Verbotene Stunden in den Armen des Königs - Pippa Roscoe - E-Book

Verbotene Stunden in den Armen des Königs E-Book

Pippa Roscoe

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Beschreibung

Hofdame Henna bricht es fast das Herz: König Aleksander bittet ausgerechnet sie, eine standesgemäße Braut für ihn zu finden. Er braucht eine Königin an seiner Seite, um die Thronfolge von Svardia zu sichern. Pflichtbewusst stimmt Henna zu – dabei verzehrt sie sich selbst seit frühester Jugend nach dem sexy Adeligen! Auch wenn sie weiß: Ein paar verbotene Stunden in seinen Armen sind alles, was sie jemals erhoffen kann. Sie stammen aus verschiedenen Welten – und Aleksander wird sich immer seiner Pflicht beugen!

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Seitenzahl: 206

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IMPRESSUM

JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2022 by Pippa Roscoe Originaltitel: „Claimed to Save His Crown“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2578 01/2023 Übersetzung: Rita Koppers

Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 01/2023 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751518253

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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PROLOG

Sie hatte sich verlaufen. Völlig verirrt.

Ungehalten wischte Henna die Tränen fort und biss auf ihre Lippe, damit ihr Zittern nicht zu einem Schluchzen wurde. Überall, wo sie hinsah, entdeckte sie nichts als Blätter. Winzige grüne Blätter. Tausende. Es war sinnlos. Sie ging den schmalen Weg zurück und dann um eine Ecke. Hoffnung erfasste sie, bis sie wieder auf eine Sackgasse stieß.

Sie war verloren.

Hätte Marcella, ihre Stiefmutter, sie doch nur nicht zu dieser albernen Party geschickt. Henna hatte das Gefühl, seit Stunden in dem Irrgarten des Königspalastes von Svardia festzusitzen, und vermutlich würde sie hier noch immer feststecken, wenn der Abend hereinbrach. Was, wenn niemand sie fand? Es wäre dumm von ihr zu glauben, dass Viveca auf sie warten würde. Ihre Stiefschwester war nur zwei Jahre älter als sie, und obwohl sie es nie laut zugeben würde, war Viveca ein niederträchtiger Mensch.

Hennas Haare lösten sich aus dem Band, mit dem sie versucht hatte, es zusammenzufassen. Wütend zog sie an den Strähnen, die der Friseur ihrer Stiefmutter kurz geschnitten hatte. Eine weitere Träne drohte über ihre Wange zu rollen. Sie hatte ihre langen Haare geliebt, die sie daran erinnerten, wie ihr Vater sie jeden Morgen zu Zöpfen geflochten und jeden Abend vor dem Zubettgehen gebürstet hatte. Ein scharfer Schmerz ließ sie aufschluchzen. Sie vermisste ihn so sehr. Egal wie oft Marcella ihr sagte, dass sie mit zwölf Jahren zu alt zum Weinen war und dass drei Jahre Trauer zu lang seien, blieb der Schmerz, der Hennas gesamten Körper erfasste, bis sie völlig erschöpft war.

Sie drehte sich um und ging den Weg zurück, den sie gekommen war. Als sie ein Lachen hörte, hob sich ihr Magen, weil sie sich vorstellte, wie Viveca sich an ihrer Notlage weidete. Die Tränen fielen nun schneller, der Schmerz wurde größer, und als sie über eine Baumwurzel stolperte, wäre sie am liebsten am Boden hockengeblieben und nie wieder aufgestanden. Kies drückte sich schmerzhaft in Knie und Handflächen, und selbst als die gedämpfte Stimme – tiefer als die ihrer Schwester – näherkam, konnte sie sich immer noch nicht rühren. Sie hörte die Stimme wieder, als eine Träne auf die trockene Erde fiel. Sie sprach mit jemandem, sagte, dass es an der Zeit war, zur Party zurückzukehren. Bald darauf waren da Schritte, und sie sah hoch.

Sofort bedauerte sie es. Ausgerechnet er musste sie hier finden. Für eine Sekunde wünschte sie tatsächlich, es wäre Viveca gewesen. Nicht nur, weil er der coolste und beliebteste Junge der Schule war, der Beste im Sport und dazu noch intelligent, sondern eben obendrein auch der Prinz von Svardia. Er musste mit Kristine gesprochen haben, seiner Freundin. Auch wenn manche der Schüler hinter vorgehaltener Hand sagten, was für ein seltsames Paar die beiden seien, war sie doch nett und hübsch.

Als Prinz Aleksander in die Hocke ging, kroch Henna weg von ihm, als wäre er eine gefährliche Kreatur. Beschwichtigend hob er die Hände. „Ich wollte nur nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“ Mit seinen dunkelbraunen Augen sah er sie unbeirrt an. „Meine Schwester hat sich hier einmal verirrt, und es dauerte eine Ewigkeit, bis wir sie gefunden haben.“

Seine Worte bewirkten, dass sie sich nicht mehr ganz so dumm vorkam, weil sie sich verirrt hatte. Sie stand auf und wischte ihre Hände an dem Partykleid aus heller Seide ab. Marcella würde sie umbringen, weil sie es ruiniert hatte.

Henna warf ihm einen Blick zu, in der Hoffnung, dass es nicht so aussah, als würde sie ihn anstarren. Drei Jahre älter als sie hatte der Prinz dichte dunkle Haare, freundliche Augen, und er schenkte jedem ein Lächeln. An der Schule lautete sein Spitzname „Traumprinz“, weil er so nett war.

„Und?“, fragte er.

Verständnislos sah sie ihn an.

„Alles in Ordnung?“, wiederholte er. In seiner Stimme klang ein Lachen mit, aber er lachte nicht über sie. Der Gedanke machte sie noch trauriger, weil er nie mit ihr lachen würde. Sie nickte, doch ihre Miene musste sie verraten haben, denn er sah sie forschend an, sodass sie den Blick abwandte.

„Du bist Vivecas Halbschwester?“

Wieder nickte sie, und als er angewidert das Gesicht verzog, musste sie lachen.

„Komm, wir sollten zurück zur Party gehen“, sagte er und riss sie aus ihren Gedanken. Er streckte die Hand nach ihr aus, und sie starrte sie einen Moment nur an, ehe sie ihre Hand vorsichtig in seine legte. „Sag mal“, meinte er mit einem herzlichen Lächeln, „kennst du eigentlich meine Schwester?“

In diesem Moment wusste die junge Henna nicht, wie sehr diese unschuldige Frage ihr Leben verändern würde.

1. KAPITEL

Freya starrte sie an. Ihre erstaunlichen bernsteinfarbenen Augen leuchteten, und sie hatte die Hände im Schoss verschränkt. Ihr Mund formte das Wort „Bitte“, und sie sah Henna so flehentlich an, dass sie alles tun würde, was die Prinzessin von Svardia wollte.

„Es würde dir recht geschehen, wenn ich mich weigern würde“, schimpfte sie und verdrehte die Augen, als Freya von ihrem Sessel hochsprang, ihre Arme um Henna schlang und so heftig mit ihr auf- und abhüpfte, dass der Papierstapel auf Hennas Tisch ins Wanken zu geraten drohte.

„Danke, danke, danke. Du bist die beste Hofdame überhaupt“, rief Freya.

„Ich bin deine einzige Hofdame“, sagte Henna, unfähig, ihr Lächeln zu verbergen, weil ihre älteste Freundin so glücklich war.

„Und du bist sicher, dass es kein zu großes Problem ist?“, fragte die Prinzessin.

Es wäre ein Riesenaufwand und mindestens drei Stunden Extraarbeit an diesem Abend, aber das würde Henna ihr nicht sagen.

„Natürlich nicht. Und jetzt geh. Du hast einen schönen Verlobten, der auf dich wartet, um dich in seinem Privatjet zu irgendeinem geheimen exotischen Ort zu verschleppen.“

Freya presste die Hände auf die Brust. „Ja, nicht wahr?“, sagte sie, als könnte sie es selbst nicht glauben.

„Grüß Kjell von mir“, rief Henna, als sie durch die Tür verschwand.

Henna seufzte und sah auf den Berg Papiere auf ihrem Schreibtisch, ehe sie sich einen Kaffee machte und sich wieder vor ihren Computer setzte.

Kjells romantische Geste war süß, aber es würde ein bisschen schwierig werden, es dem französischen Botschafter zu erklären, der damit rechnete, sich am Wochenende mit ihrer königlichen Hoheit zu treffen. Für Kjell würde es für eine ganze Weile die letzte Spritztour sein. Denn waren sie erst verlobt, könnte er nicht mehr so spontan sein, würde seinen Platz einnehmen und seine königlichen Pflichten erfüllen müssen. Henna war beinahe sicher, dass sich der neu ernannte Herzog deshalb zwei Wochen vor der Verlobungsfeier zusammen mit Freya aus dem Staub machte.

Einen Moment fragte sie sich, wie es sein würde, von einem attraktiven Mann an einen luxuriösen Ort entführt zu werden, ehe sie über sich selbst lachen musste. Denn sie hatte hier viel zu viel zu tun. Henna griff nach dem Telefon und gab die Nummer der französischen Botschaft ein. Während sie darauf wartete, zu Botschafter Toussaint durchgestellt zu werden, fiel ihr Blick auf eine E-Mail, die oben in ihrem Posteingang aufschien. Stirnrunzelnd klickte sie die Nachricht an.

„Hallo? Ms. Olin?“

Sie schüttelte den Kopf, um den Nebel zu verscheuchen, der ihr Hirn für einen Moment außer Kraft gesetzt hatte, drehte sich auf ihrem Stuhl um, weil sie sich von der Nachricht nicht ablenken lassen wollte, und konzentrierte sich auf derzeitige Pflicht.

„Botschafter Toussaint, es tut mir sehr leid, Sie darum bitten zu müssen, aber ich fürchte, ich werde Ihre Hilfe brauchen.“

Es dauerte fünfzehn Minuten, bis sie es geschafft hatte, das Treffen mit der ausländischen Botschaft zu canceln, was einem Weg durch ein Minenfeld glich, ohne jemanden zu verärgern, Egos anzukratzen oder unerfüllbare Versprechen abzugeben. Die ganze Zeit ignorierte sie die E-Mail, die in ihrem Hinterkopf lauerte.

Als sie den Anruf endlich beendet hatte, fuhr sie sich so unwirsch mit der Hand über die erhitzte Stirn, dass die Haare zu Berge standen. Nachdem sie sich gewappnet hatte, drehte sie sich wieder zu der Nachricht um, die ihren Herzschlag in die Höhe schnellen ließ.

Liebe Miss Olin …

… vertrauenswürdiges Mitglied des königlichen Personals von Svardia …

nachdrücklich empfohlen … glauben wir, dass Sie genau die Richtige sind 

sehr faires Gehalt …

Man wollte sie abwerben.

Henna kniff leicht die Augen zusammen, um zu prüfen, ob es vielleicht einen kleinen Haken an der Sache gab, der das Angebot weniger … verlockend machte. Aber nein, was sie ihr anboten, war eine einmalige Chance für sie. Und das hieß schon etwas, für eine Hofdame. Der Name ihres zukünftigen Chefs wurde nicht erwähnt, aber es gab genügend Anhaltspunkte, sodass sie es sich selbst zusammenreimen konnte. Bei der Firmenchefin handelte es sich um eine tatkräftige Frau, die international bekannt war und fest entschlossen, nur an Projekten zu arbeiten, die global von Bedeutung waren. Henna schüttelte den Kopf, verwirrt darüber, dass die Nachricht so verlockend für sie war.

Sie würde Freya oder deren jüngere Schwester Marit nie verlassen. Gleichzeitig fiel ihr jedoch ein, dass sie nun alles verändern würde. Nachdem sich Marit heimlich mit Lykos Livas, dem griechischen Milliardär, verlobt hatte und Freyas und Kjells Verlobungsball in zwei Wochen stattfinden würde, würden die Prinzessinnen bald ihr eigenes Leben führen. Sie hatten ihre Partner gefunden, ihre Vertrauten, und würden sie kaum noch brauchen. Henna sah auf den Papierstapel auf ihrem Schreibtisch. Es würde in Bezug auf die königlichen Geschwister immer genügend Arbeit geben, um sie beschäftigt zu halten – aber was, wenn sie mehr als das wollte?

Wieder schüttelte sie den Kopf und flüsterte ein Nein. Sie liebte Svardia. Sie lebte schon immer hier, und auch wenn sie wegen ihrer Verpflichtungen für Freya um die ganze Welt gereist war, war das Schönste daran immer gewesen, wieder nach Hause zu kommen. Sie liebte es, den Wechsel der Jahreszeit an den Blättern der großen Bäume in den Palastgärten zu beobachten. Die salzige Brise vom Meer, die zerklüftete Küste. All das wollte sie nicht einfach verlassen.

Das Klingeln ihres Handys riss sie aus ihren Gedanken, und sie sah, dass es Freya war, als sie den Anruf annahm.

„Triffst du dich mit deiner Schwester?“, fragte Freya, die dem Hintergrundgeräusch nach gerade im Wagen über die Schotterstraße zu der privaten Startbahn im Palastgelände fuhr.

„Stiefschwester“, verbesserte sie, während sich ein Gefühl der Benommenheit in ihr ausbreitete. „Nein. Warum?“

„Ich habe gesehen, dass sie in ihrem Wagen vorgefahren ist, und wollte dich vorwarnen. Ich frage mich, was sie hier macht.“

Henna hingegen musste nicht lange überlegen. Aleksander.

Allmählich beschlich Aleksander das Gefühl, dass diese „großartige Idee“ tatsächlich sehr schlecht war.

Theoretisch betrachtet war sie perfekt. Sie würde den Titel ihrer Mutter, der Marquise, erben, sie war reich, schön, gebildet und kultiviert. Seine Familie kannte ihre schon, seit sie Kinder waren. Sie bewegte sich in den gleichen Kreisen wie er. Aber offensichtlich war ihm etwas entgangen. Denn kaum öffnete sie ihren Mund mit dem blutroten Lippenstift, musste er dem Impuls widerstehen, zusammenzuzucken.

„Ich habe ihm gesagt, dass er mich unmöglich mit Lady Annabelle verwechseln kann, denn die Frau sieht ständig zerzaust und ungepflegt aus. Ich meine, schauen Sie mich doch an.“ Der bösartige Kommentar durchschnitt die Luft, genauso wie die dramatische Bewegung ihrer Hand, als sie damit auf ihren Körper deutete.

Viveca saß in einer sehr ungemütlich aussehenden Stellung auf der Sofakante. Ihre übereinandergeschlagenen Beine enthüllten mehr, als Aleksander lieb war. Die roten Lederschuhe passten farblich zu ihrem geschmacklosen Lippenstift. Dazu trug sie ein hellgelbes, enges Kleid, das zeigte, dass ihr Körper weniger gerundet, sondern eher knochig war.

Nein. Aleksander, König von Svardia, war Manns genug, um sich einzugestehen, dass er einen Riesenfehler gemacht hatte. Wie Henna in der Nähe dieser Frau hatte aufwachsen können, ohne einen Mord zu begehen, würde eine der größten unbeantworteten Fragen in seinem Leben sein.

Aleksander räumte ein, dass er ein wenig voreilig gewesen war, verlockt durch die Möglichkeit, leicht eine potenzielle Verlobte finden zu können. Denn genau das musste es sein – einfach. Vor ein paar Monaten hatte sein Vater, gemäß der Tradition, an seinem fünfundsechzigsten Geburtstag abgedankt, und Aleksander hatte mit neunundzwanzig Jahren den Thron des skandinavischen Königreichs bestiegen. Am Tag nach der Krönung waren seine Eltern zu einem einjährigen Sabbatjahr aufgebrochen, das dem neuen Monarchen erlaubte, als Herrscher Fuß zu fassen.

Er war sechs Jahre alt gewesen, als sein Onkel, der König, starb. Sein Vater war gezwungen gewesen, den Thron zu übernehmen, den er nie hatte haben wollen, aber er hatte sehr entschlossen und auf sein Land konzentriert regiert. Er ließ sich von nichts von seinen Pflichten abhalten, und er hatte dafür gesorgt, seinen Kindern die gleiche Haltung beizubringen. Ob sie es wollten oder nicht. Doch Aleksander verspürte großen Widerwillen, dass er nun in einer Position war, in der er einem seiner möglichen Erben ein gleiches Schicksal aufbürden könnte.

Die unangenehme Vorstellung holte ihn in die Gegenwart und in das Wohnzimmer seiner Palastsuite zurück, wo Viveca sich gerade eine Tasse Tee von einem Tablett nahm, das ein Diener ihr hinhielt, ohne dass sie ihn eines Blickes würdigte. Stattdessen betrachtete sie die italienischen Barockmöbel und Gestaltungselemente, die im gesamten Palast zu finden waren, weil irgendein lange vergessener Vorfahre eine Vorliebe für diesen Stil gehabt hatte. Aleksander hingegen hasste ihn. Kaum vorstellbar, mit den Herrschern der Welt in einem taubenblauen Raum mit goldener Filigranarbeit ein Gespräch über nukleare Abrüstung zu führen.

„Es ist wunderschön“, meinte sie lasziv.

Als Antwort gab er nur ein Knurren von sich, doch sie hob nicht einmal eine ihrer sorgfältig gezupften Augenbrauen. Frauen wie sie hatte er an den Armen reicher, alter Männer gesehen. Aleksander verurteilte sie nicht, das tat er nie. Wenn sie ihren Körper für finanzielle Sicherheit verschleudern wollten, dann war das ihre Entscheidung. Aber er würde nie dieser reiche, alte Mann sein. Und Viveca kam ganz sicher nicht infrage, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er trotzdem eine Königin brauchte.

Die Zeit lief ihm davon. Dass die schreckliche Neuigkeit von Freyas Unfruchtbarkeit immer noch ein Geheimnis war, grenzte schon an ein Wunder, aber das würde nicht mehr lange so bleiben. Die Situation musste mit Fingerspitzengefühl behandelt werden. Sonst würde die Presse Freya in der Luft zerreißen und dann als Nächstes Marits Fruchtbarkeit infrage stellen. Und das war inakzeptabel. Das Vertrauen in die Königsfamilie wäre auf Jahre geschwächt. Wenn Aleksander also heiraten musste, um seinen Schwestern und dem Land durch diese schwere Krise so früh in seiner Regentschaft zu helfen, dann würde er eben heiraten.

Er würde alles tun, was notwendig war, denn er wollte Svardia zu einem der bedeutendsten Länder der Welt machen. Sein Vater hatte das Land beschützt, als er nach dem schockierenden Tod seines Bruders König geworden war. Nun war es Aleksanders Aufgabe, es zum Erfolg zu führen. Um das schaffen zu können, musste die Nation ihrem König vertrauen. Und wenn die Menschen dafür eine Königin an seiner Seite brauchten, würde er ihnen eine geben. Auch wenn es das Letzte war, was er wollte.

Er warf einen Blick zu Viveca, um diese Farce zu beenden, als sein Körper auf die Existenz einer bisher unbemerkten Person reagierte. Instinktiv drehte er sich zu der nun offenen Tür um und entdeckte Henna, die hinter einer Maske den Ausdruck schierer Wut verbarg. Seltsam.

Henna war überrascht, als sie Vivecas Gruß, der deutlich ihr Missfallen ausdrückte, über das hohe Klingeln in ihren Ohren hörte.

„Schwester, du siehst … gut aus.“

Die Pause verriet, dass ihre Stiefschwester das genaue Gegenteil meinte. Unterstrichen von einer gebieterisch erhobenen Augenbraue war es ihr Ton, der am meisten wehtat. Als sei Viveca überrascht, dass Henna die Frechheit besaß, die gleiche Luft wie sie zu atmen. Viveca sah elegant aus, und Henna fühlte sich plötzlich unsichtbar in der Kleidung, die sie an diesem Morgen voller Stolz angezogen hatte.

„D… danke“, entgegnete Henna stotternd. „Ich bin nur gekommen, um …“ Den winzigen Moment, den sie brauchte, um zu realisieren, was sie sagen sollte, nutzte ihre Schwester sofort aus.

„Wunderbar. Ich nehme noch einen Tee. Du weißt sicher noch, wie ich ihn gerne trinke. Aleksander?“ Viveca wandte sich mit einem strahlenden Lächeln an ihn, als habe sie jedes Recht dazu, dem König in seinem eigenen Zuhause etwas zu trinken anzubieten.

Für eine Sekunde fühlte sich Henna hilflos gefangen in einer Kindheitserinnerung aus Wut, Schmerz und Ablehnung, die ihren Körper lähmte, ihr Herz vor Ungerechtigkeit jedoch wüten ließ. Und Aleksander bekam all das mit.

Viveca behandelte sie wie eine Bedienstete, seit ihre Mutter Hennas Vater ein halbes Jahr vor seinem Tod geheiratet hatte. Doch nachdem Henna in die Personalunterkunft im Palast gezogen war, musste sie sich den Forderungen ihrer Stiefschwester nicht mehr beugen. Außerdem wusste Viveca genau, dass sie mehr tat als nur Tee und Kaffee zu machen. Es war reine Bosheit, wie so oft, als wollte Viveca testen, wie weit sie gehen konnte, bevor Henna zusammenbrechen würde.

Und das brachte Henna wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie würde Viveca nie das gegeben, was sie wollte. Es mochte Jahre gedauert haben – und einen besonders schrecklichen Verrat –, aber sie hatte daraus gelernt und wusste, wie dieses Spiel funktionierte.

Sie straffte sich. „Eure Majestät“, sagte sie und wandte sich an Aleksander, „falls das Personal es vernachlässigt hat, Erfrischungen zu bringen, dann erlauben Sie mir, die Angelegenheit dem Personalchef des königlichen Haushalts vorzutragen.“

Kein Einziger der Bediensteten, die sich diskret im Raum aufhielten, rührte sich, weil jeder wusste, dass es eine leere Drohung von ihr war. Doch alle hielten die Luft an.

Würde der König Partei für seinen Gast ergreifen, oder würde er Vivecas verzogene Art aufdecken?

„Haben Sie die Angelegenheit mit dem französischen Botschafter geklärt?“

Heißer Zorn kochte in Henna, färbte ihre Wangen und raubte ihr den Atem. Sie redete sich ein, dass sie nicht deswegen so wütend war, weil er ihr ausgewichen war. Auch nicht, weil er Viveca als Verlobte in Betracht zog.

„Natürlich, Eure Majestät.“

Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah er sie an, und Henna merkte eine Sekunde zu spät, dass ihr Ton ihre Gefühle verraten hatte. Aleksander erhob sich und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. „Miss Olin?“, sagte er, ehe er den Raum durchquerte und ihr bedeutete, ihm durch die Tür zu folgen.

Die Haare in ihrem Nacken stellten sich auf, als sie an dem König von Svardia vorbeiging und den Salon verließ. Eine Entschuldigung lag ihr auf den Lippen, doch er hielt den Finger hoch, um sie zum Schweigen zu bringen. Sie hatte noch nie einem Mitglied der Königsfamilie eine scharfe Antwort gegeben und war auch noch nie wegen ihres Verhaltens abgemahnt worden. Die Einzigen, die je etwas an ihr beanstandet hatten, waren ihre Stiefmutter und die Stiefschwester.

Faul, egoistisch, unhöflich, so hatten sie sie bezeichnet. Und es hatte wehgetan, weil sie sich nicht so sah. Fassungslos hatte sie sich stundenlang Gedanken über ihr Verhalten und ihren Ton gemacht und schrecklich an sich gezweifelt. In der Folge hatte sie noch mehr gearbeitet, war noch netter und selbstloser gewesen, doch das schien alles nur noch schlimmer zu machen. Aber diesmal war sie nicht nur unhöflich gewesen, sondern hatte sich vor den Bediensteten und dem Gast des Königs unangemessen verhalten.

Noch einmal öffnete sie den Mund, um sich zu entschuldigen, doch er hob eine Augenbraue, als wollte er sie daran erinnern, dass sie nur dann sprechen durfte, wenn er es ihr sagte. Sie biss sich auf die Lippe und wünschte sich in diesem Moment, dass seine Arroganz ihm nicht so gut stehen würde. Die erhobene Augenbraue unterstrich noch seine gebieterische Haltung.

Henna war überzeugt, dass Aleksander bewusst eine geheimnisvolle Fassade kultivierte, für die er überall bekannt war, aber sie hatte herausgefunden, dass sie ihn, wenn nötig, entschlüsseln konnte. Sicher, seine Selbstbeherrschung war legendär, doch seine Augen verrieten ihn.

Hätte sie ihn nicht schon als Jugendlichen gekannt, bevor er sich verändert hatte, würde sie sich vielleicht schwerer damit tun. Aber sie erinnerte sich immer noch an den charmanten, lachenden Jungen, den sie vor vierzehn Jahren kennengelernt und der sie mit seiner Schwester bekanntgemacht hatte. So hatte sie eine Freundin gefunden und schließlich einen Job und ein Zuhause. Jetzt allerdings sah der König sie mit warnendem Blick an.

„Sie können sie nicht heiraten“, platzte sie heraus und ignorierte die drohende Gefahr. „Das können Sie nicht machen.“

Dass er genau das Gleiche gedacht hatte, spielte jetzt keine Rolle. Niemand wagte es, ihm zu sagen, was er tun sollte. Aber Henna war anders. Schon immer.

„Wie kommen Sie auf die Idee, ich würde darüber nachdenken …?“

„Ich bin nicht dumm, Eure Majestät“, fiel sie ihm ins Wort, ohne sich noch zurückhalten zu können. Rote Flecken erschienen auf ihren Wangen.

Hätte er weniger Selbstkontrolle, hätte er vielleicht auf ihren Ton reagiert, doch er tat es nicht. Trotzdem trat Henna zurück und beugte den Kopf, als spürte sie sein Entsetzen.

„Eine Erklärung“, befahl er. Denn wenn Henna Bescheid wusste, dann …

„Sie haben in den letzten Wochen alles getan, um zu versichern, dass Freya das beliebteste Mitglied der Königsfamilie ist. Aber das funktioniert nur, bis die Presse von ihrer Diagnose erfährt. Marits Verlobung wird auch ein wenig helfen. Aber nur wenn Sie heiraten, wird das für die nötige Stabilität sorgen und die Lage entspannen, wenn Freyas Fruchtbarkeitsproblem öffentlich wird.“

Er forderte sie auf, weiterzusprechen.

„Es wäre nur folgerichtig für Sie, wenn Ihre zukünftige Königin schon an Ihrer Seite wäre, wenn die Verlobungen der Prinzessinnen verkündet werden. Man würde es Ihnen hoch anrechnen, dass Sie Ihren jüngeren Geschwistern den Vortritt lassen, bevor Sie Ihre eigene Verlobung verkünden, und gleichzeitig könnten Sie herausfinden, wie die Menschen auf Ihre zukünftige Braut reagieren.“

Er presste die Kiefermuskeln aufeinander. Wenn er so leicht durchschaubar war …

„Eure Majestät, da ich die Einzige bin, die über die Verlobungen der Prinzessinnen und Freyas Diagnose informiert wurde, ist es einfacher für mich …“ Sie zuckte mit den Schultern, weil sie ihm offensichtlich nicht deutlich sagen wollte, dass sie ihn durchschaut hatte.

Aleksander öffnete den Mund, um sie wegen ihrer Unverschämtheit abzumahnen. Doch zu seinem Entsetzen unterbrach sie ihn erneut.

„Außerdem haben Sie mich vor ein paar Wochen nach Viveca gefragt.“

Sie ist an Freya verschwendet gewesen, dachte er nur für eine Sekunde, ehe ihm klar wurde, dass er keine andere an der Seite seiner Schwester hätte haben wollen. Henna war immer dagewesen, für Freya und auch für Marit, wenn sie sich von ihren Eltern vergessen geglaubt hatten. Henna war da gewesen, wenn es ihm nicht möglich gewesen war, und es gefiel ihm nicht, wie abhängig er von ihr geworden war.

„Und warum sollte ich Ihre Schwester nicht heiraten?“ Aleksander selbst wusste, warum er sie nicht heiraten wollte.

Ihr bewusst ausdrucksloser Blick verriet ihm, dass sie ihm etwas verschwieg, und das war absolut inakzeptabel für ihn.

„Henna“, meinte er warnend.

„Sie sind einfach …“ Dass Henna nach Worten suchte, kam sonst nie vor. „Sie können ihr nicht vertrauen“, brachte sie schließlich heraus.

Ihre Worte wirkten wie eine Klinge, die seine Pläne mit ihrer Stiefschwester durchkreuzte.

„Warum?“

„Persönliche Gründe.“

Aleksander hatte den Eindruck, dass die spanische Inquisition auch nicht mehr aus der Hofdame seiner Schwester herausbekommen würde, und er konnte sich gerade noch zurückhalten, ihr dies zu sagen. „Na schön, aber das hilft mir nicht bei der Lösung dieser Situation, Henna.“