Valeta erbt das große Glück - Barbara Cartland - E-Book

Valeta erbt das große Glück E-Book

Barbara Cartland

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Beschreibung

Seit seiner Rückkehr aus dem Krieg und nach der Verabschiedung von seinem Regiment, führt der gutaussehende Marquis von Troon ein aufregendes Leben in der Londoner Gesellschaft und unterhält auch einige Liebschaften. Nach einem waghalsigen Pferderennen auf seinem Herrensitz des Marquis auf dem Land, verstirbt Sir Charles Lingfield plötzlich und hinterlässt ein Testament, in dem er den Marquis zum Vormund seiner einzigen Tochter macht. Valeta lebte nach dem Tod ihrer Mutter alleine mit ihrem Vater in der Nachbarschaft des Marquis. Mit ihren Weltanschauungen veranlasst das hübsche junge Mädchen den Marquis die Welt mit anderen Augen zu sehen. Üble Machenschaften sind im Gange - werden der Marquis und Valeta diese gut überstehen oder wird Lionel, der Bruder des Marquis, den Triumph davontragen?

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1

„Captain Weyborne, Mylord!“

Die Stimme des Dieners hallte durch die große Bibliothek, in der sich in Leder gebundene Bücher vom Boden bis zur Decke erstreckten.

Es war ein sehr eleganter, von Adam entworfener Raum, mit einer Einrichtung, die die Augen jedes Kenners zum Leuchten gebracht hätte.

Am anderen Ende des Raumes lag der Besitzer mehr in seinem Sessel als dass er saß. Ein Bein hing über die Armlehne, und er hielt ein Glas mit Champagner in der Hand.

„Da bist du ja, Freddie!“ rief er aus, als der Neuankömmling eintrat. „Wird auch Zeit!“

„Ich bin gekommen, sobald ich deine Nachricht bekommen habe“, erwiderte Freddie Weyborne, als er über die Perserteppiche auf seinen Gastgeber zuging. „Warum die Eile?“

„Nichts weiter. Ich wollte nur mit dir reden, ehe die anderen Gäste eintreffen.“

Captain Weyborne nahm ein Glas Champagner entgegen, das ihm von einem Lakaien auf einem Silbertablett gereicht wurde. Der Mann sah in der Livree derer von Troon prächtig aus.

Es war typisch für den Marquis, dass er in dem Stil lebte, der seinem alten Titel entsprach, selbst wenn sein persönliches Verhalten eine Anzahl anderer Peers dazu gebracht hatte, die Brauen hochzuziehen.

„Ich kann mir wirklich nicht vorstellen, worüber du mit mir reden willst“, meinte Freddie Weyborne, nachdem sich die Diener zurückgezogen hatten. „Hättest du es mir nicht schon vorgestern sagen können, als wir in London zusammen diniert haben?“

„Seither habe ich einen monumentalen Entschluss gefasst“, erklärte der Marquis.

Er sah extrem gut aus, ja, sein Äußeres hatte ihn zum meist bewunderten Mann in London gemacht, seit Lord Byron das Land verlassen hatte.

Aber in seinem Gesichtsausdruck lag eine Härte und ein gewisser Zynismus, der die Behauptung derjenigen Lügen strafte, die meinten, er gliche einem griechischen Gott.

Außerdem lief er Gefahr, als Wüstling bezeichnet zu werden, und ganz gewiss lag in seinen Augen ein Funkeln, das an einen liederlichen Freibeuter denken ließ und das die Frauen unwiderstehlich fanden, obwohl die Älteren es mit Misstrauen sahen.

Sein Freund Captain Weyborne dagegen war das typische Beispiel eines englischen Soldaten, sportlich, sympathisch, jederzeit zu einem Lächeln aufgelegt und voller Humor, der ihm mehr Freunde schuf, als er zählen konnte.

Die beiden Männer waren seit ihrer gemeinsamen Zeit in Eton unzertrennlich und hatten anschließend auch Oxford gemeinsam besucht. Dort verbrachten sie die meiste Zeit damit zu jagen, zu trinken und den anderen Studenten gemeine Streiche zu spielen.

Sie hatten beide mit Auszeichnung in Wellingtons Armee gedient, aber während Captain Weyborne weiterhin der Leibgarde angehörte, hatte sich der Marquis nach dem Tode seines Vaters „freigekauft“.

Dadurch hatte er auf jeden Fall mehr Zeit gewonnen, nicht nur die eleganten Schönheiten der Londoner Gesellschaft, sondern auch die „eleganten Unvergleichlichen“ zu verfolgen.

Es gab selten eine Woche, in der seine Eskapaden nicht die Mitglieder seiner Clubs entzückten und gleichzeitig ein Stirnrunzeln auf die Gesichter der Mütter heiratsfähiger Töchter zauberten, die der Ansicht waren, die Stellung der Marquise von Troon wäre ihrem Augapfel angemessen.

„Nun, was hast du mit deinem überaus fruchtbaren Gehirn denn jetzt schon wieder ausgeheckt?“ erkundigte sich Freddie Weyborne lächelnd.

„Genau das wollte ich dir ja erzählen. Aber immer schön der Reihe nach ich habe beschlossen zu heiraten!“

„Heiraten?“

Wenn er vorgehabt hatte, seinen Freund zu überraschen, so war ihm das gewiss gelungen. Einen Augenblick lang blieb Freddie Weybornes Mund offen stehen vor Verblüffung.

Als er schließlich wieder atmen konnte, fragte er:

„Warum, in Gottes Namen? Warum?“

„Lionel ist nun ein vollkommen Radikaler geworden und hat angekündigt, dass er beabsichtigt, das Haus niederzubrennen und den Grundbesitz jedem zur Verfügung zu stellen, der ihn benutzen will, sobald er geerbt hat.“

„Das kann doch wohl nicht wahr sein!“ stöhnte Freddie Weyborne.

Freddie Weyborne wusste sehr gut, dass das Verhalten des jüngeren Bruders des Marquis, Lionel, Lord Stevington, seit vielen Jahren ein Ärgernis war.

Jede Familie in England, die einen jüngeren Sohn hatte, wusste, wie sehr diese die Privilegien verabscheuten, die dem Ältesten übertragen wurden, aber nur wenige von ihnen waren so aggressiv wie Lionel. Freddie hatte schon oft kopfschüttelnd festgestellt, dass es unmöglich war, dass zwei Brüder sich so wenig ähnlich waren, sowohl im Wesen als auch im Aussehen.

Lionel brachte sowohl seinem Bruder einen fanatischen Hass entgegen, wie auch allem, was dieser vertrat. Er weigerte sich, seinen eigenen Titel zu tragen, und in der Politik gehörte er zu den extremen Radikalen.

Aber es war eine Sache, dagegen zu kämpfen, nur der mutmaßliche Erbe seines Bruders zu sein, und eine andere mit der Zerstörung dessen zu drohen, was als eines der prachtvollsten Häuser Großbritanniens galt und Schätze enthielt, die unersetzlich waren.

Nicht nur jede Galerie und jedes Museum, sondern auch der Prinzregent waren neidisch auf die Troon-Gemälde, und letzterer hatte bei verschiedenen Gelegenheiten dem Marquis gegenüber verdrießlich ausgerufen:

„So sehr ich mich auch bemühe, mit Ihrer Sammlung zu wetteifern, Troon, ich bezweifle, dass ich jemals etwas Gleichwertiges haben werde, und wenn ich tausend Jahre alt werde!“

„Lionel prahlt doch nur“, meinte Freddie jetzt. „Er kann doch nicht im Ernst beabsichtigen, etwas so Einzigartiges wie dieses Haus zu zerstören.“

„Ich würde ihm schon zutrauen, Feuer zu legen und zu hoffen, dass ich in den Flammen umkomme“, bemerkte der Marquis lakonisch.

In seiner Stimme lagen weder Verbitterung noch Zorn. Er stellte einfach eine Tatsache fest.

„Dann hast du also die Absicht, einen Erben zu bekommen“, bemerkte Freddie trocken.

„Hoffen wir nur, dass Lionel ihn nicht entführt oder deine Ehefrau beseitigt, ehe er geboren ist.“

„Ich habe vor, ein Auge auf Lionels Aktivitäten zu haben“, erklärte der Marquis. „Aber ich denke doch, dass es Zeit wird, dass ich zur Ruhe komme. Meine Mutter bittet mich darum, seit ich volljährig bin.“

„Ich finde, die Herzoginwitwe hat recht. Es ist wirklich Zeit, dass du das Leben ernster nimmst“, stimmte Freddie zu und blinzelte dabei mit den Augen. „Schließlich hätte kaum jemand sich besser die Hörner abstoßen können, als du es in den letzten Jahren getan hast!“

Der Marquis lachte.

„Wenn ich durch Lionels Hand sterbe, ist das vielleicht die einzige Inschrift, die sich auf meinem Grabstein finden wird.“

„Da sind immer noch die Orden, die dir in Frankreich für deine Tapferkeit verliehen wurden.“

Freddie scherzte, aber dem Marquis schien es ausnahmsweise ernst zu sein.

„Weißt du, Freddie“, meinte er nach einer Weile, „was mir fehlt sind die Gefahren und Aufregungen des Krieges.“

„Das war oft verteufelt ungemütlich. Ich kann nicht vergessen, wie hungrig wir waren, damals, als die Lebensmittelwagen nicht kamen und wir zwei Tage und Nächte mit leerem Magen marschiert sind“, erinnerte sich Freddie.

„Trotzdem. Wir haben wenigstens etwas getan, was der Mühe wert war. Wir haben den Feind bekämpft und versucht, den Gegner zu schlagen. Wir haben unsere Körper und unseren Geist eingesetzt, so gut wir eben konnten.“

Ein plötzlicher Gedanke schoss Freddie in den Sinn.

Sein Verstand arbeitete nicht so schnell wie der seines Freundes. Aber wenn er auch langsamer war, schließlich kam er doch immer zum richtigen Schluss.

„Hast du dich etwa deshalb so schändlich aufgeführt, weil du den Krieg und all seine Gefahren vermisst hast, seit er zu Ende ist?“ fragte er.

„Ich denke schon. Ich weiß nur, dass ich den Frieden verdammt langweilig finde, und wenn ich nicht irgendwelche Leute dazu bringen kann, etwas Lustiges zu tun, dann gähne ich mich noch zu Tode.“

„Ich habe noch nie einen solchen Unsinn gehört!“ rief Freddie. „Du schwimmst im Geld, hast Pferde, um die dich jeder Mann beneidet, und siehst so gut aus, dass dir jede Frau wie ein überreifer Pfirsich in die Arme fällt! Und da findest du das Leben langweilig! Du bist undankbar jawohl, das bist du!“

„Ich bin gerne bereit dir zuzustimmen“, erwiderte der Marquis, „aber Tatsache bleibt, dass ich mich langweile.“

„Glaubst du etwa, eine Ehe wird deine Langeweile vertreiben?“

„Ich glaube, sie könnte sie sogar noch schlimmer machen“, antwortete der Marquis. „Andererseits ist es das Einzige, was ich bislang noch nicht ausprobiert habe.“

„Und wer soll bei diesem verzweifelten Experiment deine Partnerin sein?“ erkundigte sich Freddie sarkastisch.

„Dilys wer denn sonst?“

Wieder schien es Freddie für einen Augenblick die Sprache zu nehmen.

„Dilys?“ stammelte er schließlich fassungslos, nachdem ein paar Sekunden verstrichen waren. Er wollte das Gehörte nicht glauben.

„Warum nicht?“ wollte der Marquis gereizt wissen. „Sie ist auf Draht und zu jedem Unsinn bereit, den ich ihr vorschlage. Und was noch wichtiger ist, sie bringt mich zum Lachen.“

Schweigen trat ein. Dann fragte der Marquis:

„Nun? Hast du nichts dazu zu sagen?“

„Nichts, was du gern hören würdest“, antwortete sein Freund.

„Jetzt hör mir mal zu, Freddie, wir waren immer offen miteinander, du und ich, und wir haben schon in ganz schönen Schwierigkeiten gesteckt. Wenn du etwas gegen Dilys als meine Frau einzuwenden hast, dann sagst du es besser gleich jetzt.“

Wieder antwortete Freddie nicht. Nach einer Weile fuhr der Marquis fort:

„Wenn es etwas gibt, was mich wirklich wütend macht, dann ist es dieser verschlossene Ausdruck in deinem Gesicht, als könntest du es nicht wagen zu sprechen. Also gut, dann lass mich das Schlimmste wissen. Du hast Dilys nie gutgeheißen. Das hast du ja recht deutlich gezeigt.“

„Das ist nicht wahr“, widersprach der Freund. „Ich habe nichts gegen sie als deine Mätresse, aber als deine Ehefrau ist das etwas ganz anderes.“

„Inwiefern?“

„Ach, komm schon, Serie, du weißt genauso gut wie ich, was ich sagen will. Dilys hat sich so verhalten, dass ganz St. James über sie spricht. Aber das ist ihre Angelegenheit, nicht meine. Aber kannst du dir wirklich vorstellen, dass sie die Stelle deiner Mutter hier auf Troon einnimmt? Oder oben auf der Treppe von Stevington House steht?“

Jetzt war es am Marquis, nicht zu antworten, denn Freddie hatte ein Bild in seiner Vorstellung wachgerufen, das ihn oft verfolgt hatte, wenn sie irgendwo in den kahlen Bergen Portugals ihr Lager aufgeschlagen hatten oder in strömendem Regen über eine windgepeitschte Ebene geritten waren.

Er war erst sechs oder sieben Jahre alt gewesen, als seine Nanny ihn durch das Treppengeländer im zweiten Stock von Stevington House hatte spähen lassen, von wo aus er seinen Vater und seine Mutter gesehen hatte, die zahlreiche Gäste ein Stockwerk tiefer empfingen.

Die Marquise stand oben an der riesigen Treppe. Das Brillanten Diadem funkelte fast wie eine Krone auf ihrem Haar, und für ihren kleinen Sohn hatte sie ausgesehen wie eine Prinzessin aus einem der Märchen, die er so liebte.

Sein Vater war in dem prachtvollen Abendanzug eines Geheimen Staatsrates mit dem Blauen Band des Hosenbandordens über der Brust fast ebenso eindrucksvoll.

In diesem Augenblick verkörperten seine Eltern für ihn alles, was in seinem Leben groß und wichtig und stabil war.

Viele Jahre später, als er dasselbe Bild wieder und wieder beobachtet hatte, war ihm der Gedanke gekommen, dass eines Tages er an derselben Stelle stehen und jeden im Land empfangen würde, der wichtig oder vornehm genug war, um seine Gastfreundschaft zu genießen.

Doch als sein Vater gestorben war; erschien es ihm nicht angebracht, große Empfänge in Stevington House zu geben, und nach und nach war er in den Kreis der liederlichen, lockeren jungen Gecken gezogen worden und War, fast ohne es zu wollen, ihr Anführer geworden.

Nachdem er ein paar Minuten lang seinen Gedanken nachgehangen hatte, sagte er laut:

„Das ist kein Leben für mich.“

„Warum nicht? Ist es nicht unvermeidbar, dass du eines Tages dieselbe Stellung im Land und im House of Lords einnimmst, die dein Vater so bewundernswert ausgefüllt hat?“

„Großer Gott, was weiß ich denn schon von Politik?“ stöhnte der Marquis.

„Du kannst nicht immer das enfant terrible sein.“

Jetzt war es der Marquis, der erstaunt war.

„Wirklich, Freddie, das ist ein Fall von ,auch du, mein Sohn Brutus!‘ Ich hätte nie gedacht, dass du Anständigkeit predigst. Was ist denn in dich gefahren?“

„Das Alter!“ antwortete Freddie, „und das ist die Wahrheit, Serie, auch wenn du es nicht, glauben willst. Ich werde allmählich zu alt, um mich jeden Abend bis zur Bewusstlosigkeit zu betrinken und mit einem Gefühl herumzulaufen, als hätte mich eine Kanonenkugel am Kopf getroffen.“

„Das Gefühl kenne ich“, bemerkte der Marquis, und seine Lippen zuckten. „Vielleicht beabsichtige ich deshalb, zu heiraten.“

„Ein bewundernswerter Entschluss, aber nicht, wenn Dilys die Auserwählte sein soll.“

„Aha! Jetzt kommen wir zum springenden Punkt!“ rief der Marquis. „Dann erzähl mir bitte in einfachen Worten, warum Dilys nicht die Art von Ehefrau für mich sein kann, die ich tolerieren könnte.“

„Ich habe sie gerade von London herübergefahren“, antwortete Freddie, „und, offen gesagt, Serie, ich will mit dir keinen Streit anfangen. Dabei schlägst du mich ohnehin immer.“

„Ich habe nicht vor, dich zu schlagen, Dummkopf. Ich möchte nur einfach die Wahrheit hören.“

„Also schön, wenn du die Wahrheit hören willst. Ich kann mir kein schlimmeres Schicksal vorstellen als mit einer Frau verheiratet zu sein, die einem ständig über die Schulter sieht, ob nicht gerade jemand den Raum betreten hat, der ihr besser gefällt.“

Trotzig sah er seinen Freund an, als er das sagte, und das schwache Lächeln um den Mund des Marquis entging ihm nicht.

„Also gut, ich weiß genau, was du denkst; dass es niemanden geben wird, der besser aussieht als du. Das mag im Augenblick ja stimmen, aber was ist, wenn du älter wirst? Wenn du krank wirst? Glaubst du, dann würde Dilys an deinem Bett sitzen und nähen und was immer die Frauen da tun?“

Freddie sprach mit unmissverständlichem Ernst und brachte den Marquis dazu, ein wenig unruhig auf dem Teppich auf- und abzugehen.

„Wenn es nicht Dilys sein soll, wer käme deiner Meinung nach in Frage?“

„Tausend Frauen, die alle weit besser als Ehefrau geeignet sind als sie!“

Der Marquis schritt weiter auf und ab. Beide Männer dachten jetzt an die Frau, von der sie sprachen.

Lady Dilys Powick hatte in London von dem Augenblick an für Aufregung gesorgt, als sie Debütantin wurde.

Als Tochter des Duke of Bredon hatte sie Zutritt zu allen wichtigen Häusern und erhielt eine Einladung zu jedem Ball und jedem Empfang der Beau Monde.

Sechs Monate, nachdem sie das Schulzimmer verlassen hatte, lief sie mit einem armen, jungen Mann aus einem Infanterieregiment davon und heiratete ihn heimlich.

Sie folgte ihm nach Portugal, als sein Regiment dorthin verlegt wurde, führte sich aber so unerhört auf, dass sie heimgeschickt wurde.

Ein paar Monate später wurde ihr Ehemann im Dienst getötet, aber sie gab sich kaum Mühe, auch nur einen Gedanken an ihn zu verschwenden. Sie tat nicht einmal so, als würde sie um ihn trauern. Tatsächlich war sie viel zu sehr damit beschäftigt, ganz London gegeneinander aufzuhetzen.

Ihr Verhalten sorgte dafür, dass sie von allen führenden Gastgeberinnen geächtet wurde, aber weil sie schön, frech und zweifellos amüsant war, wurde ihr Haus fast ständig von einer großen Zahl ihrer Bewunderer belagert.

Sie wählte sich ihre Liebhaber auf eine Art und Weise aus, die in denjenigen, die sie ablehnte, den Wunsch nur noch größer werden ließ, auch in den Genuss ihrer Gunst zu kommen.

Aber der Marquis of Troon war vom ersten Augenblick seines Auftauchens an Dilys Horizont persona grata gewesen, und in den letzten sechs Monaten waren sie unzertrennlich gewesen.

Sie hatte nicht nur an all seinen Streichen teilgenommen, sondern hatte sie in vielen Fällen auch angestiftet, und was sie gesagt oder getan hatte, hatte nichts von seiner Wirkung verloren, weder in den Clubs noch in den Boudoirs derjenigen, die sie hasste.

Für den Marquis war sie eine verwandte Seele, und er sagte sich selbst, dass er ja nicht mehr verlangte.

Es gab nichts, was Dilys zu gewagt gewesen wäre, keine Herausforderung wurde von ihr abgelehnt, und in der Liebe war sie so befriedigend und feurig, wie ein Mann es sich nur wünschen konnte.

Während der Marquis weiterhin durch das Zimmer lief, stand Freddie auf und schenkte sich ein weiteres Glas Champagner ein. Die Flasche stand in einem großen, silbernen Weinkühler auf einem Beistelltischchen.

„Da ist noch etwas, was du vergessen hast, Serie“, sagte er. „Du hältst mich vielleicht für altmodisch, aber ich glaube, es ist wesentlich für eine Ehe.“

„Was ist das?“

„Du liebst Dilys ganz offensichtlich nicht."

„Lieben? Was, zum Teufel, glaubst du denn, was ich für sie empfinde?“

„Eine ganze Reihe von Dingen, die ich nicht aufzählen muss“, antwortete Freddie und kehrte zum Kamin zurück, das volle Glas in der Hand. „Aber keines davon ist Liebe.“

„Woher weißt du das?“

„Ich habe dich schon bei vielen Amouren beobachtet. Alle Damen haben dich für eine Weile amüsiert, fasziniert, sogar gefesselt. Aber nichts davon hatte etwas mit Liebe zu tun, so, wie ich sie verstehe.“

„Und was, bitte, ist Liebe wie du sie verstehst?“ erkundigte sich der Marquis sarkastisch.

„Das ist das, was mein Vater und meine Mutter füreinander empfanden und was ich selbst gerne erleben möchte, ehe ich ,zur Ruhe komme'.“

„Du wirst es mir schon ein bisschen genauer erklären müssen“, sagte der Marquis. „Ich habe deinen Vater und deine Mutter gekannt, und sie waren immer sehr nett zu mir, aber ich bin nie auf den Gedanken gekommen, dass an ihrer Beziehung zueinander etwas Besonderes war.“

„Es ist nicht etwas, über das sie in aller Öffentlichkeit gesprochen hätten“, meinte Freddie, und seine Stimme klang ein wenig verlegen. „Aber als mein Vater starb, hat meine Mutter gesagt: ‚Freddie, Liebling, jetzt habe ich nichts mehr, für das es sich zu leben lohnt. Ich möchte nichts anderes, als zu deinem Vater.‘ Sie folgte ihm vier Tage später.“

„Davon hatte ich keine Ahnung“, sagte der Marquis nach einer Pause. „Willst du damit sagen, sie hätte Selbstmord begangen?“

„Nein, natürlich nicht. Aber er bedeutete ihr Leben, und als es ihn nicht mehr gab, hörte sie einfach auf, zu atmen.“

„Das hast du mir noch nie erzählt.“

„Ich hätte es dir auch jetzt nicht erzählt“, antwortete sein Freund, „aber ich dachte, es würde dir vielleicht zeigen, wovon ich rede.“

„Ich bin mir nicht sicher, dass ich es verstehe, aber es macht mich nachdenklich.“

„Genau das sollte es auch.“

Der Marquis seufzte.

„Weder du noch ich, Freddie, werden wohl jemals so für eine Frau empfinden.“

Er machte eine Pause, ehe er fortfuhr:

„Ja, ich verstehe, was du mir sagen willst. Natürlich! Aber ich gehöre nun mal nicht zur romantischen Sorte.“

Er sah den Ausdruck im Gesicht seines Freundes und lachte.

„Schon gut! Schon gut! In meinem Leben hat es eine Menge Frauen gegeben, das leugne ich gar nicht, und einige von ihnen waren verdammt attraktiv. Erinnerst du dich noch an das kleine, rehäugige Mädchen in Lissabon?“

Der Marquis schwieg einen Moment.

„Nein, lass uns nicht vom Thema abschweifen. Du willst mir also erzählen, dass ich irgendein merkwürdiges Gefühl verspüren muss, das ich nie zuvor gehabt habe und dann werde ich wissen, dass ich liebe.“

„Das gehört dazu. Aber ich habe das Gefühl, es ist nicht alles.“

„Was meinst du damit?“

„Ich glaube, in jeder Ehe sollte es ein gemeinsames Ideal geben, ein Ziel, das man gemeinsam anstrebt.“

„Ich strebe einen Sohn an.“

„Du gibst dich absichtlich beschränkt. Du erinnerst dich doch hoffentlich noch: Als wir miteinander und mit unseren Freunden in Oxford diskutiert haben, haben wir über eine Menge Dinge gesprochen, die wir seither nicht mehr erwähnt haben.“

„Natürlich haben wir das“, stimmte der Marquis zu, „aber das war eine Menge hochtrabender Quatsch. Wir haben unsere Seelen analysiert und uns Sorgen darüber gemacht, was in der nächsten Welt geschieht. Wir haben eine Menge Zeit mit Geschwätz vergeudet, in der wir hübschen Mädchen hätten nachjagen können.“

„Das hast du auch getan“, bemerkte Freddie müde. „Versuch doch, dich auf das zu konzentrieren, was ich sage, Serie, es ist nämlich wirklich wichtig.“

„Für mich oder für dich?“ fragte der Marquis schnell.

„Für uns beide, nehme ich an. Serie, unsere Freundschaft wird nie mehr die alte sein, wenn du Dilys heiratest.“

„Warum nicht?“

Freddie antwortete nicht, und der Marquis sagte zögernd, als wäre ihm der Gedanke erst allmählich gekommen:

„Du willst mir doch nicht sagen, das heißt doch nicht, dass du und Dilys …?“

„Das ist keine Frage, die du mir stellen solltest“, unterbrach Freddie ihn.

„Dann hast du also!“ rief der Marquis aus. „Großer Gott, ich hatte ja keine Ahnung!“

„Ich glaube, du wirst dich in einer ähnlich unguten Lage mit einer ganzen Anzahl deiner Freunde finden“, meinte Freddie nach einer Weile, als wäre er zu einer Antwort gezwungen.

Der Marquis trat ans Fenster und schaute auf die grünen, samtigen Rasenflächen hinaus, die sich bis zum Teich erstreckten, der unterhalb des Hauses lag. Eine steinerne Brücke mit perfekten architektonischen Proportionen überspannte ihn.

Sein Blick ruhte auf den Schwänen, die langsam über das silberglänzende Wasser zogen, aber Freddie war sicher, dass er die Zukunft in einer neuen Perspektive sah, dass es ein ganz anderes Bild ergab als das, welches er sich bisher ausgemalt hatte.

Lange Zeit herrschte Schweigen, bis der Marquis zornig sagte:

„Ich weiß wirklich nicht, Freddie, warum du hierherkommst und mich aufregst und versuchst, die Pläne zu ändern, die ich für mich gemacht habe.“

„Wenn es mir wirklich gelungen ist, dass du dein Vorhaben fallen lässt, dann kann ich nur sagen, ich bin ernsthaft froh darüber.“

„Zum Teufel mit dir!“ schimpfte der Marquis. „Es gibt Zeiten, da verabscheue ich dich von ganzem Herzen.“

Er hatte sich nicht umgedreht, während er sprach, und Freddie, der auf die breiten Schultern starrte, die sich vor dem Fenster als dunkle Silhouette abhoben, lächelte ein wenig reumütig.

Er wusste, dass seine Freundschaft mit dem Marquis viel zu tief und zu wichtig war für sie beide, um durch irgendetwas zerstört zu werden.

Gleichzeitig dachte er aber auch, dass es angenehmer gewesen wäre, wenn das Problem Dilys sich nicht gleich nach seiner Ankunft gestellt hätte.

Weder herrschte Schweigen, bis der Marquis, als hätte er plötzlich einen Entschluss gefasst, in verändertem Ton sagte:

„Naja, die Frage meiner Hochzeit kann erst einmal beiseitegelegt werden. Warten wir den heutigen Abend ab.“

Freddie erstarrte.

„Was passiert denn heute Abend?“

„Nun, es war als große Abschiedsgeste gedacht, Abschied von meiner Freiheit und all den Sachen.“

Freddie beäugte ihn misstrauisch.

„Du hast Dilys doch noch keinen Antrag gemacht?“

„Nein, nicht direkt. Aber ich glaube, sie fragt sich bereits, ob sie bei unserer Hochzeit einen weißen Schleier tragen soll oder nicht. “

Freddie stieß einen Laut des Protests aus.

„Allmächtiger, Serie! Sie wäre das Gespött. . .“

Er brach ab.

„Du nimmst mich auf den Arm! Das hätte ich mir denken können! Nun, lass mich das Schlimmste hören. Was hast du für heute Abend geplant?“

„Ein Jagdrennen um Mitternacht“, antwortete der Marquis.

„Ist das alles? Ich dachte, es wäre etwas Neues und Originelles. Ich hasse deine Pferderennen. Du gewinnst immer!“

„Diesmal ist es anders“, sagte der Marquis, „und außerdem gibt es wertvolle Preise.“

„Was heißt das bei dir schon?“

„Tausend Guineen.“

„Das kostet dich nichts. Du kommst ja sowieso als erster ins Ziel.“

„Fünfhundert für den Zweiten und einhundert für den Dritten. “

„Es hat also tatsächlich noch jemand eine Chance“, gab Freddie zu. „Aber was ist an einem mitternächtlichen Jagdrennen so originell? Die hast du doch früher schon veranstaltet. Nach deiner letzten Veranstaltung hat mein bestes Pferd einen Monat lang gelahmt.“

„Du müsstest besser reiten“, gab der Marquis zurück, „und heute Nacht musst du das auf jeden Fall.“

„Warum?“

„Ich beabsichtige, .... nun ja, gewisse Schwierigkeiten einzubauen.“

Freddie stöhnte.

„Ich wusste doch, dass es nicht ungefährlich sein würde. In diesem Fall nehme ich nicht teil.“

„Bist du wirklich ein solcher Feigling?“ höhnte der Marquis.

„Allerdings! Mein Leben ist mir zu kostbar, um es wegen eines dummen Schuljungenstreiches fortzuwerfen, nach dem Motto: Ich reite besser als du! Unsinn, Serie, werde endlich erwachsen!“

„Wenn du so mit mir redest, fordere ich dich zum Duell“, drohte der Marquis. „Es wird ein Rennen für Erwachsene, das kann ich dir versichern.“

„Wenn du dir einbildest, ich würde im Nachthemd reiten, mit verbundenen Augen, oder rücklings im Sattel sitzend, dann kannst du mich vergessen! Mein Vater hat immer gesagt, Steeplechases seien nur etwas für Dummköpfe, die ihren Hals riskieren wollen, und die Dümmsten von ihnen würden auf dem Friedhof enden. Und da will ich nun wirklich nicht hin.“

„Nun sei kein Spielverderber, Freddie!“ befahl der Marquis. „Ob du nun mitmachst oder nicht, es sind mindestens zwanzig Teilnehmer am Start, die bereits akzeptiert haben.“

„Dann planst du diesen Unsinn also schon länger.“

„Seit drei Tagen, seit ich beschlossen habe, zu heiraten“, antwortete der Marquis. „Ich habe mir gesagt, wenn ich das Rennen überlebe, dann kann ich auch eine Ehe überleben. Zwischen beidem scheint es keinen großen Unterschied zu geben, außer, dass das Steeplechase mehr Spaß machen wird.“

„Die Wahrheit ist, du suchst die Gefahr“, sagte Freddie. „Also, dann sag mir schon, welche Bedingungen diese Veranstaltung so einzigartig machen sollen.“

„Ich dachte, es wäre amüsant“, meinte der Marquis langsam, als suchte er nach Worten, „wenn jeder Teilnehmer reitet, als hätte er nur einen Arm und ein Auge. Zufällig ist es verdammt schwer mit einem Auge zu sehen, wenn man daran gewöhnt ist, zwei zu benutzen.“

„Und das heißt, dass es schwierig werden wird, die Zäune zu nehmen, und man sich zweifellos den Hals bricht! Das Risiko ist zu groß. Ich werde den Schiedsrichter spielen und zwei Augen benutzen.“

„Forsett macht das bereits. Er missbilligt es zwar, ist aber gleichzeitig vollkommen gerecht und jeder wird seine Entscheidung akzeptieren, sollte es zum Streit kommen.“

Freddie wusste, dass das stimmte, sofern es Lord Forsett betraf.

Er war älter als der Marquis und er selbst. Im Krieg war er schwer verwundet worden und konnte keine Rennen mehr reiten, geschweige denn ohne Stock gehen.

Alle respektierten ihn als tapferen Mann, und welche Entscheidung er auch treffen würde, sie würde akzeptiert werden.

„Forsett oder nicht Forsett“, sagte Freddie. „Ich hoffe nur, du hast genügend Bahrenträger bestellt, die die Verwundeten einsammeln, und Chirurgen, die die gebrochenen Arme und Beine wieder richten können. Außerdem natürlich auch Totengräber für diejenigen, die auf den Kopf fallen!“

„Sieh doch nicht so schwarz“, befahl der Marquis. „Wir werden das beste Dinner aller Zeiten haben. Die Weine sind Spitzenklasse die besten, die ich im Keller habe. Und danach wird die Mehrzahl der Anwesenden nur zu froh sein, um die Preise zu wetteifern, die ich ausgesetzt habe.“

„Das will ich wohl glauben, aber die vernünftigeren unter deinen Freunden werden zweifellos eine Entschuldigung finden, die sie hindert, deiner Einladung Folge zu leisten. Wer kommt?“