Unvergessener Christoph von Schmid - Ludwig Gschwind - E-Book

Unvergessener Christoph von Schmid E-Book

Ludwig Gschwind

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Beschreibung

Christoph von Schmid gehört zu den prägenden Gestalten des 19. Jahrhunderts. Seine Erzählungen, besonders aber seine »Biblische Geschichte« fanden weite Verbreitung. Er war ein Bestseller-Autor, dessen Schriften in 25 Sprachen übersetzt wurden. Seine Lieder finden sich noch heute in vielen deutschsprachigen Gesangsbüchern. Am bekanntesten ist das Weihnachtslied »Ihr Kinderlein kommet«. Diesen eindrucksvollen Menschen in seiner ganzen Vielfalt zu schildern, den Priester und Pädagogen, den Schriftsteller und die Privatperson, ist Prälat Gschwind ein persönliches Anliegen. Vieles, was Christoph von Schmid geschrieben hat, ist zeitlos und verdient es, wieder entdeckt zu werden.

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Seitenzahl: 151

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Impressum

 

1. Auflage 2016

© Bernardus-Verlag

In der Verlagsgruppe Mainz

 

Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany

 

 

Bernardus-Verlag

Verlagsgruppe Mainz

Süsterfeldstraße 83

52072 Aachen

 

www.bernardus-verlag.de

 

 

Abbildungsnachweis Umschlag:

Aquarell von Ulrich Mayer, Thannhausen: Denkmal Christoph von Schmids vor der Stadtpfarrkirche in Thannhausen

 

ISBN-10: 3-8107-0254-4

ISBN-13: 978-3-8107-0254-8

 

 

 

Ein erzählender Vater

Christoph von Schmid als dankbarer Sohn

Am Fest Mariä Himmelfahrt 1768 wurde dem Ehepaar Johann Friedrich Anton Schmid und Theresia geborene Hartel ihr erstes Kind geboren, das in der Stadtpfarrkirche St. Georg zu Dinkelsbühl auf den Namen Johannes Nepomucenus Christophorus Fridericus getauft wurde und als Christoph von Schmid weltbekannt werden sollte. Weitere zehn Kinder wurden in den folgenden Jahren geboren, zwei von ihnen starben bald nach der Geburt. Friedrich Schmid war Beamter des Deutschen Ordens und des Augsburger Domkapitels. Aus den Erinnerungen Christoph von Schmids, die er im Alter von 84 Jahren als Augsburger Domkapitular niedergeschrieben hat, geht hervor, wie sehr sich der Vater um die Erziehung seiner Kinder angenommen hat.

Friedrich Schmid spielte Klavier und ermöglichte auch seinen Kindern das Erlernen eines Instrumentes. Besonderen Wert legte er auf eine gute schulische Ausbildung. Er schickte seine Kinder deshalb in die sogenannte »Nachschule«, eine Privatschule, für die Schulgeld bezahlt werden musste, die aber weitaus höhere Ansprüche stellte als die Normalschule. Darüber hinaus besuchte Christoph mit seinem Bruder Josef den Lateinunterricht, um später auf die höhere Schule wechseln zu können. Pater Adrianus, ein Bruder des Vaters, erteilte ihn im Dinkelsbühler Karmelitenkloster. Er hatte weniger Geduld als der Vater. Jeder Fehler wurde mit dem Stecken geahndet. Der Vater suchte auch das zeichnerische Talent seines Ältesten zu fördern und ermöglichte ihm Malstunden bei einem Künstler. Besonders am Herzen lag Friedrich Schmid die Herzensbildung seiner Kinder und die religiöse Formung. Er gab dabei selbst das beste Vorbild.

Immer wieder erzählte er seinen Kindern biblische Geschichten, ging mit seinen Kindern zum Gottesdienst und besprach beim Mittagessen nochmals die Predigt. Der Ernst, mit dem der Vater zur Beichte ging, die Ehrfurcht, mit der der Vater die heilige Kommunion empfing, blieben Christoph von Schmid unvergesslich. In der Familie Schmid wurde immer gemeinsam am Morgen und am Abend gebetet. Man setzte sich auch nicht zu Tisch, ohne gebetet zu haben. Wenn der Vater in der Fastenzeit die Leidensgeschichte vor dem Bettgehen erzählte, waren die Kinder oft zu Tränen gerührt. Hier erlebte Christoph von Schmid, wie tief sich Geschichten dem kindlichen Gemüt einprägen. Dies veranlasste ihn bereits in jungen Jahren, seinen Schülern Geschichten zu erzählen, um ihnen Herzensbildung zu vermitteln.

Weil Christoph schön schreiben konnte, nahm der Vater den Heranwachsenden mit in die Kanzlei und ließ ihn Briefe abschreiben. Er erlebte den Vater, wie er mitfühlend mit armen Leuten umging. Der Maßstab seines Handelns war das Evangelium. Er nahm keine Bestechungsgelder an, wie sie zur damaligen Zeit durchaus üblich waren. Er ließ es auch nicht zu, dass sein Sohn Christoph besondere Geschenke annahm, wenn er einen Brief besonders schön geschrieben hatte. Unvergesslich blieb es Christoph, dass der Vater einen Buben, der seinem Bruder Josef einen Stein an den Kopf geworfen hatte, nicht zur Rede stellte und bestrafte, sondern seine Kinder mit einem Geldgeschenk zu der armen kinderreichen Familie schickte, »denn man darf nicht Böses mit Bösem, sondern muss es mit Gutem vergelten«. Die Leute waren darüber sehr erstaunt, ja gerührt. Der Missetäter brachte Josef sogar Blumen. »Dies hätte eine Züchtigung wohl niemals zustande gebracht«, merkt Christoph von Schmid an.

Der Vater sorgte dafür, dass Christoph 1783 an das Gymnasium nach Dillingen wechseln konnte. Wenige Monate später starb Friedrich Schmid. Der Tod des Vaters traf Christoph tief. Der 15-Jährige fühlte sich als Ältester in der Pflicht, der Mutter beizustehen und ihr zu helfen, für die anderen Kinder zu sorgen. Die Mutter eröffnete ihm 1785, dass sie es gerne sähe, wenn er nicht weiterstudiere, sondern nach Dinkelsbühl heimkehre, um dort in der Kanzlei, in der auch der Vater tätig gewesen war, Schreiber zu werden. Dies konnte verhindert werden, als Christoph die Stelle eines Hauslehrers erhielt. Sein Weiterstudium war gesichert und er konnte im Haus des Geheimrates von Weber erstmals sein pädagogisches Talent entfalten.

 

 

 

Eine leidgeprüfte Mutter

Die Mutter von Christoph von Schmid

Als die Mutter 1821 im Sterben lag, ließ Bruder Joseph den Pfarrer von Oberstadion Christoph von Schmid und die anderen Geschwister benachrichtigen. Alle eilten ans Sterbebett der Mutter in Dinkelsbühl. Es war der 77-jährigen Mutter eine letzte Freude, dass sie ihre Kinder noch einmal sehen konnte. Christoph von Schmid hing zeit seines Lebens mit großer Dankbarkeit an seiner Mutter. Wer seine »Erinnerungen« liest, sieht die kleine tapfere Frau geradezu vor sich.

In einer überaus glücklichen Ehe mit Johann Friedrich Anton Schmid, dem Sohn eines Lehrers, verheiratet, schenkte sie neun Kindern, sieben Buben und zwei Mädchen, das Leben. Maria Theresia Schmid, Tochter eines Dinkelsbühler Ratsherrn, war eine tüchtige Hausfrau, der nichts zu viel war. Sie kochte, wie der Sohn rühmte, abwechslungsreich. Christoph von Schmid schätzte vor allem ihre Suppen. Sie achtete auf eine saubere Kleidung. Kein Kind ging mit ungekämmten Haaren aus dem Haus. Die Mahlzeiten hatten ihren festen Rhythmus und gegessen wurde, was auf den Tisch kam. So sollten die Kinder dazu erzogen werden, auch an einem fremden Tisch nicht unangenehm aufzufallen. Das innige und herzliche Verhältnis der Eltern ließ die Kinder in einer großen Geborgenheit aufwachsen. Auch ihre tiefe Frömmigkeit prägte die Kinder.

Der frühe Tod des Vaters im Alter von 42 Jahren war für die Familie eine wirkliche Katastrophe. Christoph und sein Bruder Joseph waren beim Studieren in Dillingen. Man würde sie heimholen müssen, damit sie einem Broterwerb nachgehen könnten. Dillinger Mitstudenten, wahre Freunde der Schmid-Brüder schalteten sich ein, so dass sie als Hauslehrer bei begüterten Familien Unterkunft und Brot fanden, so konnten sie ihr Studium fortsetzen. Am Fest der heiligen Katharina, der Patronin der Philosophen, kam es zur ersten folgenreichen Begegnung Christoph von Schmids mit Johann Michael Sailer. Schmid hatte eine vorzügliche lateinische Rede gehalten und ein Kollege Sailers machte ihn auf das schwere Schicksal der Dinkelsbühler Familie aufmerksam. Spontan lobte Sailer den Studenten und gab ihm eine Reihe von Geldstücken, wohl alles, was er bei sich trug, mit der Bitte, es der Mutter zu übersenden. Gleichzeitig lud er ihn ein, ihn demnächst zu besuchen, damit er sich ausführlich mit ihm unterhalten könne. Sailer vertraute in Zukunft immer wieder Korrekturen für seine Buchveröffentlichungen Schmid an, der die Arbeiten mit äußerster Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit erledigte.

Als die Familie Schmid erneut ein schwerer Schicksalsschlag traf und zwei jüngere Brüder Christoph von Schmids Johann Nepomuk (14) und Ulrich (11) ertranken, nahm Professor Sailer wieder großen Anteil. Einen Kupferstich mit dem kreuztragenden Heiland, den er soeben erhalten hatte, bat er, der Mutter als Trostbild zu senden. Sie ließ es rahmen und das Bild bekam einen Ehrenplatz in der guten Stube.

Die Primiz von Sohn Christoph, bei der Johann Michael Sailer die Primizpredigt hielt, wie auch die Primiz von Sohn Joseph waren Glanzpunkte im Leben der Mutter. Als Christoph nach Thannhausen kam und er schließlich das Benefiziatenhaus beziehen konnte, weilte sie für kurze Zeit in Thannhausen, aber dann übernahm Tochter Franziska den Haushalt, um den Bruder zu versorgen. Die Mutter hatte Heimweh nach Dinkelsbühl und als Sohn Joseph das Frühmessbenefizium erhielt, das mit der Stelle eines Organisten und Chorleiters verbunden war, führte sie ihm den Haushalt. Joseph Schmid war ein äußerst frommer Priester. Der Mutter bereitete er freilich manche Sorgen, weil er alles verschenkte. Christoph von Schmid war mit Mutter und Bruder ständig in Briefkontakt. Er regte Joseph auch zu Kompositionen an. Er vertonte mehrere Gedichte, die er mit seinem Chor einstudierte. Erhalten ist uns ein Namenstagsbrief an die Mutter. Mit herzlichen Worten voller Dankbarkeit gratuliert der Schriftsteller der Mutter und legt als Namenstagsgeschenk ein Goldstück bei. Wenn Schmid in späteren Jahren nach Dinkelsbühl kam, versäumte er es nie, das Grab seiner Eltern zu besuchen.

 

 

 

Lehrer und Freund

Christoph von Schmidund Johann Michael Sailer

Christoph von Schmid ist nicht ohne Johann Michael Sailer zu denken. Ohne seinen Einfluss wäre er nicht zu einer so großen geistlichen und pädagogischen Persönlichkeit herangereift. Erstmals sind sich die beiden 1784 begegnet. Der 16-jährige Christoph Schmid hat aus Anlass einer Festakademie, an der auch der eben ernannte Professor Johann Michael Sailer teilnahm, eine klassische lateinische Rede gehalten. Sailer war beeindruckt und sprach ihm sein Lob aus. Von Kollegen hörte Sailer, dass vor kurzem der Vater Schmids gestorben sei und die Mutter noch weitere acht Kinder zu versorgen hätte, und es wohl dazu komme, dass Schmid das Studium abbrechen müsse, um der Mutter beizustehen. Auf der Stelle griff Sailer in seine Tasche und gab Christoph alles Geld, das er bei sich trug, mit der Bitte, es seiner Mutter zu schicken. Es gelang auch, Schmid eine Hauslehrerstelle zu vermitteln, so dass das Weiterstudium gesichert war.

Sailer hatte ein angeborenes Talent als Lehrer und Erzieher. Schnell sammelte sich um ihn an der Universität Dillingen ein großer Kreis von Hörern. Über die Vorlesungen hinaus war jeder Student auf seinem Zimmer willkommen. Er hatte immer Zeit zu diskutieren, anzuregen und weiterzuführen. Selbst bei seinen täglichen Spaziergängen begleiteten ihn seine lernbegierigen Studenten. Christoph Schmid gehörte zu dem Kreis. Sailer, schon damals ein berühmter Mann – ein von ihm verfasstes Gebetbuch war ein Bestseller jener Zeit –, bemühte sich, seine Studenten in die Heilige Schrift und die Kirchenväter einzuführen, sie auch mit moderner Literatur bekannt zu machen und manches Werk von evangelischen Theologen empfahl er zur Lektüre. Letzteres ließ ihn, ganz abgesehen vom professoralen Neid, einer Reihe von Kollegen als recht wenig rechtgläubig erscheinen. Christoph Schmid ging bei Sailer ein und aus und mehr als einmal durfte er für den verehrten Lehrer, der die Angewohnheit hatte, seine Bücher auf Papierfetzen und Notizzetteln zu entwickeln, die Manuskripte ins Reine schreiben und für den Druck vorbereiten. Sailer, dessen hilfsbereites Wesen am Anfang des innigen Lehrer-Schüler-Verhältnisses stand, nahm auch innigen Anteil, als zwei Brüder Schmids ertrunken waren. Er gab ihm einen Kupferstich für die Mutter »Jesus trägt das Kreuz« und schrieb darunter: »Ich folge dir, sagt meine ganze Seele«. Als der Bruder Martin studieren wollte, war es wieder Sailer, der ihm einen Freiplatz vermittelte.

Als Christoph von Schmid im Alter seine Erinnerungen niederschrieb, bekannte er nochmals: Sailer »war für mein zeitliches und ewiges Wohl so väterlich besorgt als mein Vater und tat so viel für mich, dass mein eigener Vater nicht mehr, ja nicht so viel hätte für mich tun können«. Nun war Christoph Schmid nicht der einzige, der die stete Hilfsbereitschaft des Professor Sailer erfahren durfte. Zahllosen Studenten hat er geholfen, sei es aus eigenen Mitteln, und er war dabei nicht kleinlich, sei es durch Vermittlung. Allen war er Freund und Seelenführer. Bei allem Ernst, den die Wissenschaft abverlangt, gab es bei Sailer immer etwas zu lachen und zu scherzen, auch dies schien manchen seiner Kollegen der Würde eines Professors sehr abträglich. Der Ökonom, ein Geistlicher, der die Finanzen des Seminars zu verwalten hatte, fand an Sailer vor allem auszusetzen: Seit er da sei, werde nicht mehr so viel Bier getrunken. Das »Stophele«, wie Sailer Christoph Schmid liebevoll nannte, war inzwischen 21 Jahre alt geworden und die Frage der Berufsentscheidung stand an. Wieder war es Sailer, der den Schüler führte. Er sollte sich frei entscheiden können. Weder die Sorge um den Lebensunterhalt noch die Erwartungen von lieben Menschen sollten eine Rolle spielen dürfen. Ganz gleich wie die Entscheidung ausfiele, er werde ihm helfen, seinen Weg zu gehen. Sailer freute sich, als sich sein »Schmidle« für das Priestertum entschied. Und als 1791 Schmid die Priesterweihe empfangen hatte, bot der beglückte Lehrer dem Neupriester das »Du« an.

Dass der geschätzte Lehrer und beliebte Prediger seinem »Stophele« die Primizpredigt im heimatlichen Dinkelsbühl hielt, war wohl selbstverständlich. Die Predigt hatte ein so gutes Echo, dass der evangelische Bürgermeister der Stadt äußerte: »Wenn alle ihre Geistlichen so predigten – und auch unsere –, so würde die unglückselige Trennung wohl bald ein Ende nehmen«. Nach der Priesterweihe und Primiz mussten die jungen Geistlichen noch für längere Zeit nach Pfaffenhausen ins Priesterseminar. Hier sollten sie nach dem Höhenflug der Wissenschaften mit den Realitäten ihres Berufes noch stärker vertraut gemacht werden: Beichtpastoral, Kirchenrecht, Verwaltungswesen. Vieles von dem hatte Sailer seinen Studenten in seinen praxisnahen Vorlesungen schon mit auf den Weg gegeben. Schmid, der wie Sailer – sehr im Gegensatz zu anderen – am Mitmenschen immer nur das Gute suchte, hatte keine Schwierigkeiten, sich in den veränderten Umständen zurechtzufinden. Regens Ludwig Rößle bot dem Neupriester schon bald eine gute Stelle an. Dies war zur damaligen Zeit, als Kapläne ein mehr als dürftiges Auskommen hatten, von einiger Bedeutung. Schmid sollte Erzieher in einem adeligen Haus werden. Er lehnte jedoch ab, denn »er sei einzig aus dem Grund geistlich geworden, um in der Seelsorge zu arbeiten«. Sailer, der ihn im Herbst 1791 in Pfaffenhausen besuchte, hatte dann wieder seine Hand im Spiel, als Schmid noch im gleichen Jahr als Kaplan zu Abraham Kerler, einem Jugendfreund Sailers, nach Nassenbeuren kam. Auch den Wechsel nach Seeg zu Johann Michael Feneberg verdankte »Herzens-Stophiuscule« dem priesterlichen Freund. In Seeg verbrachte Schmid die »glücklichsten Tage in der Seelsorge«.

 

Denkmal für Johann Michael Sailer vor der ehemaligen Universität Dillingen/Donau

 

Sailer musste in dieser Zeit allerdings eine große Enttäuschung erfahren. Der Bischof von Augsburg, der ihm sehr lange gewogen war, hatte den Gegnern Sailers immer stärkeren Glauben geschenkt, dass der Professor für Pastoral die Studenten zu liberal und wenig kirchentreu erziehe. Die Französische Revolution und alles, was dem Kurfürsten von Trier und Fürstbischof von Augsburg Clemens Wenzeslaus darüber zu Ohren kam, ließen es ihm ratsam erscheinen, auf Gegenkurs zu gehen. 1791 wurde Sailer entlassen. Er stand von einem Tag zum anderen auf der Straße. Sailer schickte sich in sein Los ohne große Verteidigungsreden und ohne Anklagen. Er ging zu Freunden. An solchen hat es ihm nie gefehlt. Sailer widmete sich seinen Studien und erwies sich in diesen »Brachjahren« erneut als fruchtbarer geistlicher Schriftsteller. Bei einem Besuch in Seeg lernte er dann die »Allgäuer Erweckungsbewegung« kennen. Martin Boos, der Vorgänger Schmids als Kaplan in Seeg, konnte als die Seele dieser, heute würde man sagen »charismatischen Bewegung« gelten. Der protestantische Pietismus mit seiner stark gefühlsmäßigen Betonung alles Religiösen spielte herein. Die kirchliche Behörde verfolgte die Entwicklung mit Sorge. Sailer und sein Kreis wurden eines »abwegigen Mystizismus« verdächtigt, der in der Kirche nichts zu suchen habe. Sailer, zeitlebens ein fleißiger Briefschreiber, stärkte und warnte seine Freunde und Schüler in dieser Periode, »da Verdächtigungen und Ketzerriechereien an der Tagesordnung waren«. Obwohl Schmid nie unguten Schwärmereien – wie andere Sailerschüler – verfallen war, musste auch er sich 1798, inzwischen Kaplan in Thannhausen, einer Untersuchung seiner Bücher und Papiere durch den Dekan als bischöflichen Kommissar gefallen lassen. »Ich war lange Zeit wegen des Erfolges dieser Untersuchungen ungewiss. Nun wurde mir von dem Domkapitel Augsburg das Frühmess-Benefizium in Thannhausen verliehen«.

1799 erhielt Sailer wieder einen Lehrstuhl. Er wurde nach Ingolstadt berufen. Inzwischen hatte Schmid seine »Biblischen Geschichten für Kinder« zu schreiben begonnen. An Sailer war der Wunsch herangetragen worden und er vermittelte Schmid als den geeigneteren Erzähler. Nie ging ein Bändchen in Druck, ohne dass Sailer sein Urteil abgegeben hätte. Und Sailer freute sich über den Erfolg des Freundes, den er »Du Krone meiner Bemühungen« nannte. »Deine Biblischen Geschichten sind meisterhaft. Überall finden sie den ungeteilten Beifall, wo Bibelglaube und Geschmack herrscht«. Und Jahre später, inzwischen Weihbischof von Regensburg: »Liebster Freund! Wenn Du so fortfährst, so muss die Kirche Dich zu ihrem 5. Evangelisten machen und dies von Rechts wegen«. Wiederum von Sailer angeregt, veröffentlichte Schmid »Christliche Gesänge zur öffentlichen Gottesverehrung in katholischen Kirchen«. Lieder wie »Beim letzten Abendmahle« oder »Am Pfingstfest um die dritte Stunde« sind damals entstanden. 1804 erhielt Sailer einen Ruf an die Universität Heidelberg. Er lehnte ab, wie auch später einen Ruf nach Bonn, wo ihm sogar der Stuhl des Erzbischofs von Köln in Aussicht gestellt worden war. Nach Heidelberg empfahl er seinen Freund Christoph Schmid, Schulbenefiziat in Thannhausen, denn er war immer der Meinung, eine Professur sei seinen Fähigkeiten entsprechender als die etwas eingeengte Tätigkeit in dem kleinen Thannhausen und dessen Schuldistrikt. Schmid lehnte jedoch die Professur für Moral und Pastoral ab. 1815 bewarb er sich nach Landshut. Dort wirkte seit 1800 Sailer. Es wäre zu schön gewesen, nicht nur zu korrespondieren und gemeinsame Ferienreisen zu machen, wie sie es seit Jahren gewohnt waren, sondern im ständigen anregenden Gespräch zu sein und die Studenten davon profitieren zu lassen. Aber München lehnte ab. Die ganze Sailer‘sche Richtung passte den zuständigen geistlichen Herren nicht mehr. Schmid war enttäuscht. Wie er auch unglücklich darüber war, dass man ihm nach seiner langjährigen gewissenhaften Tätigkeit als Schulbenefiziat, die ja nicht ohne Erfolg war, keine der Pfarreien übertrug, um die er sich beworben hatte. Seine Bewerbung um die Stadtpfarrei Günzburg wurde mit der Begründung abgelehnt, er habe für einen Stadtpfarrer eine zu kleine Statur. Das »Schmidle«, das »Stoffele«, der »Minucius«, um mit Sailer zu sprechen, war klein, aber an geistiger Bedeutung hat er gewiss alle anderen Bewerber bei weitem überragt. Nicht nur seine »Biblischen Geschichten für Kinder« fanden überall beste Aufnahme und brachten eine größere Kenntnis der Heiligen Schrift im katholischen Raum, auch seine Erzählungen gingen von Hand zu Hand. Mögen sie manchem heute zu moralisierend, zu schwarz-weiß gezeichnet sein, oder zu rührend, damals hat man die »Ostereier« und die »Rosa von Tannenburg« verschlungen.