Unmoralisches Angebot für einen König? - Jackie Ashenden - E-Book

Unmoralisches Angebot für einen König? E-Book

Jackie Ashenden

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Beschreibung

Eine aufregende Figur, ein Kleid wie aus flüssigem Silber: König Galen Kouros kann den Blick nicht von der atemberaubenden Blonden in dem exklusiven Club abwenden. Er muss sie haben – eine heiße Nacht lang! Doch am nächsten Morgen ertappt er sie, wie sie heimliche Fotos von ihm macht. Zu spät erkennt der mächtige König, dass er hereingelegt wurde: Die Fremde ist die Frau, mit der er schon einmal sinnliche Stunden verbracht hat. Die Mutter seines unehelichen Sohnes – die ihn mit den kompromittierenden Bildern erpressen will, um ihr Kind, den Thronerben, zurückzubekommen …

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Seitenzahl: 208

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2023 by Jackie Ashenden Originaltitel: „Wed for Their Royal Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2615 09/2023 Übersetzung: Anja Görgens

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 09/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518802

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Der Nachtclub brauchte keinen Namen. Genauso wenig, wie die drei Männer auf der Galerie oberhalb der Tanzfläche einer Vorstellung bedurften.

Solace Ashworth wusste, wer sie waren.

Könige.

Früher einmal waren sie die drei wilden Prinzen gewesen. Zumindest wurden sie in den Medien so genannt, als sie in Oxford studierten, denn wo immer sie aufgetaucht waren, hatten sie für Aufruhr gesorgt. Jetzt, da sie den Thron bestiegen hatten, waren sie weniger wild.

Jedenfalls einer von ihnen.

Sie alle waren hochgewachsen und breitschultrig – ganz offensichtlich wurden königliche Babys besser ernährt als die armer Leute –, zwei von ihnen hatten kurzes schwarzes Haar, der dritte hingegen dichtes dunkelblondes, das im pulsierenden Stroboskoplicht golden schimmerte.

Der Dunkelblonde war König Augustine Solari, Herrscher von Isavere, einem Königreich in den Bergen zwischen Frankreich und Italien, und laut den Klatschspalten noch immer sehr, sehr wild.

Einer der dunkelhaarigen Männer war Scheich Khalil ibn Amir al Nazari, Herrscher von Al Da’Ira, einem alten Königreich am Roten Meer nahe Saudi-Arabien. Er galt als weniger verrucht als Augustine, dafür aber als unbeugsam wie kein Zweiter.

Es war jedoch der dritte Mann, dem Solaces gesamte Aufmerksamkeit galt.

Er lehnte an dem Metallgeländer der Galerie und blickte mit einer Konzentration auf die belebte Tanzfläche unter ihm, die Solace den Atem anhalten ließ.

Galen Kouros, König von Kalithera, einem malerischen kleinen Land an der Adria.

Der namenlose Club befand sich in Therisos, der Hauptstadt Kalitheras. Es war ein elitärer Treffpunkt ausschließlich für Mitglieder von Königshäusern und deren Gäste. Solace konnte immer noch kaum glauben, dass man sie hineingelassen hatte, aber das Passwort, für das ein kleines Vermögen gefordert worden war, hatte funktioniert. Außerdem sah sie in dem silbernen Designerkleid, für das sie ebenso viel Geld auf den Tisch gelegt hatte, aus, als gehörte sie hierher.

Umso besser. Denn eine verzweifelte Situation bedurfte verzweifelter Maßnahmen. Und eines verzweifelten Planes.

Eines Planes, der den Mann auf der Galerie betraf.

Der Club war voller gut aussehender Menschen, aber er war eindeutig der schönste.

Groß und athletisch, mit den breiten Schultern und der schmalen Hüfte war er das Sinnbild klassischer männlicher Statur, deren Perfektion von dem schlichten schwarzen Hemd und der gleichfarbigen Anzughose noch unterstrichen wurde. Sein kohlrabenschwarzes Haar war kurz geschnitten, sodass die vollkommene Symmetrie seiner Gesichtszüge zur Geltung kam: hohe Wangenknochen, eine gerade Nase und ein Mund, der schöner geschwungen nicht sein konnte.

Solace schluckte. Sie musste daran denken, wie er …

Nein. Sie durfte sich weder von ihren Erinnerungen noch von seiner Schönheit ablenken lassen. Sie war aus einem einzigen Grund hier: um ihn zu erpressen. Doch dafür musste sie ihn zunächst verführen.

Natürlich war ihr Plan verrückt und unmoralisch, doch sie hatte keine andere Wahl. Sie hatte mit der Botschaft von Kalithera Kontakt aufgenommen, sowohl per E-Mail als auch per Telefon. Sie hatte den Mitarbeitern dort ihre Geschichte erzählt und um Hilfe gebeten. Doch niemand hatte ihr geglaubt. Als sie persönlich in der Botschaft erschienen war, um mit einem Zuständigen sprechen zu können, hatte man sie der Belästigung beschuldigt und sie vom Gelände führen lassen. Danach hatte sie kurz darüber nachgedacht, sich einen Anwalt zu nehmen, doch dafür fehlte ihr das Geld.

Nein. Sie hatte nur sich und diesen Plan.

Von London nach Therisos zu kommen, war der leichte Teil gewesen. Selbst in den äußerst exklusiven, namenlosen Nachtclub zu gelangen, war nicht das Schwierigste gewesen.

Das würde zweifellos sein, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

Die Menschen auf der Tanzfläche taten so, als wüssten sie nicht, wer die drei Männer auf der Galerie waren, doch Solace sah, wie viele von ihnen verstohlene Blicke nach oben warfen.

Sinn und Zweck des Clubs jedoch war äußerste Diskretion. Hier konnten Monarchen entspannen und Mensch sein, ohne sich in der Presse wiederzufinden, selbst wenn es nur für einen Abend war.

In diesem Moment klopfte König Augustine, der ebenfalls oben auf der Galerie stand, Galen auf die Schulter und sagte etwas, das diesen den Kopf schütteln ließ. An seiner anderen Seite stand Scheich Khalil, der die kraftvollen Arme vor der Brust verschränkt hatte. Was er sagte, schien witzig zu sein, denn Augustine lachte, während ein leises Lächeln über Galens ansonsten ernstes schönes Gesicht huschte.

Solaces Herz zog sich zusammen. Sie erinnerte sich an dieses Lächeln, das er ihr geschenkt hatte, als sie noch nicht gewusst hatte, wer er war. Dessen Wärme hatte sie verzaubert. Noch nie davor oder danach hatte ein Mensch sie auf diese Weise angelächelt.

Du lässt dich schon wieder ablenken. Konzentrier dich.

Sie biss die Zähne aufeinander und ignorierte den Schmerz in ihrer Brust. Was sie wollte, spielte keine Rolle. Genauso wenig wie der Schmerz, den ihr all das bereiten würde, oder die Tatsache, dass ihr Plan durch und durch böse war.

Das Einzige, was zählte, war, dass sie ihren kleinen Sohn zurückbekam, und dafür würde sie alles tun.

Sogar einen König erpressen. Den König, der der Vater ihres Kindes war.

Sie nahm all ihren Mut zusammen und trat aus dem Schatten, in dem sie sich verborgen gehalten hatte, auf die Tanzfläche. Um sie herum bewegten die Menschen sich zur Musik, das Licht zuckte und die Bässe dröhnten, dass sie es von den Fußspitzen bis in den Magen spürte.

Sie fiel auf. Das war ihr bewusst, und dafür hatte sie gesorgt. Ihr silbernes, eng anliegendes Kleid mit den schmalen Trägern aus Silberkettchen glitzerte und glänzte im Licht der Discospots.

Ein Kleid, das dafür gemacht war, Aufmerksamkeit zu erregen.

Männer wandten ihr die Köpfe zu, als sie anfing, sich zur Musik zu bewegen, wie sie es sich auf zahllosen Internetvideos in der öffentlichen Bibliothek in London angesehen hatte. Sexy und sinnlich, aber nicht zu aufreizend. Sie hatte sich hierauf vorbereitet wie auf alles andere auch: wie auf eine Schlacht, in der Aufgeben keine Option war.

Sie sah nicht nach oben. Noch nicht. Er musste sie zuerst entdecken.

Altbekannte Angst stieg in ihr auf, doch sie ignorierte sie routiniert. Wenn es ihr jetzt nicht gelang, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, würde sie sich etwas anderes überlegen. Aber es war ihr schließlich schon einmal gelungen, und bei dieser Gelegenheit hatte sie eine Catering-Uniform und eine Maske getragen. Jetzt, in einem silbernen Kleid, sollte es ein Kinderspiel sein.

Einige der Männer hatten angefangen, auf sie zuzutanzen. Solace wusste, dass sie als Frau ohne Begleitung ein begehrtes Ziel darstellte. Sie war ihr Leben lang allein gewesen, und als leichte Beute betrachtet zu werden, war ihr nur zu vertraut.

Aber es gab nur einen Mann, an dessen Aufmerksamkeit ihr gelegen war.

Sie holte tief Luft, bevor sie endlich nach oben blickte – und erstarrte.

Er sah ihr direkt in die Augen.

Der Atem wich aus ihrer Lunge, und ihre Haut begann heiß zu prickeln.

Sie hatte es vergessen.

Sie hatte vergessen, dass sein Blick sie mitten ins Herz traf. Dass er ihr das Gefühl gab, gleich in Flammen aufzugehen.

So war es auch an jenem Abend in London gewesen. Sie hatte ihre Uniform getragen und war unglaublich nervös gewesen, weil sie zum ersten Mal für die Cateringfirma arbeitete und der Job nach dem Kellnern und Putzen einen Schritt nach oben bedeutete. Sie war entschlossen gewesen, hervorragende Arbeit zu leisten, weil die Bezahlung stimmte und sie Pläne hatte. Sie wollte endlich ihren Schulabschluss nachholen und, wenn sie gut genug war, vielleicht Jura studieren.

Alle Mitarbeiter waren an diesem Abend angewiesen worden, wie die Gäste Masken zu tragen, weil es sich um einen Kostümball handelte und sie auf gar keinen Fall Aufmerksamkeit auf sich ziehen sollten. Solace hatte sich mit einem Tablett voller Champagnergläser zwischen den Gästen bewegt und war froh darüber gewesen, dass bisher alles gut gelaufen war.

Dann hatte ein Mann, der in einer Gruppe Leute stand, aufgeblickt, und sie war erstarrt wie gerade eben. Seine Augen waren von einem dunklen Blau, und unter seinem Blick hatte sie sich wie ein Reh im Scheinwerferlicht eines Autos gefühlt. Eine bisher unbekannte Empfindung hatte von ihr Besitz ergriffen, und die Luft zwischen ihnen war von elektrisierender Energie geladen gewesen, die eine unglaubliche Hitze in ihr ausgelöst hatte.

Sie hatte so sehr unter Schock gestanden, dass sie instinktiv einen Schritt nach hinten getreten war und jemanden angestoßen hatte, der direkt hinter ihr stand. Vor Schreck hatte sie das Tablett mit den Champagnergläsern fallen lassen …

Solaces Mund war trocken, und trotz der wummernden Musik konnte sie ihr Herz laut klopfen hören. Über ihr auf der Galerie stand er reglos da und hielt das metallene Geländer fest umklammert.

Galen Kouros genoss großen Ruhm, nicht nur, weil er ein progressiver Herrscher war, der viel getan hatte, um das Leben seiner weniger wohlhabenden Untertanen zu verbessern, sondern auch, weil er einen makellosen Ruf besaß. Seit er vor zehn Jahren den Thron bestiegen hatte, war er in keinerlei Skandal verwickelt gewesen. Er galt als der disziplinierteste Monarch Europas. Die Enthüllung, dass er Vater eines kleinen Sohnes war, hatte zwar zunächst einiges an Medienaufruhr verursacht, konnte ihm aber auch nichts anhaben, nachdem der Palast die düstere Mitteilung gemacht hatte, dass die Verlobte des Königs und Mutter seines Kindes gestorben sei. Seiner Bitte um Privatsphäre in diesen schweren Zeiten wurde sofort nachgekommen, denn sein Volk und die Medien liebten ihn gleichermaßen.

Doch diese Erklärung war eine Lüge, genau wie sein makelloser Ruf.

Galen war vielleicht weniger streng als sein Vater, aber die Wildheit, für die er als Prinz berüchtigt gewesen war, steckte noch immer in ihm. Das wusste Solace genau, denn sie war die Mutter seines Kindes, und als er sie an dem Abend des Kostümballs in das verwaiste Büro geführt hatte, war da nichts als Wildheit gewesen. Eine Wildheit, die sie mit einem unwiderstehlichen Verlangen erfüllt hatte.

An jenem Abend hatte sie einen Fehler gemacht. Sie hatte sich Galen und dem Feuer, das zwischen ihnen loderte, hingegeben. Aber sie hatte ihre Lektion gelernt und würde diesen Fehler kein zweites Mal machen. Nie wieder, mit niemandem. Egal, wie verführerisch dieser Mann auch sein sollte.

Heute Abend würde sie genau das Gegenteil tun. Heute würde sie diejenige sein, die über Macht verfügte, und er würde sich ihr hingeben. Sie würde seinen makellosen Ruf gegen ihn verwenden und sich den Sohn zurückholen, den sie verloren hatte. Den Sohn, den er ihr genommen hatte.

Inmitten der tanzenden Menge stand sie reglos da und wappnete sich, während sie seinen Blick hielt. Die Luft zwischen ihnen wurde schwer, und Solace verspürte dasselbe elektrisierende Prickeln wie in der Nacht des Kostümballs. Und das war ein gutes Zeichen, auch wenn es ihr tief in ihrem Inneren Angst einjagte.

Aber nein, dieses Mal würde sie seinem Charme nicht erliegen.

Dieses Mal hatte sie ein Ziel.

„Kommt und fangt mich, Eure Majestät“, flüsterte sie in seine Richtung, auch wenn er sie nicht hören konnte. „Fang mich, wenn du kannst.“

Dann riss sie den Blick von ihm los, verließ die Tanzfläche und verschwand in den Tiefen des Clubs.

„Das sieht nach Ärger aus“, bemerkte Khalil trocken an seinem Platz neben Galen.

„Hübscher Ärger“, gab Augustine ihm recht.

Galen hörte kaum, was sie sagten. Er sah der Frau in dem silbernen Kleid selbst dann noch hinterher, als sie schon in der Menge verschwunden war.

Sie war ihm sofort aufgefallen. Etwas anderes wäre auch gar nicht möglich gewesen, denn alle anderen Besucher des Clubs trugen Schwarz oder andere dunkle Farben. Sie jedoch nicht. Sie stach aus der Menge hervor wie ein Stern am Nachthimmel, hell und leuchtend in einem Kleid, das aus flüssigem Silber gemacht zu sein schien. Als sie getanzt hatte, anmutig und sinnlich, war ihr das lange hellblonde Haar wie ein Schleier ums Gesicht gefallen. Sie hatte ausgesehen, als sei sie in Silber getaucht, helles Mondlicht, das die Gestalt einer Frau angenommen hatte.

Er war nicht der Einzige, dessen Aufmerksamkeit sie auf sich gezogen hatte. Mehrere andere Männer waren von ihr offensichtlich genauso fasziniert wie er selbst und hatten sich ihr tanzend genähert. Galen verspürte einen solchen Besitzanspruch, dass er am liebsten die Galerie verlassen und sich zu ihr auf die Tanzfläche gesellt hätte, um allen anderen vor Augen zu führen, dass sie ihm gehörte.

Was vollkommen lachhaft war. Er war noch nie besitzergreifend gewesen, und das würde sich auch wegen einer hübschen Unbekannten in einem Club nicht ändern. Er war ohnehin nicht hier, um eine Frau kennenzulernen, sondern um sich mit seinen Freunden zu treffen. Mehr nicht.

Und doch konnte er nicht aufhören, unten in der Menge nach einem silbernen Kleid zu suchen.

„Ich nehme an, du möchtest ihr hinterher“, murmelte Augustine.

„Nein“, erwiderte Galen.

„Sicher nicht? Denn wenn du nicht willst, könnte ich ja …“

„Nein“, wiederholte Galen und stieß sich vom Geländer ab, um einem seiner engsten Freunde in die Augen zu sehen. „Das wirst du nicht.“

Augustines Augen in einem Gesicht, das dem eines gefallenen Engels glich, funkelten vor Erheiterung. „Klingt das in deinen Ohren, als würde er sie für sich beanspruchen, Khal?“, fragte er, ohne den Blick von Galen zu nehmen.

„Das tut es tatsächlich“, gab Khalil ihm recht. Er klang weniger amüsiert, eher reserviert und gelassen, wie es seine Art war.

Augustines blaugrüne Augen blitzten belustigt auf, und das wohl auf Galens Kosten, doch der ignorierte es. Er kannte die Angewohnheit seines Freundes, sein Gegenüber zu provozieren, schon lange. Augustine behauptete, das sei hilfreich, weil man einen Menschen daran erkennen konnte, wie lange er die Selbstbeherrschung wahren konnte.

Galen verlor sie nie. Ein leicht zu erregendes Gemüt war ein Zeichen von Schwäche, hatte sein Vater oft gesagt, wenngleich das für Galen immer reine Scheinheiligkeit gewesen war. Denn auch wenn Alexandros Kouros nie laut geworden war, hatte sein kalter Zorn nicht nur den königlichen Hof ausgezehrt, sondern auch Galens Kindheit ruiniert.

Galen versuchte, ein anderer König zu sein, aber angesichts des bitteren Geheimnisses, das ihn mit dem Thron verband und von dem nie jemand erfahren durfte, waren seine Möglichkeiten begrenzt.

Indem er dieses Geheimnis hütete, war er gegen seinen Willen Alexandros ähnlicher, als es ihm lieb sein konnte.

Und doch hatte er keine andere Wahl.

„Nicht jetzt, August. Ich bin nicht in der Stimmung.“

Augustine sah ihn prüfend an. „Vergib mir, mein Freund, aber bist du das überhaupt jemals?“

„Das geht dich nichts …“

„Du läufst Gefahr, genauso langweilig wie dein Ruf zu werden, Galen. Das habe ich dir schon einmal gesagt.“

Galen verspürte einen Anflug von Gereiztheit. Es war der letzte Abend seiner Freunde in Therisos. Es war ein kurzer, inoffizieller Besuch. Wenn ihre Terminkalender es zuließen, trafen sie sich alle paar Wochen, um sich gegenseitig auf den neusten Stand zu bringen, und Augustine hatte den Aufenthalt mit einem abschließenden Besuch des Clubs krönen wollen. Der war Teil einer Kette, die Augustine selber gegründet hatte. Angeblich für sein eigenes Amüsement, hauptsächlich aber, weil er es leid war, ständig fotografiert zu werden, wann immer er ausging, und er eine etwas … diskretere Umgebung zur Verfügung haben wollte.

Hier gab es keine Reporter, und jeder, der den Club betrat, musste eine Verschwiegenheitserklärung unterschreiben. Der perfekte Ort, um aus sich herauszugehen, wie Augustine gesagt hatte. „Denk an deine Jugend“, hatte er außerdem gemeint. „Du kannst es dir ruhig erlauben, ein bisschen wilder zu sein, Galen.“

Doch seine Jugend war etwas, das Galen nicht noch einmal erleben wollte, und mehr Wildheit genau das, was er sich nicht erlauben konnte. Besonders nicht nach dem Fehler, den er letztes Jahr gemacht hatte. Ein Fehler, der zu seinem Sohn geführt hatte, von dessen Existenz Galen erst nach der Geburt des Kindes erfahren hatte.

Galen würde sein Leben für Leo geben, aber dieser Fehler? Den würde er nicht wiederholen. Er durfte es nicht.

„Mir ist egal, was du über meinen Ruf denkst.“ Er bemühte sich, ebenso ungerührt wie Khal zu klingen, aber seine Stimme war eher ein dunkles Knurren. „Ich werde nicht irgendeiner fremden Frau hinterherjagen, nur weil du mich für langweilig hältst.“

Dabei hat er ja recht. Du weißt, was passiert, wenn du dir zu viel versagst.

Ja, das wusste er. Aber das hieß lediglich, dass er noch disziplinierter sein musste.

Augustine zuckte mit den Schultern. „Eine Frau wie sie geht heute Abend jedenfalls nicht allein nach Hause, aber es ist natürlich deine Entscheidung. Wenn du sie nicht willst, bekommt sie ein anderer.“

Galen wusste genau, was sein Freund, der manipulative Mistkerl, tat. „Das ist mir egal.“

„Ist es das?“ Augustine hob eine Augenbraue und sah Khal über die Schulter hinweg an. „Was ist mit dir, Khal? Möchtest du es nicht versuchen?“

Der Scheich, dessen Wort allein in Al Da’Ira Gesetz war, wirkte nachdenklich. „Sie ist … ganz exquisit. Vielleicht sollte ich …“

„Nein“, sagte Galen zum dritten Mal. „Du auch nicht.“

Ausdruckslos sah Khalil ihn an.

Galen wusste, dass seine Freunde es nur gut mit ihm meinten. Aber er hatte seine Gründe, warum er, egal, wohin er ging, äußerste Diskretion walten ließ. Kostas, sein Onkel, wartete nur auf einen Ausrutscher, und wenngleich Galen ihn seit seiner Krönung vor zehn Jahren unter Kontrolle hatte, so hatte Leos Geburt die Lage komplizierter gemacht, denn jetzt war Kostas noch misstrauischer ihm gegenüber als ohnehin schon.

Kostas wollte nichts lieber, als dass Galen abdankte und er selber den Thron besteigen konnte.

Doch dazu würde Galen es nie kommen lassen. Und deshalb durfte er die Kontrolle über seine körperlichen Bedürfnisse nicht verlieren, nicht eine Sekunde lang. Er durfte Kostas keinen Grund liefern, ihn anzugreifen.

Davon hing die Sicherheit seines ganzen Königreichs ab.

Aber hier sind keine Reporter. Niemand wird etwas verraten. Und du warst schon so lange mit keiner Frau mehr zusammen. Nicht seit …

Er durfte nicht zurückdenken an die Nacht, in der sein Sohn gezeugt wurde. In der er alles riskiert hatte – sogar den Thron! Aus Leidenschaft für eine namenlose Frau ausgerechnet auf einem Kostümball.

Das durfte ihm nie wieder passieren, egal, wie groß sein sexueller Hunger auch war.

Wie Khalil richtig festgestellt hatte, war die Frau in Silber exquisit, trotzdem würde er ihr nicht hinterherlaufen. Er hatte Tausende Dinge zu tun, wie jeder König, aber eines der wichtigsten war es, eine Ehefrau zu finden. Die Könige von Kalithera wählten immer eine Partnerin aus dem Adel, einer guten Familie, denn Abstammung war von großer Bedeutung, und Galen hatte bereits eine Liste mit Kandidatinnen. Er hoffte, dass darunter wenigstens eine war, bei der die Chemie stimmte, denn dann konnte er seine Bedürfnisse mit ihr stillen und brauchte keine namenlose Unbekannte.

„Na schön“, sagte Augustine in leidendem Tonfall. „Wenn du dir jeden Genuss versagen möchtest, soll es so sein. Aber ich werde es ganz sicher nicht tun.“

Nein, das würde Augustine nicht, hatte es auch noch nie getan.

Galen trat von dem Geländer der Galerie zurück. „Gentlemen, amüsiert euch so viel, wie ihr wollt. Ich muss heute Nacht noch arbeiten.“

Während Augustine nur den Kopf schüttelte, bedachte Khalil Galen mit einem langen, ausdruckslosen Blick, als wollte er herausfinden, was er im Schilde führte.

Die Antwort lautete: nichts. Er hatte genug von dem Club und wollte nach Hause, die Frau in Silber hin oder her.

Er ging zur Treppe und begab sich hinunter in die Menschenmenge. Galens Sicherheitsleute lösten sich von den Stellen, an denen sie unauffällig gewartet hatten, um ihn zu begleiten. Augustine und Khalil waren heute ohne ihre Bodyguards da, doch Galen ging nie ohne seine. Hätte er es heute getan, so wäre es Kostas aufgefallen, und er hätte Fragen gestellt. Das wollte Galen vermeiden. Seit es Leo gab, musste er noch vorsichtiger sein. Seine Security war äußerst loyal, und keiner der Männer würde ihn verraten, aber Galen konnte gar nicht vorsichtig genug sein.

Das Spotlicht zuckte, als er zum Ausgang schritt, und plötzlich sah er aus dem Augenwinkel etwas silbern aufblitzen. Er blieb stehen und sah genauer hin.

Da stand sie, an der Wand im dunkelsten Bereich des Clubs, das Stroboskoplicht fing sich in ihrem Kleid. Wie geschmolzenes Silber schmiegte es sich an sie und betonte die schönsten Formen, die er je gesehen hatte. Volle Brüste, eine schmale Taille, geschwungene Hüfte …

Ihm juckten die Finger. Er wollte sie berühren, ihren Kurven mit den Händen folgen, ihr die zarten Kettchen, die als Träger dienten, von den Schultern schieben und zusehen, wie das Kleid fiel und ihren verlockenden Körper preisgab.

Aber nein. Das waren alte Gewohnheiten. Er hatte bereits beschlossen, dass er sich heute nicht gehen lassen würde, egal, was Augustine auch von ihm dachte, und egal, wie verlockend die Frau auch war.

Dennoch rührte er sich nicht von der Stelle. Erst allmählich ging ihm auf, dass sie nicht allein war. Vor ihr stand ein Mann und beugte sich zu ihr. Wie aus dem Nichts wurde Galen von Wut gepackt.

Heute ist sie deine Beute.

Beute? Lächerlich. Die Zeiten, in denen er aus reiner Jagdlust und der erregenden Aussicht auf einen One-Night-Stand durch die Clubs gezogen war, waren vorbei, genau wie die ausufernden Partys, die sich oft genug in Orgien verwandelt hatten, und die dummen, betrunkenen Stunts, die Khal, Augustine und er hingelegt hatten. Wo sie aufgetaucht waren, hatten sie für Aufruhr gesorgt, wie es nur drei junge Männer mit zu viel Geld und Selbstvertrauen konnten. Bis sein Vater einen Schlaganfall erlitten hatte und Galen zurück nach Kalithera beordert worden war. Von dem Tag an hatte er all das hinter sich gelassen.

Am Abend seiner Rückkehr nach Therisos war er in das Schlafzimmer seines Vaters gegangen. Alexandros hatte kaum noch sprechen können, doch Galen verstand genug: Der Medienaufruhr, der ausgebrochen war, nachdem Galen auf einer Party mit minderjährigen Mädchen erwischt worden war, war das Zünglein an der Waage gewesen. Diese Episode habe bewiesen, dass er als Thronfolger untauglich war und dass an seiner Stelle sein Onkel Kostas König von Kalithera werden solle.

Galen hatte immer gewusst, dass sein Vater ihn hasste, denn daraus hatte der alte Mann nie einen Hehl gemacht. Als Galen ihm geschworen hatte, nichts mit den jungen Mädchen zu tun gehabt zu haben, hatte sein Vater ihm nicht einmal zugehört.

Die Mädchen waren in dem Moment vergessen, als Alexandros ihm den zweiten, noch vernichtenderen Stoß versetzt hatte: Galens Mutter, die kurz nach der Geburt ihres Sohnes gestorben war, hatte neun Monate zuvor eine Affäre mit einem Palastangestellten gehabt. Galen war womöglich gar nicht Alexandros’ Sohn.

Dieser Schock hatte ihn verstummen lassen. Seine ganze Kindheit war ein einziger Kampf darum gewesen, dem Mann zu gefallen, dem er nichts recht machen konnte, der ihn für jeden noch so kleinen Fehltritt oder auch ganz ohne Grund bestraft hatte. Der ständig auf ihn wütend zu sein schien … Plötzlich ergab alles einen Sinn.

Dabei machte es gar keinen Unterschied mehr, dass er nun die Wahrheit kannte, denn er hatte es schon vor Langem einfach aufgegeben. Aufgegeben zu versuchen, ein guter Sohn zu sein und seine offensichtlich sinnlosen Regeln zu befolgen. Es aufgegeben, in die Fußstapfen eines Mannes zu treten, der allein schon seinen Anblick hasste. Er hatte es sogar aufgegeben, Alexandros’ Erbe antreten zu wollen …

Und dann hatte er erfahren, dass womöglich er der Sohn eines anderen Mannes war.

Diese Erkenntnis hätte eine Erleichterung sein können, hätte sein Vater nicht seinen Bruder Kostas als seinen Nachfolger erkoren. Galens Onkel war schon immer ein moralischer Totalausfall gewesen, dem nur daran gelegen war, seine Kumpane in den Großkonzernen zufriedenzustellen. Kostas hatte Jahre damit zugebracht, Alexandros dazu zu überreden, Kalithera in ein Steuerparadies zu verwandeln, und ihn dazu zu bringen, Gesetze zu erlassen, die die Reichen bevorzugten und die Armut im Land ignorierten.

Alexandros hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass er seinen sogenannten Sohn für einen ungeeigneten Thronfolger hielt, und da Galen die Vorbereitung auf die Rolle des Königs als … schwierig empfunden hatte, war er bald zu der Überzeugung gelangt, dass sein Vater wohl recht hatte.

Doch er durfte nicht zulassen, dass Kostas nach der Krone griff. Vielleicht war es falsch, einen Thron zu besteigen, der ihm nicht zustand, aber einen anderen Erben gab es nicht – und auch niemanden sonst, der Kalithera beschützte.

Es gab nur ihn.