Valeria Messalina - Kaiserin von Rom - Birgit Furrer-Linse - E-Book

Valeria Messalina - Kaiserin von Rom E-Book

Birgit Furrer-Linse

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Beschreibung

Als junges Mädchen von Kaiser Caligula mit dem alten, durch Kinderlähmung gezeichneten Onkel des Kaisers, Claudius, verheiratet und vom Kaiser missbraucht, wird Messalina durch die Ermordung Caligulas und Ausrufung des Claudius zum neuen Imperator Kaiserin von Rom. Die getriebene, habgierige, grausame und lasterhafte Kaiserin, die sich mit den Freigelassenen Narcissus, Pallas und Callistus verbündet, beherrscht bald ganz Rom und lässt töten, wer sich ihr oder ihren Bedürfnissen in den Weg stellt. Als sie Gaius Silius begegnet, der großen Liebe ihres Lebens, wendet sie sich von ihrem Getreuen Narcissus ab. Damit besiegelt sie ihr Schicksal.

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.

Inhaltsverzeichnis

Epilog

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Kapitel

Epilog

Erschöpft betrat Messalina, gefolgt von ihrer Mutter Lepida und einer letzten ihr noch verbliebenen Sklavin, ihre Villa in den Lucullischen Gärten. Wie hatte sie diese Gärten, die schönsten von ganz Rom, doch immer geliebt. Wie viele berauschende Erinnerungen verbanden sie mit diesem Ort. Doch an diesem herrlichen Herbstmorgen hatte Messalina weder einen Blick für die Farbenpracht der bunten Blätter an den Bäumen noch für die letzten noch nicht geernteten reifen Trauben an den Weinreben. Obwohl die ersten Sonnenstrahlen bereits den Morgendunst durchbrochen hatten und es ein warmer, schöner Tag zu werden versprach, fröstelte Messalina. Ihr ganzer Körper zitterte, gepeinigt von einer Kälte, die aus ihrem Innern kam. Noch immer fassungslos starrte die Kaiserin vor sich hin in die weite, marmorgeflieste Empfangshalle. Panische Angst begann erneut ihre Gesichtszüge zu verzerren, als sie die Blicke der anderen beiden Frauen forschend auf sich gerichtet fühlte. Messalina wusste nur zu genau, was diese stummen, ausdruckslosen Augen ihr zu sagen versuchten. Doch noch immer wollte die Kaiserin es nicht akzeptieren. Nein, noch konnte und wollte sie ihre Sache nicht als verloren ansehen. Wenn es ihr nur irgendwie gelingen würde, Claudius unter vier Augen zu sprechen, dann würde alles wieder gut werden. Claudius liebte sie. Er würde ihr abermals verzeihen und großzügig über ihre Verfehlungen hinwegsehen, so wie er es immer getan hatte. Sie musste nur einen Weg finden, an Narcissus vorbei zum Kaiser zu gelangen.

Narcissus – Messalina verstand es noch immer nicht, warum ihr einstiger Verbündeter sich so plötzlich gegen sie gewandt hatte. Hatten sie beide nicht immer erfolgreich zusammengearbeitet? Warum dieser Wandel? Warum versuchte Narcissus sie zu vernichten, indem er ihr verweigerte, den Kaiser zu sehen? Er wusste doch genau, wie gut sie Claudius um den Finger wickeln konnte.

Ganz plötzlich blieb Messalina wie erstarrt stehen. Die Erkenntnis der Ursache traf sie wie ein Schlag ins Gesicht. Narcissus, der mächtige, gefürchtete Kabinettsekretär des Kaisers, er hatte Angst, Angst vor ihr, der Kaiserin. Nur das konnte der Grund sein. Niemand wusste besser über die üblen Machenschaften des beim Adel so verhassten Freigelassenen Bescheid als sie. Ein Wort von ihr zum Kaiser konnte Narcissus´ Sturz bewirken. Deshalb verwehrte er ihr den Zutritt zum Kaiser. Er befürchtete, dass sie versuchen könnte, sich mit ihrem Wissen ihr Leben zu erkaufen.

Nervös schritt Messalina erneut im Atrium auf und ab, den weiten, roten Mantel eng an den Körper gezogen. Noch wusste sie nicht genau, ob ihr die eben gemachte Erkenntnis Furcht einflößen oder Hoffnung geben sollte. Ihr nächster Schritt musste in jedem Fall gut überlegt sein. Von ihm konnte ihr Leben abhängen. Verzweifelt versuchte die Kaiserin, ihre alte innere Ruhe und Besonnenheit zurückzuerlangen, um ihre nächste Handlung planen zu können. Doch es wollte ihr nicht gelingen, die Panik in ihrem Innern zu bezwingen. Abermals durchflutete sie eine Woge von Angst und Schrecken. Schlaf! Wie sehr sehnte Messalina sich in diesem Augenblick nach etwas Ruhe, um einen klaren Kopf zu bekommen. Die letzten Stunden hatten sie stark mitgenommen. Da war erst das rauschende Hochzeitsfest gewesen, bei dem sie sich trunken der Liebe hingegeben hatte. Aus diesem Rausch hatte sie jäh die Nachricht vom Nahen der kaiserlichen Armee und der Zerschlagung ihres Komplotts gegen Claudius aufgeschreckt. Ganz plötzlich hatte die Kaiserin sich allein und verlassen wiedergefunden, beraubt all ihrer Macht, völlig ohne Freunde. Eben noch hatte die ganze Stadt ihr zugejubelt und mit ihr gefeiert. Nun hatten ihr plötzlich alle den Rücken gekehrt. Und zum ersten Mal in ihrem Leben war Messalina ratlos gewesen.

Auf einem Ochsenkarren, dem einzigen Gefährt, das sie in der Eile hatte finden können, war sie schließlich dem Heer entgegengefahren, um sich dem Kaiser vor die Füße zu werfen. Sie war bereit gewesen, sich vor Claudius zu demütigen. Doch der Kaiser hatte sie nicht empfangen. In ihrer Verzweiflung hatte sie sogar mit Gewalt versucht, zu ihm vorzudringen. Doch Narcissus hatte ihr drohend den Weg versperrt, und in seinen Augen war nur noch Hass und Verachtung für sie zu finden gewesen. In diesem Augenblick hatte Messalina begriffen, dass Narcissus ihren Tod wünschte. Doch noch lebte sie, noch konnte sie Narcissus Pläne durchkreuzen. Sie wollte nicht sterben. Mit ihren vierundzwanzig Jahren war sie begierig darauf zu leben.

„Lydia“, wandte sie sich an ihre Sklavin. „Geh sofort zu Narcissus. Er soll unverzüglich bei mir erscheinen. Sag ihm, es sei in seinem eigenen Interesse, mich nicht warten zu lassen.“

Ergeben verneigte Lydia sich vor ihrer Herrin, bevor sie sich auf den Weg machte, den offensichtlich sinnlosen Befehl Messalinas auszuführen.

Nachdem Lydia gegangen war, wandte Lepida sich mit traurigem Blick an ihre Tochter.

„Er wird nicht kommen, Messalina. Begreif es doch endlich. Er hat sich von dir abgewandt, mein Kind. Alle haben sich von dir abgewandt. Es gibt jetzt nur noch einen Ausweg für dich, Messalina. Begeh Selbstmord, bevor der Henker kommt, um dich zu töten.“

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Messalina ihre Mutter an. „Ich will nicht sterben. Narcissus wird kommen. Er hat allen Grund mich zu fürchten. Mein Wissen würde ausreichen, ihn ans Kreuz zu bringen. Das kann er nicht wollen. Er muss versuchen, sich mit mir zu einigen.“

„Oder aber dir für immer den Mund zu verschließen“, fügte Lepida besonnen hinzu. „So wie ich ihn kenne, wird er dir keine Gelegenheit mehr geben, ihn beim Kaiser anzuzeigen. Doch selbst wenn es dir gelingen sollte, Claudius zu erreichen, glaubst du denn wirklich, er würde dir noch Glauben schenken, nach allem, was du getan hast? Vor den Augen der ganzen Stadt hast du Hochverrat begangen. Das darf selbst Claudius dir nicht verzeihen. Sieh es doch endlich ein, Messalina. Es gibt für dich keinen Ausweg mehr. Du hast hoch gespielt und verloren. Ziehe jetzt die Konsequenzen.“

„Es gibt immer einen Ausweg“, schrie Messalina zornig auf.

Dann lief sie von Verzweiflung gepeinigt in ihr Schlafzimmer, warf den Mantel von sich und ließ sich auf ihr Bett fallen. Tränen traten ihr in die Augen, liefen ihr über die Wangen und benetzten schließlich das kostbare dünne Kleid, das sie trug.

Nein, schoss es ihr durch den Kopf, es war noch nicht vorbei. So durfte es nicht enden.

1.

Von innerer Vorfreude erfüllt, saß Messalina verträumt in dem schönen, prachtvoll angelegten Viridarium ihres Elternhauses und genoss den Duft des Oleanders, der die Luft durchdrang. Ihr Leben stand vor einer entscheidenden Wende. Ihre Eltern planten ihre Vermählung. Schon bald würde sie der Enge ihres Elternhauses und der Strenge ihrer Erzieher entfliehen können. Endlich würde sie die Freiheit haben, das zu tun, was sie wollte, ohne länger die ständigen Ermahnungen ihres Vaters Marcus Valerius Messala Barbatus und ihrer Mutter Domitia Lepida ertragen zu müssen. Eine verheiratete Römerin war eine freie Frau, mit eigenem Vermögen, über das sie nach Gutdünken verfügen konnte. Doch mehr noch als nach der Freiheit sehnte Messalina sich mit ihren sechzehn Jahren nach der starken Umarmung eines liebevollen Mannes. Marcus Vinicius war ein solcher Mann. Und Messalina wusste, dass ihre Eltern ihn als möglichen Ehemann bereits in die engere Auswahl gezogen hatten.

Natürlich war bei der Eheschließung an den guten Namen der Familie zu denken. Immerhin stammte sie mütterlicherseits bereits von niemandem geringerem als Octavia ab, der Schwester des Kaisers Augustus. Doch ihr Stammbaum bereitete Messalina kein Kopfzerbrechen. Ihre Eltern würden schon die richtige Wahl treffen und einen Mann finden, der der in der Ala des Hauses aufbewahrten Büsten der Vorfahren gerecht werden würde. Darauf vertraute Messalina.

Sich ihr nähernde Schritte rissen das Mädchen plötzlich aus ihren Betrachtungen. Es war Lydia, ihre Lieblingssklavin und Vertraute, die sich ihr näherte. Lächelnd blickte Messalina ihr entgegen. Doch das Lächeln verflog jäh, als sie in Lydias Augen einen besorgten Ausdruck entdeckte.

„Was gibt es so Schlimmes, dass du an einem so schönen Tag wie dem heutigen ein so ernstes Gesicht machst?“, fragte Messalina leichthin.

„Dein Vater wünscht dich zu sehen, Herrin. Du solltest besser gleich zu ihm gehen.“

„Was kann denn so dringend sein?“, wollte Messalina wissen.

Doch Lydia hob bedauernd die Schultern.

„Ich weiß es nicht, Herrin. Nur so viel. Eben war ein Bote des Kaisers hier. Nachdem er gegangen war, wirkte dein Vater äußerst besorgt. Du solltest besser gleich gehen.“

Messalina nickte, erhob sich und verschwand in einem langen, auf der linken Seite des Hauses gelegenen Flur, der zur Bibliothek ihres Vaters führte. Instinktiv spürte sie, dass etwas geschehen war, das sie betraf. Doch was konnte das sein? Der Kaiser? Ein Bote des Kaisers bedeutete selten etwas Gutes. Und seit Caligula von seinem Britannienfeldzug zurückgekehrt war, bei dem er nichts weiter als Wagenladungen voll Muscheln nach Hause gebracht hatte, war er völlig unberechenbar geworden. Er ahnte wohl, dass die Armee ihm diese Demütigung, die er ihr zugefügt hatte, indem er, anstatt eine Schlacht zu schlagen, sie den Strand nach Muscheln hatte absuchen lassen, niemals verzeihen würde. Seine Furcht bekämpfte er mit Grausamkeit. Niemand war vor seinen Eskapaden mehr sicher. Was also hatte der Kaiser von ihrem Vater gewollt? Zögernd öffnete Messalina die Tür zur Bibliothek und blickte einen Augenblick lang unschlüssig in das angespannte Gesicht ihres Vaters.

„Du wolltest mich sprechen?“

Barbatus nickte.

„Ja, Messalina, ich muss mit dir sprechen. Der Kaiser hat uns heute Abend zum Essen in den Palast eingeladen, dich, deine Mutter und mich. Diese Einladung abzulehnen ist unmöglich. Es würde uns alle den Kopf kosten. Aber wer weiß, vielleicht verlieren wir ihn ja auch so. Caligula ist finanziell am Ende, und wir sind eine reiche Familie. Was läge da näher, als uns einer Verschwörung anzuklagen und unser Vermögen einzuziehen. Wir wären gewiss nicht die ersten, denen das passiert. Aber vielleicht hat die Einladung auch einen ganz anderen Grund. Darum möchte ich dich um Folgendes bitten. Was auch immer im Palast geschehen wird, mein Kind, versuche es hinterher zu vergessen. Es ist keine Schande, sich dem Unvermeidbaren zu beugen. Halte dich immer in meiner Nähe auf und versuche dich so weit wie möglich von Caligula fern zu halten.“

Messalina nickte nachdenklich. Sie wusste nur zu genau, was ihr Vater meinte, auch wenn er es nicht aussprach. Keine Römerin war vor dem Kaiser sicher. Er nahm sich jede, die er begehrte, um sie danach fortzuwerfen wie Abfall. Ein Schauer lief Messalina plötzlich über den Rücken. Sie erinnerte sich nur zu genau an das Schicksal der Livia Orestilla, die der Kaiser von ihrer Hochzeitsfeier entführt hatte, um sie nach drei Tagen zu ihrem Mann Piso zurückzuschicken. Beide hatten nach diesem Vorfall in die Verbannung gehen müssen. Dann war da Lollia Paulina gewesen, die der Kaiser ihrem Mann fortgenommen hatte, um mit ihr zu schlafen. Auch sie war kurze Zeit später von Caligula wieder entlassen worden, allerdings mit der Auflage, nie wieder mit einem anderen Mann schlafen zu dürfen. Caligulas derzeitige Frau Cäsonia, ein hässliches, fettes Weib, das dem Kaiser aber immerhin eine Tochter geboren hatte, schien Caligula trotz ihrer Frivolität nicht länger reizen zu können. Erneut ging der Kaiser auf Ausschau nach amüsanten Abenteuern. Hatte er vielleicht sie als nächstes Opfer ausersehen? Messalina stockte bei diesem Gedanken der Atem. Aus der Ferne hatte sie Caligula schon einige Male gesehen. Er war alles andere als der Traum eines jungen Mädchens. Auf einem zu fetten Körper hatte er einen viel zu kleinen, halb kahlen Kopf aus dem hohle, düstere, grausame Augen hervorstachen. Doch trotz dieser körperlichen Mängel war er der Göttliche, dem sich alle zu unterwerfen hatten. Und auf irgendeine Art schmeichelte Messalina Caligulas Interesse an ihr. Auch wenn der Kaiser unansehnlich und hässlich war, die Macht und der Glanz, die vom Kaisertum ausgingen, zogen Messalina magisch an.

In der Abenddämmerung trafen drei kaiserliche Sänften, eskortiert von Prätorianern, in der vornehmen römischen Villa auf dem Esquilin ein. In ihnen wurden Messalina und ihre Eltern zum kaiserlichen Palast auf dem Palatin getragen. Am Eingang des Palasts gab es einen kurzen Aufenthalt, denn jeder der Besucher musste seine Waffen ablegen. Der Kaiser lebte in ständiger Furcht vor einem Attentat. Darum durften nur die ihm treu ergebenen Prätorianer im Palast bewaffnet sein. Schließlich geleiteten bereitstehende Diener die eingetroffenen Gäste durch eine endlos scheinende Flucht von Gängen, Korridoren und Zimmern zu dem halb im Dunkel liegenden kaiserlichen Tablinum, wo jeder der Gäste eine Kline zugewiesen bekam.

Barbatus Blick streifte vorsichtig die übrigen Anwesenden, weil er hoffte, daraus vielleicht schließen zu können, was der Kaiser wieder einmal plante. Doch aus der Zusammenstellung der Geladenen war nichts Besonderes erkennbar. In ihren Augen spiegelte sich die gleiche Angst wider, die auch er hatte. Keiner der Gäste ahnte, ob er nicht als nächstes Opfer des Kaisers den Saal verlassen würde. Die zunehmende Unberechenbarkeit Caligulas war weithin bekannt. Der leiseste Verdacht oder ein falsches Wort genügten bereits, um den Tod zu finden. Aus diesem Grund gab es aus Caligulas Familie nur noch einen lebenden Verwandten in Rom, Claudius, den Onkel des Kaisers. Seiner Großmutter Antonia hatte er den Selbstmord befohlen, seine Schwester Drusilla war nach ihrer Vermählung auf geheimnisvolle Weise gestorben und seine anderen beiden Schwestern, Agrippina und Julia, fristeten ihr Leben als Verbannte auf einer der südlichen Inseln Italiens. Der alte Claudius, der unweit der kaiserlichen Kline einen Platz eingenommen hatte, lebte, wie allgemein vermutet wurde, nur noch deshalb, weil er als harmloser Schwachkopf galt. Seit seiner Jugend durch Kinderlähmung gezeichnet, reizten seine körperlichen Gebrechen den Kaiser zu ständigem Spott. Barbatus Blick streifte den Alten mit einem geringschätzigen Lächeln. Außer ihm waren unzählige Senatoren anwesend, deren Stand am roten Streifen ihrer Toga zu erkennen war, sowie einige reiche Vertreter des Ritterstandes und die beiden Prätorianerführer Cornelius Sabinus und Cassius Chaerea. Voll Verachtung grüßte Barbatus die beiden Freigelassenen, Narcissus, den Geheimschreiber des Kaiser, und Pallas, den Obersteuereinnehmer, zwei der skrupellosesten Männer Roms.

Mit Anspannung warteten alle Anwesenden auf das Erscheinen des Kaisers. Doch der ließ sich wie gewöhnlich viel Zeit, um die Unsicherheit seiner Gäste noch zu verstärken.

Neugierig streifte auch Messalinas Blick die Runde, doch außer ihrer Mutter und sich konnte sie, abgesehen von lose bekleideten Sklavinnen, die die Gäste bedienten, keine Frauen entdecken. Eigentlich gehörte es sich für eine anständige Römerin auch nicht, an einem solchen Bankett teilzunehmen. Das wusste ihr Vater ebenso wie sie. Doch Barbatus würde es niemals wagen, einem Befehl des Kaisers nicht Folge zu leisten. Er fürchtete sich vor Caligula, genau wie alle anderen. Nur Messalina empfand seltsamerweise keine Angst.

Mit dem Betreten des Palasts hatte sich ihr eine andere Welt aufgetan. Der Prunk, mit dem das Tablinum des Kaisers ausgestattet war, das schummrige Licht, das den Saal nur leicht erhellte, der schwere Blütenduft, der die Luft durchdrang, die halb nackten Musiker und Tänzerinnen, die die Gäste unterhielten, beschworen in Messalina bis dahin unbekannte Gefühle herauf, die das Mädchen faszinierten und fesselten. Darum übersah sie nur zu gern den ängstlichen, warnenden Blick ihres Vaters.

Schließlich, als die Gäste bereits ungeduldig zu werden drohten, erschien der Kaiser. Fast hätte Messalina ihn nicht erkannt. Völlig überraschend war er aus einer Nische hervorgetreten, aus der er seine Gäste gewiss seit geraumer Zeit beobachtet hatte. In ein langes, wallendes, blaues Frauengewand gekleidet, auf das mit feinen Goldfäden Mond und Sterne gestickt worden waren, grell geschminkt wie eine Hure aus dem Lupanar und mit einem Lorbeerkranz auf dem Kopf, nahm er die Huldigungen der Anwesenden entgegen. Ihm folgte Cäsonia, die Kaiserin, und ein junger, gutaussehender Mann, den Messalina zwar nicht kannte, der jedoch sofort ihren Blick fesselte.

„Wer ist das?“, fragte sie leise ihren Vater.

„Der Schauspieler Mnester, der derzeitige Favorit des Kaisers.“

Messalina verstand nicht sogleich, was ihr Vater meinte. Erst als sie Caligula mit Mnester in aller Öffentlichkeit Küsse tauschen sah, begriff sie. Doch während Caligula die Liebkosungen des anderen Mannes sichtlich genoss, machte Mnester einen weitaus weniger glücklichen Eindruck. Dies war der Augenblick, in dem Messalina zum ersten Mal in ihrem Leben zu ahnen begann, was es bedeuten konnte, Macht zu besitzen. Der Mächtige konnte sich nehmen, was er wollte. Er musste auf die Gefühle der anderen keine Rücksicht nehmen.

Auf einen Wink des Kaisers begannen die Sklaven das Essen hereinzutragen. Noch niemals zuvor in ihrem Leben hatte Messalina derart ausgefallene Köstlichkeiten gekostet, wie sie ihr an diesem Abend geboten wurden, Singvögel und Geflügel, Tintenfisch und Krebse, Datteln, Melonen und Feigen, ganze Wildschweine, Hirsche und Spanferkel sowie Honiggebäck wurden in den Saal getragen. Dazu floss der Falernerwein in Strömen. Vor allem der Genuss des Weins schien bei den meisten Gästen die Stimmung erheblich zu verbessern. Alle Ängste schienen vergessen. Interessiert beobachtete Messalina, die an ihrem Becher nur genippt hatte, wie unter der Wirkung des Alkohols die Reden loser wurden. Beim Auftritt junger Nubierinnen, die nur mit einem Gürtel um die Taille bekleidet waren, flogen die letzten Hemmungen. Jeder der Gäste versuchte nach dem Tanz eines der Mädchen für sich zu erhaschen. Und die Mädchen ließen sich nicht lange bitten.

Fragend blickte Messalina zu ihrem Vater hinüber, der das Treiben mit grimmiger Mine verfolgt hatte. Als Römer der alten Schule war er gegen jede Art von Ausschweifungen. Doch besonders verwerflich fand er es, dass seine Frau und seine Tochter diesem Treiben zusehen mussten.

Schon bald wanderte Messalinas Blick erneut voll Neugier durch den Raum, streifte das unwürdige Treiben der sonst so ehrenwert scheinenden Senatoren und Ritter Roms und blieb schließlich fasziniert an einem schmalen, asketisch aussehenden Mann hängen, der genau wie sie das Treiben zu beobachten schien. Doch in seinem Blick waren weder Lust noch Spuren eines Rauschs zu finden. Irrte sie sich, oder zeichnete sich um seine Mundwinkel so etwas wie Verachtung ab? Wer war dieser Mann, der sich so sehr von den anderen unterschied? Fragend wandte Messalina sich an ihren Vater.

„Der“, erwiderte Barbatus, „Das ist Narcissus, der Geheimschreiber des Kaisers. Er ist ein äußerst gefährlicher Mann. Seinem Blick entgeht nichts. Man sagt, in seinem Herzen gibt es nur ein Gefühl, und das ist die Liebe zum Geld. Ansonsten ist er zu keiner menschlichen Regung fähig.“

Messalinas Interesse war geweckt. Noch einmal blickte sie zu Narcissus, den die Zügellosigkeit um sich herum nichts anzugehen schien. Dabei trafen sich ihre Blicke für einen kurzen Augenblick. Ungewollt zuckte Messalina unter den kalten, leeren Augen des Freigelassenen zusammen. Völlig verwirrt wandte sie ihren Blick schnell ab.

Schon bald zeigten die nackten Mädchenkörper, die suchenden Hände und benebelten Sinne ihre letzten Auswirkungen. Einige Paare zogen sich diskret in eine Nische zurück, andere fanden nichts dabei, sich in aller Öffentlichkeit der Befriedigung ihrer Sinne hinzugeben.

Caligula beobachtete das Geschehen frohgelaunt, während er sich völlig den Zärtlichkeiten Mnesters überließ. Schließlich blieb sein Blick an seinem Onkel Claudius hängen und ein spöttisches, grausames Grinsen durchzuckte sein Gesicht.

„Nun, mein Onkel, sie gefällt dir wohl, die kleine Nubierin, die du dir da eingefangen hast?“, fragte er höhnisch.

„Ja, Cäsar“, stotterte Claudius verwirrt. Wann immer sein Neffe sich seiner Gegenwart bewusst wurde, das wusste Claudius, war nichts Gutes zu erwarten. Welch abscheulichen Spaß würde der Kaiser wohl heute mit ihm treiben?

Caligulas Grinsen wurde noch breiter.

„Sieh an, sieh an!“ Die grelle Stimme des Kaisers durchdrang den Raum. „Noch immer lüstern, mein guter Onkel. Und immer eine andere. Das ziemt sich in deinem Alter wohl kaum noch. Darum habe ich in meiner göttlichen Gnade beschlossen, dich zu verheiraten.“

„Aber Cäsar! Welche Frau von Stand will mich schon?“, stotterte Claudius ängstlich, während seine Nase, wie immer, wenn er erregt war, zu tropfen begann. „Du weißt selbst, göttlicher Caligula, dass ich schon zwei Mal verheiratet war. Doch keine meiner Ehen ist gutgegangen.“

„Das hat nichts zu sagen. Auch ich war mehrmals verheiratet, bis ich endlich die richtige Frau fand. Schau, ich habe heute den edlen Marcus Valerius Messala Barbatus eingeladen, denn es ist mir zu Ohren gekommen“, fuhr er mit grausamem Spott in den Augen fort, „dass er einen Ehemann für seine Tochter sucht. All das fügt sich doch wunderbar zusammen. Mein Onkel sucht eine Frau, Messalina einen Mann. Was läge da näher, als die beiden zusammenzufügen?“ An Barbatus gewandt fügte der Kaiser drohend hinzu: „Bedenke, nicht jedem wird eine solche Ehre wie dir zuteil. Durch diese Ehe wirst du ein Mitglied des Kaiserhauses werden.“

Claudius blickte verwirrt zu Barbatus. Barbatus starrte voll ungläubigem Entsetzen den Kaiser an, unfähig, eine passende Antwort zu finden.

„Oder hältst du meinen Onkel vielleicht nicht für gut genug?“

„Durchaus nicht, Cäsar“, brachte Barbatus schließlich stockend hervor. „Cäsar erweist sich wirklich großzügig meiner Familie gegenüber.“

Caligula nickte befriedigt.

„Dann wäre ja alles geklärt“, frohlockte er hämisch. „Du, mein lieber Onkel Claudius, bekommst eine reiche Frau und musst mir somit nicht länger auf der Tasche liegen. Und du, Barbatus, wirst Mitglied des Kaiserhauses, was du damit würdigen kannst, dass du ein Viertel der Aussteuer deiner Tochter an die kaiserliche Kasse überweist. Damit wäre jedem von uns gedient.“

Sprachlos hatte Messalina den Handel, der eben vor ihren Augen abgeschlossen worden war,