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Kriegerische Auseinandersetzungen mit verblüffendem Ausgang, Schlachten, die gegen alle Erwartungen der "Underdog" gewann, hat es immer wieder gegeben, in vorchristlichen Jahrhunderten bis hinein ins 20. Jahrhundert. Ebenso wie es in der Antike den an Menschen, Material und Militärmacht mehrfach überlegenen Persern unter ihren Königen Xerxes und Darius nicht gelang, die Griechen zu besiegen, schafften es 1954 weder die Franzosen, noch danach in den 60er Jahren die Amerikaner, den Krieg in Vietnam für sich zu entscheiden. Woran lag das? Was waren die Gründe, weshalb es in der Militärgeschichte der letzten 2500 Jahre immer wieder vorgekommen ist, dass der vermeintlich Schwächere den mächtigen, zahlenmäßig weit überlegen Gegner bezwingen konnte? Diesen Fragen geht Hans-Dieter Otto in diesem Buch anhand der bedeutendsten Überraschungssiege der Menschheitsgeschichte nach.
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Seitenzahl: 272
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Buch lesen
Cover
Haupttitel
Inhalt
Quellen- und Literaturverzeichnis
Über den Autor
Über das Buch
Impressum
Hinweise des Verlags
Hans-Dieter Otto
Verblüffende Siege
Die größten Überraschungscoups derKriegsgeschichte
Jan Thorbecke Verlag
Für Thomas
»Der Krieg ist nur um des Friedens Willen da.«
Aristoteles, »Politik«, VII, 14
David gegen Goliath – ein Vorwort
Das Ende einer Weltreichvision
Salamis, 28. September 480v.Chr.
Das Tor nach Asien
Granikos, Frühjahr 334v.Chr.
Tödliche Umfassung
Cannae, 2. August 216v.Chr.
Caesar versus Pompeius
Pharsalos, 9. August 48v.Chr.
Markstein einer Zeitenwende
Lechfeld, 10.–12. August 955
Der Untergang der Panzerreiter
Crécy, 26. August 1346
»Nun danket alle Gott!«
Leuthen, 5. Dezember 1757
Desaster am Delaware
Trenton, New Jersey, 24.–26. Dezember 1776
Der Weg ins Verderben
Russland, 24. Juni–23. Dezember 1812
Die vergebene Chance
Marne, September 1914
Entscheidung an der Maas
Belgien und Nordfrankreich, 10.–15. Mai 1940
Katastrophe am Yalu
Korea, November 1950–Januar 1951
David und der »Krieg der Sterne« – ein Nachwort
Quellen- und Literaturverzeichnis
Der Krieg zwischen Israel und den Philistern ist erneut ausgebrochen. Seit 1200 v. Chr. lebt dieses kulturell hoch entwickelte Volk an der Südwestküste Palästinas. Nun will es die benachbarten Israeliten endgültig besiegen und vertreiben. Bei Ephes-Dammin stehen sich die beiden Heere, nur durch ein Tal getrennt, kampfbereit gegenüber. Alles wartet auf den Beginn der entscheidenden Schlacht. Da tritt aus den Reihen der Philister ein riesiger Mann hervor. Er stammt aus Gath und heißt Goliath. Sechs Ellen und eine Handbreit sei er groß gewesen, berichtet die Bibel im 17. Kapitel des 1. Buches Samuel. Das entspricht einer kaum vorstellbaren Körpergröße von knapp drei Metern. Geschützt durch einen schweren Schuppenpanzer tritt er allein den Israeliten entgegen, schlägt dröhnend mit seinem bronzenen Schwert auf sein Schild, verhöhnt die Juden und fordert einen von ihnen zum Zweikampf heraus. Aber keiner ist dazu bereit. »Hoho! Ihr habt also keine Männer mehr in Israel! Dann holt doch die Bundeslade!«, spottet er. Das wiederholt sich mehrere Tage lang. Er würde auch gegen zwei oder sogar drei Israeliten zugleich kämpfen, ruft er ihnen zu. Wer ihn besiege, habe die ganze Schlacht gewonnen.
Auf der anderen Seite des Tales hören die Juden sein Gelächter. Auch der Schafhirte David hört es. Sein Vater Jesse hat ihn in das Kriegslager geschickt, um seinen beiden im Heer stehenden älteren Brüdern Brot, Käse und Wein zu bringen. »Wer ist dieser Philister, dass er das Heer des lebendigen Gottes verhöhnen darf?«, fragt David aufgebracht. Seine Brüder schicken ihn wieder nach Hause. Dies sei kein Ort für Knaben, sagen sie. Doch David geht nicht heim, sondern zum König Saul und bittet ihn, für Israel gegen Goliath kämpfen zu dürfen. Saul lächelt und schüttelt den Kopf. David bittet so lange und inständig, bis Saul schließlich einwilligt und ihm seinen eigenen Panzer übergibt. Aber der ist viel zu schwer für David. Er legt ihn wieder ab, nimmt seinen Stab und seine Schleuder und verstaut fünf glatte Steine in seiner Hirtentasche. Dann tritt er unter den Augen Tausender Israeliten mutig hinaus in das Tal und Goliath entgegen. »Was willst denn du, mein Knäbchen?«, spottet Goliath. Als er erneut beginnt, den Gott der Juden zu verhöhnen, ruft ihm David zu: »Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Krummschwert. Ich aber komme zu dir mit dem Namen des Herrn der Heerscharen, des Gottes der Schlachtreihen Israels, den du verhöhnt hast!« (1 Sam 17,45). Brüllend vor Wut stürmt Goliath mit erhobenem Schwert auf ihn zu. David legt einen Stein in die Schleuder und zieht mit ganzer Kraft ab. Der Stein trifft Goliath unter dem Helm direkt ins Auge. Einen Augenblick lang bleibt der Riese stehen, dann fällt er in seiner ganzen Länge vornüber auf sein Gesicht. David rennt zu ihm hin, nimmt Goliaths Schwert und schlägt ihm den Kopf ab. Mit einer Hand streckt er ihn den Schlachtreihen der Philister entgegen. Auf einen Moment großer Stille folgt ein wildes Geschrei, die Philister fliehen. Die Israeliten verfolgen sie bis vor die Tore Ekrons und erschlagen viele von ihnen. Die Schlacht ist gewonnen.
So will es jedenfalls die Legende. Denn kein Wissenschaftler, kein Archäologe konnte bisher nachweisen, dass Goliath tatsächlich gelebt hat. Man hält das zwar durchaus für möglich, denn viele antike Quellen berichten von der Existenz von Riesen. Aber der Beweis für einen historischen Goliath steht nach wie vor aus und wird wohl auch nie erbracht werden können. Dennoch ist der Kampf Davids gegen Goliath präsent bis in unsere Tage. Er wird gern als Vergleich herangezogen, wenn ein vermeintlich Schwächerer, der eigentlich kaum eine Chance hat, gegen einen stärkeren, übermächtigen Gegner antritt und gewinnt. Dem überraschend siegreichen Außenseiter gehört unsere Sympathie, im Sport und vielen anderen Bereichen unseres täglichen Lebens genauso wie im Krieg, wie in der Schlacht. Wenn Einfallsreichtum, Kühnheit und List den Stärkeren zu Fall bringen, wenn das Unvorhergesehene, das Unwahrscheinliche wahr wird, wenn »das tapfere Schneiderlein« wie in Grimms Märchen über die Riesen triumphiert, dann jubelt die Menge.
Von solchen überraschenden Siegen in der Militärgeschichte der Menschheit berichtet dieses Buch. Kriegerische Auseinandersetzungen mit verblüffendem Ausgang, Schlachten, die gegen alle Erwartungen der »Underdog« gewann, hat es schon immer gegeben, in vorchristlichen Jahrhunderten bis hinein in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und bis heute. Ebenso wie es in der Antike den an Menschen, Material und Militärmacht mehrfach überlegenen Persern unter ihren Königen Xerxes und Darius nicht gelang, die Griechen zu besiegen, schafften es 1954 weder die Franzosen noch danach in den 60er-Jahren die Amerikaner, den Krieg in Vietnam für sich zu entscheiden. Und auch die hochgerüstete Sowjetunion konnte in der Dekade von 1979 bis 1989 den blutigen Krieg in Afghanistan nicht gewinnen. Woran lag das? Aus welchen Gründen ist es in der Militärgeschichte der letzten 2500 Jahre immer wieder vorgekommen, dass der vermeintlich Schwächere den mächtigen, zahlenmäßig weit überlegenen Gegner bezwingen konnte?
Die Antwort ist ebenso überraschend wie simpel: Den Ausgang bestimmt die überlegene Strategie. Sie bewirkt letztlich mehr als Macht und Stärke. Der amerikanische Politikwissenschaftler Ivan Arreguin-Toft, Mitglied des Internationalen Sicherheitsprogramms der »John F. Kennedy School of Government« an der Harvard Universität und ein zuvor lange Jahre in Augsburg stationierter Veteran der US Army, hat 2005 in statistischen Auswertungen und Untersuchungen aller kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen schwachen und starken Gegnern der letzten 200 Jahre nachgewiesen, dass der an Bevölkerung und militärischer Stärke rund zehnfach Überlegene in 71,5 Prozent aller Fälle die Oberhand behalten hat. Dieses Verhältnis ändert sich aber sofort, wenn der Underdog im Vergleich des konventionellen Kräfteverhältnisses beider Seiten seine Schwäche und Unterlegenheit erkennt und daraufhin – wie David – eine unkonventionelle, überraschende Strategie wählt, die seine Gewinnaussichten erheblich verbessert. Als Arreguin-Toft seine Daten unter diesem Gesichtspunkt noch einmal analysierte, stellte er fest, dass sich in diesen Fällen die Gewinnchancen des Underdogs von 28,5 auf 63,6 Prozent erhöhten. Das ist nun in der Tat ein überraschendes Ergebnis, das zu der Aussage berechtigt: Wenn der Schwächere sich entscheidet, nicht nach den Methoden und Regeln des Goliath zu kämpfen, gewinnt er gegen alle Erwartungen zwei von drei Auseinandersetzungen!
Diese Erkenntnis macht verständlich, dass wir in der Kriegsgeschichte verhältnismäßig viele Fälle finden, in denen der vermeintlich Schwächere in der Schlacht einen überraschenden Sieg davontragen konnte. Die in diesem Buch getroffene Auswahl ist daher sehr subjektiv und berücksichtigt sowohl berühmte als auch weniger bekannte Schlachten. Es gibt auch Fälle, in denen einer der Kombattanten glaubt, den Sieg schon in der Tasche zu haben, ihn dann aber sozusagen auf den letzten Metern durch strategische oder taktische Fehlentscheidungen doch noch aus der Hand gibt. Dann grenzt der Ausgang geradezu an ein Wunder. Im September 1914 fällt den Franzosen an der Marne auf diese Weise der Sieg in den Schoß. Und Ende Mai 1940 gelingt es den an der Kanalküste bei Dünkirchen von deutschen Armeen eingeschlossenen Briten, auf einer improvisierten, zum Teil aus Fischerbooten bestehenden Schiffsarmada überraschend über den Kanal zu entkommen. Weil Hitler zögert, den »Sack schnell zuzumachen« und es Görings Luftwaffe nicht gelingt, den am Strand zusammengedrängten Feind zu vernichten, können bis zum 3. Juni, als die deutschen Panzer nur noch zwei Kilometer vom Meer entfernt sind, 338.000 Mann, darunter 110.000 Franzosen, nach England evakuiert werden. Die Briten sehen in Dünkirchen einen ihrer größten Triumphe. Aus einer Niederlage wird letztlich noch ein Sieg, denn vier Jahre später kehren die geretteten Soldaten bei der Landung in der Normandie auf das Festland zurück.
Die Gründe für einen Überraschungssieg können also vielfältig sein. In seinem 1832 bis 1834 erschienenen berühmten Buch »Vom Kriege« hat der preußische General Carl von Clausewitz dem Moment der Überraschung in der Schlacht ein ganzes Kapitel gewidmet. Sie sei ein Mittel zur Überlegenheit, schreibt er. Wo sie in hohem Grade gelingt, zum Beispiel durch unerwartete Verteilung der Kräfte im Angriff oder in der Verteidigung, sind Verwirrung und gebrochener Mut beim Gegner die Folgen. Nach Clausewitz sind die Grundlagen für die Überraschung vornehmlich in zwei taktischen Faktoren zu sehen: Geheimhaltung und Schnelligkeit. Aber auch »auf dem höheren Gebiet der Strategie« gäbe es das Moment der Überraschung. Als Beispiel »für einen ganz unerwarteten Krieg« nennt er den Einfall Friedrichs des Großen im Winter 1740 in Schlesien. Damit beginnt eine lange Auseinandersetzung mit einem kräfte- und zahlenmäßig überlegenen Gegner: Österreich. Gründlich gelungene strategische Überraschungen enden zumeist mit glänzenden Siegen über einen stärkeren Feind oder sogar eine Koalition von Feinden. Einigen solchen verblüffenden strategischen Siegen werden wir in den nachfolgenden Kapiteln begegnen.
Die Kriegsgeschichte beweist auch: Je schwächer die Kräfte sind, die der strategischen Führung zur Verfügung stehen, desto eher verfällt sie auf eine List, um den Sieg herbeizuführen. Sie ist eines der ältesten Kampfmittel. Clausewitz sagt: Wenn sich dem Schwachen und Kleinen die List als letzte Hilfe anbietet, sein Heil in einem mutigen, verzweifelten Schlag zu suchen, dann tritt die List der Kühnheit zur Seite und kann ungeheure Erfolge erringen. Denken wir nur an die Geschichte von Odysseus und dem hölzernen »Trojanischen Pferd«, das mit darin verborgenen griechischen Kriegern als Geschenk in das lange Jahre vergeblich belagerte Troja gebracht wird und überraschend dazu führt, dass die mächtige Stadt schon am nächsten Tag nur noch ein rauchender Trümmerhaufen ist. Auch Varus, der römische Statthalter in Germanien, fällt auf eine Kriegslist des Cheruskerführers Arminius herein. Vermutlich bei Kalkriese am Wiehengebirge, in der Nähe des Teutoburger Waldes, lockt er drei römische Legionen in eine Falle. Wieder einmal siegt David über Goliath. Die vereinigten germanischen Stämme vernichten die Römer 9 n. Chr. in einem blutigen Gemetzel und zerstören damit den Mythos von deren Unbesiegbarkeit. Der überraschende, totale Sieg führt zur Befreiung Germaniens und verhindert, dass es wie Gallien römisch wird.
Zu militärischen Überraschungscoups besonderer Art zählen handstreichartige Unternehmungen, die den Erfolg in der Schlacht durch die Einnahme einer Burg, Festung oder gar einer ganzen Stadt vorbereiten oder sicherstellen. Als der französische König Philipp August die englischen Festlandsbesitzungen nördlich der Loire zurückgewinnen will und im Spätsommer 1203 mit der Belagerung der wichtigsten Festung – der als uneinnehmbar geltenden Burg Gaillard in der Normandie – beginnt, gelingt es ihm trotz weitreichender Katapulte und hoher Belagerungstürme nicht, bis zum inneren Burghof vorzudringen. Nachdem auch der letzte Sturmangriff im Frühjahr 1204 erfolglos ist, beschließen die Franzosen aufzugeben und wieder abzuziehen. Da entdeckt ein aufmerksamer Offizier im Burggraben einen Latrinenabfluss, der bis in den mittleren Burghof führt. Er zwängt sich hinein und kriecht, gefolgt von seinen Soldaten, hinauf. Die Verteidiger in der Burg sind völlig überrascht und kapitulieren sofort. Mit dem Fall von Gaillard geht für England die ganze Normandie verloren.
Im Zweiten Weltkrieg gilt auch das belgische Fort Eben Emael als nördlicher Eckpfeiler der Festung Lüttich als unüberwindbar. Die tief unter der Erde miteinander verbundenen Bunker bilden mit ihren Artillerie-Kasematten und drehbaren Panzerkuppeln, zahlreichen Gräben und sieben Meter hohen Mauern ein von 1000 Soldaten derart stark verteidigtes Bollwerk, dass es unmöglich erscheint, an diese Festung heranzukommen, geschweige denn, sie einzunehmen. Aber in einer überraschenden, kühnen Aktion, einer der gewagtesten der modernen Kriegsgeschichte, gelingt es einer extra für dieses Unternehmen ausgebildeten deutschen Fallschirmjägereinheit am 10. Mai 1940, mit Lastenseglern auf den Kuppeln zu landen und im Nahkampf die einzelnen Festungswerke auszuschalten. Mit Unterstützung eines Infanterieregiments, das sich schon am nächsten Tag bis zum Fort durchkämpft, wird der Angelpunkt der belgischen Verteidigung zur Verblüffung der Alliierten blitzartig geknackt und erobert. Einen ähnlichen Überraschungscoup, mit dem es den Amerikanern in ihrem Unabhängigkeitskrieg Ende Dezember 1776 gelingt, mit wenigen Truppen gleich eine ganze Stadt einzunehmen, wollen wir uns im Kapitel »Desaster am Delaware« näher anschauen.
Die Anwendung einer besonderen, überraschenden Strategie gegen einen kräftemäßig überlegenen Feind hat speziell im Ersten und Zweiten Weltkrieg zu spektakulären Siegen geführt. Im August 1914 steht die 8. deutsche, zur Hälfte aus Landwehr und Ersatz- und Reservetruppen bstehende Armee in Ostpreußen einem zahlenmäßig weit überlegenen Feind gegenüber: 13 deutsche Divisionen gegen 21 russische und eine einzige Kavalleriedivision gegen zehn auf Seiten des Feindes. Die Russen rechnen nur damit, dass die Deutschen versuchen werden, sich gegen die von zwei Seiten angreifende Übermacht zu verteidigen, nicht damit, dass sie ihr Heil im Angriff suchen. Doch genau das tun sie. Nach dem Plan des Generalstabschefs Moltke gelingt es General Ludendorff zusammen mit dem Oberbefehlshaber Ost, Generaloberst Paul von Hindenburg, die Russen unter Ausnutzung des Vorteils der inneren Linie in eine Falle zu locken und bei Tannenberg in einer sechs Tage dauernden Vernichtungsschlacht (26.–31. August 1914) zu besiegen.
Im Herbst und Winter 1939 liegt dem Leitgedanken der deutschen Angriffsvorbereitungen im Westen ein alter Plan zugrunde, nach dem schon 1914 die französischen Armeen durch Schwenkung des rechten Flügels in Form einer einarmigen Zange umfasst und in einem riesigen Kessel vernichtet werden sollten. Aber dem Stabschef von Rundstedts Heeresgruppe A, General von Manstein, erscheint dieser aufgewärmte Schlieffenplan bedenklich und wenig erfolgversprechend, weil ihm vor allem jedes Moment der Überraschung fehlt. Er entwickelt einen ebenso genialen wie verwegenen Gegenplan, der von Hitler begeistert aufgenommen wird. Statt des von den Alliierten erwarteten geraden Stoßes nach Belgien hinein verlegt er den Schwerpunkt des deutschen Vormarsches vom rechten Flügel auf die Mitte. Die deutschen Panzerverbände sollen da vorstoßen, wo es der Gegner am wenigsten erwartet: durch die unwegsamen, waldigen und bergigen Ardennen. Wenn die Panzer sie erst einmal überwunden haben, können sie ungehindert durch das flache Nordfrankreich zur Küste rollen und die nach Belgien und Holland vorrückenden alliierten Armeen von ihrer Basis abschneiden. Angesichts der hohen Risiken dieses kühnen »Sichelschnitt«-Plans und der Kräfteüberlegenheit des Gegners ist Generalstabschef Halder höchst besorgt. Aber der Plan funktioniert bestens und bestätigt in eindrucksvoller Weise, was der italienische Staatsmann und Geschichtsschreiber Machiavelli bereits 1532 in seinen Historien von Florenz zum Ausdruck gebracht hat: »Am leichtesten gelingen diejenigen Pläne im Kriege, die vom Feinde für unmöglich gehalten werden.« Die gegnerischen Armeen gehen tatsächlich nach Norden in die Falle, und der Degenstoß in ihren Rücken durch sieben deutsche Panzerdivisionen, die das raue Ardennengelände durchbrechen, führt zu einem deutschen Sieg. In dem Kapitel »Entscheidung an der Maas« werden wir Einzelheiten über diese Schlacht erfahren.
Doch die folgenden Reportagen über einige verblüffende Siege der Militärgeschichte beschränken sich keineswegs auf die bloße Schilderung des detaillierten Ablaufs der Schlacht, sondern die präzise Spurensuche eröffnet zugleich auch einen aufregenden Rückblick auf die Historie verschiedenster Zeitepochen und auf Personen, die sie herausragend bestimmten. Wir treffen auf Xerxes, Alexander den Großen, Hannibal und Caesar, begegnen so unterschiedlichen Gestalten wie Themistokles, König Edward III. von England und König Philipp VI. von Frankreich, Otto dem Großen, Friedrich dem Großen, Napoleon sowie George Washington, Harry S. Truman oder Mao Tse-tung und finden uns auch an der Seite einiger bekannter Heer- und Armeeführer der neueren Zeit wieder, wie zum Beispiel Helmuth von Moltke, Heinz Guderian, Erich von Manstein, Erwin Rommel und Douglas MacArthur.
Die Geschichte wird lebendig, sehr lebendig sogar. Sie kommt uns hautnah näher und wird uns begeistern, getreu der Erkenntnis von Johann Wolfgang von Goethe, die er in seinen »Maximen und Reflexionen« niedergeschrieben hat: »Das Beste, was wir an der Geschichte haben, ist der Enthusiasmus, den sie erzeugt.«
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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