegeben hätte, den Irren nach Hause zu bringen. Jupiter verstand es, dem Lärm sehr wirkungsvoll ein Ende zu machen, indem er entschlossen aus der Höhlung kletterte und dem Tier mit einem seiner Hosenträger das Maul verband, worauf er mit einem verhaltenen Kichern wieder an seine Arbeit ging.
Als die zwei Stunden herum waren, hatten wir eine Tiefe von fünf Fuß erreicht, ohne aber irgendwelche Anzeichen von einem Schatz zu finden. Eine allgemeine Pause folgte und ich hoffte schon, die Posse sei zu Ende. Legrand aber, obgleich er offenbar sehr verwirrt war, wischte sich gedankenvoll die Stirne und begann von neuem. Wir hatten den ganzen Kreis von vier Fuß Durchmesser ausgehoben und vergrößerten ihn etwas, wobei wir noch zwei Fuß tiefer gingen. Aber auch jetzt stießen wir auf nichts. Der Goldsucher, der mir ernstlich leidtat, kletterte schließlich mit dem Ausdruck der bittersten Enttäuschung aus der Grube und ging langsam und widerstrebend daran, seinen Rock wieder anzuziehen, den er beim Beginn der Arbeit abgeworfen hatte. Ich machte inzwischen keine Bemerkung. Jupiter begann, auf einen Wink seines Herrn, die Werkzeuge aufzunehmen. Nachdem das geschehen und der Hund wieder frei gemacht war, wandten wir uns in tiefem Schweigen auf den Heimweg.
Wir hatten vielleicht ein Dutzend Schritte in dieser Richtung getan, als sich Legrand mit einem lauten Fluch auf Jupiter stürzte und ihn beim Kragen fasste. Der erstaunte Neger öffnete Augen und Mund, so weit er konnte, ließ die Spaten fallen und fiel auf die Knie.
»Du Schurke!«, sagte Legrand, indem er die Silben zwischen den zusammengebissenen Zähnen herauszischte. »Du höllischer, schwarzer Schurke! – Sprich, sage ich! – Antworte mir sofort, ohne Umschweife! – Welches ist dein linkes Auge?«
»Oh, mein Gott, Massa Will! Sein das nicht richtig mein linkes Auge?«, brüllte der erschrockene Jupiter, indem er seine Hand auf sein rechtes Sehorgan legte und es dort mit verzweifelter Hartnäckigkeit festhielt, als fürchtete er, sein Meister möchte es ihm aus der Höhlung herausreißen.
»Ich habe es mir gedacht – ich wusste es! Hurra!«, schrie Legrand laut und ließ den Neger los, worauf er eine Reihe von Kurven und Wendungen tanzte, sehr zum Erstaunen seines Dieners, der sich von den Knien erhob und stumm von seinem Meister zu mir und von mir zu seinem Meister blickte.
»Kommt, wir müssen zurückgehen«, sagte Legrand. »Das Spiel ist noch nicht verloren.« Und er führte uns wieder zum Tulpenbaum.
»Jupiter«, sagte er, als wir seinen Fuß erreichten, »komm her! War der Schädel mit dem Gesicht nach auswärts oder mit dem Gesicht nach einwärts an den Ast genagelt?«
»Das Gesicht waren nach auswärts, Massa, so dass die Krähen gut und ohne Mühen an die Augen konnten.«
»Gut, war es nun dieses Auge oder das, wodurch du den Käfer fallen ließest?« Damit berührte Legrand jedes von Jupiters Augen.
»Es waren dies Auge, Massa – das linke Auge –, wie Massa mir sagten«, und auch jetzt wieder berührte der Neger sein rechtes Auge.
»Das genügt – wir müssen es noch einmal versuchen.«
Mein Freund, in dessen Wahnsinn ich jetzt eine gewisse Methode sah oder wenigstens zu sehen glaubte, versetzte nunmehr den Pflock von dem Punkt, wo der Käfer hingefallen war, nach einem Punkt, der drei Zoll weiter westwärts lag. Indem er jetzt das Maßband von dem nächstgelegenen Punkte des Baumes über den Pflock hinweg fünfzig Fuß in gerader Linie hinlegte, kam er zu einem Fleck, der mehrere Meter von dem entfernt war, wo wir gegraben hatten.
Wieder wurde an dem neuen Ort ein Kreis gezogen, diesmal ein etwas größerer als vorher, und wieder begannen wir mit den Spaten zu arbeiten. Ich war entsetzlich müde, aber ich fühlte, obgleich ich kaum wusste, wodurch die Veränderung in meinen Gedanken erzeugt worden war, nicht mehr die große Abneigung gegen die mir auferlegte Arbeit. Ein ganz merkwürdiges Interesse war in mir erwacht, ich wurde sogar aufgeregt. Vielleicht steckte doch etwas hinter dem ganzen sonderbaren Benehmen Legrands – eine gewisse Umsicht oder Überlegtheit, die auf mich Eindruck machte. Ich grub eifrig und ertappte mich ein paarmal tatsächlich dabei, dass ich mit einer gewissen Erwartung nach dem Schatz ausschaute, dessen Vision meinen unglücklichen Freund um seinen Verstand gebracht hatte. Ich war gerade wieder einmal dabei, solchen Gedankenbildern nachzuhängen, und wir hatten vielleicht anderthalb Stunden gearbeitet, als wir aufs neue durch ein lautes Gebell des Hundes unterbrochen wurden. Beim ersten Graben war seine Unruhe offenbar die Folge von Spiellust oder Laune gewesen, jetzt aber klang ein scharfer und ernsthafter Ton daraus. Als Jupiter wieder versuchte, ihm das Maul zu verbinden, leistete er wütenden Widerstand, sprang in die Höhlung und wühlte wie rasend mit seinen Pfoten die Erde auf. In wenigen Sekunden hatte er einen Haufen Menschenknochen freigelegt, die zwei vollständige Skelette bildeten und mit einigen Metallknöpfen und etwas, was wie verweste Wolle aussah, vermischt waren. Ein oder zwei Spatenstiche hoben die Klinge eines großen spanischen Messers empor und als wir weitergruben, fanden wir drei oder vier einzelne Gold- und Silbermünzen.
Bei ihrem Anblick konnte Jupiter kaum seine Freude bemeistern, während sich in dem Gesicht seines Herrn ein Zug tiefster Enttäuschung zeigte. Er trieb uns aber an, mit unseren Anstrengungen fortzufahren, und er hatte das kaum ausgesprochen, als ich strauchelte und hinfiel, weil meine Fußspitze sich in einem großen eisernen Ring verfangen hatte, der halb begraben in der aufgewühlten Erde lag.
Wir arbeiteten jetzt erst recht voll Eifer und nie habe ich zehn aufgeregtere Minuten verbracht. In dieser Zeit legten wir eine längliche Holztruhe frei, die, nach ihrem gut erhaltenen Zustand und ihrer wundervollen Härte zu urteilen, eine Art Versteinerungsprozess – vielleicht durch Quecksilberdoppelchlorid – durchgemacht hatte. Die Truhe war drei und einen halben Fuß lang, drei Fuß breit und zwei und einen halben Fuß hoch. Sie war fest umschlossen von schmiedeeisernen, vernieteten Bändern, die wie ein Gitterwerk ringsherum gingen. An jeder Seite der Kiste nahe am oberen Rand befanden sich drei eiserne Ringe – im Ganzen also sechs –, die sechs Personen einen guten Halt geben konnten. Trotz unserem gemeinsamen Bemühen gelang es nur, die Truhe ein wenig aus ihrer Lage zu bringen. Wir sahen bald die Unmöglichkeit ein, ein so schweres Gewicht fortzuschaffen. Zum Glück war der Deckel nur durch zwei Riegel geschlossen. Zitternd und keuchend vor Erwartung schoben wir sie zurück und in einem Augenblick lag ein Schatz von unermesslichem Wert vor uns. Als das Licht der Laternen in die Grube fiel, blitzte uns daraus ein leuchtender Glanz von einem wirren Haufen von Gold und Edelsteinen entgegen, so dass unsre Augen förmlich geblendet wurden.
Ich will nicht versuchen, die Gefühle zu beschreiben, mit denen ich hineinstarrte. Ein grenzenloses Erstaunen hatte mich gefasst. Legrand schien erschöpft von seiner Erregung zu sein und sprach sehr wenig. Jupiters Gesicht war für einige Augenblicke totenblass, wie das bei einem Neger nur möglich ist. Er schien verblüfft, vom Blitz getroffen zu sein. Dann fiel er in der Grube auf die Knie, vergrub seine nackten Arme bis zu den Ellenbogen in dem Gold und ließ sie dort ruhen, als ob er das Behagen eines Bades genösse. Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus und rief wie in einem Selbstgespräch:
»Und all dies kommen durch das Goldkäfer! Das hübsche Goldkäfer! Das arme, kleine Goldkäfer, auf den ich so hässlich geschimpft haben! Schämst du dich über dich selbst, Nigger? – Mir das antworten!«
Es wurde schließlich nötig, dass ich sowohl den Herrn wie den Diener auf die Notwendigkeit hinwies, den Schatz wegzuschaffen. Es wurde spät und wir mussten uns anstrengen, um alles vor Tagesanbruch nach Hause zu schaffen. Dabei war es schwierig zu sagen, auf welche Weise das getan werden sollte, und wir verbrachten eine lange Zeit beim Überlegen, so verwirrt waren alle unsere Gedanken. Schließlich erleichterten wir die Truhe, indem wir zwei Drittel ihres Inhaltes herausnahmen, und konnten sie dann, wenn auch mit Mühe, aus dem Loch heraufschaffen. Das Herausgenommene wurde zwischen die Brombeersträucher gelegt und der Hund als Wache zurückgelassen, wobei ihm Jupiter den strengen Befehl gab, weder vom Fleck zu weichen, noch bis zu unserer Rückkehr einen Laut zu geben. Dann eilten wir mit der Truhe heim und erreichten sicher, aber nach unendlicher Mühe um ein Uhr morgens die Hütte. Es wäre über die menschliche Natur gegangen, bei unserer vollständigen Erschöpfung sofort wieder aufzubrechen. So blieben wir bis zwei Uhr und aßen zu Abend. Dann beluden wir uns mit drei festen Säcken, die wir zum Glück auf dem Grundstück fanden, und gingen wieder nach dem Bergland. Etwas vor vier Uhr kamen wir an der Grube an, verteilten den Rest unseres Fundes möglichst gleichförmig auf uns drei und traten dann wieder den Rückweg an, wobei wir die Grube offen ließen. Als wir in der Hütte zum zweiten Male unsere goldene Last absetzten, leuchteten im Osten über den Baumwipfeln gerade die ersten schwachen Strahlen der Morgendämmerung auf.
Wir waren nun völlig erschöpft, doch die Erregung ließ uns nicht lange ruhen. Nach einem unruhigen Schlummer von drei oder vier Stunden erhoben wir uns, als hätten wir es vorher abgemacht, um unseren Schatz zu besichtigen.